Test: Arcania: Gothic 4 (Rollenspiel)

von Jörg Luibl



Entwickler:
Release:
15.10.2010
12.10.2010
28.05.2013
08.05.2015
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Hurra, Ivy ist tot!

Ab durch die Höhle: Der ganze Kontinent ist quasi unterkellert - leider passiert in den Dungeons immer dasselbe - Monster plätten, Kisten öffnen.
Der erste Todesstoß für die Dramaturgie fällt laut und deutlich am Ende des ersten "Kapitels": Die Insel wird von den Schiffen des König Rhobar III. angegriffen und das gesamte Dorf inklusive Ivy fällt dem Kanonenbeschuss zum Opfer. Als sie im Staub liegt, habe ich gejubelt: Hurra - sie ist tot! Ich kannte sie nicht, ich wollte sie nicht, sie bedeutete mir nichts! Wenn ein Rollenspiel mit Identifikation beginnt, ist das ein verdammt schlechter Start. Es sei denn, man lässt mich einen chaotisch bösen und chronisch psychopathischen Attentäter spielen, der für Beliar zur Schlachtbank ruft. Aber die Grundmotivation für den frischen Witwer ist natürlich eine Rache, deren Feuer die Entwickler von Spellbound bei mir allerdings nicht schüren können. So scheint nicht nur die erste Insel, sondern auch die Hoffnung auf ein episches Rollenspiel für Erwachsene unterzugehen. Nach dieser Insel hat man das Gefühl, dass man sich an Zehnjährige ohne Fantasyvorbildung wenden will.

Kann das Abenteuer auf dem Kontinent Argaan zulegen? Immerhin hat es die erwähnten Stärken auf technischer Seite, wenn man Animationen und Gestik mal ignoriert: Die Landschaft sieht auf dem PC wirklich sehr gut aus, weil sie keinen künstlichen, sondern einen angenehmen natürlichen Charakter zeigt - inklusive enger Schluchten und weiter Felder, dichter Wälder und versteckter Höhlen. Man freut sich über plastische Texturen an steinernen Mauern und Stimmungswechsel in anderen Regionen. Nicht nur, dass Flora und Fauna dank Wind umtoster Bäume und Wiesen sowie zahlreicher Kräuter lebendig wirken, auch die liebevoll arrangierte Architektur kann sich sehen lassen. Die Dörfer locken mit Reed gedeckten Häusern, schiefen Zäunen und blühenden Feldern, es gibt idyllische Brücken an Wasserfällen vorbei und vor allem der weite Blick auf wuchtige Festungen, weckt die Neugier. Man darf allerdings weder schwimmen noch tauchen, außerdem sollte man nicht auf die Idee kommen, zu klettern: Wer sich über die schlecht animierten Sprünge von Felsen in Gipfelhöhen katapultiert, läuft schon mal 50 Meter über dem Boden durch Argaan.

Die schlechteste Darstellung des Hexentyps in der jüngeren Rollenspielgeschichte - Lyrca bewegt sich exakt so wie Ivy wie Ilvie wie jede andere Frau.
Auf der Xbox 360 serviert Spellbound zwar auf den ersten Blick dieselbe Kulisse, aber schon auf den zweiten wird man von technischen Unzulänglichkeiten überrollt: Die Weitsicht ist ein Witz, man erkennt entfernte Festungen erst gar nicht, es flimmert und ruckelt, Wege und Felsen abseits der Hauptwege sind übel verwaschen, es gibt schreckliche Kantenbildungen selbst auf zwei Metern Entfernung, man überzieht Hintergründe bei Gesprächen fast mit monochromen Relieftexturen -die idyllische Faszination geht auf der schlecht portierten Konsolenversion schon nach wenigen Minuten zusammen mit der Bildrate in die Knie. Das Einzige, was sie besser macht: Man hat direkte Waffenvergleichswerte aufgrund leicht angepasster Menüstrukturen. Also zurück auf den Rechner, wo das Abenteuer technisch zwei Klassen besser aussieht, aber ebenfalls mit der Performance zu kämpfen hat: Selbst wenn man die Details runterschraubt, kommt es zu Problemen mit der Bildrate.

Festungen mit Geschichte

Wenn man die Burgen endlich selbst erkunden kann, staunt man nach dem Trab über die Zugbrücke nicht nur angesichts der verschachtelten Gänge und kleinen Türme: Man entdeckt in ihnen sogar Mauerreste, die außerhalb des Wehrgangs von alten Zeiten künden - all das sorgt vor allem für architektonische Authentizität und einen symbolischen Hauch von Geschichte. Hier hat sich Spellbound sehr viel Mühe gemacht, aber nicht konsequent genug: Denn man bekommt keine
Schön ist Arcania nur, wenn man nicht redet und nicht kämpft: Einfach die Aussicht genießen.
Questansätze, um sich mit älteren Kulturen zu beschäftigen. Und unter der Oberfläche entdeckt man nichts Mysteriöses in steinernen Gewölben, nicht mal eine Inschrift oder ein vergessenes Grab - da sehen die Gruften alle gleich aus; Oblivion nutzt Landschaft und Ruinen wesentlich besser, um mich nicht nur neugierig auf die Geschichte des Landes zu machen, sondern auch Missionen einzuleiten.

Im grafischen Bereich ist Arcania aber deshalb gut, weil die Engine weite Einblicke in das Land inklusive ansehnlich rauschender Brandung ernöglicht - gerade das wogende Meer, das auf der Xbox 360 allerdings nur wie blaue Plastikfolie aussieht, sorgt auf dem PC fast für Urlaubsaussichten. Hinzu kommen plötzliche Wetterwechsel, die sich über graue Wolken ankündigen, sowie je nach Licht ein anderer Charakter in der weiten Hügellandschaft. Ich betone das alles bewusst, denn der äußere Rahmen kann sich sehen lassen und durchaus Lust auf die Erkundung machen. Schade nur, dass man dieses Fundament nicht nutzt, um ein episches Abenteuer für anspruchsvolle Rollenspieler zu inszenieren - man nutzt sie, um sich dem anspruchslosen Mainstream anzubiedern.    
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Kommentare

James Dean schrieb am
Habe das Spiel mal aus Langeweile angefangen, wollte die ungespielten Spiele meiner Steam-Library mal zumindest anzocken. Ich finde es aktuell nicht so schlecht, wie immer behauptet. Das Kampfsystem gefällt mir persönlich besser als das von The Witcher 1 und 2, auch wenn es wirklich sehr simpel ist bisher. Die Welt ist optisch ganz passabel gestaltet, die Synchronsprecher sind auch okay. Schwachsinnig war bereits die erste Quest: 3 Prüfungen für eine Hochzeit, kek. Und natürlich muss es in ein Grab gehen, um einen Dolch zu holen.
Kommt natürlich nicht an Gothic heran, aber es ist so - bisher - ganz nett. Bin aber gespannt, ob ich in ein paar Stunden sagen werde, es sei der größte Mist unter der Erde. Wer weiß, was mich noch erwartet :lol:
Aglitterdrip schrieb am
Habe mir das Spiel günstig bei Ebay reingezogen. Als Müll würde ich es nicht bezeichnen (technisch ist es sehr gut gelungen), aber die Handlung ist gähnlangweilig mit vielen, zum Teil langen Laufwegen. Hole-bringe-zerstöre, und das ohne jegliche Highlights. Nach ca. 8 Std. wurde mir das echt zu dumm. Warum das Leben mit solch sinnlosem Zeugs vertrödeln?
westernhero schrieb am
So - ich habe es mir nun auch angetan... warum, weiß der Teufel.. :)
Das ist inhaltlich so mit ganz großem Abstand der größte Software Müll, den ich je spielen durfte - und ich bin 37.
Eine Beleidigung an jeden intelligenten Spieler... für Gothic Fans eigentlich eine Kriegserklärung...
Was für ein Drecksspiel. Wahnsinn.
Die 40% sind sehr sehr großzügig angelegt.
Ich finde man muß das so deutlich sagen!
Ninnghizidda schrieb am
Wie laut startseite in den 4p store charts aktuell arcania noch das zweitbest verkaufte spiel im 4players store is ..(sogar die teure SE für 70.-)
Und direkt neben dem button für den einkauswagen steht noch :
Das meint die 4Players-Redaktion:
Gothic im Namen, totale Langeweile im Spiel: Spellbound bietet Einbahnstraßenquests mit grenzdebilen Dialogen und primitivem Kampfsystem.
Es is einfach unglaublich^^
wundert mich das die trotzdem insolvenz anmelden mussten , dachte eigtl. da sind genug leute auf den guten namen reingefallen.
schrieb am