Der Spaß nimmt kein Ende
Zumal man sehr schnell von dem auf jegliche Sperenzchen wie Story oder ähnlichen Kram komplett verzichtenden Renn-Ausflug in Paradise City gefangen genommen wird. Sehr schön dabei: Es richtet sich an Arcade-Piloten aller Art. Egal ob man viel Zeit zur Verfügung hat oder nur ein kurzes Spielchen riskieren kann, ob man on- oder offline spielen möchte. Es gibt für jeden Geschmack Wettbewerbe, Rennen und Herausforderungen. Nicht zu vergessen die über 130 Vehikel, die man auf seinem Schrottplatz versammeln und innerhalb des weit verzweigten Straßennetzes zu neuen Geschwindigkeitsrekorden führen kann. Man macht, worauf man Spaß hat. Und wenn dies bedeutet, dass man sich auf die Suche nach den 400 (bzw. 475 inkl. Big Surf Island) gelb markierten Zäunen oder den zig Plakatwänden macht, die man durchbrechen und die dahinter liegenden Abkürzungen für sich entdeckt, dann ist das so. Natürlich kann man kritisieren, dass dies nicht zielführend sei. Doch bei einem Spiel, bei dem selbst das sinnlose Herumrasen mit einem zwangsläufigen, in bester Burnout-Tradition klasse inszenierten Crash am Ende ein ungemeines Vergnügen bereitet und das einem jederzeit die freie Streckenwahl gibt, führt jeder Weg zum Rennspielspaß.
Keine nervende Story, allerdings auch keine Lizenzen: Alle Fahrzeuge basieren zwar auf realen Modellen, sind aber durchweg fiktiv.
Dies wird auch dadurch begünstigt, da das für die Umsetzung mitverantwortliche Team von Stellar Entertainment reichlich Burnout-Erfahrung hat. Studiochef Paul Ross z.B. war lange Zeit bei Criterion beschäftigt und dort unter anderem als technischer Direktor für die Ultimate Box verantwortlich, bevor er sich schließlich bei Three Fields Entertainment (s.o.) und nun bei Stellar neuen Herausforderungen widmete. Und das macht sich nur in der technisch sehr sauberen Umsetzung bemerkbar. Auch die Steuerung ist über jeden Zweifel erhaben und heute wie damals beispielhaft für den perfekten Spagat zwischen direkter Arcade-Kontrolle der Vehikel auf der einen und dem behutsamen Vortasten hin zum Limit des Fahrzeugs bzw. des Fahrers auf der anderen Seite. Für die jüngere Konkurrenz ist nur bedenklich, dass ein im Kern zehn Jahre alter Titel immer noch mit das Maß aller Dinge ist und eigentlich nur von der Forza-Horizon-Serie übertroffen wird. Apropos: Mit dem 4K-Update bekommt Letzteres zwar nicht die Möglichkeit hinsichtlich der Bildrate mit Burnout Paradise Remastered gleichzuziehen, sondern bleibt im Gegensatz zu den konstant 60 Bildern in Paradise City wie eh und je bei 30. Doch die Kulisse profitiert auf One X von dem kostenlosen Upgrade auf die derzeit höchstmögliche Auflösung noch stärker als Criterions PS-Vergnügen.
Der Zahn der Zeit zeigt sich doch
In Paradise City wird wie vor zehn Jahren unkomplizierter Fahrspaß groß geschrieben.
Ich habe vor zehn Jahren dutzende Stunden in der sowohl mit PS- als auch Altmetall prall gefüllten Stadt verbracht. Und auch Anno 2018 verbringe ich gerne viel Zeit auf dem Asphalt oder den Feldwegen. Da Arcade-Racer aber zusammen mit der immer potenteren Hardware zumindest hinsichtlich der Population bzw. der Verkehrsdichte zugelegt haben, ist die Zahl der Fahrzeuge auf den Straßen von Paradise City kaum einer Großstadt würdig – und das ungeachtet der Tages- oder Nachtzeit. Natürlich war und ist immer noch genug behindernder Zivilverkehr unterwegs, um einen bei einem Rennen, das angenehmerweise ohne Gummiband-KI auskommt, jäh zum Stoppen zu bringen, wenn man nicht aufpasst. Doch vergleicht man dies mit Stadtgebieten in Forza Horizon oder einigen Bereichen in Need for Speed Payback, empfinde ich die gelegentliche Leere mittlerweile als störend. Nicht so störend, dass es mich davon abhalten könnte, den Geschwindigkeitsrausch zu genießen, der sich in leider nur zwei Kameraperspektiven einstellt (hinter dem Auto/leicht erhöht sowie auf der Stoßstange). Aber dennoch störend.
Denn dass auch Burnout Paradise volle Straßen "kann", zeigt sich, wenn man den Crash-Modus einschaltet und sich dort auf die Jagd nach High-Scores macht: Auf einmal verzigfacht sich der Verkehr. Natürlich weiß ich, dass dies in erster Linie nur passiert, um die Crashfreunde mit Punktzahl-Fetisch zufriedenzustellen. Aber ich bin mir auch sicher, dass es auf den aktuellen Systemen auch möglich gewesen wäre, im „normalen“ Fahrbetrieb die Vehikel-Anzahl zu erhöhen oder zumindest dynamisch in Abhängigkeit von Gebieten oder Tageszeiten zu variieren. Doch so weit geht die Remaster-Version leider nicht.
Die Verschrottungen werden eindrucksvoll inszeniert.
Dafür jedoch bietet man nach wie vor einen coolen Lizenzsoundtrack an, für den im Gegensatz zu anderen Spielen, die wegen des Auslaufens der musikalischen Verwendungserlaubnis mitunter aus den digitalen Stores verschwinden, scheinbar sehr langfristige Vereinbarung getroffen oder erneuert wurden. Apropos: She-DJ Atomica ist schon nach kurzer Zeit so nervig wie eh und je und hätte gerne mittlerweile ausgetauscht werden dürfen. Doch auch sie scheint wie ihr englischsprachiger männlicher Kollege (der auf der Nervskala nicht so hoch ausschlägt) mit einem unbefristeten Vertrag ausgestattet. Und wo wir gerade bei Punkten sind, die man im Rahmen des Remastering hätte optimieren können: Das Zeitfenster für die vom GPS vorgeschlagenen Richtungswechsel, die durch ein Blinken der oben eingeblendeten Straßenschilder an Kreuzungen angezeigt werden, hätte in den letzten zehn Jahren durchaus großzügiger gestaltet werden können. Denn wenn man gerade dabei ist, sich die teils hart am Lack kratzende Konkurrenz vom Leib zu halten, hat man nicht immer die Aufmerksamkeit, um das Blinken zu erkennen, bevor es zu spät ist. Zu guter Letzt hätte man auch den Wagenwechsel komfortabler gestalten und mit einer Teleportfunktion zum nächsten Schrottplatz ausstatten können. Doch nichts davon entpuppt sich als Spielspaß-Bremse. Auch hier ist die Remastered-Version von Burnout Paradise wie beim Rest der Inhalte und der daraus entstehenden Motivation erstaunlich dicht am Original.