FlatOut: Ultimate Carnage01.08.2007, Paul Kautz
FlatOut: Ultimate Carnage

Im Test:

In den meisten Rennspielen ist ein Haus ein durchaus solides Hindernis, auch ein durchschnittlicher Zaun bietet oft genug selbst rasenden Panzern erstaunlich kompetent die Stirn - von Wassertürmen oder mächtigen Baumstämmen ganz zu schweigen. Nicht so in FlatOut: Von Anfang an gab es hier nur einen Weg, und der führte konsequent durch das Hindernis hindurch! Auch FlatOut Ultimate Carnage folgt dieser Prämisse, funkelnd und strahlend auf 360 und PC!

Immer an der Wand lang - oder durch sie hindurch!

Mathematik ist eine prima Sache, bringt sie doch u.a. die Dinge in eine gewisse Ordnung: Auf FlatOut 1 folgte FlatOut 2, auf FlatOut 2 folgt... FlatOut: Ultimate Carnage (ab 11,12€ bei kaufen) (UC)? Sind den Entwicklern die Zahlen ausgegangen? Oder wollen sie uns damit etwas Bestimmtes sagen? Ja, und zwar das Gleiche, das uns Rockstar Games mit GTA Vice City und San Andreas sagen wollte: Dass wir es hier nicht mit einem echten Nachfolger, sondern vielmehr einem Ableger der Serie zu tun haben. UC ist kein echter dritter Teil, sondern ein verbessertes Remake des zweiten - was gar nicht doof ist, schließlich gehört

Zerstörung pur: Ein großer Teil der Umgebung ist zerlegbar - und die Wagen natürlich auch!
der zu den wenigen Xbox-Titeln, die nicht auf der 360 laufen. Wer also FlatOut 2 in- und auswendig kennt, der dürfte auch mit UC sofort vertraut sein - zwar ist das Spiel laut den Entwicklern von Grund auf neu entwickelt, doch nutzt es trotzdem einen Großteil der Spielelemente des Quasi-Vorgängers.

Für den Fall, dass ihr mit der FlatOut-Serie nicht vertraut seid, geben wir euch gerne einen kurzen Abriss dessen, was euch erwartet: Die Bezeichnung »Burnout's Redneck Cousin« hat die Reihe nicht ohne Grund. Hier geht es nicht im Mondschein über glänzende Straßen, an gewaltigen Wolkenkratzern vorbei - sondern im schlimmsten Fall mittendurch! FlatOut ist dreckig, wüst, roh: Hier werden Wälder, Ölfelder und staubig-dreckige Arenen unsicher gemacht, es geht querfeldein, über Trampelpfade und ohne Rücksicht auf Verluste überall hindurch, was im Weg steht! Als Mischung aus der Need for Speed - und Burnout -Serie erwartet euch ein eher klassischer Racer mit weniger klassischen Elementen: Ihr tretet gegen bis zu elf Gegner an, könnt Abkürzungen nutzen - oder selbst erschaffen, denn ein großer Teil der Streckenelemente ist zerstörbar! Ein Reifenstapel? Reinfahren, und schon hüpfen die Pneus munter durch die Gegend, verteilen sich auf der Fahrbahn, und sorgen so für unerwartete Hindernisse. Aufgebockte Baumstämme? Hier gilt dasselbe, nur ist das Hindernis dieses Mal durchaus stabil. Eine Brücke mit dünn erscheinenden Streben oder ein Haus mit einladend großen Schaufenstern? Nun... den Rest könnt ihr euch vermutlich denken. Beinahe alles, was in der Nähe der Strecke herumsteht oder -liegt, lässt sich umfahren, und somit zum eigenen Vorteil nutzen. Das wissen die Gegner allerdings auch, wodurch ihr euch nicht auf euer Streckenwissen verlassen könnt - in jeder Runde könnten neue Widerspenstigkeiten auf den dreckigen Straßen liegen.

Flieg Dummy, flieg!

Der wichtigste Spielmodus ist nach wie vor die Karriere: In der beginnt ihr mit einer in jeder Hinsicht furchtbaren Karre, die mit gewonnenen Rennen (Straße, Rennen & Derby) immer weniger schlecht wird - das etwas oberflächliche Tuning macht's möglich. Genügend Geld vorausgesetzt könnt ihr auch neue Wagen kaufen, die ihr 

Das Deathmatch Derby weckt schöne Erinnerungen an durchcrashte PSOne-Nächte - Rabatz in einer kleinen Arena!
neuerdings auch in der spielinternen Garage stapeln dürft. Der »Carnage«-Modus besteht aus 36 abgefahrenen Einzelevents, die auf vier Spielvarianten basieren: Beim »Stunt« geht es darum, euren Fahrer-Dummy spektakulär und effizient hoch, weit oder sonst wie ins Ziel zu befördern. In der »Zerstörung« geht es ohne Schnörkel darum, möglichst viel kaputt zu machen. Bei »Entkomme der Bombe« ist der Name ebenfalls Programm: Der Countdown tickt unerbittlich dem explosiven Ende entgegen, mittels Durchfahren von Checkpunkten gewinnt ihr wertvolle Sekunden dazu. Und das »Deathmatch Derby« erinnert nicht zufällig an den Psygnosis-Klassiker »Destruction Derby«: Eine Arena, ein Batzen Autos, ein paar Extras, keine Regeln - Fragfest ahoi!         

Die »Einzel-Events« drehen sich hauptsächlich um Dinge, die ihr eurem Dummy antun könnt: Egal ob Bowling, Hochsprung, Basketball, Skisprung oder das Johnny Cash-inspirierte »Ring of Fire« - stets nehmt ihr mit dem Auto Anlauf, crasht, und seht euren Fahrer gen Ziel fliegen.

Die Dummy-Minigames sind besonders im Mehrspielermodus unbezahlbar gut - hier wird der arme Plastikmann durch feurige Ringe geschmissen.
Je nach kurz vor dem Einschlag gewähltem Winkel geht es mehr oder weniger zielsicher in die Lüfte, das Herausfinden der Mischung aus Geschwindigkeit und Winkel macht hier den größten Spaß aus. Wo wir schon beim Dummy sind: Wie schon in den vorherigen Teilen sitzt hinter eurem Steuer kein »echter« Mensch, sondern eine Plastikfigur. Und ganz ehrlich: Sie ergibt auch viel mehr Sinn. Allerdings wirkt sie angesichts der durch und durch menschlich dargestellten KI-Gegner dezent inkonsequent. Seid ihr lieber in Gesellschaft, könnt ihr acht Spieler hoch auch den »Party-Modus« anschmeißen, in dem ihr entweder aus drei vorgefertigten Events wählen dürft, oder eure eigene Spiel-Reihenfolge bastelt - das Ganze auch problemlos online.

Raser mit Stahlzähnen gesucht

Wer den Test von FlatOut 2 noch in Erinnerung hat (wer nicht, möge ihn bitte hier nachlesen), der wird wissen, dass der Schwierigkeitsgrad nicht von schlechten Eltern war. Genau genommen war er von fiesen Eltern, denn speziell die Gummiband-KI stellte nicht nur Anfänger vor ernst zu nehmende Probleme. Und jetzt könnt ihr selbst entscheiden, ob euch die folgende Info freut oder ärgert: UC ist genauso schwer! Schon die ersten Rennen sind hart, manche der Herausforderungen sind auch für Gamepad-Athleten echte Zahnausbeißer - zumal es keine wählbaren Schwierigkeitsgrade gibt! Auch das Problem der vorzugsweise im Pulk fahrenden Gegner hat Entwickler Bugbear nach wie vor nicht im Griff: Liegt ihr an der Spitze und macht einen Fahrfehler, könnt ihr euren rostigen Auspuff darauf verwetten, euch wenige Sekunden später ganz am Ende des Feldes wiederzufinden - etwas, das gerade in den letzten Runden zu Wutschreien und einem Neustart führen kann. Das war offensichtlich sogar den Entwicklern klar, denn eines der Achievements bekommt man nur, wenn man ein Rennen wieder und wieder startet!

Zwar sind die FlatOut 2-Wurzeln bei UC nicht zu verleugnen, aber technisch gehört das Spiel ganz klar zur 360-Generation: detaillierte Fahrzeuge, toll designte Levels und ein großartig-destruktives Schadensmodell sorgen auf der

Die Gegner haben leider nicht dazugelernt - die Gummiband-KI ist auf Dauer ziemlich nervend.
einen Seite für fröhlich glänzende Augen, schnuckelige Effekte auf der anderen: HDR, glitzerndes Wasser, Normal Mapping, Echtzeit-Schatten, hochauflösende Texturen, Partikelphysik und noch viel mehr von dem, mit dem fortschrittliche Entwickler so gern angeben, machen UC zu einem sehr, sehr gut aussehenden Spiel, das dem angerichteten Chaos zum Trotz jederzeit flüssig läuft! Schade ist nur, dass es keinen Rückspiegel gibt, und man vermisst in der Auswahl der Perspektiven eine vernünftige Cockpit-Ansicht. Außerdem hat die normalerweise für großen Spaß sorgende Physik-Engine ihre Macken: Viele Objekte wirken, als hätten sie kein Gewicht, dicke Baumstämme fliegen wie Papierkügelchen durch die Luft, oder werden vom Fahrzeug kilometerweit mitgetragen - gelegentlich passiert es sogar, dass ein gegnerisches Auto auf unserem Dach landet. Aber ändert das irgendwas an den Fahreigenschaften? Nö. Hin und wieder schaffen es die Gegner auch, am eigenen Wagen gewissermaßen festzukleben - dann wird man sie nur noch los, indem man sie entweder in ein stabiles Hindernis schiebt oder das Rennen von vorn startet.

Die PC-Fassung ist ihrem ein Jahr älteren Bruder grundsätzlich bis auf die verbeulte Blechhaube ähnlich; grafisch gibt es keine Einschränkungen, die Hardwareanforderungen sind moderat. Ärgerlicherweise gibt es Einbußen bei der Bequemlichkeit: Die Bedienung ist komplett auf der 360-Pad ausgelegt, wer das nicht am Rechner hängen hat, muss sich mit kryptischen Anweisungen und fummeliger Tastaturbedienung zufrieden geben. Ein Netzwerkmodus ist nirgendwo zu finden, im Internet darf nur spielen, wer sich über Microsofts bedauernswerten Games for Windows LIVE einloggt. Der hat zwar den Vorteil, dass PC-Raser nun auch mit den gleichen Achievements gesegnet sind wie ihre 360-Kumpels, funktioniert aber schrecklich unzuverlässig.      

Fazit

Entwickler Bugbear ist ein gerissener Haufen: FlatOut 2 läuft gegenwärtig nicht auf der Xbox 360, ein umfangreiches Remake hat also durchaus eine Existenzberechtigung - auch wenn man durchaus hin und wieder »Abzocke?« denken könnte. Davon abgesehen ist der Crashspaß auch in glitzerndem HD nach wie vor ungetrübt; die flotte Grafik ist toll, die Steuerung einfach, die Rabatz-Physik immer noch herrlich chaotisch - hier kracht es mindestens drei Mal so oft wie bei Burnout! Und der Multiplayermodus ist besonders aufgrund der Dummy-Stuntspielchen ein verdammt großer Spaß. Allerdings sollten sich Lenkrad-Neulinge vorsehen: Gerade im Einzelspielermodus vergibt der harsche Schwierigkeitsgrad von Anfang an kaum Fahrfehler, die bärig harten Missionen sind immer wieder Grund für den einen oder anderen ausgebissenen Zahn, und die Gummiband-KI kann himmelschreiend frustrierend sein! Aber wer hat denn behauptet, dass es einfach sei, King of Crash Test Dummys zu werden? Für den nächsten Teil würde ich mir trotzdem wählbare Schwierigkeitsgrade wünschen...

Update zur PC-Version: Nach einem Jahr Wartezeit durften endlich auch die PC-Raser zum Lenkrad bzw. Gamepad greifen - und das Ergebnis kommt einem gleich in doppelter Hinsicht bekannt vor. Zum einen ist die Computer-Variante nun die dritte Inkarnation von FlatOut 2, zum anderen ist sie zur 360-Fassung in fast allen Belangen identisch. Abstriche gibt's bei der Bedienung, die klar auf das 360-Pad ausgelegt ist, sowie beim Mehrspielermodus, der auf dem aus gutem Grund so erfolglosen Games for Windows LIVE-System basiert - und eine Netzwerkvariante gibt's gleich gar nicht. Der grundsätzliche Spaß bleibt allerdings davon ungetrübt: Nie sahen die Dreckskisten schöner aus, nie flogen sie beeindruckender in die Luft. Ultimate Carnage bleibt damit auch am PC ein cooler und anspruchsvoller Arcade-Spaß.

Pro

einfache Steuerung
tolle, flüssige Grafik
eindrucksvolles Schadensmodell
herrlich viel zerstörbar
spaßige Mehrspielermodi
lässiger Soundtrack

Kontra

»nur« ein aufgemotztes Remake von FlatOut 2
gelegentlich lächerliche Umgebungsphysik
steil ansteigender Schwierigkeitsgrad
allerlei öde Minigames
kein Netzwerkmodus (PC)
Online nur über GfW Live-System (PC)

Wertung

360

Spannende Rennen, fetzige Crashes, fliegende Dummys - Ultimate Carnage ist ein verdammt großer Spaß!

PC

Am PC gibt es Probleme mit der Bedienung und dem Multiplayermodus, ansonsten bleibt das Spiel das gleiche.

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