Dynasty Warriors 625.03.2008, Mathias Oertel
Dynasty Warriors 6

Im Test:

Ihr habt schon häufiger Probleme mit der Rebellion der gelben Turbane gehabt? Ihr wisst, dass sich hinter Lu Bu weder der verloren gegangene Bruder eines deutschen Schlossgespenstes noch gebackene Hummerscheren beim China-Restaurant um die Ecke verbergen? Dann habt ihr aller Wahrscheinlichkeit nach bereits einen Teil von Koeis Dynasty Warriors-Serie gespielt – und gespannt auf den neuesten Ableger gewartet.

Krieger. Überall Krieger.

Was auf der guten alten PSone als simpler Versus-Prügler begann, der sich aufmachte, Tekken herauszufordern, ist mittlerweile zur langlebigsten und offensichtlich erfolgreichsten Franchise des japanischen Publishers Koei geworden - sozusagen das fernöstliche Gegenstück zu EAs FIFA-Serie. Nicht nur, dass die Dynasty Warriors (DW) auch in westlichen Gefilden mit sechs Teilen plus diversen Empires- bzw. Xtreme Legends-Ablegern zu Buche schlagen. Mit der Samurai Warriors-Serie (plus Empires) wurde das Geschehen von China nach Japan verlagert  ohne allerdings etwas am Spielablauf

Dynasty Warriors, wie man es kennt: Allein gegen Alle!
mit großangelegten Massenschlachten, einfacher Steuerung sowie quasi nicht vorhandener KI zu ändern. Mit Warriors Orochi schließlich wurden beide Serien zusammengeführt. Und nicht zuletzt hat man das DW-Prinzip auch erfolgreich auf die Mech-Kämpfe der Gundam-Serie ausgeweitet.

Kleine Randnotiz: Einige von euch werden evtl. über die japanische Box-Art im Netz gestolpert sein, auf der eine große "5" prangt. Diese Verwirrung lässt sich schnell aufklären. In der japanischen Variante heißt der erste Prügler schlicht Sangoku Musou, während das, was bei uns vermutlich zur erfolgreichen Vermarktung mit einer "2" als Nachfolger gekennzeichnet wurde, in Fernost unter dem Namen Shin Sangoku Musou eine neue Serie markierte.

Gleich. Alles gleich.

Doch egal, ob mit Shin oder ohne; mit welcher Zahl auch immer; ob als Samurai-Krieger, chinesische Elite-Kämpfer oder futuristische Mechs, der Kern ist seit jeher gleich. Und wird sich auch in DW6 unverändert präsentieren. Oder?

Richtig: Getreu dem Prinzip "Never change a winning team" seid ihr immer noch dabei, euch als Meister des Schwertes, der Lanze und ggf. sogar einer gut eineinhalb Meter durchmessenden Kugel durch zahlreiche Schlachtfelder mit Hunderten von Gegnern zu schnetzeln - Buttonmashen pur ist nach wie vor die Devise.

Hier höre ich allerdings schon die Fans der Serie wieder lauthals Zeter und Mordio schreien: "Die Kombo-Möglichkeiten auszunutzen und sinnvoll einzusetzen ist effektiver!" Das ist richtig, doch unter dem Strich kommt man auch mit dem Dauerpower-Drücken durch - vielleicht nicht ganz so effektiv, vielleicht nicht ganz so einfach, wie man es gerne hätte. Aber man kommt durch. Relativ problemlos.

Nach wie vor gilt es hauptsächlich, den gegnerischen Obermotz zu stellen und zu besiegen. Auf dem Weg dahin räumt man einige Offiziere aus dem Weg und nimmt sich passabel geskripteten Ereignissen an, die euch überraschend begegnen. Das kennt man alles schon aus Teil 5. Oder Teil 4. Oder auch Teil 3. Hmm.

Anders. Vieles anders.

Doch Koei gibt sich redlich Mühe, mich davon zu überzeugen, dass man aus der Vergangenheit gelernt hat und trotz aller Vorbehalte einige Änderungen einfließen lässt. Davon sind einige wirklich neu, wie z.B. das so genannte Renbu-Kombo-System. Über eine Kombotreffer-Kette könnt ihr die Renbu-Anzeige auffüllen. Erreicht ihr eine neue Stufe, könnt ihr die Kombo um einige spektakuläre Animationen verlängern. Werdet ihr hingegen getroffen, wird der Ausbau des Renbu jäh gestoppt.

Doch hat dieses System unter dem Strich Auswirkungen auf den Spielverlauf? Nur sehr sehr eingeschränkt. Mit längeren Kombos kann man natürlich mehr Schaden anrichten und wie ein wütender Mähdrescher über das Feld der niederen Soldaten jagen. Doch abgesehen von den schnieken Animationen, die für DW 6 allesamt aus dem Motion Capturing-Studio kommen, wirkt es nicht zwangsläufig so, als ob man unbedingt einen hohen Renbu-Level braucht. Zumindest lassen sich die meisten Schlachten auch mit dem anfänglich auf Maximallevel 2 limitierten Renbu lösen.

Ebenfalls neu (zumindest im DW-Universum) ist die  Möglichkeit, z.B. Leitern zu erklimmen oder Flüsse zu durchschwimmen. Dadurch gewinnen die Schlachten tatsächlich eine neue Komponente, da es nun einfacher ist, Überraschungsangriffe auf seine

Längst überfällig: Man kann in DW6 mittlerweile über Leitern auch höhere gelegene Gebiete erreichen.
Gegner zu starten und das Feld quasi von hinten aufzurollen. Das Gefühl, dass die Entwickler einem mehr Freiheit gewähren, lässt sich jedenfalls nicht abstreiten.

Ein weiteres Element, das in der klassischen DW-Serie neu scheint, kennen Fans bereits aus Gundam: Um einen Stützpunkt zu erobern, muss ein Gegnerzähler durch Eliminieren von Feinden bis auf Null heruntergeprügelt werden, bevor nach einem kurzen Moment dieses Fort in den Besitz eurer Armee übergeht.

Die Forts nehmen in DW6 sogar eine stärkere Rolle ein als in den Teilen zuvor: Auf den meist ansprechend großen Schlachtfeldern wurde die Anzahl an Gesundheit steigernden Nahrungsmitteln stark reduziert. Stattdessen wird in den zu euch gehörenden Stützpunkten mit schöner Regelmäßigkeit ein Erste Hilfe-Bissen produziert. Das bedeutet allerdings auch zwangsläufig, dass man unter bestimmten Umständen lange Laufwege zum rettenden Essen in Kauf nehmen muss. Denn vor allem die Offiziere haben hinsichtlich der Intelligenz leicht zugelegt und fordern euch in der Masse alles ab. Leider kann man das von den biederen Fußtruppen nicht sagen, die nach wie vor nicht mehr als Kanonenfutter und eine Möglichkeit darstellen, den KO-Zähler auf astronomische Höhen schnellen zu lassen.

      

Rollenspiel. Beinahe wie ein Rollenspiel.

Dass die insgesamt über 40 zur Verfügung stehenden Figuren, von denen allerdings nur neun anfänglich spielbar sind, nach und nach an Erfahrung gewinnen und im Level aufsteigen, ist nichts Neues im DW-Universum. Auch die Waffen, die man finden und vor der nächsten Mission ausrüsten kann, sind DW-Haudegen nicht fremd. Dass man aber Fähigkeitspunkte in einem kleinen überschaubaren leicht an ein Finalfantasy´sches Sphärenbrett erinnernden Baum verteilen und so den Charakter rudimentär an seine Spielweise anpassen kann, ist neu. Gibt man der Figur mehr Lebensenergie oder mehr Musou-Energie für spektakuläre Sonderangriffe? Es liegt an euch. Allerdings bleibt Koei wie bei allen anderen Änderungen sehr oberflächlich. Aber immerhin macht man sich tatsächlich Gedanken, wie man eine Serie, die Gefahr lief, in Gleichförmigkeit unterzugehen, in neue Fahrwasser führen kann - wenngleich für meinen Geschmack noch zu zaghaft.

Die Animationen der Hauptfiguren können sich in der neuen Engine sehen lassen. Dennoch gibt es einige technische Probleme...
Es gibt noch einige weitere kleine Ergänzungen wie z.B. die sammelbaren Bücher, die abhängig von der Figur ganz besondere Fähigkeiten erlauben und es u.a. ermöglichen, einen Stützpunkt kurzzeitig in Brand zu setzen.

Doch allen ist eines gemeinsam: Man nimmt sie wahr und möchte sie in folgenden Ausgaben der DW-Serie auch nicht missen, dennoch schaffen sie es nicht, ein vollkommen neues Spielgefühl zu schaffen. Ein verfeinertes? Definitiv! Neu? In keinem Fall! Dynasty Warriors ist Dynasty Warriors ist Dynasty Warriors.

Engine. Eine neue Engine.

Dynasty Warriors 6 (ab 24,90€ bei kaufen) ist der erste Serienableger, der nur auf den derzeitigen Highend-Konsolen erscheint. Das hat man beim Team von Omega Force zum Anlass genommen, eine von Grund auf neu entwickelte Engine einzusetzen. Das Ergebnis hinterlässt auch einen besseren Gesamteindruck als der langsam in die Jahre gekommene Grafikmotor, der über die verschiedenen Warriors-Titel hinweg nur stetig verfeinert wurde, ohne wirklich große Fortschritte gemacht zu haben.

Abgesehen von den bereits angesprochenen Motion Capture-Animationen sind es vor allem die Spezialeffekte bei den Musou-Attacken, die auf der Netzhaut für Freude sorgen.

Doch neue Engine hin oder her: Manche Mankos, die zu Tage treten, sind schwer zu schlucken. Dass die dutzendweise auf euch einstürmenden Gegner größtenteils aus dem Klonlabor stammen, kann ich noch verschmerzen. Aber das in beiden Versionen gelegentlich auftretende "Aufploppen" (auf PS3 leider noch stärker) der hoch aufgelösten Gesichtstexturen, wenn die Gegner auf mich zulaufen, ist zu viel. Denn so aufwändig präsentiert sich die Umgebung auch nicht, dass es diesen technischen Mängel rechtfertigen würde.

Noch schlimmer hat es allerdings eine Hand voll Abschnitte erwischt, in denen Figuren, die sich in geschätzten fünf bis zehn Metern Entfernung von euch befinden, wahllos auf- und wegploppen. Ihr lauft ein leeres Stück Feld zu und hoppla, seid ihr von Gegnern umringt. Dann lauft ihr ein paar Schritte weiter und eure Helfer gesellen sich wie von Geisterhand bewegt hinzu.

Dazu kommt, dass ich zwar schon häufiger z.B. Grasteppiche gesehen habe, die ab einer bestimmten Sichtweite dank Distance Clipping im Nichts verschwinden. Dass dies allerdings mit Gräsern passiert, die in direkter Nähe zu meiner Figur wachsen, ist eher ungewöhnlich.

Zwar hatte ich ursprünglich die Theorie, dass die Botanik aus Übersichtsgründen ausgeblendet wird. Doch da die Kamera beim Versuch, mir den bestmöglichen Blickwinkel zu präsentieren, sich auch mal ungeschickt hinter Häusern platziert und diese nicht ausgeblendet werden, konnte ich diese Vermutung in den großen Rundordner entsorgen.

Allerdings muss man der neuen Engine auch zu Gute halten, dass die nebelfreie Sichtweite mittlerweile deutlich höher ist

Nette Effekte, haufenweise Figuren auf dem Bildschirm: Dynasty Warriors bleibt Dynasty Warriors - mit allen Vor- und Nachteilen...
als bei älteren Ausgaben. Und: Während man sich auf dem Vorbereitungsbildschirm noch die letzten Waffen anlegt und sich über die Missionsziele informiert, wird der Abschnitt bereits im Hintergrund geladen - nett! Und effizient.

Zeitlupe. Zeeeiiitluuupeee.

Dafür allerdings gibt es auf beiden Systemen vereinzelte und extrem störende Slowdowns, so etwa, wenn sich auf dem Bildschirm geschätzte zweihundert Gegner befinden und einige der Figuren Spezialattacken initiieren. Das Ergebnis ist eine sehr störende und sich über einige Sekunden hin ziehende Zeitlupe - weniger nett!

Doch nicht nur daran ist zu sehen, dass die Engine noch deutlich Luft nach oben hat. Auch in den Zwischensequenzen, in denen häufig mit zu viel Tiefenunschärfe gearbeitet wird, bleibt man einiges schuldig. Von einer neuen Engine erwarte ich hinsichtlich von Gesichtsanimationen- und Darstellung etwas mehr als das, was hier geboten wird. Versteht mich nicht falsch: Ich brauche nicht immer Unreal-Engine-Qualität. Doch etwas zeitgemäßer könnte es durchaus aussehen.

Dass die zwar dynamischen, aber auch leicht eintönigen Schlachten wie gehabt mit einem gewöhnungsbedürftigen Gitarren-Hardpop sowie unübersetzter, aber wenigstens sauber untertitelter englischer Sprachausgabe versehen wurden, kennt man bereits. Das macht es zwar nicht besser, zeigt aber, dass sich Koei hinsichtlich der DW-Serie weiter treu bleibt. Übrigens auch hinsichtlich des Mehrspieler-Modus, der nach wie vor auf Online-Massenschlachten verzichtet. Dafür können sich Splitscreen-Recken sogar gemeinsam an den Musou-Modus wagen. Hier hat Koei aber auch etwas gespart: Leider ist es nicht möglich, sich jederzeit an- oder abzumelden.    

Fazit

Mit Dynasty Warriors 6 bleibt Koei der Serie treu. Mit allerlei kleinen Verfeinerungen bemüht man sich, dem einfachen und im Kern weiterhin unveränderten Spielprinzip einen neuen Anstrich zu verpassen. Nur: Sowohl das interessante Renbu-System als auch die rudimentären Rollenspiel-Anleihen, das aus DW Gundam übernommene Fort-Eroberungsprinzip sowie die neuen Interaktionsmöglichkeiten mit der Umgebung können unter dem Strich kein neues Spielgefühl erzeugen. Gibt man sich Mühe und versucht, alle neuen Optionen weitestgehend auszuloten und vor allem auch zu benutzen, spielt sich DW6 etwas anders als seine Vorgänger. Doch da die Unterschiede im subdezimalen Bereich liegen und man wie seit Jahr und Tag auch mit wildem Button-Mashen Erfolge feiern kann, hat es auch Teil 6 nicht geschafft, die Serie in eine neue Richtung zu lenken. Zumal auch die neue, speziell für gegenwärtige Highend-Konsolen entwickelte Engine noch an starken Kinderkrankheiten wie Schluckauf oder Pop-Ups und -Downs leidet – auf der PS3 leider sogar noch mehr als auf der 360. Fans der Serie können sich auf zahlreiches freispielbares Material freuen, doch Otto-Normal-Krieger wird damit wenig anzufangen wissen und sich mit den altchinesischen Recken nur für kurze Beutezüge zusammenschließen.

Pro

aufwändige MoCap-Animationen
gute deutsche Untertitel
eingängiges Kampfsystem mit verfeinerten Möglichkeiten
viel freizuspielen
visuell aufwändige Spezialbewegungen
angenehm große Areale

Kontra

im Prinzip reicht Buttonmashen aus
gelegentliche Slowdowns
Texturploppen
unspektakuläre Zwischensequenzen
auf
und wegploppende Figuren auf manchen Karten
monotoner Spielverlauf
englische Synchro grenzwertig

Wertung

360

Leichte Erweiterungen hinsichtlich der monotonenSpielmechanik stehen einer neuen, aber noch nicht ausgereiften Technik gegenüber.

PlayStation3

Trotz ambitionierter Neuerungen bleibt der Spielablauf monoton. Die Technik zeigt sich auf PS3 noch anfälliger für Fehler als auf 360.

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