Die Legende von Beowulf - Das Spiel21.11.2007, Mathias Oertel
Die Legende von Beowulf - Das Spiel

Im Test:

Dieses Jahr standen Filmumsetzungen hoch im Kurs - konnten sich aber meist nicht entscheidend in Szene setzen. Doch selbst, wenn keine Überflieger dabei waren, gab es eine erfreuliche Tendenz Richtung gehobener Qualität, wie wir sie z.B. bei den 360-Versionen von den Simpsons, Harry Potter oder Naruto feststellen durften. Kann "Die Legende von Beowulf" diesen Trend fortsetzen?

Der Kampf gegen sich selbst

Es gibt Spiele, bei denen einen bereits im Vorfeld eine dunkle Vorahnung beschleicht. So ging es mir mit der Versoftung der sagenhaften Figur Beowulf. Das Spiel zum Film von Robert Zemeckis wurde überraschend auf den diesjährigen UbiDays angekündigt und steht bereits ein halbes Jahr nach dieser Ankündigung in den Läden - pünktlich zum Filmstart. Und in der Zeit dazwischen hat man kaum Infos oder Bilder zu sehen oder zu lesen bekommen. Und da soll man keine Zweifel bezüglich der Qualität bekommen?

Sieht zwar so aus, als ob man hier ein kleines God of War vor sich hat, doch der Eindruck täuscht...
Doch vielleicht ist alles gar nicht so schlecht... Immerhin nutzt "Die Legende von Beowulf" die so genannte YETI-Engine, die auch in Ghost Recon Advanced Warfighter-Titeln  eingesetzt wurde. Und: Der nordische Sagenheld entstand in einer Kollaboration des Ubi-Studios in  Shanghai mit dem in Montpellier ansässigen Tiwak-Ensemble, das sich nicht nur mit den Advanced Warfighter-Spielen erste Meriten sammeln konnte. Also doch Hoffnung auf eine vernünftige Lizenz-Umsetzung?

Der Wille ist da...

Eines vorweg: Ich mag erwachsene Unterhaltung. Ich hab enormen Spaß mit den God of War-Spielen auf PS2 gehabt. Und dementsprechend konnte mich auch Conan (vorzugsweise in der ungeschnittenen Version) gut unterhalten.

Doch selbst, wenn ich mich jetzt nach Abschluss der Kampagne wohlwollend rückblickend an Beowulf wage, um den Test zu schreiben, muss ich wirklich lange überlegen, um irgendwelche positiven Punkte zu finden.

Dabei fängt alles ganz passabel an: Nach einem kurzen Tutorial, in dem ich mit den eingängigen Kontrollmechanismen vertraut gemacht werde, erlebe ich wie in God of War den ersten Bosskampf, der vorrangig aus Quicktime-Reaktionen besteht. Fein, denke ich, vielleicht schafft es Beowulf ähnlich wie Conan, sich auf bekannte Elemente zu verlassen und drumherum die Lizenz irgendwie akzeptabel einzubauen.

Von diesen Momenten gibt es sogar noch ein paar mehr im weiteren Spielverlauf. So etwa, wenn ich feststelle, dass ich meinen mit mir kämpfenden Recken rudimentäre Befehle geben kann. Oder auch, wenn sich zu meiner Überraschung ein kleines einfaches Rhythmus-Spiel öffnet, mit dem ich meine Jungs anspornen kann.

Die düstere Atmosphäre wird gut transportiert - allerdings nur in Standbildern. In Bewegung verabschiedet sich die Atmo nach Walhalla...
Oder auch der Moment, in dem ich feststelle, dass das unter dem Strich eingeschränkte Kombo-System samt Block- und Konter-Bewegungen im Kampf doch die eine oder andere Finesse erlaubt.

... das Fleisch ist schwach

Das Problem mit all diesen Momenten: Sie sind weder zahlreich genug, um sich positiv auf die Motivitationskurve auswirken zu können, noch abwechslungsreich genug, um langfristig zu faszinieren. Zudem macht die Technik dem danach noch verbliebenen Spielspaß einen Strich durch die Rechnung. Kurzum: Alle guten Ideen verpuffen angesichts lahmer Umsetzung oder werden im Wiederholungsprinzip zu Tode gedudelt.

Nehmen wir z.B. das Rhythmusspiel. Abgesehen davon, dass es in dieser Art von Spiel eigentlich nur seine Berechtigung dadurch erhält, dass Beowulf und seine Mitläufer als Thanen (sowohl mit dem Schwert als auch mit den Stimmbändern beschlagene Kämpfer) dargestellt werden, krankt es an mehreren Punkten. Dass mit zwei zur Verfügung stehenden Tasten kaum Raum für Abwechslung da ist, kann ich noch hinnehmen. Denn gefordert werde ich dennoch - allerdings vornehmlich durch Soundbugs und ständige Asynchronität von Bild und Ton. Mein Tipp: Hört mehr auf die Musik als euch auf die fehlerhafte Anzeige zu verlassen. Oder noch besser: Werft die Disc aus und spielt irgendetwas anderes.

Wer ungeachtet dieser Warnung dennoch weiter macht, wird sich auch nicht an der KI der Recken stören, die nur selten auf Rückzugsbefehle hört. Nur dumm, dass sich die Mitstreiter immer wieder in unnötige Gefahr begeben und dort ihr Leben lassen. Denn wenn alle Thanen oder Recken oder wie man sie nennen mag, das Zeitliche gesegnet haben, heißt es auch für euch Game Over.

      

Übrigens auch, wenn in bestimmten Aufträgen Zivilisten ihr Leben lassen. So müsst ihr z.B. in einem Dorf Jungfrauen vor der Entführung durch Trolle retten. Wenn ihr wisst, wo welcher Troll wann auftaucht, ist das alles auch kein Problem. Falls nicht, könnt ihr auf Knopfdruck anzeigen lassen, wo das schändliche Verbrechen seinen Lauf nimmt.

Allerdings hilft euch das auch nicht weiter, da ihr unter Umständen dennoch das halbe Dorf nach dem fliehenden Troll absucht.

Hat man eine bestimmte Kombo entdeckt, stellen einen nicht einmal solche übermächtig scheinenden Gegner vor ernsthafte Probleme...
Übermächtig

Die an sich dank passabler Animationen einigermaßen gut aussehenden Kämpfe sind sogar recht spannend, da ihr immer wieder blocken und kontern müsst, um nicht vorzeitig den Weg nach Walhalla anzutreten. Doch was ist das? Ein Konter mit Seitschritt und nachfolgendem "Schweren Schlag" sieht nicht nur gut aus, sondern ist vom Gegner nahezu unblockbar. Und das nicht nur bei den Standardgegnern, sondern auch bei Trollen und Bossmonstern. Mit etwas Geduld lässt sich auf diesem Wege völlig gefahrlos sogar der finale Gegner nahezu problemlos beseitigen. Denn auch die Quicktime-Reactions, die bei jedem der Bosse wie z.B. Grendel oder einem Höllenwolf zu finden sind, variieren nicht mehr. Zumindest nicht weit genug, um die ohnehin eher auf einem unteren Niveau stagnierende Spannungskurve retten zu können.

Dabei bietet das Kampfsystem durchaus interessante Ansätze. Die wenig umfangreichen Schlagvariationen gehören allerdings wenige dazu. Eher schon die Tatsache, dass ihr eure Lebensenergie durch besondere heldenhafte (und brutale) Kombo-Abschlüsse (die alle mit dem schweren Angriff enden) wieder auffüllen könnt. Doch weder dieses Feature noch die mehreren möglichen Enden (abhängig von der Auswahl an Spezialbewegungen) noch die Gegner, denen ihr die Waffen entreißen könnt, können auf Dauer für den Schwung sorgen, den Beowulf bitter nötig hat. Auch die Geschicklichkeitsübungen im Kampf gegen Grendels Mutter, bei der man wie verrückt auf eine Taste hämmert, überraschen angesichts der Sammlung unterdurchschnittlicher Spielmechaniken kaum... 

Dass in Beowulf mit der YETI-Engine ein eigentlich PS-starker Motor seinen Dienst verrichtet, sieht man dem Spiel nur selten an...
Alles YETI oder was?

Und was die Heldensaga schon inhaltlich nicht schafft, bekommt die Kulisse auch nicht gebacken: Irgendetwas auf die Beine zu stellen, was einen länger als fünf bis zwölf Minuten bei der Stange hält.

Wo die ganzen Pferdestärken des auch in den Advanced Warfighter-Titeln genutzten Grafik-Motors hin sind, kann ich euch auch nicht beantworten. Jedoch könnte man angesichts des Figuren- und Leveldesigns, das bis auf viel zu wenige Ausnahmen an Starttitel der Xbox 360 erinnert, nicht in den kühnsten Träumen auf die Idee kommen, dass hier die gleiche Engine verwendet wird wie bei den optisch eindrucksvollen Taktikshootern.

Übrigens nehmen sich die drei getesteten Versionen nicht viel. Inhaltlich identisch, gibt es hinsichtlich der Ladezeiten und des allgemeinen optischen Eindrucks keine nennenswerten Unterschiede zu verzeichnen.

Allerdings würden wir auch PC-Usern raten, mit Gamepad zu spielen, da das Gehacke auf Tastatur und Maus eher unbefriedigend verläuft.

Davon ganz abgesehen, ist auch die Akustik bei allen Versionen identisch. Und das bedeutet, dass ihr euch auf einen spannungsfreien Musik-/Effekt-/Sprachmix einstellen könnt. Die deutschen Texte wirken auf den ersten Blick ganz sauber und professionell. Doch spätestens wenn man bei einer Klettersequenz "Ich wünschte, ich hätte solche Waffen" statt "I wish I had arms like that" zu hören bekommt, wird klar, dass die Übersetzer keine Ahnung hatten, was im Spiel passiert.

Faktisch ist die Übersetzung korrekt, aber leider wurde von zwei zur Verfügung stehenden  Möglichkeiten zielsicher die falsche ausgewählt - wie nahezu in jedem Moment, in dem die Entwicklungsteams über Designentscheidungen diskutiert haben.   

Fazit

In einem Jahr, in dem zwar viele, aber kaum überzeugende Lizenzspiele auf den Markt geworfen wurden, übernimmt "Die Legende von Beowulf" ohne sich großartig anzustrengen die rote Laterne. Wo Titel wie Naruto - Rise of a Ninja oder auch der letzte Harry Potter gute Unterhaltung liefern, die auch ohne den Film bestehen könnte, scheitert der nordische Sagenheld fast auf ganzer Linie. Spielerisch zeigt sich Beowulf belanglos und nicht einmal in der Lage, die aus anderen Titeln übernommenen Elemente vernünftig zu transportieren, geschweige denn sie zu einem homogenen Gesamtbild zu vermischen. Auch die Kulisse überzeugt nur höchst selten und dann eher in den Zwischensequenzen als im Spiel, wo es wesentlich wichtiger wäre. Zwar nutzt Beowulf die YETI-Engine (Ghost Recon Advanced Warfighter), doch fragt man sich dauernd, wann dann endlich die Kraft entfesselt wird, die erwiesenermaßen in dem Grafikmotor steckt. Und während man noch rätselt, wann es so weit ist, ist das Spiel schon vorbei - und spätestens ab dem Moment, in dem man eine kaum durchdringbare Kombo entdeckt, nahezu spannungsfrei. Spielerisch schwach, grafisch schwach, akustisch schwach. Dann doch lieber zurück zu Conan. Der Cimmerier hat selbst in der entschärften Version letztlich mehr zu bieten als der nordische Sagenheld. 

Pro

interessante Geschichte mit minimalem Gut-/Böse-System
Waffen von Gegnern können verwendet werden
gute Kampfanimationen
rudimentäres Befehlssystem
einfache Steuerung

Kontra

Tastatur-/Maus-Steuerung artet zur ungenauen Klick-Orgie aus (PC)
Bosskämpfe nur in Ausnahmefällen fordernd
Rhythmus-Spiele überstrapaziert
eingeschränktes Kampfsystem
technisch unsauber
grafisch eher schwach
schwache KI
bockige Kamera
Soundbugs
Probleme mit der Kollisiosabfrage

Wertung

360

Unkomplizierte, aber technisch durchwachsene Lizenzkost, die nicht einmal das deutsche Conan gefährden kann

PC

Technisch schwach, spielerisch uninspiriert - Beowulf gehört zu den schlechten Lizenzumsetzungen dieses Jahres!

PlayStation3

Beowulf ist ein weiteres Beispiel dafür, wie schwer es ist, das God of War-Prinzip zu kopieren oder zu variieren...

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.