Samba de Amigo07.10.2008, Michael Krosta
Samba de Amigo

Im Test:

Wenn aus dem Spieleraum rhythmische Tschaka-Tschaka-Geräusche kommen, kann dies nur eines bedeuten: Samba de Amigo (ab 13,92€ bei kaufen) ist da und verwandelt den Alltag in eine lateinamerikanische Party! Was 1999 unter der Leitung des Sonic Teams in der Spielhalle begann und ein Jahr später auch auf der Dreamcast-Konsole für rasselnde Muchachos sorgte, feiert jetzt ein Revival auf Wii - und bietet dabei gleichzeitig mehr und weniger als damals...

Keine Rasseln - kein Spaß?

Stellt euch vor, ihr müsstet Guitar Hero ohne die Gitarre spielen. Öde, oder? Und was wäre ein Dancing Stage, wenn die Tanzmatte fehlen und ihr stattdessen auf dem Controller lediglich die Finger tanzen lassen würdet? Laaaangweilig! Mit einem ähnlichen, aber nicht ganz so krassen Problem hat auch Samba de Amigo auf Wii zu kämpfen: Während dekadente Dreamcast-Besitzer anno dazumal in dem etwa 400 DM teuren Paket neben einer schicken Matte auch eine Sensorleiste samt einem handlichen Paar Rasseln vorfinden konnten, bekommt ihr hier nur das Spiel, während Remote und Nunchuk die Funktion der Maracas erfüllen. Klar, es bietet sich ja auch an - immerhin ist das Konzept der Wii-Controller dem der Rasseln gar nicht so unähnlich. Allerdings ist die Dreamcast-Technologie zumindest rasseltechnisch der Nintendo-Hardware voraus. Warum? Weil die Teile mit einem Höhensensor ausgestattet waren! So konnte das Programm wunderbar erkennen, ob ihr die Rasseln gerade hoch haltet, sie in der Mitte habt oder nach unten rasselt. Mit Remote und Nunchuk mussten die Entwickler

Es wird nicht nur gerasselt: Ab und zu müsst ihr auch mit einer kleinen Tanzeinlage glänzen...
dagegen tricksen: Hier ist nicht die Höhe entscheidend, sondern die Neigung! Zeigt die Spitze der Controller nach oben, rasselt ihr nach oben - zeigt sie nach unten, fangt ihr durch die Bewegungen eures Handgelenks in den unteren Feldern die Kugeln ab.

Kugeljagd

Wie gehabt findet ihr auf dem Bildschirm sechs mögliche Felder, auf die sich die Kugeln aus der Mitte heraus zubewegen. Kommen sie dort an, solltet ihr genau dann an der entsprechenden Position die Rasselbewegung ausführen. Feedback bekommt ihr nicht nur anhand einer Bewertung, die sich in Echtzeit an eure Leistungen anpasst, sondern auch durch den Lautsprecher der Remote, aus dem diverse Rassel-Soundeffekte ertönen, die ihr später sogar individuell anpassen dürft. Was am Anfang noch recht einfach erscheint, wird mit höheren Schwierigkeitsgraden deutlich komplexer und herausfordernder. So müsst ihr z.B. die Controller auch diagonal von oben nach unten halten und blitzschnell die Positionen wechseln. Und hier gibt es gleich zwei Probleme: Erstens ist das Kabel zwischen Nunchuk und Remote verdammt nervig. Zum Glück habt ihr alternativ auch die Möglichkeit, mit zwei Remotes zu spielen, was auf jeden Fall die bessere Variante darstellt. Zweitens ist die Steuerung mit den Wii-Controllern längst nicht so präzise wie mit den Dreamcast-Rasseln. Vor allem, wenn schnelle Positionswechsel gefragt sind, reagieren die Remotes zu lahm. Hinzu kommt, dass der Cursor oft viel zu zittrig ist und dadurch manche Schläge daneben gehen - auf der anderen Seite aber auch Kugeln erwischt werden, obwohl ihr ganz woanders hingezeigt habt. Nervig sind zudem die Rassel-Soundeffekte aus den Remote-Lautsprechern, die aufgrund des zittrigen Cursors ertönen und euch vollkommen aus dem Takt bringen. Ein deutlich besseres Spielgefühl (und sogar ein präziseres Ansprechverhalten) konnte ich beim Spielen mit externen Rasseln erzielen,

Auch das Posieren ist immer wieder Pflicht - und versaut euch unter Umständen auf den letzten Drücker die Wertung.
in die die Remotes gesteckt werden. Ich kann deshalb nur jedem empfehlen, sich ein solches Exemplar anzuschaffen, auch wenn die Verarbeitung nicht an die alten DC-Rasseln heran kommt.

Massig Spielmodi

Euch erwartet eine reiche Auswahl an Spielmodi, die von einer kleinen Samba-Runde zwischendurch über Minispiele bis hin zu Kämpfen sowie einen Karrieremodus reichen. Letzterer fällt allerdings nicht sonderlich umfangreich aus: Ingesamt erwarten euch 16 Herausforderungen, in denen ihr jeweils zwischen drei und fünf vorgegebene Songs einer Liste abarbeiten müsst. Dabei nimmt der Schwierigkeitsgrad in vier Stufen zu und verlangt euch später einiges an Rasselkünsten ab. Leider sind die Stufen nicht durch Zwischensequenzen oder dem Ansatz einer Story miteinander verbunden. Zumindest aber haben Sonic und Ulala kurze Auftritte als Gast-Stars mit einer eigenen Kulisse, die direkt aus den Hüpfspielen und Space Channel 5 stammt. Selbst einer der Soundtracks des lässigen Tanzspiels findet sich in der Setliste, die verglichen mit dem Original deutlich erweitert wurde. Insgesamt bekommt ihr knapp 50 Songs mit südamerikanischem Flair geboten, wovon 23 Tracks exklusiv für Wii integriert wurden. Neben Klassikern wie "La Bamba" oder "Volare" findet ihr auch modernere Stücke wie "Pon de Replay" von Rihanna oder "Do it Well"" von Jennifer Lopez. Zwar bekommt ihr einige Originalversionen geboten, doch sind die meisten Tracks mehr oder weniger gelungene Cover-Versionen. Während man sich die Latin-Version von Ahas 80s-Pop "Take on Me" noch ganz gut anhören kann, ist die Verunstaltung der "Theme of Rocky" damals wie heute eine reine Katastrophe.  

Online-Nachschub

Schön dagegen, dass auch die Stücke aus Samba de Amigo 2000 den Weg auf die Disk gefunden haben, denn die Dreamcast-Erweiterung hat es mit ihren überwiegend ansprechenden Songs damals offiziell leider nicht nach Europa geschafft. Außerdem dürft ihr die Setlist jetzt auch selbst erweitern, denn über Nintendos Onlineservice werden weitere Lieder zum kostenpflichtigen Download angeboten. Momentan steht allerdings erst ein Song-Pack mit drei Tracks zur Auswahl, das 500 Wii-Punkte kostet. Gemessen an der Konkurrenz wie Guitar Hero oder Rock Band eigentlich kein zu hoher Preis für den Nachschub, doch darf man dabei nicht vergessen, dass die Samba-Tracks insgesamt alle sehr kurz ausfallen. Für meinen Geschmack sind die Stücke sogar etwas zu schnell wieder vorbei - hier wäre es eine bessere Lösung gewesen, wie

Neben dem flotten Igel Sonic absolviert auch die tanzende Space Channel 5-Reporterin Ulala einen Gastauftritt in heimischer Kulisse.
bei SingStar sowohl eine Lang- als auch eine Kurzversion anzubieten. Bis auf das Herunterladen neuer Songs und dem Festhalten eurer Ergebnisse in Ranglisten bleibt die Internetverbindung allerdings nutzlos, denn direkte Duelle mit anderen Rasselschwingern ist über Nintendos Onlineservice leider nicht möglich.

Samba für die Liebe

Stattdessen werden die direkten Duelle lokal an der Konsole ausgerasselt: Entweder spielt ihr um die höchste Punktzahl oder ihr liefert euch im neuen Battle-Modus eine regelrechte Schlacht, indem ihr durch fehlerfreies Shaken eine Kombo für eine Bombe aufbaut und diese dann eurem Konkurrenten vor die Füße legt. Ist dessen Lebensanzeige am Nullpunkt angekommen, habt ihr gewonnen. Wer dagegen seine Liebe auf die Probe stellen will, ist beim Modus Hals über Kopf richtig: Hier kommt es vor allem darauf an, möglichst synchron und im Einklang miteinander zu rasseln und dadurch Freundschaftpunkte zu sammeln, womit das Programm locker die Dauer und Chance einer möglichen Beziehung berechnet. Ist gerade kein Mitspieler zu Hand, dürft ihr all diese Modi auch allein gegen KI-Zappler austragen. Außerdem schaltet ihr hier nach kurzer Zeit den Überlebensmodus frei, bei dem ihr nur eine begrenzte Anzahl an Rassel-Fehlern begehen dürft. Für einen kurzen Spaß zwischendurch sind die Minispiele ausgelegt, in denen ihr z.B. innerhalb einer kurzen Zeit durch heftiges Schütteln Steine oder Pinatas zerstören oder Maulwürfe treffen müsst. Beim Affentheater gilt es dagegen, die vorgegebenen Bewegungen exakt nachzuahmen. Die Posen, die ihr auch in den anderen Spielmodi immer wieder zwischendurch einnehmen müsst, stehen auch im Zentrum eines weiteren Minispiels, bei dem ihr schnell von einer Verrenkung zur nächsten wechseln müsst, um euch einen Zeitbonus zu sichern. Auch den Tanzeinlagen, die bei Samba de Amigo 2000 ihre Premiere feierten und ebenfalls auf Wunsch in anderen Modi aktiviert werden dürfen, wird ein Minispiel gewidmet: Dabei müsst ihr nicht wie gewohnt rasseln, sondern mit den Maracas bzw. Remotes vorgegebene Bewegungen ausführen, die z.B. an das Hantieren von Fluglotsen erinnern. Habt ihr dagegen überhaupt gar keine Ahnung, wie das Spielprinzip von Samba de Amigo funktioniert, werdet ihr in einem Tutorial von einer leicht nervigen, aber wenigstens deutsch synchronisierten Stimme in mehreren Lektionen in die Kunst des Rasselns eingeführt. 

Fazit

Mein Gott, was habe ich Samba de Amigo auf meiner Dreamcast-Konsole geliebt, auch wenn mir der hohe Preis von 400 DM zuvor die Tränen in die Augen getrieben hatte. Aber was hatten wir damals Spaß mit dem Teil, wenn wir uns gemeinsam mit Freundinnen und Freunden durch die beschwingte Setlist gerasselt haben, die mit der importierten 2000er-Edition um weitere Highlights erweitert wurde. Wenn ich mich jetzt vor die Wii setze und die beiden Remotes als Rassel-Ersatz in den Händen halte, schwelge ich zwar in den wunderschönen Erinnerungen, aber das geniale Gefühl von damals will sich nicht einstellen. Der Hauptgrund dafür liegt darin, dass das Rasseln mit Nunchuk und/oder Remote nicht nur merklich unpräziser, sondern auch deutlich spaßfreier abläuft. Bei Samba de Amigo ist das Tschaka-Tschaka einfach Pflicht - und damit meine ich nicht die peinlichen Soundeffekte aus dem Remote-Lautsprecher, die euch aufgrund der Verzögerung eh nur aus dem Takt bringen. Erst, wenn ihr die Wii-Controller in Maracas-Aufsätzen verstaut, kommt die Neuauflage mit ihren interessanten Erweiterungen an die Dreamcast-Vorlage heran und spielt sich zudem deutlich besser. Deshalb bezieht sich meine Wertung auch ausdrücklich auf die Kombination aus Spiel und Maracas. Wer nur mit den Controllern rumwedeln will, darf gut und gerne ein paar Prozent der Spielspaßwertung abziehen. Doch egal, ob mit oder ohne Maracas: Es ist sehr schade, dass die Onlineanbindung nur zum Herunterladen neuer Songs sowie Ranglisten genutzt wird, direkte Rassel-Duelle gegen andere Samba-Infizierte dagegen nicht erlaubt. Auch hätte ich mir gewünscht, dass neben der Songliste auch die Songlänge zugelegt hätte - gerade die Neuzugänge wie Pon de Replay hätte man ruhig komplett auf die DVD packen können. Trotzdem bleibt Samba de Amigo auch auf Wii das, was es auch früher schon war: Ein echter Partyspaß, der vor allem in einer lustigen Gruppe und mit einigen leckeren Cocktails zur Höchstform aufläuft!

Pro

viele Spielmodi
beschwingte Songauswahl
herrlich bunte Kulissen
tolles Samba-Feeling (in Verbindung mit Rasseln)
spaßiger Mehrspielermodus
auch mit zwei Remotes spielbar

Kontra

teilweise ungenaue Steuerung
relativ kurze Karriere
stark gekürzte Songs
keine Online-Duelle möglich
störendes Nunchuk-Kabel

Wertung

Wii

Auf Wii kommt erst mit den separat erhältlichen Rasseln echter Partyspaß auf! Leider nicht ganz so präzise wie auf Dreamcast, aber immer noch spaßig...

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