Free Running13.10.2009, Benjamin Schmädig
Free Running

Im Test:

Was Faith in der nahen Zukunft beherrscht, können Tyler, Raynor, Locks und deren Kumpels schon heute. Free Running (ab 1,99€ bei kaufen) heißt ihr Freizeit-Sport, bei dem es über Geländer, Brücken oder Dächer geht. Dass die Läufer dabei noch Zeit für allerlei halsbrecherische Stunts, etwa Überschläge unterschiedlichster Couleur haben, erklärt die Warnung zu Beginn des Spiels: Bloß nicht nachmachen! Dass ausgerechnet Rebellion das Spiel zum Sport veröffentlicht, ist hingegen verwunderlich. Für gewöhnlich stehen die Briten nämlich für Qualität...

Ziellose Freiläufer

Ein realer Free Runner hat nicht viel zu tun: Er oder sie klettert, springt und rollt sich durch urbane Betonlandschaften - seine oder ihre einzige Herausforderung ist das Meistern der kniffligen und zumeist gefährlichen Stunts. Mirror's Edge  machte das Running deshalb zur "Waffe", mit der sich Faith und ihre Begleiter gegen einen dystopischen Big Brother wehren können. Und Free Running? Free Running macht das nicht. Es erklärt die akrobatische Kunstform vielmehr zum Selbstzweck. Es verlässt sich darauf, dass ich das Tänzeln über den Beton irgendeiner Großstadt ebenso spannend finde wie ein realer Runner. Und im

VIDEO - Sieht hier leider besser aus als es sich anfühlt: Free Running in Bewegung.Grunde ist das ja löblich. Denn so mitreißend sie in Mirror's Edge auch sind: Ich könnte auf die halsbrecherischen Verfolgungsjagden glatt verzichten, wenn ich mein Können in einem packenden Geschicklichkeitstest unter Beweis stellen kann. Doch genau da liegt das Problem. Spannend ist in Free Running nämlich nur das Entziffern der kryptisch verschlüsselten Steuerung.

A, X, links oder doch die Schultertaste?

Bevor ich mich auf dem Asphalt austobe, wähle ich aber zunächst einen von sieben Athleten, die sich in drei Werten mal  mehr, meist aber praktisch gar nicht unterscheiden. Überhaupt spielen nur die zwei Werte für Geschwindigkeit und Boost-Geschwindigkeit eine ernst zu nehmende Rolle. Ich habe es jedenfalls nicht geschafft, die niedrige Lebensenergie meiner Urban-Akrobatin auf Null zu senken - selbst nach einigen Abstürzen aus großer Höhe bleibt die Lady quickfidel. Nervenkitzel kommt so jedenfalls nicht auf, und den Rest der Aufregung machen die scheinbar zwei Generationen alten Kulissen zunichte. Die kantigen Schauplätze und Akteure dürften jedenfalls schon bei ihrer PS2- und PSP-Premiere vor zwei Jahren antik gewirkt haben.

Aber zurück in die Turnhalle, wo ich mich mit einer überfrachteten Steuerung vertraut mache. Generell ist das Prinzip schnell durchschaut: Es gibt eine Taste zum Sprinten, eine zum Springen, diverse andere für die zahlreichen Kunststücke usw. Mit verschiedenen Kombinationen lege ich unterschiedliche Kunststücke aufs Parkett - so weit, so bekannt. Das Ganze funktioniert sogar vorbildlich per Gamepad oder Tastatur. Doch es fängt damit an, dass ich unterschiedliche Tasten drücken muss, um auf verschiedenen Zielobjekten richtig zu landen. Und es geht damit weiter, dass ich als Tastatur-Akrobat beim Betätigen eines Richtungspfeils auch gleich in die entsprechende Richtung renne,

Ist man einmal mit der überfrachteten Steuerung vertraut, gelingen immerhin gelegentlich lässige Manöver - in einen richtigen Flow kommt man allerdings selten.
anstatt mich nur umzusehen. Das ist nicht nur nervtötend, sondern auch furchtbar unübersichtlich!

Gespenstisch!

Schlimmer wiegt die Tatsache, dass einige Knöpfe mal eine bestimmte Aktion auslösen und mal eine andere. Man benötigt ohnehin intensives Training, um zumindest die zentralen Elemente zu verinnerlichen - wenn man in manchen Situationen allerdings die Sprungtaste zum Springen benötigt, in anderen aber die Funktionstaste dafür nutzen muss, ist das einfach nicht eingängig genug. Genau das wäre aber unheimlich wichtig, um sich elegant durch die Großstadt zu bewegen! Wo ich in Mirror's Edge nach wenigen Minuten im so genannten Flow bin und diesen bis zum Spielende nicht mehr hergebe, bin ich hier schon froh, wenn ich innerhalb eines Zeitlimits irgendwie über den Parcours gestolpert komme. Die Kamera tut ihr übrigens, indem sie während eines Stunts schon mal um meinen Charakter schwenkt und in entgegen gesetzter Richtung wieder zum Stehen kommt. Ganz zu schweigen davon, dass sie viel zu oft kaum Übersicht bietet und hin und wieder auch einfach keinen vollständigen Schwenk erlaubt.

Wozu ich mich also mit dieser Freizeit-Akrobatik abmühe? Weil in den seltenen Momenten, in denen mir dieser sperrige Umstandskasten eines Spiels coole Kombinationen aus Sprüngen, Wandläufen und Tricks erlaubt, tatsächlich Spaß aufkommt. Und natürlich deshalb, weil ich Stück für Stück die neun kleinen Areale freischalte, um dort immer wieder die immer gleichen Aufgaben absolviere. Mal renne ich gegen die Zeit, mal gegen einen anderen Runner, mal muss ich im Flow bleiben und mal auf spaßfreie Art und Weise möglichst viele Knochen brechen. Auf Dauer fehlt mir leider ein Ziel, vielleicht eine Art Weltmeisterschaft, auf die ich mich vorbereiten muss. Zur Abwechslung könnte ich zwar auch mit einem LAN-Kumpel um Punkte und Zeiten rennen. Aber spätestens, wenn meine Lauf-Lady im Solo- und im Multispiel wie ein Geist durch ihren Kontrahenten hindurch schwebt, habe ich einfach keine Lust mehr auf dieses belanglose Dach-Gerenne.  

Fazit

Zugegeben: So verwunderlich ist es dann doch nicht, dass diese Gurke den Rebellion-Stempel trägt. Obwohl die Briten mit Titeln wie Aliens vs. Predator oder Rogue Trooper richtig gute Action inszenieren, blamieren sie sich auch gerne mit Knallgurken wie Shellshock 2 oder eben Free Running. Wie man das reale Free Running zum Spiel macht, zeigt Mirror's Edge. Wie man aus dem fordernden Extremsport eine verkrampfte Tech-Demo mit zehn Jahre alter Technik macht, zeigt der Rebellion-Titel. Die Steuerung ist so unpräzise wie sie heillos überladen ist, die Karriere ist der Rede nicht wert und die Kulissen müssten dem Anschein nach noch unter Windows 95 flüssig laufen. Das Schlimmste ist aber, dass die eigentlich coolen Tricks der Runner nie so lässig rüberkommen wie sie müssten. Man zaubert zwar hin und wieder erfolgreiche Kombinationen auf den Asphalt, was im Moment des Erlebens richtig Laune macht. Doch zum einen sehen die Ergebnisse meist ernüchternd aus und zum anderen halten sich Erfolgserlebnisse dank der eintönigen Herausforderungen in Grenzen. Dass die Rebellion-Läufer mit Abstand mehr Tricks beherrschen als Faith ist ihre einzige Stärke - wer glaubwürdiges Free Running erleben will, muss zu Mirror's Edge greifen!

Pro

zahlreiche Kunststücke

Kontra

ungenaue, überladene Steuerung
Figur reagiert träge auf Eingaben
dröge "Karriere" ohne echtes Ziel
Perspektive dreht sich eigenständig in falsche Richtung
Kamera lässt sich nicht jederzeit frei drehen
völlig veraltete Darstellung

Wertung

PC

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