Bionic Commando18.05.2009, Jörg Luibl
Bionic Commando

Im Test:

Da sitzt man auf der Couch und lauscht. Es sind diese leisen Töne, die einen magisch anziehen. Wenn das Klavier behutsam, ja fast schon bedächtig im Hintergrund anklopft, will man zunächst nicht an ein rasantes Actionspiel denken. Schon gar nicht an die moderne Wiedergeburt eines Arcade-Hits längst vergangener Zeiten. Erst als die Akkorde vom sanften Dur ins dominantere und gleichzeitig düstere Moll fließen, schleicht sich eine Ahnung von Bedrohung, aber auch eine heroische Entschlossenheit ins Ohr. Es kribbelt im Nacken. Und man will endlich spielen.

Wenn die Erde bebt

Ein Mann, ein Arm, viel Seil: Nathan Spencer schwingt sich durch eine bedrohte Welt.Erst sieht man nur ein dunkles Wölkchen. Und es grummelt ein wenig unter den Füßen. Aber dann vibriert sie, dann bebt sie und schließlich erzittert die Erde, bevor sie mit einem satten Krachen aufreißt: Ein gigantischer Wurm aus Stahl bohrt sich in die Luft, um sich kurz zu rekeln und glühenden Auges einen Winzling namens Nathan Spencer ins Visier zu nehmen. Der Mann ist wirklich klein. Aber er hat einen verdammt langen, 500 Millionen Dollar teuren Arm plus Stahlseil und Greifhaken - kann er damit auch Großartiges leisten? Jedenfalls Spektakuläreres als Tarzan und Anspruchvolleres als Spider-Man . Ein mechanisches Biest aus zigtausend Tonnen Stahl, dem ich Autowracks ins Gesicht schleudern kann? Das ist schon mal was.

Capcom steht seit jeher für gehobene Bosskampfkultur. Und auch in Bionic Commando (ab 3,10€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) trifft man auf Polygonriesen wie einen übergroßen Hubschrauber, eine wandelnde Metallplattform auf sechs Beinen oder diesen mächtigen Wurm -  unterm Strich allerdings zu selten. Natürlich gibt es andere, kleinere Highlights innerhalb des Abenteuers. Aber es ist schade, dass die schwedischen Entwickler nicht mehr Varianten dieses beeindruckenden, mehrere Stockwerke hohen Hightechmonsters auflaufen lassen, denn er sorgt für Spannung pur und ein packendes Arenagefühl. Wenn man sich einmal im Visier des Wurmauges befindet, muss man verdammt schnell sein, sonst wird man von seinem gleißenden Laser verbrannt. Und wenn er sich schüttelt, sendet er ein, zwei, drei oder gar vier Bodenwellen aus, die man am besten alle rechtzeitig überspringt. Timing heißt der Schlüssel, der nach etwa zehn knallharten Stunden das Tor zum Finale öffnet.

Die große Herausforderung

Bionic Commando kann sich sehen lassen: Vor allem der Übergang von der Trümmerstatdt in den Wald und die Parkanlagen sieht klasse aus.
Aber jedes Monster hat eine Schwachstelle. Und für jede Situation gibt es teilweise mehrere Lösungsmöglichkeiten; das ist eine große Stärke des Spiels. Zudem ist Nathan Spencer kein gewöhnlicher Mensch. Er ist ein Ex-Spezialagent mit bionischem Greifarm - selbst ganze Autos oder tonnenschwere Felsen lassen sich damit bewegen. Das sieht nicht nur richtig cool aus, sondern richtet auch jede Menge Schaden an. Nathan kann sein 20 Meter langes Stahlseil punktgenau auf Ziele schießen, diese einfach halten, um daran zu schwingen, oder Dinge wie einen Flugdrachen in die Luft heben, um sie als Geschosse über hunderte Meter zu schleudern. Gerade dieses "Kiten" ist unheimlich effektiv, wenn man es mit größeren Biomechs zu tun hat, die gegen normale Schusswaffen fast immun sind. Es gibt angenehm viel zu taktieren und zu experimentieren.

Trotzdem ist der Alltag des außergewöhnlichen Kämpfers, der nebenbei auch noch mit Projektilen, Schrot und Raketen schießen sowie Granaten werfen kann, kein leichter: An jeder Ecke lauert der Tod - mal ist es eine Übermacht, mal ist es Radioaktivität, mal ist es Wasser und sehr oft ist es ein Abgrund. Und nicht selten kommt der eigene Übermut hinzu, wenn irgendwo ein Bonusgegenstand über einer Schlucht baumelt. Nur erfahrene Zocker sollten sich an den zweiten der drei Schwierigkeitsgrade heran wagen. Oh ja, dieses Spiel ist knifflig, zumal die manchmal etwas weit zurück liegenden Speicherpunkte die Geduld strapazieren. Aber obwohl es zwischendurch immer mal wieder zum heiligen Fluchen und Gamepad-an-die-Wand-schmeißen animiert, bleibt es angenehm knifflig, weil es letztlich unheimlich befriedigt, wenn man in diesen Spielfluss aus Schwung, Sprung und Schuss kommt. Außerdem sieht diese futuristische Welt einfach klasse aus: Vor allem der Übergang von der diesigen, überaus engen Fels- in die offene Waldlandschaft ist ein atmosphärisches Highlight. Wenn man sich aus der dunklen Tiefe eines Canyons nach oben arbeitet und das erste Mal die Sonnenstrahlen sieht, die durch dieses üppige Grün jagen, kommt sofort Entdeckerlust auf. Und grafisch wird man immer wieder vom stimmungsvollen Lichteinfall überrascht. Zwar kommt die Kulisse hinsichtlich der Textur- und Partikeldetails bei Explosionen

Aber erst in schwungvoller Bewegung offenbart die Architektur mit ihren Schrägen und Vertikalen ihre Sogwirkung.
nicht an Resident Evil 5 , Killzone 2 & Co heran, aber dafür bietet sie einige herrliche Panoramablicke, sehr plastische Oberflächen an Felsen und Bäumen sowie eine klasse Beleuchtung. PlayStation 3 und Xbox 360 hinterlassen übrigens beide bis auf sporadische Pop-ups eine sehr gute Figur; Letztere profitiert lediglich von etwas satteren Farben und stellenweise etwas mehr Texturdetails  - aber das sind unterm Strich alles grafische Peanuts. Der optische Gesamteindruck ist auf beiden Systemen ein sehr guter; kommende Spiele wie Prototype oder inFamous müssen sich anstrengen.

Zumal Capcom das Ganze meisterhaft musikalisch inszeniert: Gerade die ruhigen Phasen des Spiels, in denen man nicht kämpfen muss, werden einzig und allein von Streichern begleitet, die im Gegensatz zu den treibenden Beats der Gefechte plötzlich mit ruhigen, fast schon wehmütigen Melodien für Entspannung sorgen; man schaut sich um und genießt - ich fühlte mich manchmal an das Thema von Arcanum erinnert. Schon das Hauptmenü fällt mit seinen Klavierklängen sofort angenehm auf, aber erst diese Momente verdeutlichen, wie wichtig ein dynamisch auf das Geschehen eingehender Soundtrack sein kann. Veteranen dürfen sich natürlich darüber freuen, dass das Thema des NES-Originals aus dem Jahr 1988 in leicht angepasster Komposition wieder ins Ohr fließt.                      

Ein Höllentrip mit Schwindelgarantie

Ruhige Momente sind zwar selten, aber es gibt genug Erkundungsreize abseits der Action.
Man schwingt also wie Tarzan durch klaffende Schluchten, an schroffen Felswänden vorbei und über Stalagmiten hinweg, die wie scharfe Zähne aus dem Boden aufragen. Manchmal wird man dabei auch von drei, vier oder gar fünf roten Suchlasern der Scharfschützen gejagt, die ein regelrechtes Netz des Todes in die Luft zeichnen. Hier sollte man schnell und effektiv jeden einzelnen Feind ausschalten, sonst wird Nathan gnadenlos ins Kreuzfeuer genommen - Bewegung ist Trumpf, Schwung ist sogar noch ein besserer, denn er bringt einen schneller außer Reichweite. Aber auch hier gilt: Man hat viele Möglichkeiten, die Sniper auszuschalten. Bedient man sich an den Waffenstationen und zoomt selber mit einem Gewehr ran? Oder hangelt man sich aggressiv direkt zu den Schützen?

In den riesigen Häuserschluchten mit all den Schrägen und Plattformen kommt sehr schnell ein akrobatisches Freiheitsgefühl à la Spider-Man auf - irgendwann pfeift einem der Wind um die Ohren und beim Sturzflug kribbelt es im Bauch. Diese Bungee-Akrobatik fühlt sich richtig cool an; vor allem, wenn es in luftiger Höhe noch gegen fliegende "Polycrafts" zur Sache geht, die nur an ihrer Unterseite oder über Raketenwerfer verwundbar sind. Das Faszinierende ist, dass die Schwungphysik die freie Bewegung in alle Richtungen erlaubt. Aber sie verlangt auch wesentlich mehr Timing und Skills als jene des Spinnenmanns, den man mit einem Dauerknopfdruck fast blind durch die Hochhäuser leiten konnte.

Anspruchsvolle Schwungphysik

Ansonsten ist Action angesagt: Nathan muss trotz seiner bionischen Kräfte immer in Bewegung bleiben und auch mal fliehen.
All das, was damals in der zweiten Dimension möglich war und im Remake Bionic Commando Rearmed über Xbox Live oder PSN wieder auflebt, ist auch in der dritten Dimension enthalten. Mit einem Unterschied: Es gibt keine fixen Punkte mehr, theoretisch lässt sich alles greifen. Man kann sich mit Schmackes zu einem Ziel ziehen und dort weiter schwingen, frei pendeln, nach belieben baumeln oder auf Doppeldruck auf dessen Oberfläche landen.

Der Greifhaken kann zwar fast überall auf 20 Meter Entfernung fest machen, egal ob Autos, Kräne, Gegner, Dächer, Laternen, Planken, Roboter, Balkone oder Ballone, aber man muss sein Ziel erstens rechtzeitig anvisieren und zweitens den perfekten Zeitpunkt für den Absprung finden; dargestellt durch das Aufleuchten einer blauen Grafik. Denn nur dann fliegt man entsprechend weit zum nächsten Greifhakenpunkt und kann evtl. wie Tarzan an den Lianen ganze Kombinationen an Schwüngen und Sprüngen einleiten - wenn man einmal in diesen Fluss kommt, macht das richtig Laune.

Und der mögliche Sprung auf Oberflächen per Doppelknopfdruck ist ein Garant dafür, dass man trotz einer anfänglichen Unsicherheit und Hektik immer die Kontrolle behält. Landet man im Tutorial noch des Öfteren auf dem Boden, entwickelt man mit der Zeit eine sichere Sprung- und Flugtechnik. Spätestens, wenn man die Steuerung richtig ausnutzt und bei einem freien Fall z.B. sofort die Greiftaste gedrückt hält oder sich mit dem Analogstick umschaut. So kann man frustrierende Abstürze vermeiden, weil Nathan theoretisch automatisch das nächste Ziel anvisiert - praktisch stirbt man dennoch viele verfluchte Tode.

Der echte Nervenkitzel

Wie Tarzan kann sich der Rastamann durch Ascension City schwingen - sein Greifarm macht's möglich.
Ähnlich wie Mirror's Edge  verlangt das Spiel zwar eine punktgenaue Steuerung, aber nach einer gemeisterten Herausforderung ist das Glücksgefühl umso größer. Hier entsteht deshalb viel mehr Spannung und Adrenalin als etwa in Spider-Man oder Prince of Persia , weil Nathan eben auch abstürzen und sterben kann, wenn sein Timing nicht stimmt. Außerdem ist er umgeben von lauernden Gefahren: Wenn er nur ein paar Sekunden zu lange in radiokativ verseuchten Gebieten verweilt, stirbt er. Hier hätte Capcom evtl. zwei, drei Sekunden mehr Zeit einbauen sollen, denn gerade diese Tode zehren an der Geduld - man sollte also genau aufpassen, ob sich im Zielgebiet blaue Wolken der Radioaktivität befinden. Und wenn Nathan zu lange im Wasser planscht, ertrinkt er. Er muss seine Routen durch die verwinkelten, aber angenehm großen Abschnitte also immer gut planen.

Und vor allem, wenn man alle Bonus-Symbole ergattern will, braucht man wirklich starke Nerven und eine sichere Schwungtechnik. Ob die Entwickler Spaß daran hatten, die Blasen genau so zu platzieren, dass man wenige Zentimeter über ihnen baumelt? Manche sind z.B. so fies über dem offenen Meer platziert, dass man erst hinüber springen und dann in der Luft über eine 180-Drehung das rettende Ziel anvisieren muss, das sich eigentlich im Rücken befindet - wenn man das schafft, dann atmet man richtig durch. Aber es gibt neben den akrobatischen Herausforderungen auch viel Action, darunter auch Abschnitte mit teilweise unterhaltsamer, aber auch konventioneller Fließbandaction.

       

Das schwache Krawumm

Vor allem innerhalb der Schluchten legt das Spiel noch mal zu: Während waghalsiger Sprünge wird man von fliegenden Robotern attackiert - Nervenkitzel pur.
Nathan kann normale Feuerwaffen vom ratternden Maschinengewehr bis hin zum Raketenwerfer mit Zielsuchfunktion nutzen. Allerdings kommt bei diesem Bumbängbum gegen feindliche Soldaten zu Beginn keine all zu große Begeisterung auf, denn die KI ist, wie schon bei Lost Planet , nicht der Rede wert - die Feinde gehen alles andere als koordiniert vor, kennen keine Umzinglungen und sind in der Regel nur aufgrund ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit eine Gefahr. Nur eine Sache machen sie wirklich gut: den Nahkampf. Kommt man ihnen zu nahe, zücken sie ihren Stromknüppel und da reicht meist ein Treffer für das Game Over. Außerdem schicken sie, wenn man sie im Griff hat, tatsächlich Strom über das Stahlseil - sehr fies. Und spätestens, wenn man im Archiv auf mehrere der schwer bewaffneten Grunts mit ihren MGs trifft, die ein gnadenloses Unterdrückungsfeuer aus der Distanz entfachen und dabei von einfachen Soldaten flankiert werden, kommt man auch endlich ins Schwitzen. 

Trotzdem spielen die Wummen und damit die klassische Projektilaction innerhalb der Kämpfe eher eine untergeordnete Rolle, weil sie gegenüber den physikalischen Möglichkeiten des Arms doch zu schwach sind; das ist eine gute Designentscheidung, denn sie zwingt zum kreativen Einsatz der vernichtenden Biotechnik. Und spätestens, wenn die fliegenden Biomechs zu zweit oder gar zu dritt heran rauschen, muss man auch mit einem durchschlagenden Raketenwerfer taktisch klug haushalten.

Allerdings ist es letztlich keine konsequente Designentscheidung, denn die Schusswaffen hätten für meinen Geschmack noch viel öfter ineffizient sein oder auf bessere Panzerung treffen müssen - dafür hätte es letztlich noch mehr Gegnertypen, noch mehr Bosskampfvielfalt gebraucht. Man kann z.B. auch überaus erfolgreich mit dem Scharfschützengewehr aus dem Hinterhalt feuern oder mit einer Ladung Schrot gleich mehrere Feinde flach legen, ohne dass die KI entsprechende Gegenmaßnahmen trifft. Aber immerhin ist Munition für bessere Waffen relativ rar gesät und erst der geschickte Einsatz des Greifhakens löst unterm Strich so manche knifflige Kampfsituation.

Akrobatik ist Trumpf

Altair lässt grüßen: Manchmal traut man seinen Augen kaum, wenn das Missionsziel irgendwo im Nichts liegt...
Richtig Spaß macht das Spiel ohnehin erst beim akrobatischen Duell aus der Distanz. Man kann Gegner anvisieren, sie greifen und dann verschiedene Manöver ausführen: Man kann sie fixieren und sich mit einem mächtigen Tritt an sie heran ziehen - das ist ideal, um sie über Abgründe zu schleudern. Oder man fixiert sie und hebt sie in die Luft, um sie dann entweder auf dem Boden zu zerschmettern oder wie ein Geschoss auf den nächsten Feind zu werfen. Vor allem, wenn man sich Felsen oder gar Autos schnappt, um sie durch die Luft zu schleudern - das kracht und hinterlässt meist nur Staub und Schrott.

Im Laufe des Spiels lernt Nathan noch einige weitere martialische Manöver, wenn er erfolgreich kleine Miniquests à la "Vernichte fünf Biomechs" oder "Töte einen Gegner am Greifhaken aus Luft" abschließt. Da wäre zum einen die Sprungattacke samt Bereichsschaden: Wenn man sich aus größerer Höhe fallen lässt und noch in der Luft einen Knopf betätigt, wird daraus ein mächtiges Stampfen, das alle Gegner in Sichtweite zu Boden wirft und sogar tötet. Hinzu kommt die wirkungsvolle Rundumattacke: Wenn Nathan seine Wutleiste durch erfolgreiche Angriffe aufgeladen hat, kann er mit seinem Stahlseil einmal um seine eigene Achse wirbeln und alle Gegner im Umkreis treffen - das ist ideal in den Gefechten, denn man wird auch des Öfteren von einer Übermacht umzingelt.

Eine Welt am Abgrund

Im Gegensatz zu Spider-Man verlangt die offene Schwungphysik ein gutes Timing - dafür ist die Befriedigung um so größer, wenn man in einen Flow kommt.
Wie kommt Nathan überhaupt in dieses ganze Wurmschlamassel mit Game Over als ständigem Begleiter? Immerhin saß er vor kurzem noch als Krimineller in der Todeszelle. Aber nach einem Terroranschlag auf die Hauptstadt des Landes hat die Regierung ihn kurzerhand rehabilitiert. Und das, obwohl "Mutanten" wie er mittlerweile von der Gesellschaft verspottet werden. Eigentlich hatte Nathan keine Lust auf die heuchlerische Heldenrolle, in die ihn jetzt jene zwingen wollen, die ihn damals verarscht haben.

Nathan wird mit der Aussicht erpresst, nach erfolgreichem Einsatz seine verschollene Frau Emely wieder sehen zu dürfen. Wer kann da schon Nein sagen? Leider wird dieses interessante Motiv letztlich viel zu selten eingeflochten, so dass man die Beziehung schwer einordnen kann. Der muskelbepackte Rastamann lässt sich jedenfalls grummelnd auf den Deal mit der Regierung ein und wird in deren Auftrag in die nahezu komplett zerstörte Hauptstadt Ascension City geflogen.     

Held alter Schule

Wer ist eigentlich für den Terroranschlag verantwortlich? Wer baut solche Riesenroboter?
Dort hat ein Atomschlag nahezu die gesamte Bevölkerung ausgelöscht. Und dort soll er, umgeben von radiokativ verseuchten Gebieten und gefährlichen Luftminenfeldern, nach den Urhebern des Anschlags suchen. Um den Einsatz noch kniffliger zu gestalten, gibt es bereits Informationen über militärische Feindbewegungen innerhalb der Ruinen. Was ist da los? Wer steckt dahinter?

Trotz seines modernen Rastalooks ist er ein schroffer Typ alter Schule, ein muskelbepackter Held der 80er. Er freut sich wie ein Kind, wenn er seine Feinde mit Granaten überrumpelt und schreit seine Freude mit einem wilden Yeeeeeaaaah hinaus, wenn er dreißig Meter in einen Abgrund stürzt, nur um sich wenige Meter vor dem Tod über einen geschickten Greifhakenwurf abzufangen. Und er ist trotzig, wütend, entschlossen. Deshalb flucht er bei nahezu jedem Befehl mit der markanten englischen Stimme Mike Pattons (Faith No More); eine deutsche Lokalisierung hat sich Capcom gespart, es gibt lediglich teutonische Texte. Und die Story? Ja, die ist neben der KI ein Schwachpunkt des Spiels. Auch das Leveldesign, so unheimlich abwechslungsreich es grafisch ist, wiederholt sich irgendwann in seinen Aufgaben. Das bedeutet: Levelvorhang auf, Sendestation über die Minikarte ausfindig machen, Minenfelder deaktivieren, durch die jetzt zugänglichen Lüfte segeln und den Ausgang suchen, wo ein Bosskampf wartet.

Hacken auf Knopfdruck

Lediglich im Nahkampf sind die einfachen Soldaten gefährlich - auf die Distanz sorgt der Greifarm schnell für klare Verhältnisse.
Man deaktiviert die Minenfelder übrigens, indem man die Sendestationen findet und hackt - hier reicht jedoch ein schnöder Knopfdruck. Und das ist schade. Denn es wird nicht über ein kreatives Minispiel inszeniert, wie etwa in Bionic Commando Rearmed , wo man in einer Art 3D-Puzzle einen leuchtenden Ball durch einen abstrakten Raum leiten musste. Hatte man Erfolg, bekam man Lebensenergie sowie Informationen über die Schwachstellen der Bossgegner. Scheiterte man, sorgte ein Alarm für mehr Gegner. Natürlich hat Nathan Spencer keine Lebenspunkte, sondern regeneriert in Pausen wie alle handelsüblichen Shooterhelden. Aber warum hat Capcom nicht wenigstens ein ähnliches System integriert? Damit hätte man das Spiel aufwerten können.

Stattdessen bekommt man nach dem Hacken meist noch eine Textinformation, die in der Sendestation gespeichert ist. So erfährt man zwar mehr über seine sowie die Hintergründe so manch anderer Figur oder Organisation in der Spielwelt, aber all das verliert sich in zusammenhanglose Details, die man irgendwann nur noch überfliegt. Besser wäre es gewesen, mehr von der Story und den politischen Machenschaften über Zwischensequenzen, Flashbacks oder Szenenwechsel zu transportieren.

Immerhin gibt es seltene Beispiele dafür: Etwa als Nathans ehemalige Kameradin Mag auftaucht und sich kräftig mit ihm streitet - das wird gut und lebendig in der Enginegrafik dargestellt. Außerdem gibt es einmal einen gezoomten Blick auf eine verschwörerische Diskussion der Feinde; auch das sorgt für mehr Zusammenhang in der Spielewelt. Aber unterm Strich waren das zu wenige Zwischensequenzen, gerade für Capcom'sche Verhältnisse. Ein Indiz dafür ist auch der viel zu selten verlangte Druck auf

Besonders befriedigend: Schwingen, springen und in der Luft Raketen abfeuern - danach umdrehen, Greifarm raus und weiter schwingen.
den Regie-Knopf: Nur an zwei, drei Stellen kann man mit ihm die Kamera auf bestimmte Ereignisse ausrichten. Da war sicher mehr drin, um der Dramaturgie mit Perspektivwechseln auf die Sprünge zu helfen.

Schwingen mit Freunden

Nach dem Abspann, den man nach etwa zehn Stunden sieht, geht es online weiter: Bis zu acht Spieler können eine bestimmte Zeit lang auf einer Hand voll Karten um wertvolle Punkte kämpfen. Im Gegensatz zum normalen Deathmatch geht es hier darum, die Kontrahenten auf möglichst stilechte Art in die ewigen Jagdgründe zu schicken. Sprich: Man bekommt für spektakuläre Kills auch mehr Punkte. Wer einfach nur aus der Distanz ballert, darf sich gerade mal einen Punkt gutschreiben; wer jedoch den Gegner per Greifhaken an sich heran zieht und tritt oder gar in die Luft wirbelt und dort per Feuerwaffe ausschaltet, bekommt ein Vielfaches mehr.

So entstehen rasante und hitzige Gefechte in angenehm verwinkelten Arealen. Trotzdem ist der Multiplayer-Modus eher ein kurzes Spektakel für zwischendurch. Capcom hat weder Team-Modi noch erweiterbare Fähigkeiten oder Freischaltbares wie Kostüme, Waffen etc. im Angebot, die langfristig ans Internet binden könnten.

     

Fazit

Okay, die Schwächen liegen auf dem Tisch. Sie grinsen mich wie scharf geschliffene Wertungsmesser an: Zwischendurch gewöhnliche Balleraction, unterm Strich zu wenig Bosskämpfe, Story nicht prägnant genug inszeniert. Aber dann zuckt es in meinen Fingern, als sich die Stärken mit aller Kraft melden: Grandiose Kulisse, freie Schwungphysik, anspruchsvolle Herausforderungen, taktische Kampffreiheit, unheimlich befriedigendes Spielgefühl, ruhige Entdeckung trifft auf explosive Action, hervorragende Musik, spektakuläre Bosskämpfe. Und plötzlich juckt es in meinem Arm, als ich mir die Frage stelle, ob ich mehr Spiele dieser Art will und ein klares JA höre. Also schnellt meine Begeisterung wie ein Stahlseil vor, greift sich den Tisch mit den Kontrapunkten, lässt ihn in der Luft schweben und ich denke an die packenden Momente, die nach dem Abspann haften blieben. Manchmal zögerte man regelrecht, sich in einen Abgrund zu stürzen, den das Radar als Ziel vorgab: Wie, das soll ich runterspringen? Ist das euer Ernst? Aber wenn man schließlich beherzt absprang, dann kribbelte es im Bauch. Seit Altair ist niemand mehr so elegant in die Tiefe abgetaucht wie dieser bionische Greifdegen: Er breitet seine Arme wie die Schwingen eines Adlers aus und lässt sich todesmutig fallen, bevor er sich in einen Flow aus Sprung, Schwung und Schuss steigert. Und kurz bevor der Tisch der Kritik den Boden küsst, sorgt ein weiterer Pluspunkt für Gewissheit. Ich steh auch deshalb auf dieses Spiel, weil hier ein NES-Klassiker aus dem Jahr 1988 verdammt gut in die Moderne übertragen wurde. Obwohl hier alles schön neu und hübsch dreidimensional ist, kann man die Arcadewurzeln riechen: Es ist angenehm knifflig, angenehm explosiv und auf eine sympathisch veraltete Art heroisch. Also schmetter ich den Tisch mit Schmackes auf den Boden. Übrig bleibt trotz kritischer Splitter ein Kern aus Gold!

NEU: Zum Video-Fazit!

Fazit zur PC-Version vom 13. Juli 2009:

Es gab eine Zeit, da wollte man am liebsten in Deckung gehen, wenn sich eine PC-Umsetzung aus Japan ankündigte. Vor allem Capcom ließ seine besten Spieleflieger gerne abstürzen, manchmal sogar in den in Wertungskeller: Onimusha 3 und Resident Evil 4 lassen grüßen. Aber Capcom hat aus diesen Fehlern gelernt und erst kürzlich mit Street Fighter IV bewiesen, dass man auch mit DirectX umgehen kann. Und auch Bionic Commando kann sich auf dem Rechner sehen lassen: Zwar kann man nicht in erweiterten Grafikoptionen an Shadern & Co drehen, aber es läuft flüssig in bis zu 1600 x 1200, wahlweise auch auf 16:9 optimiert. Große Unterschiede zu Xbox 360 oder PS3 sind optisch nicht auszumachen. Obwohl sich das Ganze auch mit Maus und Tastatur steuern lässt, und der Nager theoretisch bei der Umsicht für das nächste Wurfhakenziel schneller ist als ein Analogstick, sollte man tunlichst mit dem 360-Gamepad spielen. Erstens wird es sofort erkannt, zweitens ist das Spiel dafür optimiert - selbst die Steuerungshinweise in den ersten Abschnitten beziehen sich nur auf Controller-Symbolik. Zusätzliche Features für den Rechner gibt es bis auf den optionalen LAN-Modus nicht. Da ansonsten alles 1:1 übernommen wurde, bleibt es auch bei der Wertung. Übrigens: Eine Online-Registrierung ist nicht notwendig.

Pro

anspruchsvolle Wiedergeburt eines Klassikers
sehr gute Schwungphysik
grandioser Soundtrack
klasse Bosskämpfe
gute KI im Nahkampf
optimale Spielbalance
akrobatischer Nervenkitzel
spektakuläre Physikauswirkungen
fantastische Panoramablicke
abwechslungsreiche Kulissen
freie Landschaften, Stadtruinen & Innenräume
ruhige Erkundung & explosive Action
angenehme taktische Kampffreiheit
Online-Deathmatch für bis zu acht Mann
Originalstimme Mike Pattons (Faith No More)
gutes Art- und Menüdesign

Kontra

etwas zu wenig Bosskämpfe
Missionsdesign wiederholt sich
schwache KI in Schussgefechten
viele Fließtexte statt markanter Zwischensequenzen

Wertung

360

PC

Auch auf dem Rechner startet Nathan Spencer durch: In bis zu 1600x1200 und bei 16:9-Unterstützung.

PlayStation3

Coole Schwung-Akrobatik mit einem explosiven Schuss Arcade-Action und klasse Soundtrack!

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