Apollo Justice: Ace Attorney30.05.2008, Jan Wöbbeking
Apollo Justice: Ace Attorney

Im Test:

Zack! Ein Peitschenknallen durchschneidet die hektische Musik. Das Geräusch von aufeinander prallenden Klingen dröhnt aus dem DS-Lautsprecher. Auf dem Bildschirm verwandelt sich die Welt hinter einer grimmig drein blickenden Anime-Figur mit Stachelfrisur zu einem chaotischen Farbwirbel. Japanische Gerichtsverhandlungen sind anders. Ganz anders - zumindest in der Welt von Capcoms Justiz-Adventures.

Nimm das!

Keine Bange, auch wenn es nach der Einleitung so scheinen mag, der dritte DS-Teil der Ace Attourney-Serie ist nicht zur Anime-Action im Stil von Dragonball & Co mutiert. Wer einen der Vorgänger gespielt hat, kennt das besondere Flair der Serie: Dieses Adventure hat nichts, aber auch gar nichts mit der trockenen Simulation einer Gerichtsverhandlung zu tun.  Das Spiel nimmt weder sich selbst, noch die Charaktere noch irgendetwas anderes ernst. Natürlich zückt niemand im Gerichtssaal Samurai-Schwerter. Doch die Handlung ist - typisch japanisch - derart übertrieben inszeniert,

Die Charaktere sind nur mit wenigen Animationsphasen in Szene gesetzt.
dass zum Steigern der Dramatik schon einmal das Knallen einer Peitsche ertönt und die Kamera wackelt. Das passiert vor allem dann, wenn Strafverteidiger Apollo Justice einen entscheidenden Beweis präsentiert und derart entschlossen mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf den Zeugen zeigt, dass sogar der allmächtige Internet-Star »Techno Viking« winselnd davon laufen würde.

Ihr schlüpft in die Rolle des bereits erwähnten Anwalts-Frischlings Apollo Justice oder »Polly«, wie er liebevoll von seiner jungen Assistentin genannt wird. Zu seiner Verwunderung übernimmt er gleich in seinem ersten Fall die Verteidigung für Phoenix Wright. Ganz recht, das ist der Star-Anwalt aus den Vorgängern. Sieben Jahre vor der aktuellen Episode hat er seine Lizenz als Verteidiger verloren und hält sich nun als Lebenskünstler mit Poker- und Klavierspiel in einer verrauchten Gangster-Spelunke über Wasser. Wright wird beschuldigt, beim Kartenspiel seinen Gegner mit einer Traubensaft-Flasche erschlagen zu haben. Die in einen dicken russischen Pelz gehüllte Zeugin Olga Orrly, die alles genau mit angesehen haben möchte, wirkt genauso fadenscheinig wie der Tathergang. Auch das ungewöhnlich verschlossene aber selbstbewusste Auftreten des Angeklagten wirkt seltsam. Was haben die beiden zu verbergen? Und welche Rolle spielt Apollos vornehm grinsender Mentor, der sich im Laufe der ersten Verhandlung als Freund des Angeklagten herausstellt?

Stimmbänder aus Stahl

Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, nehmt ihr die Zeugin und auch euren Mandanten mehrmals unerbittlich ins Kreuzverhör. Eine Aussage nach der anderen erscheint auf eurem Touchscreen, auf dem ihr sie euch in Ruhe durchlesen könnt. Danach könnt ihr bei jeder Aussage nachbohren. Drückt einfach auf das "Angreifen"-Symbol und schon kratzt Apollos kraftvolles "Moment mal!" aus dem Lautsprecher und der Befragte erläutert die Details. Diese Aktion könnt und müsst ihr bei so gut wie jedem Satz anwenden, denn nur so stoßt ihr auf die Widersprüche, in die sich die Verhörten verstricken. Um sie zu entdecken, untersucht ihr außerdem diverse Beweisstücke nach Ungereimtheiten.

Das Öffnen der Gerichtsakte geht genau so einfach vonstatten wie die übrigen Befehle: Alles lässt sich komfortabel auf dem Touchscreen bedienen. Mit dem Stylus zoomt ihr an Fotos heran, dreht Beweisstücke wie die todbringende Traubensaftflasche hin und her und achtet auf ungewöhnliche Details.

Achtung: Die fegende Frau im Kimono ist in Wirklichkeit eine knallharte Syndikats-Chefin mit Dolch im Besen.
Habt ihr etwas Auffälliges entdeckt, präsentiert ihr den Beweis zur passenden Dialogzeile, und Apollo erklärt dem Richter, was ihm daran spanisch vorkommt. Ab und zu verrät sich ein Zeuge auch durch eine nervöse Geste. Mit der Hilfe von Apollos übersinnlichen Fähigkeiten schaut ihr euch die Aussage noch einmal in Zeitlupe an und entlarft den Lügner per Knopfdruck. Manchmal bekommt ihr auch eine 3D-Ansicht des Tatorts präsentiert, in der ihr Gegenstände verschiebt, um eure Theorie zu unterstützen. Ihr solltet euch allerdings gut überlegen, welchen Beweis ihr zu welcher Dialogzeile präsentiert. Wählt ihr die falsche Kombination, stellt ihr die durch eine Energieanzeige symbolisierte Geduld des Richters auf die Probe. Doch keine Panik - ihr könnt, wie in den Vorgängern, jederzeit abspeichern. Allerdings steht dafür nur ein Spielstand zur Verfügung.

 

Such den Pixel!

Die Tatortuntersuchung in den weiteren drei Kapiteln funktioniert ähnlich wie die Gerichtsverhandlung: Ihr zieht ihr mit eurer naiven aber vorlauten Assistentin Trucy los und sucht wie in einem klassischen Point & Klick-Adventure die gezeichneten Hintergünde ab. Der Cursor verändert zwar sein Erscheinungsbild, wenn er über einen interessante Stelle wandert, doch leider lässt sich oft nicht erkennen, welche Gegenstände zusammengehören. Gründliche Teilzeitdetektive erwischen den gleichen Gegenstand dadurch gleich zwei- oder mehrmals und müssen sich dann noch einmal durch die dazugehörigen Dialogzeilen klicken.

Auch die Unterhaltungen mit Zeugen und euren skurrilen Mandanten laufen ähnlich ab wie im Gerichtssaal. Nicht immer sucht ihr nach Indizien für einen Mord, manchmal wurde einfach nur ein Höschen oder ein ranziger Pasta-Verkaufsstand gestohlen. Je später ihr mit stichhaltigen Beweisen auftaucht, desto salziger wird eure Nudelsuppe, droht euch z.B. der blondgelockte Nudelkarrenbesitzer - allerdings erst, nachdem er euch minutenlang davon erzählt, wie die Nudel in seiner traditionsreichen Familie von einer Generation zur anderen weitergegeben wurde. Zwischendurch wird die Geschichte übrigens durch kurze animierte Sequenzen weitergesponnen.      

Fazit

Alle Achtung - im Angesicht von Apollo Justice verblasst sogar Barbara Saleschs Laiendarstellergruppe. Nicht einmal die trashigste deutsche Nachmittags-Gerichtssendung kann mit derart vielen ungeahnten und durchgeknallten Wendungen aufwarten wie Capcoms aktuelles Gerichts-Adventure - doch genau das macht das Spiel so unterhaltsam. Die Charaktere sind angenehm verschroben und die Dialoge dementsprechend albern. Schon nach kurzer Zeit war mir gar nicht mehr bewusst, dass vor mir eigentlich nur geschriebener Text unter ein paar leicht animierten Comiczeichnungen über den DS-Bildschirm lief. Ich war ähnlich tief in die Story versunken wie beim Lesen eines unterhaltsamen Romans. Auch die Kreuzverhöre konnten mich nur dann aus dem Spiel- bzw. Lesefluss reißen, wenn ich mich wieder einmal in die verquere Logik der Entwickler hineindenken musste, um eine harte Rätselnuss zu knacken. Zum Glück sind nicht alle Falschaussagen schwer zu entlarven. Häufig erkennt ihr den Widerspruch sofort, oder aber die hervorgehobenen Bemerkungen eures Mentors stoßen euch darauf. Apollo Justice bietet Kennern der Serie zwar zwar nur neue Episoden zu einem bekannten Konzept, doch immerhin sind die neuen Fälle recht unterhaltsam geraten.

Pro

<P>
unterhaltsame Abwandlung klassischer Adventures
durchgeknallte Charaktere
selbstironische Dialoge
packende Story
intuitive Touchscreen-Steuerung
Beweisstücke werden mit dem Stylus untersucht
Spielstand lässt sich jederzeit abspeichern</P>

Kontra

<P>
bis auf kurze, kratzige&nbsp;Schreie keine Sprachausgabe
etwas unkomfortables Absuchen der Tatorte
nur ein Spielstand lässt sich abspeichern</P>

Wertung

NDS

Zurück im Gerichtssaal: Vier durchgeknallte und kurzweilige Adventure-Episoden um Anwalts-Frischling Apollo Justice.

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