Harry Potter und der Orden des Phönix23.06.2007, Paul Kautz
Harry Potter und der Orden des Phönix

Im Test:

Während die halbe Welt der Veröffentlichung des siebten Harry Potter-Bandes entgegensabbert, wird der gemeine Kinogänger mit der Verfilmung des fünften Teils gelockt. In »Der Order des Phönix« trennt sich Autorin Rowling endgültig von der Kinderbuch-Vergangenheit des Zauberlehrlings und steckt ihn in einen mitreißenden, düsteren Plot - wirkt sich das auch positiv auf das Spiel aus?

Der Zauberer und sein Pad

Wer die Wahl hat, hat normalerweise die Qual - doch nicht bei diesem Spiel! Wie schon beim Vorgänger hat EA es geschafft, auf allen Plattformen das gleiche Spiel zu entwickeln, natürlich unter Berücksichtigung lokaler Besonderheiten. Neben der Technik (die Grafik ist auf allen Systemen mehr oder weniger dieselbe, auf PS3 und 360 gibt's lediglich mehr Effekte und bessere Texturen) ist das vor allem die Art der Eingabe, die von System zu System unterschiedlich ist. Denn dieses Mal wird nicht per Knopfdruck gezaubert, stattdessen müsst ihr Magie wirken, indem ihr Harrys Arm die entsprechenden Bewegungen

Die Figuren sind wiedererkennbar designt - leider fehlt es gerade den Gesichtern an Leben.
machen lasst. Das sieht zwar merkwürdig aus - angesichts der Wabbeleien könnte man annehmen, im Arm des jungen Potter befänden sich keinerlei Knochen - fühlt sich aber zumindest interessant an. Jedenfalls auf PS2 und 360, den beiden Plattformen, die keinen Schnickschnack, sondern den guten alten rechten Analogstick zur Eingabe nutzen. Der kommt natürlich auch auf PC und PS3 zum Zuge, allerdings nur alternativ: Am PC sind Mausgesten möglich, die PS3 bietet Zauberei per Sixaxis an. In aller Kürze: Tut euch einen Gefallen und bleibt beim Analogstick! Die anderen Kontrollmöglichkeiten riechen furchtbar nach »Was können wir tun, um es mal ANDERS zu machen?«, sind spielbarer Krampf und machen nicht den geringsten Spaß - selbst per Tastatur geht es im Zweifelsfall besser. Am besten funktioniert das Gefuchtele interessanterweise auf dem Wii: Hier verwandeln sich Wiimote und Nunchuck in kleine Zauberstäbe, die Magie wird gewirkt, indem die Eingabegeräte entsprechend geschwungen werden - cool, einfach zu kontrollieren, gut auf den Punkt gebracht!

Sitzt die Steuerung, und das wird sie nach dem ausufernd langen Tutorial, das euch grundlegende Zauber wie »Accio« (Dinge heranziehen) oder »Wingardium Leviosa« (Dinge schweben lassen) beibringt, dann werdet ihr feststellen, dass sich Harry Potter 5 spielerisch stark von seinen Vorgängern unterscheidet. Es ist weitaus offener gestaltet als bisher: Hogwarts steht euch in seiner ganzen Pracht offen, ihr könnt tagelang herumrennen, ohne auch nur einen Augenblick an Spielfortschritt oder Story denken zu müssen. Da das naturgemäß sehr langweilig wäre, haben die Entwickler ziemlich viel Kram in der Zaubererschule versteckt: Ob staubiger Wandteppich, verbeulte Ritterrüstung oder kaputte Vase - es lohnt sich, überall mal mit dem Zauberstab zu winken, denn gelegentlich regnet es Entdeckerpunkte, die sich wiederum direkt auf den Spielerlevel

Die Duelle sind auch so schon fummelig genug - ihr solltet euch nicht zusätzlich mit Maus- oder Sixaxis-Steuerung belasten.
auswirken, welcher seinerseits z.B. für mächtigere Zauber sorgt. Und natürlich gibt es neben den für die Story relevanten Aufträgen auch viele Nebenmissionen, auch wenn diese sich oftmals auf Trivialitäten wie »Finde fünf sprechende Wasserspeier« oder »Suche ein bestimmtes Buch in der Bibliothek« beschränken. Generell ist der Anspruch des Spiels trotz dreier Schwierigkeitsgrade sehr niedrig und eher für eine jüngere Zielgruppe gedacht.

Aus dem Weg, Ron!

Wie schon bei den vorherigen Spielen kommt auch hier die Story zu kurz: Gelegentliche Zwischensequenzen treiben die Handlung voran, es gibt jedoch gewaltige Lücken und große Sprünge innerhalb des Handlungsstrangs - wer die Buchvorlage nicht kennt, bekommt hier nur Bruchstücke davon mit. Immerhin sind die Filmchen gut inszeniert, gerade die Figuren sehen ihren Film-Pendants verdammt ähnlich. Doch leider sind gerade die gut modellierten Gesichter leblos geraten: Bis auf die sich synchron zur Sprache bewegenden Lippen und gelegentlich klappende Augen tut sich da nichts, ein bisschen mehr Emotion hätte nicht geschadet. Apropos Sprache: Davon gibt es jede Menge zu hören, schließlich könnt ihr jede Person ansprechen - die allerdings in den meisten Fällen nicht mehr als ein »Hi!« bzw. eine Beleidigung für Potter übrig haben. Je nach Plattform habt ihr mehr oder weniger Sprachen zur Auswahl, falls ihr zu den Glücklichen gehört, die die englische Version anwählen dürfen, solltet ihr das tun - teilweise erwarten euch da die Originalsprecher. Deren deutsche Pendants können da nicht ansatzweise mithalten, die Stimmen klingen zum größten Teil entweder gelangweilt oder überbetont.

Der Hogwarts-Kenner nickt wissend - einige der Umgebungen sind sehr gut gestaltet.
Die freie Natur des Spieldesigns bringt ziemlich viel Hin- und Hergerenne mit sich. Um ewige Durststrecken zu vermeiden, bietet euch das Programm gleich zwei Hilfsmittel an: Zum einen hängen überall Gemälde herum, die euch Abkürzungen zwischen wichtigen Orten anbieten - um diese freizuschalten, müsst ihr den vorlauten Grafiken aber den einen oder anderen Gefallen tun. Zum anderen dient die »Karte des Rumtreibers« als Wegweiser: Ihr wählt aus einer Liste den Ort oder die Person an, die ihr besuchen wollt, und schon führen euch mysteriös vor euch erscheinende Fußspuren auf den rechten Weg. Der führt euch hin und wieder auch an gelangweilt in der Gegend herumstehenden Schülern vorbei, die euch auf ein Spielchen einladen - Zaubererschach und Knallpoker machen aus dem Orden des Phönix nicht gerade eine Wario Ware-kompatible Minigame-Sammlung, bescheren aber gern gesehene Abwechslung. Die gibt es auch bei der Wahl des Protagonisten: Zwar seid ihr die überwiegende Zeit mit Harry unterwegs, zu besonderen Gelegenheiten übernehmt ihr aber auch die Kontrolle über Direktor Albus Dumbledore oder die Weasley-Zwillinge. Harrys Freunde Ron und Hermine sind dieses Mal ausschließlich KI-kontrollierte Sidekicks, und nicht mal besonders gute: Zwar klinken sie sich bei entsprechenden Zaubersprüchen automatisch unterstützend ein, stehen aber sonst oft, gerne und nachhaltig im Weg, was in engen Gängen ein lästiges Problem ist.       

Fazit

Es gibt nicht viele wirklich gute Filmumsetzungen, aber die Harry Potter-Games haben es bislang noch immer geschafft, zumindest ein zufriedenes Lächeln auf das gegerbte Gesicht des verwöhnten Spieletesters zu zaubern. Nein, auch der Orden des Phönix ist kein anspruchsvolles Meisterwerk, aber bei aller Liebe - das ist das Buch auch nicht. Das Spiel serviert gute Unterhaltung für tendenziell eher junge Spieler, das einigermaßen freie Spielprinzip ist eine willkommene Abwechslung vom üblichen Missionskauderwelsch. Schön ist, dass es auf allen Plattformen das gleiche Spiel gibt, schlecht ist dagegen, dass die Entwickler immer noch nicht gelernt haben, dass man nicht unbedingt jede Hardware-Eigenheit aus Prinzip nutzen muss - das Zaubergefuchtel mit Maus und Sixaxis ist eine Qual; bloß gut, dass es immerhin Alternativen gibt! Darüber hinaus finde ich es schade, dass der vorbildliche Koop-Modus des Vorgängers dieses Mal komplett unter den Tisch fällt; die KI-Kollegen sind in keiner Hinsicht ein Ersatz für einen willigen Kumpel. Nun - man kann nicht alles haben.

Update: Aufgrund der intuitiven und leicht von der Hand gehenden Steuerung bekommt die Wii-Fassung einen Bonuspunkt - der Rest des Spiels ist identisch zu den anderen Versionen.

Pro

nette Grafik
einfache Bedienung
nicht-lineares Spielprinzip
guter Soundtrack
intuitive Steuerung (Wii)

Kontra

verwaschene Texturen
steife Animationen
Mausgesten
& Sixaxis-Steuerung völlig unbrauchbar (PC, PS3)
störrische KI-Kumpels

Wertung

360

Gelungener Hogwarts-Ausflug für große und kleine Zauberer.

PlayStation2

Gelungener Hogwarts-Ausflug für große und kleine Zauberer.

PlayStation3

Schönes Action-Adventure mit missratener (und dankbarerweise optionaler) Sixaxis-Steuerung.

Wii

Schönes Action-Adventure mit gut umgesetzter Zauberstab-Steuerung.

PC

Schönes Action-Adventure mit missratener (und dankbareweise optionaler) Mausgesten-Steuerung.

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