Viking: Battle For Asgard20.03.2008, Jörg Luibl
Viking: Battle For Asgard

Im Test:

Welche Berufsgruppe suchen wir? Sie sind groß und muskelbepackt, sie landen mit Drachenbooten, saufen Met und haben eine Metzger-Ausbildung mit Auszeichnung abgeschlossen. Richtig: Die Wikinger. Oder jedenfalls das, was das Team von Creative Assembly in seinem nordischen Hack'n Slay darunter versteht. Wollt ihr reichlich Blut, Götter, Action und Klischee? Sogar Magie und Flugechsen? Dann schnürt die Axt und kämpft für Freya.

Nordisch für Noobs

Skarin wurde von der Göttin Freya auserwählt, seine Heimat Midgard zu retten: Hier auf dem Weg in die Schlacht mit seinem Wikingermob. Hier übrigens noch historisch vorbildlich ohne Hörner am Helm...
Eine kurze Warnung an alle, die sich für die Welt der Wikinger interessieren und hier vielleicht eine virtuelle Studienreise nach Asgard buchen wollen: Hörnerhelme, Bizepsparade, Götterkitsch, 90-60-90, Metzelpathos, Magie und Drachen. Reicht das? Es gibt zwar einige authentische Namen wie Jarl & Co sowie Motive wie Runen, aber erwartet keine fundierte Reise in die Welt der nordischen Mythologie. Im Vordergrund steht hier eine überzeichnete, ahistorische, bulligblutige Hollywoodfiktion der Nordmänner - also Bühne frei für Ralf Möller seine Söhne.

Hey, nicht über diese kulturellen Ansprüche meckern! Wir wollen Creative Assembly natürlich keinen Bildungsauftrag zumuten, aber wer mit dem Entwickler aufgrund der erfolgreichen Medieval: Total War -Reihe historische Recherche verbindet, die sie ja in Viking Invasion gezeigt haben, wird hier etwas enttäuscht, sollte ganz schnell die geliebte Edda zur Seite legen und ganz tief in die Popcorntüte greifen. Ein englisch gebratenes Hüftsteak und ein Horn voll Met würden auch gut dazu passen. Wer Spiele wie Rune oder Conan nicht kennt, der weiß jetzt immerhin, was auf ihn zurollt - Arme, Beine, Rümpfe, Köpfe. Und haben wir nicht alle gerne Barbarian am C-64 gespielt? Das hier ist quasi so etwas Ähnliches, nur einen kleinen Tick freier, brutaler und größer.

Der Gott der Metzger

Im Nahkampf geht die Post ab, blutig und brachial: Es wird geschlagen, getreten und natürlich sauber geschnitten - hier fliegen alle Körperteile durch die Gegend. Auch in Zeitlupe. 
Ihr schlüpft in die Rolle von Skarin. Das ist ein blonder, muskelbepackter Kerl von einem Wikinger, der eigentlich schon dem Tod geweiht war; die Walküren zupften bereits an seinem geflochtenen Zopf.

Aber die Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit aka Freya hat ein Auge auf den Recken geworfen, der als einziger das Land Midgard vor einem großen Übel bewahren könnte. Was ist passiert? Aus den Tiefen der Unterwelt sind die Legionen der Göttin Hel aufmarschiert, um die Welt der Menschen zu vernichten. Schon jetzt werden tapfere Wikinger zu Hunderten getötet oder gefangen. Der Feind ist schwer bewaffnet, gnadenlos und erscheint meist als zombiehafte, leicht dämonisierte Variante des edlen Nordmanns - in stillen Ecken wird sogar Menschenfleisch gefressen.

Natürlich gibt es eine kleine Intrige im Hintergrund des Götterhimmels, natürlich gibt es einen düsteren Antagonisten, aber all das wird meist auf RTL2-Niveau inszeniert: Als sich Hel und Freya zum ersten Mal mit ihren Traummaßen gegenüber

Leider enttäuscht das Design der Unterweltgöttin Hel: Statt einer düsteren Herrscherin gibt es ein zickiges Babe.
stehen, wirkt das eher wie ein Zickenkrieg aus "Walhallas Next Topmodel" als das Gipfeltreffen zweier mächtiger Göttinnen - vor allem Hel enttäuscht auf ganzer Linie als Babe ohne Biss. Hätte man die Tochter von Loki und der Riesin Angrboda nicht etwas düsterer darstellen können?

Dass es auch ernster und besser geht, zeigen immerhin Skarins Visionen, die ihn ab und zu heimsuchen - wie aus dem Nichts übermannen ihn plötzlich mythologische Bildfetzen. Auch der erste Auftritt des dämonischen Drakan, Hels abtrünniger Held und euer Erzfeind, kommt da schon besser rüber. Über Anachronismen wie Klöster oder Hörnerhelme für Wikinger kann man natürlich hinwegsehen, es ist aber schade, dass man die dramatischen Ansätze der Story nicht konsequent genug in die Präsentation eingeflochten hat. Da war mehr drin!

                    

In den Kampf für Freya!

Mächtige Widersacher wie diese begegnen euch erst in den großen Schlachten, für die ihr zunächst im Alleingang zahlreiche Vorbereitungen treffen müsst: Wikinger befreien, Zugbrücken runterlassen, Sprengstoff besorgen etc.
In Skarins Abenteuer geht es also ganz einfach um Gut und Böse. Und ihr seid spätestens mit der Annahme des magischen Halsschmucks der Freya auf der strahlenden Seite unterwegs, bewaffnet mit Axt und Schwert, die ihr beidhändig schwingen könnt. Seit das Sagen umwobene "Brisingamen" um euren Hals baumelt glänzt Skarin zwar etwas künstlich, aber nicht nur der Bereich um euch herum wird erhellt, ihr könnt auch eine Karte aufrufen und euch dort über Missionsziele informieren. Das ist wichtig, denn ihr seid zu Beginn jeder Inselwelt quasi umzingelt von den Häschern Hels: Überall haben sie Stützpunkte und Gefangenenlager errichtet - und das sind eure Ziele. Im Laufe des Abenteuers befreit ihr dutzende, nein aberdutzende dieser verstreuten Lager, was irgendwann zu Wiederholungsmüdigkeit führt.

Dabei ist es überaus angenehm, dass ihr theoretisch frei nach Laune vorgehen könnt, was die Reihenfolge der Missionsziele angeht. Manchmal sind aber auch gewisse Vorarbeiten nötig, um größere Herausforderungen zu meistern: Erst wenn die Zugbrücke unten ist, können sich Armeen vereinen; erst wenn der Steinbruchmeister befreit ist, dürft ihr Dynamit einsetzen; erst wenn ihr ein Artefakt bergt, wird man euch helfen. Manchmal wäre es allerdings hilfreich gewesen, wenn die Missionsvoraussetzungen von Anfang an deutlicher wären. An einigen Stellen kämpft man sich durch Horden von Feinden, um dann, nach mühsamer Hand- und Klingenarbeit an einem verschlossenen Tor oder eine Luke festzustellen, dass man Sprengstoff braucht. Wer den nicht hat, darf wieder zurück und später noch mal alles erneut befreien. Das ist blöd und gespeichert wird nur automatisch - es gibt keine manuell belegbaren Plätze. Dafür sind die automatischen Punkte in der Regel gut gewählt; man muss z.B. eine ausufernde Schlacht nicht komplett neu machen, sondern wird an Etappenpunkten wiederbelebt.

Idyllisches Midgard

Obwohl die Schlachten mit ihrer Masse an Kriegern punkten, hat man keinerlei taktische Optionen. Es geht darum, so schnell wie möglich zu den Bossen, wie z.B. Schamanen, vorzustoßen, um diesen nieder zu machen - dann ist das Gemetzel meist vorbei.
Die Spielwelt wirkt auf den ersten Blick idyllisch, offen, interessant: Wuchtige Holzhäuser, mächtige Langboote, schroffe Felsen, schöner Wellengang und eine urige Landschaft begrüßen euch. Irgendwo im Hintergrund erkennt man den Leuchtstrahl eines Teleportsteins oder die Türme einer Ruine. Selbst das Lagerleben wirkt zunächst lebendig. Da wird geflucht, da gibt es kleine Schlägereien und Patrouillen ziehen durch die Gassen, während Händler ihre Waren anpreisen. Das Figurendesign ist durchgehend bullig, aber aufgrund detaillierter Rüstungsteile und Helme durchaus gelungen; auch wenn die meisten Nordmänner Helme oder Glatze tragen - wo sind die langen Haare? Es weht sogar ein leichter, ein ganz leichter Hauch von Rollenspiel, denn neben der Möglichkeit des Kaufs von Tränken, Wurfäxten und Feuercocktails stehen hier und da NPCs herum, die Aufträge für euch haben. Die sind manchmal sogar interessant, wenn es um größere Befreiungen oder Suchaktionen geht, aber entpuppen sich in der Regel als belanglose Hol- und Bringdienste, die teilweise stupides Hin- und Herlaufen verlangen. Warum muss ich allen Anführern auch noch Bescheid sagen, wenn ich irgendwo etwas gemeistert habe? Wenigstens diese Wege hätte man sich sparen können.

Wenn man genauer hinschaut, wird man grafisch auf kleine Unstimmigkeiten stoßen: Die Strände wirken z.B. sehr leblos. Man hinterlässt keine Fußabdrücke im Sand, das Fackellicht sieht sehr fade aus und das Gras bewegt sich bei Berührung nicht; außerdem gibt es in der Distanz ab und zu plötzlich auftauchende Objekte sowie kleine Grafikfehler. Auch das Meer, das aus der Distanz und in der Dunkelheit noch mit seinem Wogen beeindruckt, wirkt aus der Nähe wie eine Plastikfolie. Und spätestens, wenn man das dritte Lager gesehen hat, erkennt man die Vielzahl an Klonwikingern - in der Total War-Reihe gab es wesentlich mehr Abwechslung in Sachen Rüstung und Visagen. Auch im Kampfgetümmel dutzender Krieger vermisst man die feine Inszenierung des großen Echtzeitstrategiespiels: Das Aufeinandertreffen der Massen ist hier durchaus ansehnlich, aber weniger individuell im Gefecht. Man hat nicht wirklich das Gefühl, dass da kleine Gruppen miteinander kämpfen, da es zu wenig per Hand inszenierte Szenen gibt. Trotzdem ist es ein erhabenes Gefühl, wenn man gerade zu Beginn einer Schlacht mit Hunderten Wikingern einen Hügel hinunter rennt - das sind gelungene Momente.

Taktik oder Gemetzel?

Immer mitten in die Rüstung rein: Kein anderes Spiel inszeniert den Nahkampf mit Stichwaffen so drastisch wie dieses.
Zurück zur Befreiung Midgards: Je mehr ihr von euren Leuten befreit, desto größer wird eure Armee für die finale Schlacht - danach wartet die nächste Insel. Das ist theoretisch eine gute Voraussetzung für ein wenig Truppenmanagement, aber davon ist weit und breit nichts zu sehen. Leider spürt man in diesen großen Schlachten nicht das Fehlen von Unterstützung: Selbst wenn man nicht alle Leute befreit, kommt man ganz gut klar. Hier hätte man dem Spieler auch eine numerische Übersicht über die Größe der eigenen Armee sowie die Konsequenzen für das große Gefecht anzeigen müssen. So tappt man einfach nur im Dunkeln, befreit ein Lager nach dem anderen, ohne militärische Gewissheit über die Auswirkungen der eigenen Verstärkung.

Selbst wenn Skarin auch mal mit einem kleinen Trupp befreiter Wikinger in Scharmützel stürzt, gibt es keinerlei Befehle für die schweren Jungs um ihn herum; sie kämpfen automatisch, lassen manchmal sogar trotz totaler Übermacht einen Feind für euch übrig, damit es nach eurem Hieb weitergeht. Auch wenn es schließlich zu den großen Schlachten kommt, die im Vorfeld noch über den Aufmarsch von Hundertschaften noch im großen Maßstab inszeniert werden, gibt es keinerlei taktische Optionen, sondern Gemetzel pur. Das ist schade, denn ein wenig Truppentaktik hätte dem Abenteuer, das so sehr auf Kampf und Krieg setzt, nicht geschadet: Warum kann ich nicht wenigstens sagen, dass der rechte Flügel dort attackieren soll, wo

Die Schergen der Hel können sich sehen lassen: Freut euch auf bizarr dämonisierte Wesen, die ihr in kleinen Bosskämpfen inkl. Qucik-Time-Reactions besiegen müsst.
der Schamane steht, den ich besiegen muss? So muss man sich in einem nicht zu beeinflussenden Meer aus Kriegern an die neuralgischen Stellen treiben lassen. Dort angekommen geht es durchaus spannend zur Sache: Ein von allen Seiten beschützter Schamane muss vernichtet werden. Dazu kann man ihn allerdings erst attackieren, wenn man seine arkanen Artefakte rings um ihn herum zerstört hat - also arbeitet man sich langsam vor und versucht, die rot leuchtenden Stäbe schnell zu zerbröseln. Wenn das geschehen ist, kann man den Schamanen mit einem Hieb töten und hat ein kleines Gebiet befreit; selbst wenn noch Dutzende Feinde um einen herum stehen. Verteidigt die KI den Schamanen klug? Nein. Sie spielt einzig und allein den Joker der numerischen Überlegenheit aus, die einen irgendwann erdrückt, wenn man nicht schnell genug ist.

Etwas Strategie light ist allerdings doch dabei. Ihr könnt zu Beginn einem Drachen befehlen, diesen oder jenen neuralgischen Punkt in Asche zu verwandeln: Eine Karte zeigt euch an, wo z.B. Bogenschützen Stellung bezogen haben oder Schamanen ihren Singsang anstimmen. Dann klickt ihr auf die Position und die Echse vernichtet vor der Schlacht alles mit ihrem Feuerodem. Ihr müsst danach lediglich die restlichen Bosse und Schamanen vernichten, dann ist das Gefecht abrupt vorbei - auch wenn um euch herum noch hunderte Feinde am Leben sind und euer Energiebalken bedrohlich gen null gesunken ist, kommt die Überleitung in Form einer Zwischensequenz und ein ehemals dunkles Land wird in ein helles verwandelt. Selbst wenn ihr nur ein kleines Lager befreit, wechselt die Umgebung überaus ansehnlich von düster in idyllisch.

             

Viking: Total Warrior

Unterm Strich ist es zwar schade, dass Creative Assembly keine Befehle anbietet, aber auch als Solist stürzt man sich gerne ins Kampfgetümmel.
Obwohl der Name Creative Assembly das vermuten ließe: Wer glaubt, dass er bei der Befreiung des Landes auf Truppentaktik oder Feldherrenqualitäten zurückgreifen muss, der täuscht also. Aber Kenner wissen natürlich, dass die Briten schon mit Spartan: Total Warrior auf der reinen Metzelschiene fuhren - und genau daran orientiert sich auch dieses Abenteuer. Es ist quasi die nordische Variante des antiken Vorbilds, hier und da ergänzt, aber nicht unbedingt verfeinert. Also heißt es Axt und Schwert gezückt, Lager vernichten, Wikinger befreien, Höhlen durchforsten, auf Türme klettern, Wachposten meucheln und irgendwann die finale Inselschlacht schlagen. Macht das Gemetzel Spaß? Oh ja.

Das liegt daran, dass der Nahkampf sehr gut inszeniert wird. Die Steuerung ist schnell verinnerlicht, bietet neben einfachen Attacken auch zig Spezialangriffe über Knopfkombos sowie Finisher. Hinzu kommt eine aktive, aber wenig anspruchsvolle Deckung, die euch bei Dauerdruck sehr lange einen universellen Schutz bietet - zunächst prallen alle Hiebe ab, egal von welcher Seite sie kommen, erst gegen größere Feinde bricht die Deckung ein. Hinzu kommt ein Ausfallschritt sowie eine überaus elegante Zeitlupenbewegung nach hinten für einen tödlichen Konter: Skarin weicht einem Hieb gerade noch aus, um in Slow Motion zurückzuschlagen - und das sieht einfach klasse aus! Wer einmal das Gamepad in die Hand nimmt, wird sehr schnell seine Freude mit den bestens animierten Kampfchoreographien haben. Auch der optionale Fernangriff über Wurfäxte oder Feuercocktails wird schnell und problemlos eingeleitet; Ersterer endet bei einfach gerüsteten Gegnern tödlich, Letzterer auch bei schwer gepanzerten.

Ganz im Gegensatz dazu steht die Schwäche der feindlichen Bogenschützen: Selbst wenn drei Mann euch anvisieren und mit Pfeilen bespicken, könnt ihr sie erreichen und nacheinander platt machen. Das ist vielleicht gut für das eigene Vorankommen, aber verdammt schlecht für die innere Logik der Spielwelt, die Pfeile zu Pfeilchen degradiert. Etwas härter sind da schon die Feinde mit Holz- oder Eisenschilden, die ihr erst über spezielle Kombos zertrümmern müsst.

Köpfe, grüßt mir die Sonne...

Es bleibt bei Axt und Schwert: Ihr könnt diese beiden Waffen im Laufe des Abenteuers mit Feuer-, Blitz- und Eisrunen aufrüsten, um magische Angriffe zu starten.
Freunde fliegender Körperteile und sauberer Schnitte werden voll und ganz auf ihre Kosten kommen. Skarin hat scheinbar eine Metzgerausbildung abgeschlossen und dazu rhythmische Schneidegymnastik studiert. Alles, was abgetrennt werden kann, wird abgetrennt: Arme, Beine, Rümpfe, Köpfe. Teilweise fliegen der rechte und der linke Arme gleichzeitig, manchmal wird auch der Körper gespalten. Und die Kamera fängt das Filetieren so schonungslos in Zeitlupen ein, dass man selbst als abgebrühter Hack'n Slay-Fan überrascht wird, wenn ein Torso noch kurz weiter läuft  - God of War ist dagegen fast schon harmlos. Nur ab und zu wird die Sicht auf den eigenen Krieger von Bäumen oder Felsen blockiert; dann muss man mit dem rechten Stick nachjustieren.

Es gibt neben wuchtigen Sprunghieben, schnellen Schlagstafetten und Schilde zertrümmernden Wutattacken auch drei magische Angriffe: Ihr könnt eure Waffen mit Blitz-, Eis- und Feuerrunen aufrüsten, um im Kampf arkane Mächte zu entfesseln, die eure Feinde in Brand setzen oder erstarren lassen; hinzu kommen Rundumangriffe und Lähmungen, die euch

Wie viel bleibt von der blutigen Inszenierung am Ende übrig? Das Spiel erscheint offiziell am 28. März in Deutschland.
wertvolle Zeit geben, einen Heiltrank einzuschmeißen. Allerdings gibt es keine neuen Waffen oder Kampfstile und man gewöhnt sich recht schnell an die martialischen Szenen. Und so genial manche Momente inszeniert werden: Manchmal übertreiben es die Briten; spätestens bei den Finishern, wo man in Quick-Time-Reactions größere Bosse in Etappen besiegen muss, wirken die meterhohen Blutfontänen sowie das Schwert-in-den-Nacken-Rammen fast schon lächerlich.

Da hätte man mehr Spannung über mehr Akrobatik oder Entwaffnungsmomente als über Lebenssaft herausholen können. Auch die Musik hat überraschend schwache Momente: Wer die Total War-Reihe kennt, ist an epische Orchester gewöhnt, die einer Schlacht den wichtigen Rhythmus geben können. Hier sind die Töne zwar durchaus gelungen, aber erstens nicht so wuchtig und zweitens wird man ab und zu in akustische Löcher geworfen - plötzlich herrscht Stille. Und zwar nicht aus dramaturgischen Gründen, denn um einen herum tobt der Kampf. Auch bei der Erkundung der Landschaft wirkt es befremdlich, wenn Musik gar nicht zu hören ist.

           

Skarin Cell?

Die Klettereinlagen kommen zwar nicht an ein Uncharted heran, aber sie sorgen für Abwechslung im Metzelalltag. Ihr müsst in Ruinen z.B. alte Runen suchen, um die Drachen zu beschwören.
Truppentaktik gibt es nicht, Nahkampf gibt es satt. Was hat das Spiel sonst noch zu bieten? Einmal sind da angenehme Kletter- und Sprungpassagen, die den Nordmann in Ruinen kraxeln oder über Abgründe hechten lassen, um z.B. die wichtigen Drachenjuwelen zu finden - erst die erlauben euch das Rufen der Echsen. Vor allem auf Efeu und Taue an Mauern sollte man achten, denn auch die klettert der Wikinger hoch - die üblen Soundeffekte beim Tritt in Taue muss man verschmerzen. Allerdings ist die Spielwelt hier stark beschränkt: Obwohl so mancher Sims oder so manche Anhöhe in Sprungreichweite ist, darf man nur an dafür vorgesehenen Stellen sein akrobatisches Talent austoben. Und wenn man es tut, zeigen sich ab und zu Clippingfehler wie Hände im Fels. Trotzdem sorgt das Klettern für angenehm ruhige Momente abseits des Stahlgewitters: Man kann über Schleichwege Lager infiltrieren oder im Dunkel eines Brückengeländers auf das andere Ufer gelangen - sehr schön. 

Interessanter ist dennoch das Schleichen: Skarin hat von Natur aus die Fähigkeit des lautlosen Heranpirschens drauf - und zwar automatisiert. Er kann dieses Talent über den Zukauf von Fähigkeiten auch noch verbessern. Das heißt, dass der Wikinger sich langsam an eine Wache heran bewegen kann und dass dann irgendwann ein Knopf für einen direkten Todeshieb aufleuchtet. Dieses schnelle Meucheln ist ein durchaus reizvoller Aspekt des Abenteuers, denn er beschleunigt das Vorankommen und motiviert dazu, alternative Routen einzuschlagen. Dieser tödliche Weg ist reizvoll, aber wird in keiner Weise über neue Kampftechniken oder Gold belohnt und ist leider inkonsequent konzipiert.

Stealth-Action light

Die Bogenschützen der Feinde sehen gut aus, sind aber viel zu schwach: Ihre Pfeile steckt ihr locker weg...
Mal abgesehen davon, dass Skarin selbst leuchtet wie eine Fackel (Sams grünes Dreiauge lässt grüßen) und viel zu spät erkannt wird, bekommt man als Spieler kein Feedback darüber, ob und wie gut man versteckt ist. Ist man jetzt sichtbar oder nicht? Sprich: Man wartet in einem Busch und wird entdeckt, man wartet in einem Busch und wird nicht entdeckt - wieso, weshalb, warum bleibt fraglich. In der Regel ist es aber immerhin so, dass das Heranschleichen von hinten meist von Erfolg gekrönt wird und dass feste Hindernisse Schutz bieten. Dadurch wird ein Grundmaß an Verstecken und Heranpirschen geboten.

Trotzdem hätte eine noch intensivierte, noch konsequentere Stealth-Action das Abenteuer veredeln können, denn es gibt theoretisch unheimlich spannende Momente in feindlichen Lagern, wenn man sich an Hundertschaften vorbei mogelt oder ungesehen die Schätze einsammelt. Aber praktisch bietet man nur Stealth-Action light: Zum einen sind die Wachen viel zu lethargisch, teilweise fast blind. Normale Feinde sehen euch manchmal nicht, obwohl ihr in Sichtweite gerade einen Kameraden von ihnen meuchelt; auch Geräusche scheinen egal zu sein.

Und wenn sie euch entdecken, was immerhin auch oft vorkommt, dann alarmieren sie keine Verstärkung. Sie ziehen zwar die Männer in ihrer Umgebung mit sich, was gut ist, denn so kommt ihr etwas in Bedrängnis, aber sie lösen keinen Alarm aus. Schön ist, dass ihr selten fliehen könnt, da die Verfolger einfach zu schnell sind. Aber lediglich die Hornbläser haben die Macht, wirklich tödliche Verstärkung zu rufen und ein ganzes Lager zu alarmieren. Also konzentriert man sich darauf, diese zuerst auszuschalten. Unterm Strich werten selbst diese leichten Schleichelemente das Spiel dennoch auf.

     

Fazit

Es reißt die Fessel, es rennt der Wolf - und Skarin wütet wie ein nordischer Metzger. Der blonde Krieger stellt selbst Kratos in den Schatten, wenn es um rhythmische Hackgymnastik und fliegende Körperteile geht: Hier geht die Kamera ganz nah, ganz langsam ran, wenn im Sekundentakt Arme, Beine, Rümpfe und Köpfe fliegen - eigentlich müsste es an den Met-Hallen In-Game-Advertising von Wilkinson geben, so sauber wird hier geschnitten. Die martialische Inszenierung sowie die Kampfchoreographie mit ihren eleganten Ausweichmanövern und brachialen Hieben ist das große Highlight dieses Spiels - hier geht es trotz enttäuschender Musikuntermalung zwei Klassen über dem biederen Conan zur Sache. Allerdings fehlen auf Dauer neue Waffen und Stile. Und an die Dramatik sowie die epische Inszenierung eines God of War kommt dieses Abenteuer nicht heran. Das liegt nicht daran, dass hier Wikinger aus der Klischeekiste in einer Bizepsparade präsentiert werden, sondern daran, dass die Präsentation nicht über B-Movie-Niveau hinaus kommt. Als sich Hel und Freya zum ersten Mal mit ihren Traummaßen gegenüber stehen, wirkt das eher wie ein Zickenkrieg aus "Walhallas Next Topmodel" als das Aufeinandertreffen zweier mächtiger Göttinnen. Es gibt zwar einige authentische Namen und Motive, aber im Vordergrund steht hier keine Bildungsreise in die Mythologie der Nordmänner, sondern einzig und allein das Actionspektakel. Das ist zwar in Sachen Missionsdesign auf Dauer wiederholungsanfällig, aber es wird von packenden Bosskämpfen sowie abwechslungsreichen Kletter- und Sprungpassagen aufgelockert. All das macht auch richtig Spaß, aber da war mehr drin: Creative Assembly hätte zum einen die im Ansatz motivierenden Schleicheinsätze konsequenter ausbauen und um eine reaktivere KI bereichern müssen. Und zum anderen hätten die Briten wenigstens ein Mindestmaß an Truppentaktik anbieten müssen, damit all die befreiten Wikinger nicht zu mitlaufenden Bots verkommen. Unterm Strich ein erzählerisch seichtes, taktisch leider belangloses, aber angenehm wuchtiges, unheimlich kampfstarkes und trotz kleiner technischer Defizite ansehnliches Abenteuer - brachial, blutig, gut.

Update PS3-Fassung:

Sorry für den späten Nachtest, aber wir haben die Fassung erst jetzt begutachten können: Im direkten Vergleich mit der Xbox 360 wirken die Farben auf der PS3 weniger kräftig - alles wirkt hier grauer, weniger kontrastreich. Man hat dafür allerdings kein Problem mit der Helligkeit, weshalb hier wahrscheinlich neben der Rumble- auch Gamma-Anpassung komplett fehlt, die wir beide noch im 360-Menü gefunden haben. Die Sichtweite ist etwas geringer (Details wie Baumstämme in der Distanz erscheinen später als auf Microsfts Konsole) und die Texturdetails (etwa Felsenkonturen) sind weniger scharf; dafür gibt es kein Problem mit der ansonsten oft kritisierten Kantenbildung oder der Spielflüssigkeit. Auch im Kampf und im Animationsbereich sind beide Fassungen identisch. Daher bleibt es unterm Strich ganz knapp bei derselben Wertung, obwohl Creative Assembly für Sonys Konsole keine so vorbildlich identische Kulisse wie andere Entwickler kürzlich bei Devil May Cry 4, Army of Two oder Condemned 2 anbietet.

Pro

sehr gute Steuerung
offene Missionsstruktur
gelungenes Kampfsystem(Ausweichen, Magie, Angriffstechniken, Finisher)
sehr gute Kampfchoreographie(Zeitlupen, Animationen)
imposante Schlachtaufmärsche
einige packende Bosskämpfe
spektakuläre Finisher
etwas Stealth-Action durch Infiltrationen
stimmungsvolle Höhlen & Schluchten
insgesamt gelungenes Figurendesign
schöne Stimmungswechsel in befreitenGebieten (dunkel - hell)
landschaftlich ansehnliche Insel- & Bergwelten
abwechslungsreiche Kletter- & Sprungeinlagen
unterstützender Einsatz von Drachen in der Schlacht

Kontra

kaum taktische Schlachtelemente
im Detail unspektakuläre Massenschlachten
sich wiederholende Missionen
schwache Story & Götterweltpräsentation
seltsame akustische Löcher
Stealth-Action-Elemente nicht ausgereift
keine neuen Waffen, Kampfstile oder Rüstungen
grafische Finessen fehlen
Ruckler in den Massenschlachten
viele Klonwikinger

Wertung

360

Es reißt die Fessel, es rennt der Wolf - und Skarin wütet wie ein nordischer Metzger. Brachial, blutig, gut!

PlayStation3

Auch auf der PlayStation 3 ein blutiges Fest für Freunde der Axt.

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