Shadowrun08.06.2007, Mathias Oertel
Shadowrun

Im Test:

Es gibt Lizenzen, die schreien geradezu nach einer Umsetzung. So z.B. das Pen & Paper-Rollenspiel Shadowrun (ab 11,99€ bei kaufen), das seit kultigen 16-Bit-Zeiten (dort vor allem auf dem SNES) auf einen Neustart wartet. Doch anstatt den Rollenspiel-Ursprung des Cyberpunk-Universums zu füttern, bedient Microsoft die Shooter-Front. Erfolgreich? Oder zumindest gut genug, um den Kauf von Vista zu rechtfertigen?   

Komm zu Papa

Shadowrun. Cyberpunk. Rollenspiel.  Was sagt uns das? Irgendjemand? Die Klasse? Bueller? Richtig. Setzt man diese drei Worte richtig zusammen, erhält man: Kult! Das von der FASA Corporation entwickelte Pen-&-Paper-RPG kann seit seiner Erstveröffentlichung 1989 bis heute begeistern und hat sich eine stetig wachsende Gefolgschaft gesichert. Selbst als FASA 2001 die Tore schließen musste und die Rechte an WizKids abgab, blieb der Siegeszug ungebrochen. Nur ein Bereich blieb weitestgehend frei vom Shadowrun-Universum: Die Computer- und Videospiele. Nur absolute Hardcore-Fans dürften sich an die isometrischen SNES- und Mega Drive-Abstecher der futuristischen Punks erinnern, die 1993 erschienen.

Fähigkeiten und Figuren sind die einzigen Punkte, an denen man die Kultlizenz nutzt - der Rest ist Alltagsware!
Mehr als ein Dutzend Jahre später hat sich Microsoft an die Lizenz gewagt und sich dabei die Dienste eines Studios gesichert, das zu dem Spiel passt wie die Faust aufs Auge: FASA Interactive, die Spieleableger der Shadowrun-Väter. Zuletzt konnte Fasa auf der guten alten Xbox mit den vorrangig im Mehrspieler-Modus begeisternden Action-Schlachten aus MechAssault 2 in Erscheinung treten. Ein gutes Omen?

Reduktion aufs Wesentliche

Wer bei Shadowrun auf eine regelkonforme Umsetzung von Rollenspiel-Inhalten im Stile von Bioware-Epen oder wenigsten Hack&Slays wie Champions of Norrath etc. hofft, sieht sich enttäuscht und kann eigentlich jetzt schon aufhören zu lesen und sich auf das Erscheinen von Mass Effect auf der 360 freuen.

Denn FASA bleibt dem treu, was sie auf der Xbox fast zur Perfektion getrieben haben: Action. Dementsprechend präsentiert sich Shadowrun auf 360 und Vista-Rechnern als geradlinige Multiplayer-Ballerei, die sich nur marginal bei den Vorlagen bedient. So könnt ihr  wahlweise als Elf, Troll, Mensch oder Zwerg auf Seiten entweder der staatlichen RNA oder der rebellischen Lineage kämpfen.

Wieso diese beiden Gruppen im Clinch liegen, bleibt einem größtenteils verborgen. Eine Hintergrundgeschichte sucht man mit der Lupe, eine Einzelspieler-Kampagne, die mich in das Universum zieht, ebenso.

Zwar kann man sich auch solo in Shadowrun die Zeit vertreiben, ist dabei aber nur mit Grundlagen-Training und Bot-Matches gegen insgesamt weitestgehend berechenbare Standard-KI beschäftigt.

Auf der einen Seite lernt man so die spezifischen Eigenheiten der jeweiligen Rasse genauso kennen wie die interessanten Magie- und Tech-Fähigkeiten. Doch eingebunden in eine Geschichte, die mich in das so viel bietende Universum einführt, in dem der Titel angesiedelt ist, wäre der Unterhaltungswert um ein Vielfaches höher.

Wer von seinem Team im Stich gelassen wird, kann schnell Opfer seiner Umwelt werden...
Magie und Tech für alle

Für Abwechslung im ansonsten spröden Shooter-Alltag sorgen die angesprochenen Magie- und Techfähigkeiten, von denen jede Figur auf maximal drei aus einem breit gefächerten Spektrum gleichzeitig zugreifen kann. Allerdings nur, wenn man diese am Anfang einer Runde ebenso wie seine Waffen und Grund-Munitionierung gekauft hat (Counterstrike lässt grüßen). Wenigstens diese Fähigkeiten wie z.B. der Baum des Lebens, der allen in seiner Nähe stehenden Kämpfern Lebenspunkte spendet oder die Reanimation eines gefallenen Kameraden stammen aus dem Shadowrun-Universum. Ansonsten hätte das Spiel auch fast als ein CS 2060 oder auch Captain Futures Showdown durchgehen können.

 

Doch selbst hier offenbart Shadowrun einige Schwächen: Zwar unterscheiden sich die Elfen z.B. hinsichtlich ihrer Fähigkeit, Treffer einzustecken oder auch im Bezug auf Geschwindigkeit deutlich von ihren zwergischen oder trollischen Gesinnungs-Genossen. Doch was Fähigkeiten betrifft, haben alle auf den gleichen Pool Zugriff und werden nur durch ihr Kleingeld, das natürlich durch Erfüllung der Ziele sowie das Erledigen von Gegnern aufgestockt wird, sowie ihre grundsätzliche Magie-Affinität eingeschränkt.

Shooter-Action der nächsten Generation? Nicht ganz - weder spielerisch noch hinsichtlich der Kulisse.
Mit stärkeren Unterscheidungsmerkmalen wie z.B. exklusiven Fähigkeiten etc. hätte man die Auswahlkriterien würzen können. Zwar wird man als Team nur überleben können, wenn man sich mit seinen Fähigkeiten ergänzt, doch die Tausendsassa-Fähigkeiten, die allen zur Verfügung stehen, verwässern die teamtaktischen Ansätze.

Auch die nur knapp über ein Dutzend vorhandenen Maps (hört sich verdächtig nach neuen Inhalten über den Marktplatz an) hinterlassen einen gespaltenen Eindruck. An sich in ihren Größen und hinsichtlich der Architektur gut für spannende Duelle geeignet, ist die jeweilige Modus-Auswahl suboptimal.

Bei den Karten für maximal acht Shadowrunner z.B. ist nur Deathmatch (Zermürbung) möglich. Doch selbst auf den anderen Karten hat man nur maximal zwei weitere Modi zur Auswahl. Hinter Bergung versteckt sich eine Capture-The-Flag-Variante. Hinter Überfall eigentlich auch - nur mit dem Unterschied, dass eine Gruppe ständig verteidigt, die andere versuchen muss, die Flagge, pardon: das Artefakt, zu sichern und zu entführen.

Und das ist auf Dauer doch etwas zu wenig.

Vista 360

PC-Spieler fraggt Xbox 360-User: Was bislang nur in Rollenspielen wie Final Fantasy XI oder in heiß geführten Foren-Diskussionen möglich war, nämlich Plattform-übergreifende Duelle wird von Microsoft mit Shadowrun auch im Action-Bereich eingeführt. Und das durchaus ansprechend. Nicht, was die grundlegenden Spielinhalte betrifft, die wie oben besprochen mit 

Schießt ihr hier auf einen 360- oder einen Vista-Spieler? Dank eines guten Netzcodes und einem guten Balancing egal - es funktioniert auf jeden Fall!
Ausnahme der Magie erzkonservativ sind, sondern hinsichtlich der Technik. Die befürchteten Balancing-Probleme im Bezug auf zu erwartende Nachteile der Pad-benutzenden Xbox 360-Spieler wurden gut umschifft. Bei unseren Sessions waren weder auf PC-Seite noch auf der 360-Front spürbare Unterschiede festzustellen. Auch der Netzcode überzeugt auf breiter Front: Wir konnten keinerlei Lags feststellen und auch die Sprachübertragung funktionierte (zumindest über 360) wunderbar.

Was die Qualität der Kulisse betrifft, zeigt sich Shadowrun auf beiden Systemen bieder. Sowohl auf 360 als auch auf Vista-PCs kommen die Leveltexturen nur selten über das Prädikat "durchschnittlich" hinaus. Dass dazu die Animationen hin und wieder mit den bei Multiplayer-Spielen nicht unüblichen "Gleit"-Schritten oder gar Leitern hinaufschwebenden Figuren zu kämpfen haben, hilft dem optischen Eindruck auch nicht weiter. Wenigstens der Einsatz von Havok-Physik hilft, die Gratwanderung zwischen "bieder durchschnittlich" und "ok" halbwegs positiv abzuschließen.

Doch PC-User sollten ein nicht zu unterschätzendes Problem beachten: Neben Vista als Pflicht-Betriebssystem sollten für ein optimales Spielerlebnis mind. ein Dual-Core-Prozessor, 2 GB RAM und eine Grafikkarte mit 256 MB (je mehr, je besser) schlummern. Bei allem was drunter liegt -selbst wenn euer Rechner damit mind. das geforderte 4,0 im Vista-Leistungsindex erreicht- sieht das Ergebnis unbefriedigend aus.

Fazit

Halo 2 lässt grüßen: Willkommen bei "Wie man einen User nicht überzeugen kann, sich Vista für ein Spiel zu kaufen, Teil 2". So lobenswert das Vorhaben von Microsoft auch ist, Spieler auf Games für Windows und Xbox 360 zusammen zu führen - mit so einfallsloser Durchschnittsware wird es schwer sein, Vista-Verkäufe über exklusive Spiele anzukurbeln. Abgesehen davon, dass die Lizenz nur an der Oberfläche mit einem Zahnstocher angekratzt wird, hapert es auch an spielerischer Klasse. Das Konzept, das sich mehr als nur Hilfe suchend an Counterstrike anlehnt, ist zwar nicht totzukriegen und immer noch ein Unterhaltungsgarant. Dem gegenüber stehen aber eine nur kleine Auswahl an Karten und größtenteils spröde Kulissen. Über allem in Shadowrun schwebt der Eindruck "Ein guter erster Schritt, aber...". Und das ist in Zeiten von Battlefield 2142 auf dem PC sowie Battlefield Modern Combat oder auch Rainbow Six Vegas auf der 360 einfach zu wenig, um im Konzert der ganz Großen mitzuspielen. Unterm Strich bietet Shadowrun erzkonservative und völlig belanglose Cross-Plattform-Action, bei der auch die interessanten Sonderfähigkeiten den Sturz in die Mittelmäßigkeit nicht mehr verhindern können.

Pro

lagfreies Online-Spiel
gute Steuerung
unkomplizierte Team-Action
interessanter Einsatz von Sonderfähigkeiten

Kontra

nur durchschnittliche Kulisse
teils abgehackte Animationen
Lizenz nur marginal genutzt
herbe Anforderungen (PC)
nur klassische und zu wenige Spielmodi
nur unter Vista spielbar (PC)

Wertung

360

Interessante Cross-Plattform-Ansätze, aber technisch und spielerisch sehr konventionell...

PC

Nach Halo 2 der nächste Action-Titel, der einem Vista als Spieleplattform kaum schmackhaft machen kann.

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