Die Simpsons - Das Spiel02.11.2007, Paul Kautz
Die Simpsons - Das Spiel

Im Test:

Die Simpsons sind überall: Die erfolgreichste Comic-Familie der Welt tummelt sich auf der Mattscheibe, auf CDs, auf Müslipackungen, neuerdings auch auf der großen Leinwand - und natürlich auch auf den Computern und Konsolen dieser Welt. Leider schlug bei den gelben Jungs und Mädels in der Vergangenheit öfter als normal die alte Regel zu, die besagt, dass Lizenz-Versoftungen meist ein großer brauner Haufen sind. Bleibt das auch in Zukunft so?

Die gelbe Pracht

Es gibt viele Arten von Story: Die packende, die einen von der ersten Minute an fesselt und durch eine dramatische, interaktive Tour de Force zerrt, an deren Ende man schweißgebadet nach mehr begehrt - kommt nicht oft vor, gibt's aber. Das genaue Gegenteil ist die in Buchstaben gepresste Schlaftablette, oft genug von jemandem zu ASCII gebracht, der entweder den Deutschunterricht gehasst hat

Das Spiel fängt den unvergleichlichen Simpsons-Stil beispielhaft ein - die Präsentation treibt Serienfans Tränen der Freude in die Augen.
oder ein großer Freund vogonischer Poesie ist. Dazwischen gibt es ein aufregend glitzerndes Universum  aus Belanglosem, Doofem, Nettem - und Beklopptem! Und eigentlich ist mir diese Kategorie auch die liebste, weswegen Die Simpsons - Das Spiel (ab 29,00€ bei kaufen) dem sperrigen Namen zum Trotz schon mein Spitzenkandidat für den diesjährigen Kautz-Award in der Kategorie »Dinge, die ich wahnsinnig gerne im Kino erleben würde« ist. In aller Kürze geht es darum, dass Bart Simpson aus heiterem Himmel das Lösungsbuch zu Die Simpsons - Das Spiel vor die Füße fällt. Aus dem erfährt er nicht nur, dass er Superkräfte, sondern dass auch der Rest der gelben Sippe seine Vorteile hat. Einige Verwirrung um ein neu veröffentlichtes Spiel namens »Grand Theft Scratchy« später kreuzen auch noch die außerirdischen Invasoren Kang und Kodos auf, woraufhin die legendären »Treehouse of Horror«-Episoden spielbare Realität werden. Und dann begegnen die Simpsons auch noch ihren Schöpfern! Fragen? Nö, Zeitverschwendung! Das schmerzende Zwerchfell benötigt alle Aufmerksamkeit von Hirn und Lunge!

Unabhängig davon, ob man die Simpsons mag oder nicht, steht außer Frage, dass die Inszenierung der Zwischensequenzen hier so nahe an die Qualität der TV-Episoden rankommt, wie es nur möglich ist - kein Wunder, saßen doch die Original-Zeichner an den 2D-Filmen. In HD liegt der Gedanke nahe, hier gerade eine interaktive Episode in der Hand zu halten, auf PS2 ud Wii wird diese Illusion durch krisselige Ecken und Kanten dezent demontiert, auf PSP kommen noch sehr grobe Texturen dazu. Wirklich ärgerlich sind da eigentlich nur zwei Dinge: Erstens gibt es hierzulande keine Möglichkeit, den 

Jeder einzelne Level ist eine Parodie auf bestimmte Spiele oder Filme - der Kampf gegen den gigantischen »Lard Lad« dürfte bei Shadow of the Colossus-Spielern Erinnerungen wecken..
Original-Sprechern zu lauschen - es gibt auch auf englisch eingestellten Konsolen nur deutsche Sprachausgabe. Die zwar prinzipiell sehr gut ist, aber es trotzdem gelegentlich schafft, durch so etwas Simples wie eine falsche Betonung einen sehr witzigen Satz komplett unwitzig zu machen. Außerdem stammen die Hüpf- und Jammersounds noch von den englischen Originalen, ein deutlich hörbarer Stilbruch. Zweitens verliert das Spiel rapide an Qualität, sobald es um das Spiel an sich geht.

Folge dem weißen Schokokaninchen!

Euch erwarten 16 Levels, die logisch, aber streng linear hintereinander angeordnet sind. Jeder einzelne davon dreht sich um ein Thema, eine Parodie - und auch hier beweisen die Entwickler, dass sie vor Ideen sprühen, denn einige der bekanntesten Filme und Spiele werden genüsslich durch den Kakao gezogen: »Bartman Begins«, »Enter the Cheatrix«, »Shadow of the Colossal Donut«, »Medal of Homer«, »NeverQuest« oder »Grand Theft Scratchy« sind nur einige der aussagekräftigen Titel. Zwischen diesen Levels könnt ihr euch die Zeit im wunderbar modellierten Springfield vertreiben, Boni sammeln, herumlatschende Figuren anquatschen und die wichtigsten Lokalitäten der Serie von Moe's Bar über die Duff-Brauerei und den Comicladen bis hin zum Kwik-E-Mart besuchen - jedenfalls auf 360 und PS3. Zu den Eigenheiten der anderen Fassungen kommen wir gleich noch.

Außer im Tutorial, in dem sich Homer von einem weißen Kaninchen geleitet durch eine Schokoladentraumwelt isst, seid ihr jederzeit zu zweit unterwegs, wobei anfangs nur Homer und Bart freigeschaltet sind - Lisa und Marge (mit Maggie auf dem Rücken) gesellen sich nach ein paar Levels zu euch. Alle Figuren steuern sich grundsätzlich gleich, allerdings hat jede spezielle Kräfte, die sie für den 

Jede Figur verfügt über spezielle Superkräfte - hier sorgt Lisas magisches Saxophon für Gehörgang-Terror.
Spielverlauf unentbehrlich machen: Bart kann sich in Bartman und Robo-Bart verwandeln sowie mit seiner Steinschleuder um sich schießen. Homer wird auf Knopfdruck zum adipösen Homer-Ball, mit dem er alles plattwalzen kann - falls das nicht reicht, erledigt ein Mega-Rülpser den Rest. Die gute Seele Lisa nutzt die göttliche Hand von Buddha, um Gegenstände zu verschieben oder ihr magisches Saxophon, um dafür zu sorgen, dass Gegner aufeinander losgehen - außerdem kann sie sich in das durchschlagskräftige Clobber Girl verwandeln. Marge schließlich ist schwach, kann aber mit ihrem Megaphon Menschenmassen auf ihre Seite ziehen, die dann die Drecksarbeit für sie erledigen. Diese Fähigkeiten müssen sinnvoll kombiniert werden, um in den Levels weiterzukommen, wobei ihr in Springfield jederzeit die Protagonisten an Bushaltestellen wechseln könnt. Innerhalb der eigentlichen Spielabschnitte sind die Helden vorgegeben.           

Hallo Extrawurst

Wie bereits erwähnt gibt es zwischen der 360- & PS3-Fassung und den anderen Versionen (PS2, PSP, Wii) auf den ersten Blick einige Unterschiede - so ist z.B. das Tutorial spürbar anders aufgebaut. Der zweite Blick offenbart, dass man es fast mit einem eigenständigen Spiel zu tun hat: Das Leveldesign unterscheidet sich teilweise drastisch, es gibt neue Aufgaben,

Die Fassungen für PS2, PSP und Wii sind deutlich abgespeckt - grafisch, spielerisch und inhaltlich.
anders platzierte Gegner, andere Bewegungen für die Simpsons, weniger Sprachausgabe im Hintergrund (gut im Vergleich zu hören im Springfield Museum) - und kein Springfield! Ob aus technischen oder designbedingten Gründen, der gesamte Bereich ist nicht vorhanden, die Levels werden einfach aneinandergereiht. Und wo wir schon bei der Technik sind: Auf PS2 gibt es auch keinen 16:9-Modus.

Was auf allen Plattformen gleich ist, ist das grundlegende Spielprinzip: Ihr könnt laufen, springen und die Spezialkräfte einsetzen. Neue Ziele kommen im Laufe des Levels dazu, aber jeder Abschnitt hat ein grundsätzliches Thema - mal gilt es, den Überfall auf das Museum zu vereiteln, mal die rabiate, zum Leben erwachte »Lard Lad«-Figur aufzuhalten. Ist ein Level geschafft, wird die dazu gehörige Zeit-Herausforderung freigeschaltet, in der ihr das Ganze nochmal gegen die Uhr in Angriff nehmen könnt. Darüber hinaus sind in jedem Level viele Boni versteckt, die nur von entsprechenden Figuren aufgesammelt werden können - Homer schnappt sich die Duff-Kronkorken, Bart die Krusty-Sammelkarten usw. Und schlussendlich warten 31 über das gesamte Game verteilte »Videospiel-Klischees« auf ihre Enthüllung, natürlich stilecht vom gelangweilten Comicladen-Typ präsentiert: Dinge wie zerstörbare Kisten, als Trampoline nutzbare Markisen, der Doppelsprung, gigantische Sägeblätter oder explodierende Fässer gehören dazu. Genau wie der fantastische Soundtrack, der die Action ebenso fabulös begleitet wie die vielen trockenen Sprüche und Einzeiler, welche die Figuren immer wieder von sich geben. Auf der Wii warten darüber hinaus noch nette Minigames (»Wii-Momente«), in denen ihr z.B. in einem Fresswettbewerb gegen das weißt Kaninchen antretet - oder gegen einen Freund.

Wie in der guten alten Zeit

Seid ihr allein, müsst ihr ständig zwischen den beiden Figuren wechseln, um spezifische Aufgaben zu erfüllen - von der KI kontrolliert dackeln sie sonst nur hinter euch her und bleiben gelegentlich in der Landschaft hängen. Einfacher wird das Kloppen, Hüpfen und Puzzle-Lösen natürlich mit einem zweiten Spieler, der jederzeit ein- und

Das Spielprinzip ist extrem simpel: Etwas Kloppen hier, allerlei Hüpfen da, paar Puzzles dort. Seinen eigentlichen Reiz bezieht das Simpsons-Spiel aus der Präsentation und der Boni-Suche.
aussteigen darf - jedoch leider nur am vertikal geteilten Splitscreen, eine Online-Variante gibt es nicht. Und PSP-Spieler müssen leider ganz auf menschliche Unterstützung verzichten. Egal ob allein oder zu zweit, die Präsentation lässt für den Comicfan keine Wünsche offen - prächtig bunte Welten, fantastisch animierte Figuren, kräftige Striche, die den Comicstil betonen - alles sehr gut! Nun, fast alles: So glorreich die 2D-Zwischensequenzen sind, so mäßig sind ihre 3D-Pendants. Die Figuren sehen hier teilweise deutlich anders aus, als aus der Serie gewohnt, die Animationen sind zu weich.

Aber das ist tatsächlich ein Problem, bei dem man beide Augen zudrücken kann, besonders angesichts der Tatsache, dass ein viel größeres hinter der nächsten Ecke lauert: Die Kamerasteuerung. Es mag ein schlechtes Omen sein, dass die allererste Einstellung, die ihr zu sehen bekommt, sobald ihr Homer steuern dürft, eine mies gewählte Seitenansicht ist. Leider zieht sich das durchs ganze Spiel: Im Weg stehende Objekte werden nicht nur nicht ausgeblendet, sie blockieren tatsächlich auch den Kameraweg, so dass ihr immer wieder gezwungen seid, Blindsprünge in Kauf zu nehmen, was natürlich oft genug in Fehlhopsern endet. Die Ausrichtung auf Gegner und Hebel ist fummelig, gelegentlich springt die Kamera sogar wild zwischen zwei Punkten hin und her, sobald man sie nachkorrigieren will - schlimm! Und kaum überaschend: Auf der PSP müsst ihr mangels zweitem Analogstick den linken Schulterbutton gedrückt halten, wenn ihr mit den Steuerungsnippel die Ansicht ändern wollt. Zwar kaum anders zu machen, aber deswegen nicht besser. Die Wii-Version löst dieses Problem, indem sie die Kamerakontrolle auf das Digipad legt - ebenfalls nicht optimal, aber ganz okay. Dafür konnten die Designer mal wieder nicht der Versuchung widerstehen, Wii-Funktionen ausschließlich zum Selbstzweck zu nutzen: Die Ausführung der Spezialmanöver erfolgt durch Rütteln von Nunchuck und Wiimote, allerdings nur selten dann, wenn ihr sie wirklich plant - die Trefferquote liegt bei gefühlten 25 Prozent! Ein weiterer Unsinn liegt darin, dass ihr mit dem A-Knopf springt und mit B zuhaut - umgekehrt würde es weitaus mehr Sinn ergeben.         

Fazit

Das größte Kompliment, das ich den Entwicklern bei EA machen kann, ist, dass ich das Simpsons Game weitaus witziger finde als die letzten drei Simpsons-Staffeln! Die Parodien sitzen treffsicher, die Zwischensequenzen sind brillant, die Story ist wunderbar abgedreht. Und obwohl der Brite in mir heftig grummelt, dass er auf die deutsche Sprachausgabe angewiesen ist, ist es doch gut zu hören, dass auch die im Vergleich sehr gut gelungen ist - mit Ausnahme einiger peinlich vergeigter Übersetzungsfehler. Als brillante Parodie auf die Gamesbranche und unterhaltsame Ansammlung toller Simpsons-Gags ist das Spiel also super. Nur als Spiel leider nicht: Das Missionsdesign bedient den kleinsten gemeinsamen Anspruchs-Level, die Kameraführung ist zum Teil grausam, PS2-, PSP- & Wii-Spieler müssen darüber hinaus auf den kompletten Springfield-Abschnitt verzichten. Das Hüpfen und Kloppen macht eine Zeit lang Spaß, aber schon nach einer kurzen Weile merkt man, dass man hauptsächlich am Ball bleibt, um herauszufinden, was für abgefahrene Ideen die Designer im nächsten Level präsentieren. Das ist zwar auch eine gute Motivation, funktioniert aber nur in ganz wenigen Fällen. Schwein gehabt, Simpsons!

Pro

<P>
prächtige Inszenierung
herrlich alberne Story
fantastische 2D-Zwischensequenzen
ideenreiche Parodien
viel zu sammeln und freizuspielen
spaßiger Koop-Modus
umfangreiche Levels
witziger Springfield-»Sandkasten« (360, PS3)
tolle Musik</P>

Kontra

<P>
furchtbare Kamerasteuerung
gelegentliche Übersichtsprobleme
einfallsloses Spielprinzip
eingeschränkte Fassung (PS2, PSP, Wii)
mäßige 3D-Figuren in Zwischensequenzen
ausschließlich Splitscreen-Koop
teils fummelige Steuerung
kein Mehrspielermodus (PSP)
grobe Texturen (PSP)
fummelige Ausführung der Spazialmanöver (Wii)</P>

Wertung

360

PlayStation2

Die PS2-Fassung ist technisch, spielerisch und inhaltlich deutlich abgespeckt.

Wii

Technisch und spielerisch auf dem Stand der PS2-Fassung, allerdings mit fummeliger Spezialkraft-Ausführung.

PlayStation3

PSP

Prächtig präsentiertes Jump-n-Run, das spielerisch auf kleiner Flamme köchelt.

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