God of War 226.04.2007, Paul Kautz
God of War 2

Im Test:

Es geschieht nur sehr, sehr selten, dass ein Spiel aus dem Nichts kommt und über Nacht zur Legende wird: God of War hat das geschafft, was vor ihm nur Titel wie Tetris oder Final Fantasy 7 geschafft haben - die Spieler von der ersten Sekunde an nach mehr geifern zu lassen! Ein brillant designtes, brillant aussehendes, brillant klingendes Action-Juwel, das hierzulande zwar spät, aber immerhin überhaupt erschien. Eine verdammt harte Vorlage - kann der zweite Teil da noch einen draufsetzen?

»I will make you suffer!«

Kratos ist wieder da - und seine Gegner sind größer als je zuvor!
 Wir erinnern uns: Am Ende von God of War hat Antiheld Kratos dem Namen gebenden Kriegsgott Ares den Scheitel um die Gurgel gezogen und seinen göttlichen Platz im Olymp eingenommen. Der Thron scheint allerdings unbequem zu sein, denn Kratos wollte schnellstmöglich nur eines: Weg! Weg von den Götterkollegen, die ihr Versprechen, ihn von seinen Albträumen und Visionen zu  befreien, nicht einhielten! Also rebelliert er auf wenig subtile Weise, und mischt sich durchaus einseitig zugunsten seiner Spartaner-Brüder in diverse Kriege ein, was nach und nach immer mehr Ärger erregt. Schließlich hat nicht nur seine Schirmherrin Athene die göttliche Nase von den Extravaganzen dieses bleichen Emporkömmlings voll: Auf einem Ausflug ins Kriegsgeschehen wird ein Exempel statuiert: Kratos geht all seiner göttlichen Kräfte verlustig, und ganz nebenbei hetzt ihm Athene den zum Leben erwachten Koloss von Rhodos auf den Hals! Dieser furiose Einstieg ist eine haltlos rasende Achterbahn: Vom Hauptmenü geht's nahtlos ins Intro, das wiederum schneidig in den ersten Level führt, welcher aus einem gigantischen Bossfight besteht - der eure Schweißporen locker eine halbe Stunde auf Hochtouren pumpen lässt, schließlich jagt euch der Koloss durch ganz Rhodos, wirft euch durch die halbe Stadt, ihr zerschneidet seine metallischen Arme und Augen, und gebt ihm schlussendlich von innen heraus den Rest! Habt ihr den Giganten schließlich zum Schweigen gebracht, dreht die Story erst richtig auf, denn an dieser Stelle kommt der stinkige Göttervater Zeus ins Spiel...

Die vielseitig einsetzbaren Chaosklingen sind nach wie vor eure besten Freunde - auch wenn noch einige andere Waffen zur Auswahl stehen.
God of War 2 (ab 29,90€ bei kaufen) folgt dem Vorgänger zunächst sklavisch: Das Spiel beginnt mit einem Paukenschlag, einem krachenden Gewitter, das jedes andere Actiongame wie eine Schnecke aussehen lässt - oder um es mit dem Worten von Penny Arcade zu sagen: »Every other game is the joke«. Nach diesem brachialen Einstieg geht's pausenlos Action weiter, stundenlang, nur gelegentlich von kleineren Mini-Kopfnüssen unterbrochen. Erst nach etwa drei, vier Stunden schalten die Entwickler zwei Gänge zurück - der Dramaturgie des Erstlings folgend landet ihr im »Tempel der Lahkesis«, dem Pendant zum Tempel der Pandora. Nicht, dass es hier keine Action gäbe, ach was - nur ein bisschen weniger. Dafür gewinnen jetzt die Puzzles und Geschicklichkeitstests die Oberhand, die zwar nicht gerade anspruchsvoll sind, aber dennoch für die eine oder andere Verzweiflung sorgen: Diverse Verschiebe- und Hebelspielchen sowie beinharte Timing-Prüfungen prädestinieren God of War 2 auch von dieser Seite aus für Profis - spätestens wenn man einen Fahrstuhl quälend langsam nach unten kurbeln muss, während von oben eine sehr massiv wirkende Stachelwand angedüst kommt, und man sich gleichzeitig noch mit schlagfreudigen Skeletten auseinandersetzen muss, fliegt das Pad bei Spielern mit geringer Frustschwelle mit Schmackes in entfernte Wohnungsteile - God of War 2 ist kein Sonntagsspaziergang. Und habt ihr den 
God of War 2 bietet einige der prächtigsten Bauten, die es auf der PS2 jemals zu sehen gab.
Schwestern des Schicksals einen nachhaltigen Besuch abgestattet, öffnen die Entwickler erneut alle Actionschleusen, schließlich ist da noch eine offene Rechnung mit Zeus.

Barbarisches Ballett

Die Welt von God of War 2 ist antik, griechisch, groß, völlig linear und ein Ganzes: Hier gibt es keine abgeschlossenen Levels, stattdessen geht jedes Szenario logisch und fließend ins nächste über. Und jedes Mal möchte man weinen vor Dankbarkeit, dass man so etwas auf der mittlerweile nach einem Pfleger rufenden PS2 noch zu sehen bekommt: Allein der Lauf vom Garten der Lahkesis zu den Rössern der Zeit ist schlicht prächtig. Und zeigt ganz nebenbei, dass Sonys Santa Monica-Abteilung die PS2 besser im Griff hat als jeder andere Entwickler. Irre! Der Palast der Moiren (der Schwestern des Schicksals) ist ein wahrer Augenöffner. Die Höhle des Atlas ist ein lebender, pulsierender Lava-Albtraum.  

Meine Rache wird furchtbar sein: Mit entsprechend ausgebauter Magie kann Kratos gleich mehrere Gegner gleichzeitig peinigen.
 Einige Szenen sind einfach unbeschreiblich schön, und dabei spielerisch so wertlos - man könnte fast das Gefühl haben, die Entwickler hätten sie einfach nur aus Prinzip eingebaut, um dem Rest der Welt zu zeigen, was sie alles aus der PS2 rausholen können. Dramatische Kameraschwenks und Perspektiven rücken die Prachtbauten ins rechte Licht, die Entwickler feuern herrliche Details und nie  gesehene Effekte in vollem Lauf ab, die man in der Qualität eigentlich auf der 360 oder PS3, aber nicht auf der PS2 erwartet! Nur die niedrige Auflösung erinnert Nutzer großer Fernseher daran, dass sie an einer sieben Jahre alten Konsole sitzen, außerdem leidet God of War 2 stärker als der Vorgänger an gelegentlichen Ruckel- und Tearing-Gebrechen. Darüber hinaus müssen Spieler mit flimmernden und ziemlich niedrig aufgelösten Texturen leben, auch ist die Kameraperspektive nicht immer optimal - und lässt sich wie gewohnt nicht manuell nachjustieren. Aber bitte: Wen juckt das angesichts Qualität und Quantität der grafischen Pracht, die unablässig auf den Spieler herniederprasselt? Subtiler Zeitlupeneinsatz innerhalb der Kombos, brillant inszenierte Quicktime-Reactions, sanfte Überblendeffekte und exzellente Renderfilme (von denen es deutlich weniger als im Vorgänger gibt), die sich harmonisch in die Echtzeit-Sequenzen einbetten, verwöhnen die Augen aller Actionfreunde!

Die variantenreichen Gegner greifen meist in Wellen an - hier sind durchschlagskräftige Kombos gefragt!
Ach ja: God of War 2 ist brutal, höllisch brutal. Zyklopen, Minotauren, Höllenhunde, wilde Eber, Harpyien, Schweine mit Äxten, Skelette, Steinbiester oder fliegende Unholde vergehen in Seen von Blut und Einzelteilen. Dutzende davon auf einmal, Welle um Welle, Körper um Körper. Je nach Feind gibt es andere Arten von »Brutal Kills«, die aber durch die Bank das Abtrennen von diversen Extremitäten beinhalten - hier rollen mehr Köpfe als im durchschnittlichen Taliban-Fortgeschrittenenkurs. Außerdem hat Kratos kein Problem damit,  das eine oder andere benötigte Menschenopfer zu bringen. Auch die Bosse, teilweise auf Augenhöhe mit dem »Geist von Sparta«, teilweise mehrere Bildschirme füllend, sind von der harten Schule: Der Koloss von Rhodos, Theseus, Perseus, Euryale oder eine gigantische Krake liefern Kratos mit mehrstufigen Angriffsmustern einen harten Kampf - ohne das Erlernen derselben hat man gegen die variantenreich attackierenden Übermonster keine Chance. Auch wenn's anders aussehen mag: Buttonmasher sind hier fehl am Platze. Alle anderen werden mit den guten alten Chaosklingen sowie neuen Waffen wie dem Schwert des Olymp, dem Barbarenhammer (Groß! Dick! Mit Spitzen!) oder dem Speer des Schicksals große Freude haben. Die klingen dienen jetzt auch vermehrt der Fortbewegung: Kratos kann jetzt nicht nur an Wänden, sondern auch an Decken entlang kraxeln, außerdem darf er an speziellen Haltepunkten wie ein Affe herumschwingen.

Keine Gnade. Keine! Gnade!

Von Pegasus' Rücken aus nehmt ihr in einer rasanten Szene wilde Greifen unter Beschuss.
Wer just im Kino die Comicverfilmung »300« gesehen hat, der weiß um das Szenario, das ihn bei God of War 2 erwartet: Harter Spartaner gegen den Rest der Welt - in diesem Fall die Oberwelt, denn neben vielen Figuren aus griechischen Sagen trifft Kratos auch auf einen Großteil der Olymp-WG, auf mehrere Titanen, klaut Ikarus die Flügel und befreit Prometheus von seinen von Zeus verordneten Qualen. Diese Gestalten verleihen Kratos teilweise neue Fertigkeiten: Mit Jasons Vlies kann er, etwas Timing vorausgesetzt, feindliche Geschosse reflektieren, mit Ikarus' Flügeln darf er kurzzeitig von Plattform zu Plattform flattern. Und natürlich gibt es jede Menge Magie, mit der man den Gegnern durchaus wörtlich genommen ordentlich einheizen darf - wobei ein Großteil davon schon aus dem Vorgänger bekannt ist und hier nur in neuer Hülle auftritt: Eine Art Jedi-Blitz, der gleich mehrere Feinde angreift, ein Elementar-Bogen, ein Rage-Modus oder der Kopf der Euryale (der Schwester der Medusa), der genau das Gleiche macht wie die Birne der Vorgängerin - Gegner versteinern.             

Bloß nicht zimperlich sein: Das Blut fließt bei GoW 2 gleich hektoliterweise.
Neu ist das Atlas-Beben, mit dem der Erdboden ordentlich erschüttert wird, oder ein schnittiges Amulett, mit dem sich die Zeit kurz verlangsamen lässt, was in vielen Puzzles und Hüpfeinlagen genutzt wird. Pfadfinder sollten darüber hinaus die Augen noch offener halten als im Vorgänger, gibt es doch eine Menge zu finden und freizuschalten: Neben den bekannten Phönixfedern und Gorgonenaugen, die die Magie- bzw. Lebensenergieleiste verlängern, wandern jetzt auch herausreißbare Zyklopenaugen und gut versteckte, sehr mächtige Urnen ins Kratos' Lendenschurz. Neben dem Hauptspiel erwarten besonders kompetente Gamepadschwinger noch die »Titanen-Herausforderungen«, die ihrerseits Bonuskostüme und weitere Schwierigkeitsgrade freischalten. Und natürlich gibt es auch wieder ein halbwegs gut verstecktes, wenig subtiles Sex-Minigame, das hauptsächlich die Phantasie des Spielers anregen soll - außer einem wackelnden Männeken Pis gibt es nicht zu sehen bzw. nur diverses Gestöhne (inkl. »Uh, ich war noch nicht fertig!«, falls der Spieler die einzugebenden Tastenkombinationen vermasseln sollte) zu hören.

Aber wer will den Beschwerden griechischer Konkubinen zuhören, wenn es so viel Wichtigeres zu erlauschen gibt? Allein der prächtige Soundtrack rechtfertigt den Kauf für Freunde pompöser Musik; genau wie bei der Begleitung des Erstlings dröhnt es hier bombastisch aus dem Orchestergraben: Dicke Chöre, noch dickere Bläser und eine brillante Wucht, die man nur selten in einem Videospiel zu hören bekommt - kein Wunder, dass auch dieses Mal eine separat erhältliche Soundtrack-CD veröffentlicht wird. Die Effekte bringen mittelprächtige Boxen beinahe zum Bersten, Besitzer von Surround-Systemen haben darüber hinaus Ortungsvorteile: Im Falle des Kampfes gegen Perseus kann man den Unsichtbaren anhand seiner Hohnrufe leichter orten! Die Sprachausgabe ist ein weiteres Highlight, ganz besonders die englischen Sprecher sind 

Habt ihr Ikarus die Flügel geklaut, dürft ihr kurze Abschnitte durch die Lüfte gleitend bewältigen.
Meister ihres Faches! Die deutsche Version ist kompetent und gut, kann aber mit dem Original nicht mithalten. So oder so solltet ihr die Ohren spitzen, denn Untertitel gibt es nirgends.

Wer sich an den frustrierenden Hades-Ausflug des Vorgängers erinnert, wird sich freuen, dass derlei Nervensägen in God of War 2 rar sind: Zwar gibt es einige unnötige Geschicklichkeitsprüfungen (z.B. die reichlich doofe Wandkletterei im Atlas-Abschnitt), aber die sind kurz und selten - genau wie die gefürchteten Balanceeinlagen. Nichtsdestotrotz ist das Game sehr, sehr anspruchsvoll: Harte Gefechte treffen auf teilweise sehr weit auseinander liegende Speicherpunkte, die dankbarerweise von intelligent platzierten Checkpoints unterstützt werden - trotzdem vergeht zwischen zwei Möglichkeiten, den Spielstand zu sichern, teilweise fast eine Stunde! Falls ihr übrigens an einer besonders harten Stelle verzweifelt, haben die Entwickler eine Art Sicherheitsnetz eingebaut: Geht ihr an einem Punkt besonders oft drauf, bietet euch das Programm an, in eine einfachere Schwierigkeitsstufe zu wechseln.        

Fazit

Holy Fuck! Schon der Einstieg ist jenseits von bombastisch, und auch die nächsten 15 Stunden geht es Schlag auf Schlag von einem Superlativ zum Nächsten! All diese Pracht auf der alten PS2 in vollem Dampf zu sehen ist fast surreal. Man denkt sich die ganze Zeit »Das kann nicht sein! Nicht auf dieser Konsole. Das ist un-mög-lich!«. Scheinbar ist es das nicht. Allerdings definiert Sony das Action-Adventure-Genre nicht schon wieder neu: God of War 2 ist »nur« eine brillante Fortführung des umwerfenden Erstlings. Der Aufbau folgt den Fußstapfen des Vorgängers lückenlos, viele Elemente kommen einem bekannt vor, neue Magieformen sind zum Teil alte in anderer Hülle. Aber wer will denn das Rad ständig neu erfinden? Allein durch diese unglaubliche Lässigkeit und Eleganz der Angriffe, diese herrlich dreckige Brutalität, diese fantastische Mischung aus brachialer Action und cleveren Puzzles ist God of War 2 bestes Actionkino für Erwachsene. Und ganz nebenbei für die PS2 das, was Resident Evil 4 für den GameCube war: Eine technische Unglaublichkeit, die ganz nebenbei auch noch spielerisch problemlos und nachhaltig ans Gamepad kettet. Wer sich dieses göttliche Juwel entgehen lässt, ist entweder Spielehasser, zockt ausschließlich Hexfeld-Strategie oder sitzt im deutschen Bundestag!

Genau wie Kollege Paul, hat Kratos auch mich mit seinem zweiten PS2-Auftritt vollkommen in seinen Bann gezogen. God of War II ist ein audiovisuelles Meisterwerk, das wohl niemand mehr einer PS2 zugetraut hätte! Hier zeigt der Bestseller aus dem Hause Sony selbst der technisch überlegenen Next-Generation, wo der Spielspaß-Hammer hängt. Besser kann sich ein System nicht in den wohl verdienten Ruhestand verabschieden. Viel Mut zu Innovationen oder Neuerungen haben die Entwickler mit dem zweiten Teil allerdings nicht bewiesen, aber warum auch?! Nach God of War dachte sicher nicht nur ich mir: Ich will mehr davon! GENAU DAVON! Und das ist es, was ihr im zweiten Teil bekommt. Die nahezu unveränderte Spielmechanik sorgt erneut für pompöse Metzelchoreographien, während ihr in Kletterpassagen durch die atemberaubenden Kulissen durchatmen und in kleinen Rätseln auch euer Gehirn anstrengen könnt. Schön ist zudem, dass es mehr Bosskämpfe gibt und der Umfang merklich gesteigert wurde. Hier bekommt ihr eine Fortsetzung, die genau so begeistern kann wie der Vorgänger. Obwohl God of War II sicherlich ein technischer Vorzeigetitel ist, haben mir das z.T. extrem starke Tearing und vereinzelte Ruckler jedoch immer wieder vor Augen geführt, dass der Titel trotz all der Wow-Effekte nicht perfekt ist. Aber er ist verdammt nah dran.

Pro

grandiose Action
unglaubliche Präsentation
cooles, intuitives Kampfsystem
brillante Bossfights
fantastischer Soundtrack
clevere Puzzles
faszinierende Story
sehr umfangreich
motivierende Wechsel zwischen Action und Puzzles

Kontra

<P>
wenige neue Ideen
Ruckel
und Tearing-Probleme
nicht immer optimale Kameraführung
teilweise sehr weit auseinander liegende Speicherpunkte</P>

Wertung

PlayStation2

Eine technische Unglaublichkeit, die ganz nebenbei auch noch spielerisch problemlos ans Gamepad kettet.

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