Super-Bikes: Riding Challenge27.10.2006, Michael Krosta
Super-Bikes: Riding Challenge

Im Test:

Die italienischen Entwickler von Milestone widmen sich einmal mehr dem Motorsport und besinnen sich mit Super-Bikes Riding Challenge auf ihre Wurzeln. Sie würzen die Zweirad-Raserei aber gleichzeitig mit den Rollenspielelementen, die bereits bei SCAR und Evolution GT zum Einsatz kamen. Geht das Konzept auf?

Ausschlachtung

Nicht nur Polyphony Digital versteht es, seine Inhalte gekonnt auszuschlachten. Auch Milestone scheint für sich entdeckt zu haben, dass man Strecken und Spielkonzepte ohne großen Arbeitsaufwand gleich in mehreren Titeln verwursten kann. So werden sich Kenner von SCAR und Evolution GT bei den Super-Bikes schnell heimisch fühlen, denn ein Großteil der Strecken wie Valencia, Hockenheim, Laguna Seca sowie fiktive Kurse durch Berlin oder London mit all ihren Variationen stammen 1:1 aus den Vorgängern. Doch damit nicht genug: Auch das Gerüst mit Pokalwettbewerben und dem Karrieremodus wurde ohne große Veränderungen übernommen. Allerdings müsst ihr euch jetzt für die beiden Modi jeweils ein separates Profil anlegen, was ich nicht ganz nachvollziehen kann: Wäre es denn so schwer gewesen, euch bei den Pokalwettbewerben mit einem

Bei Nässe kommt die Grafikengine auf dem PC ganz schön ins Schleudern.
Standard-Piloten und in der Karriere mit dem aktuellen Skill-Level an den Start zu lassen? So müsst ihr ständig zwischen den Profilen wechseln, wenn ihr nach einem Pokal-Rennen mit der Karriere weiter machen wollt. Komplizierter geht es wohl kaum.

Es war einmal die Innovation

Während die Pokal-Wettbewerbe hauptsächlich dazu dienen, neue Bikes und Strecken freizuschalten, geht es im Karrieremodus wie gehabt um die Erfahrungspunkte, die ihr euch auf der Strecke z.B. mit Einschüchterungsaktionen, dem Fahren im Windschatten oder unfallfreien Runden erarbeitet. Diese verteilt ihr dann auf  sieben Fähigkeiten wie Kurvenfahrt, Tempo oder Willenskraft. Den Tiger-Effekt, mit dem man Fahrfehler im Stil von Prince of Persia rückgängig machen konnte, ist nicht mehr dabei. Dafür gewinnt ihr auch hier weitere Ausrüstungsgegenstände: Was bei Pokalwettbewerben lediglich der Optik dient, nimmt im Karrieremodus eine vergleichbare Funktion ein, wie Rüstungen in Rollenspielen. So sorgen manche Handschuhe für eine bessere Falltechnik, während ein Paar Stiefel z.B. euer Tempo steigern usw. Vor jedem Rennen könnt ihr die Ausrüstung so zusammenstellen, wie es für euch  am besten Sinn macht. Doch nicht nur ihr könnt mit Druck eure Gegner in einen Fehler treiben: Wird euer Wille gebrochen, hört ihr plötzlich euer Herz schlagen und den Biker panisch atmen. Das Bild wird in dieser Situation allerdings nicht mehr verzerrt, weshalb eure mangelnde Willenskraft keine großen Auswirkungen auf den Spielablauf hat. Ich hatte jedenfalls niemals das Gefühl, nervös oder fehleranfällig zu werden, nur weil mein Alter Ego plötzlich wie Darth Vader aus den Boxen schnaubt. Was bei SCAR noch innovativ-frischen Wind ins Rennspiel-Genre brachte, musste schon bei Evolution-GT Federn lassen und wirkt mittlerweile nur noch ausgelutscht. Warum? Weil sich die Entwickler offenbar auf ihren Lorbeeren ausgeruht und keinen Gedanken daran verschwendet haben, das eigentlich interessante Konzept sinnvoll weiter zu entwickeln. Das gilt auch für die Spielmodi: Duelle im Splitscreen schön und gut, aber ich habe schon bei SCAR einen Online- oder LAN-Modus vermisst, ich habe ihn in Evolution GT noch mehr vermisst und ratet, was jetzt kommt? Ich vermisse dieses Feature auch in Super-Bikes Riding Challenge und kann wieder nicht nachvollziehen, warum die Italiener ihren Rennspielen keine Onlinemodi

Die Fahrer- und Motorradmodelle sehen prima aus.
spendieren können oder wollen. Auch frage ich mich, warum ihr neben Einzelrennen und Turnieren mit vorgegebenen Strecken schon wieder keine eigenen Turniere mit Kursen EURER Wahl zusammenstellen könnt.

Nichts für Mechaniker

Nichts zu meckern gibt es dagegen bei der Steuerung: Die original lizenzierten Motorräder solch namhafter Hersteller wie Ducati, Honda oder Yamaha lassen sich genau über den Asphalt dirigieren, sobald man sich nach den vielen Autorennen wieder auf die Zweiräder eingestellt hat. Dabei könnt ihr den Realismusgrad steigern, indem ihr Fahrhilfen wie die Traktionskontrolle oder Bremshilfen deaktiviert. Auch liegt es an euch, ob ihr die Doppelbremse aktiviert oder die Vorder- und Hinterbremse auf zwei Tasten verteilt und auch die Fahrerposition sowie die Schaltung könnt ihr manuell oder automatisch regeln. Was fehlt, sind Einstellungsmöglichkeiten an eurem Bike: Ihr habt zwar die Möglichkeit zu einer Testfahrt, doch lassen sich weder Getriebe noch Federung oder andere Dinge nach euren Wünschen anpassen. Auch Tuning durch die Anschaffung neuer Teile wie Auspuffanlagen oder Motor-Upgrades ist nicht möglich.   

     

Dafür unterscheidet sich das Fahrverhalten der einzelnen Motorräder teilweise sehr deutlich voneinander, auch wenn ihr nicht sonderlich viel tun müsst, um neue Maschinen freizuschalten. Genau wie in Tourist Trophy spielt Geld hier keine Rolle und so bekommt ihr allein durch Rennerfolge neue PS-Monster zur Auswahl. Die Fahrphysik pendelt sich auch mit voller Realismus-Einstellung zwischen Arcade und Simulation ein und ist teilweise noch sehr gutmütig - vor allem bei Fahrten auf nassem Asphalt. Kommt ihr allerdings neben die Strecke, ist ein Unfall auf dem rutschigen Untergrund fast schon vorprogrammiert und auch bei Kollisionen mit anderen Fahrern schleudert es euch schnell aus dem Sattel. Ein echtes Schadensmodell gibt es nicht, doch informiert euch eine Anzeige über den Gesundheitszustand eures Fahrers. Fliegt ihr zu oft ab, müsst ihr das Rennen verletzungsbedingt aufgeben. Das ist besonders dann ärgerlich, wenn euch die eigentlich sehr stupide und wenig fordernde KI mit einem fiesen Schubser in die Bande befördert hat. So unfair wie in Evolution GT oder

Solch enge Duelle gibt es meistens kurz nach dem Start.
SCAR verhalten sich die Biker allerdings nicht mehr, was vielleicht auch daran liegt, dass ihr hier viel mehr Platz auf dem Asphalt habt und die Überholmanöver in der Regel schneller abgeschlossen werden.

Augenfeindlich

Obwohl die Kulissen bereits weitestgehend bekannt sind, hinterlassen sie insgesamt immer noch einen guten Eindruck und werden auch bei sieben Fahrern gleichzeitig überwiegend flüssig dargestellt. Nur auf dem PC kam es bei Rennen auf nasser Straße urplötzlich zu extrem starken Performance-Einbrüchen, die schon an eine Diashow erinnerten, während Trockenrennen unter gleichen Einstellungen butterweich über den Bildschirm huschten. Mit den jeweils zwei Innen- und Außenperspektiven inklusive gelungener Cockpit-Ansicht behaltet ihr zudem alles gut im Blick. Die PS2-Version leidet jedoch unter einem gewaltigen Problem: Ich habe in letzter Zeit kaum ein Spiel gesehen, dass mir mit derart heftigem Kantenflimmern so dermaßen die Augen verätzt hat. Da können die Bauwerke am Streckenrand noch so schön, die Bikes noch so detailgetreu sein: Lang könnte ich mir die Flimmerorgie nicht ansehen ohne Kopfschmerzen zu bekommen.

Der Sound enttäuscht auf ganzer Linie: Die Motoren klingen mit ihrem schwachen Gesäusel durchweg synthetisch und lassen dabei die kernigen, satten Sounds vermissen, die man von Maschinen jenseits der 500cc erwartet. Im Audiomenü habt ihr seltsamerweise die Auswahl, ob ihr während dem Rennen lieber die Stimmung (sprich: Umgebungsgeräusche) aufnehmen oder von Musik begleitet werden wollt. Glaubt mir, auch wenn die Motorgeräusche schon eine Beleidigung für eure Gehörgänge darstellen, solltet ihr auf die Musikuntermalung verzichten und die Lage mit den schrecklich uninspirierten Rock-Songs einschließlich nervtötender Gitarren-Riffs nicht noch schlimmer machen.     

Fazit

"Was Polyphony kann, das können wir auch," müssen sich die Jungs von Milestone gedacht haben, als sie die Boliden aus SCAR und Evolution GT gegen Motorräder getauscht haben. Allerdings haben sie nicht viel Zeit in ein neues Spielgerüst oder frische Strecken investiert. Und so schön der Rollenspielansatz noch in SCAR war, so aufgesetzt und abgenutzt wirkt er mittlerweile in der Zweirad-Umsetzung, die weder spielerisch noch grafisch mit Titeln wie Tourist Trophy oder THQs MotoGP mithalten kann. Der Umfang ist vergleichsweise zu niedrig, das Fahrmodell weniger ausgereift, das zwanghafte Anlegen von zwei Profilen unkomfortabel, eine Online- oder LAN-Option nicht vorhanden und vor allem die Präsentation lässt trotz bekannter, aber sehenswerter Kulissen mit PS2-Flimmer-Optik und der miesen Akustik zu wünschen übrig. Trotzdem ist Super-Bikes Riding Challenge für Motorrad-Fans sicher kein schlechtes Spiel, sofern man nicht mit den indirekten Vorgängern vertraut ist. In diesem Fall könnten die Rollenspielelemente sogar als frisch und die Strecken nicht als ödes Recycling aufgefasst werden. Dennoch sollte Milestone ernsthaft überlegen, sich wieder an die Erarbeitung neuer Konzepte zu machen, anstatt die innovativen Ideen von damals bis zum Erbrechen wiederzuverwerten. Mir reicht es jedenfalls!

Pro

überwiegend flüssige Darstellung
ausreichend Perspektiven (inkl. Cockpit)
gute Geschwindigkeitsgefühl
Original-Maschinen
gelungene Kulissen und Motorradmodelle
genaue Steuerung

Kontra

KI ohne Biss
RPG-Feature wirkt abgenutzt
kein "Tiger-Effekt" mehr
keine Tuning
oder Setup-Möglichkeiten
kein Qualifying
Strecken-Recycling
synthetische, schwachbrüstige Motorensounds
kein Online
oder LAN-Modus
keine eigenen Turniere im Multiplayer
getrennte Profile für Karriere und Pokale
furchtbare Musik
insgesamt nur 40 Bikes fahrbar
kein Schadensmodell
extremes Kantenflimmern (PS2)
Performance-Einbrüche bei Regen (PC)

Wertung

PlayStation2

PC

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