Dead Space (2008)06.11.2008, Jens Bischoff
Dead Space (2008)

Im Test:

Da war Electronic Arts wohl selbst überrascht, als Dead Space im dritten Anlauf doch noch von der USK abgenickt wurde. Zumindest kann angenommen werden, dass die verspätete Veröffentlichung in Deutschland damit zusammenhängt, dass erst noch flugs entsprechende Verpackungen produziert werden mussten. Aber egal, jetzt gibt's den brachialen Überlebenskampf im Weltraum auch mit rotem Prüfsiegel auf der Hülle. Doch blieb alles andere tatsächlich unangetastet?

Vom Ingenieur zum Überlebenskünstler

Eigentlich gehen Isaac Clarke und seine Kameraden von einem Routineeinsatz aus, als sie sich der USG Ishimura nähern: Der Funkkontakt zu dem gigantischen Rohstoffabbauschiff brach vor kurzem ab. Doch kaum an Bord angekommen, merken sie, dass technische Probleme wohl das geringste Übel sind. Denn die Besatzung wurde von grotesken Kreaturen

 Im Weltraum hört dich niemand schreien... Hier ist der Start-Trailer zu Dead Space!
abgeschlachtet, die immer noch durch die Gänge schleichen und die wenigen Überlebenden taumeln am Rande des Wahnsinns. Auch Isaacs Verlobte war hier stationiert - ein Rückzug kommt also nicht in Frage. Die anderen Teammitglieder scheinen teils besonderes Interesse an den Vorgängen auf der Ishimura zu haben. Also heißt es: Ran an die Waffen und retten, was noch zu retten ist!

Anfangs nur mit einer Art Energietacker ausgerüstet, merkt ihr schnell, dass ihr eure Widersacher besser in Schach halten könnt, wenn ihr deren Extremitäten aufs Korn nehmt: Abgetrennte Beine oder Arme schränken nämlich nicht nur Fortbewegung und Angriffsreichweite ein, sondern sorgen auch für ein schnelleres Ableben der aggressiven Brut. Wer blind drauflos ballert, hat schnell keine Munition mehr und verstrickt sich in meist aussichtslose Nahkämpfe. Die taktischen Verstümmelungen bleiben selbst dann noch ein zentraler Aspekt, wenn Waffenarsenal und Aktionsmöglichkeiten zunehmen, wodurch sich Dead Space angenehm von gewöhnlichen Shootern abhebt, obwohl ihr später auch hier zu konventionelleren Tötungswerkzeugen wie Sturmgewehr oder Flammenwerfer greifen könnt. PC-Spieler mit Maus sind beim Zielen kurioserweise leicht im Nachteil, da der Nager selbst auf höchster Empfindlichkeitsstufe ungewohnt träge reagiert. Mit einem passenden Controller ist das Problem jedoch vom Tisch.

Weniger ist mehr

Insgesamt stehen euch bis zu sieben Schusswaffen zur Verfügung, von denen ihr aber immer nur vier gleichzeitig mit euch führen könnt. Klingt nicht nach viel, reicht aber vollkommen aus, da nicht nur jede Waffe über eine eigenständige Sekundärfunktion verfügt, sondern das Arsenal auch eine hohe Vielfalt bietet,

Limitierte Vielfalt: Trotz begrenzter Spielwelt, besucht ihr sehr unterschiedliche Schauplätze.
das von unterschiedlich ausgerichteten Strahlenwaffen über Druckwellenerzeuger bis hin zu ferngesteuerten Sägeblättern reicht. Dass dabei eine ziemliche Sauerei entstehen kann, versteht sich von selbst und wurde von den Entwicklern auch ungehemmt inszeniert: Körper und Gliedmaßen zerbersten regelrecht, Blut fließt in Strömen und dank Kinese-Funktion lassen sich scharfkantige Knochensplitter und andere Körperteile sogar als organische Geschosse missbrauchen.

Auch Umgebungsobjekte lassen sich mit Kinese verschieben oder herumschleudern, was nicht nur in Kämpfen, sondern auch bei einigen Rätseln oder blockierten Wegen zum Tragen kommt. Manchmal bringt ihr dadurch auch das ein oder andere Item oder gar einen Geheimraum zum Vorschein. Leider ist das aber nur sehr selten der Fall, ein Großteil des Mobiliars bleibt völlig unbeweglich und echte Kopfnüsse sucht ihr ebenfalls vergebens. Zudem liefert die eingebundene Havok-Physikengine teils sehr kuriose oder übertriebene Ergebnisse. Vor allem die Ragdoll-Leichen erinnern oft eher an unter Strom stehende Weichgummipuppen als an leblose Körper aus Fleisch und Blut.        

Völlig losgelöst

Gut gelungen ist hingegen der Einsatz von Vakuum und Schwerelosigkeit. Wer jetzt chaotische Jetpack-Fliegereien befürchtet, kann aufatmen: Dank Schwerkraftstiefel bleibt Isaac auch in Räumen mit deaktiviertem Gravitationsfeld bodenständig, kann sich aber durch gezielte Schubstöße auch problemlos von Wand zu Wand oder an die Decke bewegen, die dann jeweils zum neuen Boden werden, da die Kamera stets über eure Schulter blickt.

Atmosphärisch: Das Spiel mit Licht und Schatten ist den Entwicklern hervorragend gelungen.
Die Orientierung bleibt dadurch so gut es geht gewährleistet und versprüht ein wenig Spider-Man-Flair, nur dass nicht verankerte Objekte, Leichen und selbst Bluttropfen hier beeindruckend im Raum schweben und abrupt zu Boden fallen, wenn die Schwerkraft wieder hergestellt wird. Dass ihr in diesen Abschnitten nur auf kriechende bzw. krabbelnde Gegner trefft, die auch sonst der Schwerkraft trotzen, ist nur konsequent, auch wenn diese durch ihre ungebremste Sprungkraft sehr mobil sein können.

Während ihr euch in der Schwerelosigkeit beliebig lange aufhalten könnt, kommt in luftleeren Räumen ein in euren Anzug integrierter Sauerstofftank ins Spiel, der nicht lange hält und so für einen gewissen Zeitdruck sorgt. Zudem ist es hier beklemmend ruhig, da sich Schallwellen im Vakuum bekanntlich nicht ausbreiten können. Geräusche nehmt ihr zwar teils trotzdem wahr, aber nur sehr dumpf und schemenhaft. Euer Flammenwerfer versagt ohne Luft konsequenterweise hingegen komplett seinen Dienst.

Nur mit der Ruhe

Neben einem Sauerstoffreservoir, Schwerkraftstiefeln und einem Kinesemodul besitzt euer Raumanzug auch eine Stase-Einheit, mit der ihr Bewegungen kurzzeitig verlangsamen könnt. Das ist nicht nur praktisch um zuschnappende Schiebetüren oder wild umherwirbelnde Starkstromleitungen sicher zu passieren, sondern auch um schnelle Angreifer auszubremsen und diese dann in aller Ruhe auseinander zu nehmen -

Die wenigen Überlebenden, auf die ihr trefft, sind körperlich und geistig völlig am Ende.
notfalls auch mit Schlägen und Tritten. Natürlich ist auch der Stasevorrat begrenzt, so dass ihr deren Einsatz stets abwägen müsst. Im Lauf des Spiels könnt ihr die Stasezeit jedoch erhöhen. Auch Sauerstoffreservoir, Lebensenergie und Kinesereichweite lassen sich aufwerten. Selbst die Waffen dürfen umfangreich getunt werden. Für alle Upgrades benötigt ihr wertvolle Energieknoten, die ihr auf speziellen Platinen individuell anordnen könnt und so die Art der Aufwertung trotz gewisser Leiterbahnvorgaben selbst bestimmen könnt.

Darüber hinaus könnt ihr auch neue Anzüge kaufen, die in der Regel eine bessere Panzerung und ein größeres Inventar bieten. Die Verkaufsterminals dienen gleichzeitig auch als Lager für gerade nicht benötigte Waffen und andere Gegenstände. Terminals mit Sauerstoff- oder Stase-Auffrischungen gibt es ebenfalls. Auch euren Spielfortschritt könnt ihr nur an speziellen Terminals bzw. am Ende eines Kapitels sichern. Diese sind allerdings ausreichend und fair platziert und werden von zusätzlichen unsichtbaren Kontrollpunkten unterstützt, an denen ihr im Fall eines Ablebens direkt wieder ins Spiel einsteigen dürft. Frust kommt dadurch so gut wie nie auf. Zwar gibt es ein paar heikle Situationen, aber die sind allesamt zu meistern, wenn man erst mal den Dreh raus hat. Wer fleißig die Umgebung durchstöbert, sollte auch keine Munitionsprobleme haben, während insgesamt vier Schwierigkeitsgrade für die passende Herausforderung sorgen.     

Schreck lass nach

Beim ersten Durchlauf könnt ihr je nach Schwierigkeitsgrad und Spielweise 10-15 Stunden Spielzeit einplanen. Da das Abenteuer völlig linear verläuft und euch quasi keinerlei Entscheidungsmöglichkeiten bietet, sind weitere Durchgänge inhaltlich nicht sonderlich reizvoll, spielerisch hingegen schon, da ihr erst nach einmaligem Durchspielen den höchsten Schwierigkeitsgrad und besten Anzug freischaltet sowie eure aufgerüsteten Waffen und weitere Dinge behalten sowie weiter verbessern könnt.

Laser, Feuer oder Säge? Das Waffenarsenal ist überschaubar, aber ungemein vielseitig.
Für Erfolgs- und Trophäensammler sind mehrere Durchgänge sowieso Pflicht. Spannung kommt dabei aber nur noch bedingt auf, da quasi alle Schockmomente gescriptet und somit bekannt sind - genauso wie Storywendungen und sonstige Überraschungen. Selbst beim ersten Durchspielen weisen einige Elemente bereits Abnutzungserscheinungen auf, da sie zu oft wiederholt werden. Man entwickelt quasi ein Gespür für wirklich bevorstehende und nur angetäuschte Bedrohungen - selbst den Leichen sieht man unverwechselbar an, ob sie plötzlich aufstehen oder nicht.

Aber auch die ansonsten grandiose Soundkulisse verliert zu früh an Bedrohlichkeit, da bestimmte Geräusche einmal als Fake ausgemacht quasi immer nur Fakes sind. Das ist gerade im Survival-Horror-Bereich natürlich ein schwer wiegender Fauxpas. Als weiteren Atmosphärekiller empfand ich auch den komplett stummen und teilnahmslosen Protagonisten, der nicht einmal in den dramatischsten Augenblicken und persönlichsten Gesprächen den Mund aufmacht: Keine Trauer, kein Mitgefühl, keine Verzweiflung, keine Anspannung, Isaac ist emotionslos wie ein Roboter. Die Suche und Rettung der vermissten Partnerin verliert dadurch jede Glaubwürdigkeit. Würde er nicht wenigstens Schnaufen und Stöhnen oder gelegentlich schreiend in Stücke zerrissen, würde man gar nicht merken einen Menschen zu spielen. Dabei haben die Entwickler bei den anderen Figuren doch gezeigt, dass sie es verstehen, ihnen Persönlichkeit einzuhauchen. Auch die professionellen deutschen Synchronsprecher machen ihren Job vorbildlich und die Übersetzung ist ebenfalls tadellos.

Mitten drin

Wenig zu kritisieren gibt es auch an der optischen Präsentation. Gerade das Spiel mit Licht und Schatten wirkt ungemein stimmungsvoll, auch wenn Letztere vereinzelt extrem grobpixelig auf die Umgebung geworfen werden. Ansonsten sind aber sowohl Grafikqualität als auch -stil erste Sahne. Auf dem PC sehen Texturen und Effekte eine Spur besser aus als auf den Konsolen, allerdings solltet ihr auch hier unbedingt auf einem 16:9-Bildschirm spielen, da der Bildausschnitt ansonsten seitlich beschnitten wird, was aufgrund der figurnahen Kamera die Übersicht merklich schmälert. Zwischen PS3 und 360 gibt es hingegen kaum nennenswerte Unterschiede:

Munitionssparend: Mit einem beherzten Tritt könnt ihr verletzten Gegner den Rest geben.
Auf der Microsoft-Konsole ist die Grafik zwar etwas kontrastreicher, aber dadurch auch grobkörniger, was aber genauso wie die plastischeren Rauch- und Nebeleffekte nur im direkten Vergleich auffällt. Trotz der stark begrenzten Spielwelt gleicht übrigens kaum ein Raum oder Gang dem anderen, da die Entwickler ihnen viele einzigartige Details, Lichtverhältnisse und Verwüstungsstufen verpasst haben. Zudem findet ihr unterwegs viele stimmungsvolle Text-, Audio- und Video-Logs, wobei Letztere direkt holografisch in den Raum projiziert werden.

Auch sonst waren die Entwickler offensichtlich sehr um Spielfluss und Mittendringefühl bemüht: Es gibt keine losgelösten Anzeigen, Menüs oder sonstige Unterbrechungen. Alles wird in Echtzeit und aus Isaacs Perspektive serviert. Energie-, Stase- und Sauerstoffvorrat seht ihr direkt auf eurem Anzug, Restmunition an den Waffen. Aufgaben, Inventar oder eine leider nicht ganz ausgereifte, weil nicht verschiebbare Übersichtkarte erscheinen ohne Spielunterbrechung als Hologramme. Ein praktischer Routenplaner projiziert auf Knopfdruck jederzeit den kürzesten Weg zum nächsten Ziel direkt in die Spielwelt. Selbst bei vorberechneten Sequenzen weicht die Kamera nur selten von Isaacs Seite. Selbst euren Tod bekommt ihr direkt an Ort und Stelle vorgeführt. Offensichtliche Ladeunterbrechungen gibt es ebenfalls nur zu Beginn eines neuen Kapitels sowie beim Reaktivieren eines Spielstandes oder Kontrollpunkts. Ansonsten werden sie zumindest während Fahrstuhlfahrten, Schleusenöffnungen oder Apparaturbedienungen gut kaschiert. Lediglich die Beleuchtung kommt bei zu schnellen Raumwechseln manchmal nicht richtig mit, was wenn überhaupt aber nur kurz der Fall und nicht weiter tragisch ist - genauso wie das Fehlen jeglicher Multiplayer-Komponente.   

Fazit

Wie es Dead Space geschafft hat, letztendlich doch noch die USK-Hürde zu nehmen, ist mir ein Rätsel. Wir waren jedenfalls skeptisch und haben extra auf den verspäteten Release der deutschen Fassung gewartet, um diese genauer unter die Lupe zu nehmen - Streichungen sind uns jedoch keine aufgefallen. Auch hierzulande fließt Blut in Strömen, fliegen Körperteile durch die Gegend und Ragdollexperimente sind möglich. Doch obwohl die Atmosphäre des Titels auch von der brachialen Gewaltdarstellung genährt wird, sind es doch eher andere Dinge, die den eigentlichen Reiz des extraterrestrischen Horrortrips ausmachen. So sorgt die nicht unbedingt neue, aber zentral verankerte taktische Verstümmelung der Gegner für ein unverwechselbares Spielerlebnis. Auch die Einbindung von Schwerelosigkeit, Vakuum, Kinese und Stase ist den Entwicklern bestens gelungen. Zwar hat man das alles auch schon anderswo gesehen, aber EA Redwood hat es geschafft, alles zu einem genauso stimmigen wie stimmungsvollen Ganzen zu verbinden, das durchaus Standards setzt. Schade nur, dass sich manche Elemente trotz vielseitiger Einsatzmöglichkeiten mit der Zeit etwas abnutzen. Selbst die an sich grandiose Soundkulisse muss sich diese Kritik gefallen lassen: Anfangs zuckt man beim Poltern in einem Lüftungsschacht oder Herabfallen eines Metallrohres noch zusammen und wappnet sich für einen Überraschungsangriff, der aber leider immer ausbleibt und irgendwann seine Bedrohung komplett verliert, da Geräusche und Konsequenzen stets dieselben sind - kein Vergleich mit dem Psychoterror eines Silent Hill . Auch die Handlung verläuft strikt linear, wobei euer Alter Ego selbst in den dramatischsten Momenten völlig stumm und teilnahmslos bleibt, als würde man einen Roboter spielen. Hier sollte man beim bereits in Arbeit befindlichen Nachfolger unbedingt nachbessern, dann klappt es vielleicht auch mit Platin. Ansonsten gibt es jedoch nicht viel zu kritisieren. Wer auf packenden SciFi-Horror steht, kommt an Dead Space nicht vorbei!

Pro

guter Spielfluss
ordentlicher Umfang
packende Soundkulisse
spannende Inszenierung
taktische Verstümmelungen
aufrüstbare Waffen & Ausrüstung
harmonisch integrierte Anzeigen & Sequenzen
überschaubares, aber vielseitiges Waffenarsenal
gut gemachte Ausflüge in Vakuum & Schwerelosigkeit
weit reichend einsetzbare Kinese- & Stase-Fähigkeiten

Kontra

streng linearer Spielverlauf
sich abnutzende Schockmomente
stummer, teilnahmsloser Protagonist

Wertung

360

Brachialer SciFi-Horror, der einen trotz grober dramaturgischer Schnitzer in seinen Bann zieht.

PC

Brachialer SciFi-Horror, den man vorzugsweise mit passendem Controller und 16:9-Display spielen sollte.

PlayStation3

Brachialer SciFi-Horror, der einen trotz grober dramaturgischer Schnitzer in seinen Bann zieht.

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