Juiced 2: Hot Import Nights07.10.2007, Mathias Oertel
Juiced 2: Hot Import Nights

Im Test:

Tuning-Raser mit Arcade-Ansatz haben spätestens seit den Midnight Club- und NFS Underground-Serien einen festen Platz im Rennspielregal. Doch auf den aktuellen Konsolen kommt das Genre noch nicht so richtig in Gang. Kann die Fortsetzung zum 2005 erschienenen Juiced für Belebung sorgen?

Arcade? Tuning?

Ach, das waren noch Zeiten. Gute Zeiten. Zeiten, in denen Midnight Clubs, die Untergrund-Rennen der Need for Speed-Serie und Juiced die PlayStation 2 zum Glühen brachten. Letztgenannter Debüt-Raser des britischen Teams von Juice Games konnte die Vormachtstellung von EA und Rockstar Games zwar nicht ernsthaft in Gefahr bringen, bot mit einigen frischen Ansätzen jedoch eine willkommene Abwechslung.

Willkommen in der Welt von Drifts, Hochgeschwindigkeit und gut gebauten Frauen. Willkommen in der Welt der Hot Import Nights! (360)
Doch die nächste Generation an, nennen wir sie mal "Arcade-Tunern", lässt auf sich warten. Ja: Need for Speed ging in Ordnung. Doch die Import Tuner Challenge bleibt lieber in der Versenkung, wo sie hingehört. Stattdessen führen die "puren" Genre-Vetreter das Feld an. Der Arcade-Bereich wird von Burnout Revenge und, wenn man Rallye-Vertreter dazu zählen möchte, von Sega Rally dominiert. Zusätzlich steht das mit einem Fuß ebenfalls im Arcade-Fahrspaß verwurzelte PGR 4 an der Startlinie. Und im simulativen Tuning-Bereich führt derzeit kein Weg an Forza Motorsport 2 vorbei. Nicht zu vergessen Test Drive Unlimited, das ebenfalls eher im Simulationsfeld angesiedelt ist.

Da zudem sowohl NfS Pro Street als vor allem auch die nächste Midnight-Club-Ausgabe auf sich warten lassen, hat "Juiced 2 - Hot Import Nights" (J2) die große Chance, die Pole Position zu übernehmen.

Pures Rennvergnügen?

Vergesst den umständlichen Kalender des Vorgängers. Und hofft ja nicht auf eine frei befahrbare Stadt. J2 reduziert die insgesamt zehn Ligen in der Karriere auf das Wesentliche: Rennen, Rennen, Rennen. Dazu noch Driften, Tunen und Wetten. Doch das spielt eher eine untergeordnete Rolle. Das hört sich jetzt nicht nach besonders viel oder gar spannend an, doch dieses minimalistische Prinzip legt den Grundstein für durchaus ansprechende Unterhaltung.

Ich brauche mich nicht erst durch eine Pseudo-Stadt wühlen, um eine Tuning-Werkstatt zu finden, ich brauche mein GPS nicht konsultieren, um einen Standort eines Wettbewerbs ausfindig zu machen.

Stattdessen navigiere ich mich einfach und unkompliziert durch die leider etwas trockenen Menüs, wähle den Wettbewerb aus, an dem ich teilnehmen möchte und schon kanns losgehen.

Allerdings hat J2 durchaus mehr zu bieten als pure Bleifuß-Rasereien. Diese stehen zwar im Mittelpunkt (McFly? Jemand zu Hause? Das ist ein Rennspiel!), doch jede der Sprossen auf der Karriereleiter muss erst durch das Erreichen bestimmter Aufgaben freigeschaltet werden. Dazu gehören so einfache Missionen wie "Gewinne dies", "Schaffe eine Geschwindigkeit von

Die vor allem mit menschlichen Gegnern enorm unterhaltsamen Drift-Wettbewerbe finden an den ungewöhnlichsten Locations statt... (360)
X Km/h" oder "Werde mindestens Dritter in diesem oder jenen Wettbewerb". Zusätzlich müsst ihr z.B. andere Fahrer "erschrecken", Zuschauer- oder Fahrerwetten gewinnen oder in so genannten "Pink Slip"-Rennen den Fahrzeugbrief eines Gegners einsacken.

Erschreckte Unterwäsche?

Moment mal... Erschrecken? Pink Slip? Wetten? Okay: Eins nach dem anderen. Ähnlich wie in Milestones SCAR oder Total Immersion Racing könnt ihr den Gegner unter Druck setzen, der in Form einer sich füllenden Leiste optisch markiert wird. Ist diese Leiste voll, macht der jeweilige Kontrahent einen Fahrfehler und ihr könnt vorbeiziehen. An sich eine lohnenswerte Ergänzung, die allerdings auf Dauer an Reiz verliert. Vor allem in den so genannten "Last Man Standing"-Wettbewerben, in denen eine Berührung mit der Leitplanke zum Ausscheiden führt, kann man sich "wie blöd" hinter einen Gegner setzen und sich sicher sein, dass er nach wenigen Sekunden nicht mehr am Rennen teilnimmt - die ganze Angelegenheit wird unheimlich berechenbar.

Bei den Wetten gibt es ein ähnliches Phänomen: Anfangs reizvoll, da neu und interessant, später nur noch ein notwendiges Übel, da auch hier viel Berechenbarkeit Einzug hält.

       

So könnt ihr vor jedem Rennen einen Gegner rauspicken und ihm eine Wette anbieten. Sehr schnell hat man raus, wer auf eure Angebote eingeht, wer sich lieber zurückhält und wer euer Angebot sogar noch aufstockt. Und ab diesem Punkt nutzt man das System für sich aus und füllt sein Konto schneller als mit den Preisgeldern.

Dito bei den Zuschauerwetten: Ihr könnt euch während des Rennens (an dem ihr nicht aktiv teilnehmt) den Fahrer mit einer

Das visuelle Tuning ist umfangreich, unter dem Strich aber vollkommen unerheblich für den Spielverlauf, während die Leistungs-Steigerungen an der Oberfläche steckenbleiben... (360)
ansprechenden Quote herauspicken, ihn anfeuern und seinen Gegner durch gezielte Buhrufe an den Rand des Wahnsinns treiben. Und auch hier gilt: Anfänglich interessant, doch später nutzt man diese Möglichkeit nur noch, wenn sie als Freigabe-Kriterium für die nächste Liga nötig ist.

Einzig die Duelle um die Fahrzeugbriefe, die "Pink Slip"-Rennen, entfachen Spannung, da ihr hier euer mühsam aufgebautes Fahrzeug aufs Spiel setzt. Im Übrigen gibt es hier auch keine Möglichkeit, der möglichen Bestrafung bei einer Niederlage zu entgehen: Vor dem Rennen wird der Status abgespeichert, d.h. bei Pink Slips wird euch das Fahrzeug weggenommen und erst nach dem Sieg wieder zurückgegeben.

Beim Tuning wiederum zeigt sich die Doppelmoral ebenfalls: Wurden beim Vorgänger eine Extrem-Variante (ihr könnt alles von Hand einstellen) und eine Anfänger-Version der Auto-Aufmotzerei angeboten, gibt es in J2 nur noch die abgespeckte Version. Zwar gewinnt das Tuning an Würze, da man für neue Leistungsupgrades erst bestimmte Aufgaben erledigen muss. Doch dafür hat man außer der Wahl des Herstellers für Getriebe, Aufhängung usw. keinerlei Einfluss. Ähnlich verhält es sich beim umfangreichen optischen Upgrade-System. Während das Platzieren und Verändern von Aufklebern ähnlich wie in Forza Motorsport 2 extreme Dimensionen annimmt, bleibt man bei Spoilern, Kotflügeln usw. konservativ. Anbauen und fertig. Autosculpting wie in NfS sucht ihr vergeblich.

Das Geschwindigkeitsgefühl wirkt auf der PS2 sogar noch einen Tick stärker als auf der 360. (PS2)
Rennfahrer-Doppelhelix?

Ein wesentliches Element von Juiced 2 ist auch die so genannte Fahrer-DNS: Dahinter verbirgt sich allerdings nur eine verschlüsselte Version von bestimmten Fahrereigenschaften, die vor allem bei den CPU-Fahrern Aufschluss über ihre möglichen Reaktionen in den Rennen sowie ihre Stärken und Schwächen geben.

Was euch als Fahrer betrifft, wird während des gesamten Spiels euer Fahrverhalten analysiert und ihr dementsprechend in bestimmte Schubladen gepackt - so scheint es zumindest. Doch bei den umfangreichen Testläufen blieb ein anderer Eindruck zurück: Eure Eigenschaften werden zwar basierend auf eurer Fahrweise verbessert, doch letztlich findet keine grundlegende Analyse statt, sondern ihr bekommt bei bestimmten Meilensteinen einen Punkt auf der DNS-Skala - so z.B. bei 250 Drifts oder bei akkumulierten 150 Sekunden im Turbomodus usw.

Als Anhaltspunkt auf fahrerische Eigenheiten beim Duell gegen andere menschliche Kontrahenten hilft die DNS jedoch in jedem Fall, so statistisch sie im Gegensatz zur empfundenen Analyse sie auch sein mag.

Online oder Offline?

Das Wechselspiel von Licht und Schatten, das sich nicht nur bei den Inhalten und Möglichkeiten zeigt, setzt sich auch in den Rennen fort. An Varianten mangelt es keineswegs: Eliminierungs-Rennen, das bereits angesprochene Last Man Standing, kleine Turniere, die durchweg und vor allem mit mehreren menschlichen Spielern spaßigen Drift-Duelle und das alles später sogar noch mit Team-Fahrern, denen ihr rudimentäre Befehle geben könnt. Bis zum Erreichen der zehnten Liga wird man stets gut und abwechslungsreich versorgt und kann auch gegen die KI pure Spannung erleben.

Allerdings nur, bis man spitz kriegt, dass die CPU-gesteuerten Fahrer einer Gummiband-Intelligenz folgen. Selbst wenn ihr den Turbo bis zum Letzten ausreizt und ihn immer wieder mit gekonnten Drifts aufladet, werdet ihr nur in extremen Ausnahmefällen mehr als drei Sekunden Vorsprung ins Ziel retten.

Und in höheren Ligen rücken euch selbst scheinbar geschlagene Gegner in Rekordzeit wieder auf den Pelz und schaffen es sogar in aussichtslosen Momenten an euch vorbeizuziehen.

Ich habe nichts gegen Spannung, doch wenn ich überlegen fahre, möchte ich auch einen überlegenen Sieg. Und wenn ich Mist mache, will ich mich wirklich wieder rankämpfen müssen, ohne das Gefühl zu haben, PS-Almosen von den Gegnern zu bekommen.

     

Insofern bevorzuge ich die Online-Variante der Karriere (nur auf 360 verfügbar), bei der zwar die Lobby etwas unübersichtlich ist, die aber auf eurem Weg an die Spitze der zehn Ligen Duelle mit menschlichen Gegnern ermöglicht - insofern ihr auf den leider kaum bevölkerten Servern Kontrahenten findet. Da ihr innerhalb der jeweiligen Liga Fahrzeug-Restriktionen habt, kann man aber sicher sein, dass die jeweiligen menschlichen Fahrer nicht mit irgendwelchen Überkarren

Spannende Rennen sind an der Tagesordnung - der nervigen Gummiband-KI sei Dank! (PS2)
gegen euch antreten. Und schon kommt genau die Spannung auf, die die Gummiband-KI schmerzlich vermissen lässt.

Nur wieso kann ich nicht nahtlos zwischen der On- und Offline-Karriere hin und her wechseln? Wenn sich nicht genügend Fahrer für den jeweiligen Wettbewerb finden, wird das Feld auch online sowieso durch CPU-.Akteure aufgestockt. Insofern wäre es sinnvoll gewesen, dem Spieler den spontanen Wechsel anzubieten. Stattdessen laufen beide Karriere-Stränge vollkommen unabhängig voneinander, was zwar die Spielzeit im Allgemeinen deutlich erhöht, die Motivation aber auf lange Sicht eher behindert.

Gute Zeiten, schlechte Zeiten...

Bleibt noch die technische Umsetzung. Und wie sollte es anders sein? Auch hier gibt es bemerkenswerte Momente, die sich mit weniger einprägsamen abwechseln. Und so leid es mir tut: So groß, wie man die Unterschiede zwischen 360- und PS2-Variante vermuten würde, sind sie leider nicht.

Dass J2 auf der alten Sony-Konsole im direkten Vergleich natürlich schlechter aussieht, liegt in der Natur der Sache. Doch das Geschwindigkeitsgefühl ist unter dem Strich tatsächlich einen Tick besser als auf der 360, bei der nur der extreme Nitro-Einsatz für einen absoluten Hochgeschwindigkeits-Rausch sorgt, der an der kleinen Sony-Konsole vorbei zieht. Dafür kämpft man auf der PS2 nicht gegen die Tearing-Probleme, die die Microsoft-Konsole plagen und die vor allem auf HD-Geräten unschön über die Netzhaut wabern. Selbst auf Röhrenfernsehern ist man nicht davor gefeit.

Auch Rom wird als Hintergrund für die unterhaltsamen Auseinandersetzungen genutzt. (360)
Da auf beiden Systemen die Umgebungstexturen ebenfalls nicht zur ersten Garde gehören, fragt man sich natürlich vor allem im Falle der 360, wo die ganze Rechenpower hin ist&

Dafür allerdings können sich die Boliden wieder einmal sehen lassen - und das auf beiden Systemen. Für Hardcore-Autofans glänzen die Autos vielleicht etwas zu stark, doch damit wird der Tuning-Charakter einmal mehr unterstrichen. Das optische Schadensmodell wird ebenfalls gut in Szene gesetzt.

Nur auf der 360 gibt es übrigens gut animierte, aber dafür eher schlecht als recht texturierte Avatare, die den jeweiligen Gegnern Charakter verleihen. Auf der PS2 muss man mit Standbildern und wenig emotionaler Anbindung vorlieb nehmen.

Was die Steuerung betrifft, nehmen sich beide Varianten nicht viel: Die PS2 wirkt zwar "griffiger" und etwas direkter, doch das Gefühl, die Karren jederzeit unter Kontrolle haben, geht auch auf der 360 nie verloren. Außerdem lassen sich durch eine gewisse "Grundschwammigkeit", die das Team von Juice Games aus dem Vorgänger übernommen hat, auf der 360 die Drift-Wettbewerbe besser bewältigen.

Akustisch bietet man ebenfalls gewohnte Kost und serviert mit Industrial/Techno/Indie einen üblichen, aber keinesfalls überragenden Soundtrack. Und abgesehen davon, dass man einige der Kommentare und Erklärungen nicht abbrechen kann, ist der deutschen Lokalisierung kaum etwas anzukreiden.

Die Stars sind sowieso die Motoren, die wunderschön heulend über die Strecke jagen.  

Fazit

Juiced 2 treibt mich in den Wahnsinn - in fast jeder Hinsicht. Auf den ersten Blick deuten das DNS-System, die abwechslungsreichen Wettbewerbe, die fordernden Rennen oder die Wetten auf einen sicheren Award-Kandidaten. Doch auf den zweiten und dritten Blick wird deutlich, dass diese Features nur an der Oberfläche glänzen und bereits in der nächsten Ebene wenig mehr als berechenbare Standardkost sind. Aus Spannung wird eine schnell erkennbare und in höheren Ligen frustrierende Gummiband-KI. Aus der DNS nur eine andere Variante eines Punktsystems, das Meilensteine besonderer Leistungen belohnt. Dabei macht Juiced 2 vieles richtig gut. Aber leider nicht konsequent. Wieso z.B. kann ich auf der 360 die gut funktionierende und interessante Online-Karriere nicht mit der Offline-Variante kombinieren - vor allem, wenn ich nicht genügend Fahrer zusammenkriege und der Rest (im Zweifelsfall alle) sowieso von CPU-Gegnern aufgefüllt wird? Das arcadige Fahrgefühl mit seinen dennoch deutlich unterschiedlichen Fahrmodellen ist vielleicht nicht so überzeugend wie bei Midnight Club 3 und wirkt etwas schwammig, erfüllt aber seinen Zweck. Ganz im Gegensatz zur eher zur Durchschnittlichkeit neigenden Kulisse, die nicht nur mit drögen Texturen, Tearing und merkwürdigen Schatten in der Cockpit-Ansicht zu kämpfen hat, sondern in punkto Geschwindigkeitsgefühl auf der PS2 sogar einen Tick homogener wirkt als auf 360. Es gibt wahrlich schlechtere Spiele, um sich in der Tuner-Szene herumzutreiben. Doch Juiced 2 nutzt trotz kurzweiliger Unterhaltung bei Weitem nicht das Potenzial, das in ihm schlummert - schade!

Pro

umfangreiche Einzelspieler-Karriere
unterhaltsame Driftwettbewerbe
optisches Schadensmodell
weitreichende Personalisierungsmöglichkeiten
Online-Karriere möglich
prinzipiell interessantes DNS-System
gute Lokalisierung
gut gemeintes „Erschreck“-Feature
umfangreicher Avatar-Editor (360)
visuelles Tuning (fast) ohne Ende

Kontra

Ladezeiten
Gummiband-KI
keine kombinierte Off-/Online-Karriere (360)
biedere Kulissen
Tuning nur an der Oberfläche
DNS-System mit Haken und Ösen
kein Online-Modus (PS2)
heftiges Tearing (360)

Wertung

360

Solider Tuning-Raser mit vielen guten Ideen, die aber nicht bis ins letzte Detail umgesetzt werden.

PlayStation2

Technisch sauber, spielerisch solide, aber nicht nur durch fehlende Online-Features ein gutes Stück von der Pole entfernt.

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