Lebendige Mimik, klasse Verhöre
|
Die Kulisse ist stilvoll, Mode und Architektur authentisch. |
Trotzdem wirkt die Kulisse grandios. Und dank einer Mischung aus Motion Capturing und Motion Scanning wirken die Gesprächspartner unheimlich lebendig - jedes Stirnrunzeln, jedes Lidzucken und jedes Flunkern ist zu sehen. So kann man alleine aus der Mimik ableiten, ob man jemandem glaubt oder nicht. Und genau das ist die Kernfrage in den Verhören: Wer hat etwas zu verheimlichen? Man kann allerdings nie Dialoge mit großer Auswahl führen, sondern hat immer nur die Wahl zwischen "Wahrheit", "Anzweifeln" oder "Lüge".
Das Ganze läuft ohne Zeitdruck wie in
Alpha Protocol oder situative Spannung à la
Heavy Rain: Man hat also genug Muße, um seine Menschenkenntnis unter Beweis zu stellen – man kann z.B. in seinen Notizen nachsehen und über den rechten Analogstick plötzlich sein Gegenüber taxieren, das vielleicht in diesem Moment blinzelt. Ein Hinweis auf eine Lüge? Schätzt man Verdächtigen richtig ein, kann man ihm vielleicht weitere Details zum Fall entlocken. Wer ihn der Lüge bezichtigt, muss allerdings einen Beweis aus seinem Notizbuch vorlegen – z.B. die Aussage eines Zeugen oder einen Gegenstand.
Obwohl diese Verhöre sehr gut inszeniert werden und das Highlight des Spiels sind, laufen sie immer nach demselben Schema ab, wiederholen sich Motive und Lösungstaktiken. Man kann fast sicher sein, dass ein Blinzeln immer auf eine Lüge hinaus läuft; hat man keinen Beweis, reicht auch das Anzweifeln. Spannung kommt lediglich auf, wenn man mehrere Verdächtige parallel befragen muss: Wen wird man am Ende als Täter überführen? Nach einem Fall bekommt man auch schon mal einen Hinweis auf die Folgen oder versäumte Möglichkeiten.
Vom Briefing zum Baudenkmal
|
Man kann Gegenstände drehen und näher betrachten. |
Trotzdem läuft alles immer gleich ab: Meist bekommt man in einem Briefing die grundlegenden Informationen über den Fall und fährt danach mit dem Polizeiwagen zum Tatort – man kann auch wie in GTA in jedes Auto steigen und die Fahrer einfach hinaus befehligen. Entweder fährt man selbst in den eleganten Limousinen durch die Stadt, inklusive simuliertem Verkehr und Fußgängern, die vor Schreck auch mal ausweichen, wenn man nicht die Sirene einschaltet. Oder man lässt sich von seinem Partner zu einem Zielpunkt fahren, von denen es auch mehrere wie Bar, Wohnung oder Blumenladen geben kann, da man an verschiedenen Orten parallel recherchieren kann.
Wenn man mal aussteigt und die Gegend erkundet (und nicht plötzlich totgefahren wird, was selbst auf ruhiger Straße passieren kann), wird man allerdings die Leblosigkeit der Stadt erkennen: Man hat keine Wohnung, kann in keinen Laden gehen, kann sich noch nicht mal beim Kiosk eine Zeitung kaufen, obwohl sich gerade das angeboten hätte - hier spielt das Los Angeles der 40er Jahre zu wenig interaktive Erkundungsreize aus und man fragt sich, wozu L.A. Noire die offene Welt überhaupt braucht. Wäre es nicht klüger gewesen, die einzelnen Schauplätze der Morde sowie Zwischenfälle noch detaillierter auszuarbeiten? Selbst das elf Jahre alte
Shenmue wirkt in seiner Darstellung von Stadtleben wesentlich lebendiger als diese Metropole.
So kann man lediglich wie ein Tourist bis zu 30 Baudenkmäler besuchen, zig Fahrzeuge sammeln oder auf knapp 40 Zwischenfälle reagieren, die per Funk reinkommen: Die bringen einen aber nicht zu interessanten Nebenfällen, sondern in immer gleiche, unheimlich simple Actionsituationen – Faustkampf, Schießerei, Verfolgung. Warum es gut ist, dass man sie ignorieren kann, klärt der Test weiter unten.