Test: Kengo Zero (Action-Adventure)

von Jörg Luibl



Kengo Zero
Entwickler:
Publisher: Eidos
Release:
16.11.2007
Spielinfo Bilder Videos
Ihr interessiert euch für die Zeit der Samurai? Ihr mögt realistischen Schwertkampf und habt schon damals gerne Kengo auf der PS2 gespielt? Dann nehmt euch in Acht vor dieser 360-Premiere: Sie macht alles zunichte, was dieses Spiel auf Sonys alter Konsole für einige Liebhaber so besonders machte. Sie ist ein Schlag ins Gesicht für alle Fans fernöstlicher Katanakunst. Sie ist schlichtweg unerträglich schlecht.

Eine Stadt, eine Hölle

Stellt euch folgende Mission vor: Ihr habt eine Stunde Zeit, Edo von marodierenden Kriegern zu befreien. Die Stoppuhr läuft, ihr stürzt euch mit einem Samurai ins Getümmel der alten japanischen Hauptstadt und schlitzt euch durch hunderte wie aufgescheuchte Hasen herum laufende Kämpfer - davon gibt es dann etwa drei, vier Typen. Die einen haben Zöpfe, die anderen braune Gewänder, aber sie alle haben Dutzende eineiige Zwillinge. Und die sterben so schnell wie Fliegen.

Perlen vor die Säue: Aus einer Schwertkampfsimulation wird ein stumpfsinniges Hack`n Slay.
Aber nicht nur das genetische, auch das grafische und akustische Klonen sorgt für Entsetzen: Die historische Kulisse bietet sterile Gassen mit ewig gleichen Wand- und Bodenoberflächen. Und in euer Ohr beißen sich ewig gleiche Schrittgeräusche inklusive finalem Abmurksgewürge auf 16Bit-Niveau - und das angesichts des Bodycounts im Stakkato. Selbst als Starttitel für die Xbox 360 hätte das nichts anderes als das technische Prädikat "Mangelhaft" verdient. Blöd nur, dass noch das spielerische Prädikat "Ungenügend" hinzu kommt. Warum? Weil dieses Spiel nicht nur ein Schlag ins Gesicht für alle Kenner der Vorgänger ist, sondern auch für alle Freunde gehobener Kampfkunst. Warum man das erwarten konnte? Weil Kengo bisher genau dafür stand. Es war eine Simulation mit komplexer Spielmechanik. Es war quasi das Pro Evolution Soccer für Schwertkämpfer. Und jetzt das...

Sinnloses Gemetzel ohne Niveau

Eine der frei anwählbaren Missionen ist symptomatisch: Nach fünf Minuten habe ich 136 Räuber niedergemetzelt. Nach zehn Minuten sind es 267. Bin ich hier in Dynasty Warriors für Arme? Ich muss auf stupideste Art und Weise, also per Klick&Blöd-System, eine Horde kampfuntaugliche, hässlich texturierte Polygone ins Jenseits befördern. Nach elf Minuten mach in den kaum erträglichen Kloppmist aus. Was zur Hölle habt ihr aus der edlen Kampfsimulation Kengo gemacht, die ich auf der PlayStation 2 so gemocht habe? Was zur Hölle habt ihr aus dem edlen Stil gemacht, der mich als Novize mit einem Holzschwert im Dojo trainieren ließ, bevor ich mich mit dem nackten Stahl des Katana überhaupt in einen Kampf auf Leben und Tod stürzen durfte?

Dabei ist die Kampfmechanik mit ihren Kontern und dem Klingentauziehen durchaus reizvoll. Aber man braucht sie angesichts der Dummheit der Gegner kaum.
Okay, Entwickler Genki lässt euch direkt in die Haut von neun Samurai-Legenden schlüpfen (im US-Original lautet der Untertitel nicht "Zero", sondern "Legend of the 9"), die vielleicht kein Training mehr nötig haben. Trotzdem hat man das edle Flair der Vorgänger, das jeden ernsthaften Martial Arts-Fan angesprochen hatte, gegen einen kunterbunten Arcade-Stil getauscht. Auch in der Kampagne wird es nicht besser. Wisst ihr, wie dort das Abenteuer von keinem Geringeren als Miyamoto Musashi, der Schwertkampflegende schlechthin, beginnt? Er steht im schlecht texturierten Wald. Sein Sixpack glänzt. Fünf Räuber tauchen auf. Sie sagen so etwas wie "Gib uns all dein Geld oder du musst sterben!". Er sagt so etwas wie "Nicht mit mir, ihr elenden Räuber!"

Das ist der Plot. Und dann geht`s los. Schlitzeschlackeschlitz. Man macht die Räuber fertig. Man rennt weiter. Die nächsten Räuber ploppen auf. Immerhin reden sie nicht mehr. Man macht sie einfach über ein paar Knopfdrücke fertig. Wird mal irgendwie das Kampfsystem erklärt, das immerhin für jeden Helden drei Stile, Blocks und aktives Kontern bietet? Nein. Damit stehen Einsteiger im wahrsten Sinne des Wortes wie der Ochs im Walde. Wird der berühmte Samurai irgendwie erzählerisch vorgestellt? Nein. Auch damit dürfte es Einsteigern schwer fallen, sich überhaupt mit dem Mann zu identifizieren. Übrigens: Wer nach zwei Dutzend Räubern endlich durch den leblosen Wald gehetzt ist, wird irgendwann einem anderen
Am Ende wird das Spiel allerdings so lieblos und technisch so altbacken inszeniert, dass man nur das kalte Grausen kriegt. Selbst als Starttitel auf der Xbox 360 wäre das eine Frechheit gewesen.
Samurai begegnen - quasi ein sprechender Zwischengegner. Und ganz plötzlich zieht der Schwierigkeitsgrad so an, dass man das erste Mal verliert. Herrlich, dass man bis zu dieser Stelle nicht einmal in das Kampfsystem eingeweiht wurde, dass es kein Tutorial und auch kein Training gibt. Und noch herrlicher, dass es keine Speichermöglichkeit bis dahin gab. Jetzt darf ich den ganzen sterilen Waldräuberdreck noch mal spielen! Selten hat ein Spiel mir so schnell so oft vor den Kopf gestoßen. Das tut richtig weh. Ohne Aspirin solltet ihr gar nicht erst einsteigen.

Reste einer Kampfsimulation

Dabei beinhaltet das Kampfsystem immerhin die letzten spieltechnischen Reste, das einzige, was noch in irgendeiner Art und Weise an das alte Kengo erinnert: Über den Bumper wechselt ihr die Kampfstile, ähnlich wie in Virtua Fighter 5, so dass euch ein Repertoire aus ganz neuen Horizontal- und Vertikalhieben zur Verfügung steht. Auch das Kontersystem ist theoretisch interessant: Immerhin kommt man durch aktives und gut getimtes Blocken zunächst in eine Art Tauziehen, wobei sich die beiden Klingen verhaken. In diesem Moment könnt ihr versuchen, euren Gegner nach links oder rechts zu wuchten oder ihr versucht die Verkeilung blitzschnell zu lösen. Leider mutiert das Prinzip in der Praxis oft in ein viel zu langes Hin und Her, bei dem keine effektiven Manöver möglich sind. Hier hätte sich ein schnelleres Kontersystem angeboten, das auch Tanto und kurze Stiche oder Faustschläge beinhaltet. So bleibt es bei einem künstlichen Hinausziehen des eigentlichen Schwertkampfes, das die Gegner ohnehin nicht beherrschen.
       

Kommentare

musican73 schrieb am
4P|Bot hat geschrieben:Ihr interessiert euch für die Zeit der Samurai? Ihr mögt realistischen Schwertkampf und habt schon damals gerne Kengo auf der PS2 gespielt? Dann nehmt euch in Acht vor dieser 360-Premiere: Sie macht alles zunichte, was dieses Spiel auf Sonys alter Konsole für einige Liebhaber so besonders machte. Sie ist ein Schlag ins Gesicht für alle Fans fernöstlicher Katanakunst. Sie ist schlichtweg unerträgli...<br><br>Hier geht es zum gesamten Bericht: <a href="http://www.4players.de/rendersite.php?w ... CHTID=6081" target="_blank">Kengo Zero</a>
Lieber Jörg!
Damit Du noch einen nachhaltigen Eindruck der chinesischen Ethik findest, auf welcher das Spiel beruht (, bzw. welche solchen Kitsch produziert) , möchte ich auf einen Film namens:
TODESBUCHT DER SHAOLIN
hinweisen, bei dem 3500 Krieger, auf die das Publikum 3 Jahre gewartet hat, ihren Heldenepos zum Besten geben. Eine in Blut geschriebene chinesische Weisheit, "vollkommen gerechtfertigt" und nihilistisch, was sich selbst widerspricht. Man könnte eine Fortsetzung zu Theater 3000 mit dem Film machen.
musican73 schrieb am
ali4 hat geschrieben:
scdj hat geschrieben: Mir kommt es immer mehr so vor, dass hier immer total voreingenommen über ein Spiel berichtet wird. Wenn sich der Schreiberling von 4players mit einem solchen Genre oder Spiel nicht anfreunden kann, dann soll er doch bitte so gütig sein und es an einen weniger befangenen Kollegen weiter zu geben.
Niemand zwingt dich die Tests hier zu lesen. Ich finde der Test tat seine Wirkung: Uns vor dem spiel warnen :lol:
Ja, aber wenn man`s dann hat und seinen Freunden und Kollegen sagt, dass man es sich gekauft hat und es toll findet, dann meinen die vielleicht: Schau auf 4players. Das Spiel ist zum Schrott des Jahres nominiert worden.
Walth92 schrieb am
Arkune hat geschrieben:Zum Beispiel den Kollegen von der Game Informer (2/10) oder Gamespot (3/10)?
Aber hast ja recht die amerikanische Fußballnationalmannschaft kann auch kein Fußball spielen (was auch immer das mit dem Thema zu tun hat).

XDDD herrliche antwortXD
Arkune schrieb am
Na ja international im Wertungsschnitt betrachtet sind auch diese beiden nicht der Knüller.
Aber gut die sind nicht so schlecht.
schrieb am