Eragon05.12.2006, Paul Kautz
Eragon

Im Test:

Was wäre ein modernes Weihnachten ohne bombastische Fantasy im Kino? Nachdem letztes Jahr gleichsam der Herr der Ringe und Harry Potter eine Auszeit in Anspruch nahmen, gibt es 2006 mit der Verfilmung des Roman-Erstlings von Fantasy-Wunderkind Christopher Paolini einen würdigen Aspiranten. Der Tradition entsprechend gibt es dazu passend natürlich auch eine Versoftung – wir haben uns die Versionen für PC, PS2 und 360 (die Xbox-Fassung erscheint hierzulande nicht) näher angesehen.

Der kleine Jedi

Wer hat die offizielle Umsetzung der zweiten HdR-Verfilmung Die zwei Türme gespielt? Hände bitte nach oben! Danke - dann wisst ihr, was Eragon (ab 7,95€ bei kaufen) für ein Spiel ist. Kein Wunder, der Entwickler (Stormfront Studios) ist ja auch derselbe. Und so kommt es wenig überraschend, dass Eragon ein sehr klassisches Hack'n Slay mit heftigen HdR-Einflüssen (wie ja auch das Buch selbst) ist: Euer Held Eragon schwingt sein Schwert sehr behände,

Die Figuren sehen ihren Filmpendants ziemlich ähnlich - allerdings bekommt man sie nur selten so deutlich zu sehen.
einfaches Buttonmashing sorgt für schön animierte Kombinationen. Außerdem dürft ihr Feinde greifen und sie bei besonders mächtigen Manövern schneller über den Jordan schicken, sie ins Feuer treten, deren Angriffe blocken und mit dem Bogen in der Hand für Chaos sorgen. Später kommt noch ein Extra-Batzen Magie dazu, mit dem ihr, leider nur an bestimmten Stellen, Speere auf Gegner schmeißen, Brücken aus Einzelteilen errichten oder Kräne bedienen könnt. Ihr seid während der 14 Missionen (16 auf Xbox 360) nur selten allein, meist werdet ihr von einem Gefährten begleitet. Übrigens solltet ihr mit der Materie besser gut vertraut sein: Zwar sind die Renderfilme, die die Story vorantreiben, sehr interessant gestaltet - aber sehr viel Gehalt haben sie nicht: Die Geschichte rennt im Zeitraffer durch die Vorlage, wer nicht zumindest in groben Zügen damit vertraut ist, dürfte schon nach kürzester Zeit verwirrt sein.

Dafür, dass Eragon nicht nur namentlich, sondern auch storytechnisch sehr drachenlastig ist, kommt selbiger (bzw. selbige, wir wollen ja bei der Wahrheit bleiben) im Spiel sehr kurz: In gerade mal drei Abschnitten reitet ihr den schuppigen Rücken von Saphira, während sie ähnlich wie bei Panzer Dragoon fast vollständig automatisiert ihre immergleichen Bahnen dreht. Gelegentlich könnt ihr euch für eine Abzweigung entscheiden, aber normalerweise besteht eure Aufgabe lediglich darin, gut getimt auf den »Feuriger Drachenodem ahoi!«-Button zu drücken, um Gegner und Ölfelder brutzeln zu lassen. Im späteren Spielverlauf dürft ihr Saphira auch um Luftunterstützung bitten - leider sind diese Stellen, genau wie ihre Magie-Pendants, von den Entwicklern vorgeschrieben. Das kommt allerdings auch nicht ganz unerwartet, denn das ganze Spiel ist linearer als ein Lineal: Endlos viele unsichtbare Mauern zwingen euch einen Pfad auf, und sei er auch noch so unlogisch: Z.B. muss Eragon ein Tor von zwei Seiten öffnen. Die eine Seite ist kein Problem, auf die andere zu kommen ist aber ein unnötig langer Weg - er könnte auch einfach abkürzen, indem er zwei Meter nach unten springt. Geht aber nicht.

Schlag mich - wenn du kannst!

Ihr tretet meist gegen ganze Gegnergruppen an - gut, dass ihr praktisch nie allein unterwegs seid!
Die Stormfront Studios haben etwas sehr Interessantes geschaffen: Ein Spiel, das auf allen Plattformen nahezu identisch aussieht! Im Grunde unterscheiden sich selbst PS2- und Xbox 360-Fassung nur in der Auflösung und in Details wie Lichteffekten, darüber hinaus ruckelt die 360-Variante in HD gelegentlich. Aber sonst gibt's kaum Unterschiede: Etwas grob gehauene Figuren, die ihren Film-Ebenbildern recht ähnlich sehen, traben gut animiert durch nette, aber bei weitem nicht spektakuläre und oft genug etwas zu düstere Szenarien. Einige Effekte sind ganz brauchbar, einige (wie das Plastikfolien-Wasser) schlicht hässlich, es gibt viele schön inszenierte Echtzeit-Zwischensequenzen, die Umgebung ist teilweise zerstörbar. Allerdings gibt es mehrere Ausreißer: Da wäre zum einen die nicht verstellbare Kameraperspektive, die nicht nur des Öfteren dafür sorgt, dass man Eragon aus merkwürdigen Einstellungen zu sehen bekommt, sondern sich auch nicht darum schert, wenn störende Objekte die Sicht blockieren.               

Zum anderen ist das Interface, und dort speziell die Energiebalken, denkbar abscheulich geraten: In einem Fantasy-Game erwartet man keine Photoshop-Fingerübungen mit grellen roten und blauen Leisten. Insgesamt erweckt das Ganze den 

Mit durchschlagenden Kombos sind die dickeren Gegner schnell erledigt - allerdings kommt man mit Buttonmashing ebenso gut ans Ziel.
Eindruck, als sei es für PS2 entwickelt und dann einfach »hochkonvertiert« worden - das würde auch die matschigen Texturen erklären.

Ein ganz spezielles Ärgernis betrifft nur die PC-Version: Bei der muss man sich nämlich gleich zum Start wundern, dass einem die Entwickler das Xbox 360-Gamepad nahe legen. Nun gut, gegen diesen Tipp ist im Allgemeinen nichts einzuwenden, das Pad ist nachweislich super! Allerdings ist es schon lästig, wenn ohne dieses oder ein anderes Pad das Spielen von Eragon mit »Arme verknoten« gleichzusetzen ist. Denn die Tastenbelegung lässt sich, Pad hin oder her, nicht ändern - damit seid ihr den Entwicklern auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, sodass Menüs mit WASD bedient werden oder Attacken unverrückbar auf J und K liegen. Doch selbst wenn das Pad an eurem PC baumelt, ist erstmal großes Rätselraten angesagt: Denn statt die Namen der Buttons oder gar ihre Farbe einzublenden, wird die Belegung sinnigerweise mit »Pad 1«, »Pad 2« etc. angezeigt - man darf also herumprobieren, welche Taste nun gemeint ist. Zugegebenermaßen hat man dieses Wissen schnell inne, nichtsdestotrotz ist die Nötigung zu diesem Gefummel sehr, sehr dumm.

Wo geht's hier zum Schwert?

Da ihr ohnehin meist zu zweit unterwegs seid, ist es cool, dass Eragon mit einem intelligenten Koop-Modus im Laden steht: Ein weiterer Spieler kann jederzeit ein- und aussteigen! Anderenfalls kontrolliert die KI durchaus kompetent euren Freund, was allerdings nicht für die Gegner gilt: Die sind durch die Bank rotzhohl, agieren völlig berechenbar und lassen sich, den drei Schwierigkeitsgraden zum Trotz, immer mit den gleichen Manövern niederstrecken. Sind sie einmal unten, verschwinden sie sehr schnell - es bleiben keine Leichen zurück, Blut gibt's auch kaum. Habt ihr einen Level geschafft, wird der Spielstand automatisch gesichert, außerdem gibt es innerhalb der Abschnitte Checkpunkte, an die ihr bei eurem Ableben zurückkehrt. Allerdings gelten die nur für die gegenwärtige Sitzung, beendet ihr das Game mitten im Level, müsst ihr ihn das nächste Mal von vorn angehen. Immerhin sind die Abschnitte nicht sehr 

Auf Sephiras Rücken dreht ihr vorgeschriebene Bahnen, und nehmt Feinde per Bogen oder Drachenodem aufs Korn.
umfangreich, was allerdings auch das ganze Spiel etwas kurz macht: Sehr viel länger als sechs Stunden dürftet ihr für das erste Durchzocken kaum benötigen. Und danach gibt es nur wenig Motivation, nochmal zum Spiel zu greifen, denn es gibt nur wenig Bonus-Content: Haltet ihr die Augen offen, findet ihr in jedem Level ein blau leuchtendes Drachenei, welches Entwickler-Videos freischaltet - das war's.

Seid ihr Freude der Multilingualität, dann kommt euch die PS2 am weitesten entgegen - hier dürft ihr direkt unter fünf Sprachen wählen. An der 360 geht das nur indirekt über die Systemsprache, am PC bestimmt die Installation, welche Zunge fortan gesprochen wird. Immerhin gibt's in der englischen Fassung die Original-Sprecher zu hören, außerdem werdet ihr atmosphärisch dicht bis wuchtig-dramatisch von sehr gut inszeniertem Soundtrack beschallt.      

Fazit

Eragon ist ein prima Hack-n-Slay in schöner Herr der Ringe-Tradition - allerdings nur vom zweiten Teil, die Fortschritte des dritten, der ja seinerzeit auch nicht von Stormfront entwickelt wurde, müssen, mit Ausnahme des vorbildlichen Koop-Modus', leider draußen bleiben: Ihr lernt mit der Zeit keine neuen Angriffe, keine neue Magie, das Spiel bietet euch die ganze Zeit über kaum mehr, als was ihr von Anfang an drauf habt - schade. In Sachen Technik ist Eragon einfach nur nett, sowohl im positiven als auch negativen Sinne: Es berührt kaum, es feuert kaum Emotionen an, es ist nur nett und eine Weile unterhaltsam. Aber das bessere Drachenreiterspiel bleibt nach wie vor das sieben Jahre alte Drakan .

Pro

intelligenter Koop-Modus
gutes Kombo-System
simples Spielprinzip
verschiedene Sprachen
unkomplizierter Einstieg
nette Animationen
toller Soundtrack
flotte Ladezeiten (PC)

Kontra

simple Grafik
abwechslungsarmes Spielprinzip
nicht veränderbare Kameraführung
völlig lineare Pfade
Steuerung nicht konfigurierbar (PC)
kaum nachvollziehbare Story
variantenarme Gegner
oftmals unpassende Perspektiven
schwache KI

Wertung

360

PlayStation2

PC

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