Just Cause 219.02.2010, Mathias Oertel
Just Cause 2

Vorschau:

Im Herbst 2006 musste sich Eidos mit Just Cause noch dem Stadtabenteuer Saints Row geschlagen geben. Doch in einem Punkt konnte die Premiere von Entwickler Avalanche überzeugen und hatte die Nase deutlich vorn: Mit einer gut 1000 Quadratkilometer umfassenden offenen Welt gehört es bis heute zu den größten Spielen. Was hat die Ende März erscheinende Fortsetzung zu bieten?

Urlaubsstimmung

Wo Rico Rodriguez sein Unwesen treibt, bleibt kein Stein auf dem anderen. Und keine Regierung kann sich sicher sein, dass sie noch im Amt ist, wenn er das Land verlässt. Das war vor gut dreieinhalb Jahren der Fall, als der Latino mit Hang zum nervösen Zeigefinger und coolen Sprüchen in dem fiktiven Inselstaat San Esperito im Auftrag der amerikanischen Regierung für geregelte Verhältnisse sorgte. Und das wird auch im weiterhin fiktiven südost-asiatischen Panau nicht anders sein. Wo Rico ist, folgen Chaos, Action und haarsträubende Stunts auf dem Fuße.

Auf den ersten Blick gibt es bei Just Cause 2 (ab 4,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) abseits der runderneuerten und im Vergleich zum Vorgänger deutlich weiter entwickelten Engine nicht viel Neues zu vermelden: Das panauische Inselgebiet ist wieder um die 1000 Quadratkilometer groß, es gibt ein dynamisches Wettersystem (wie in Teil 1), man darf sich mit haufenweise Waffen (kennt man aus dem Vorhänger)  noch mehr Vehikeln (ebenso wie in Teil 1) und seinem Greifhaken durch die offene Missionsstruktur kämpfen und kann für jede der drei regierungsabtrünnigen Fraktionen Nebenaufträge annehmen - richtig: Alles wie in Teil 1.

Abenteuerspielplatz 2.0

Und dennoch: Avalanche hat hart gearbeitet, um diese ersten Eindrücke und damit aufkommenden Probleme schnell zu entkräften. Die Kritik an vielen Kleinigkeiten des Vorgängers hat sich das Team zu Herzen genommen. Mit dem Ergebnis, dass die essentiellen Bestandteile des Vorgängers, also die enorme Freiheit sowie die unkomplizierte Action, noch besser ineinander greifen.

In der ersten, gut verkleideten Tutorial-Stunde ist man damit beschäftigt, brisante Daten in einer Militär-Basis einzusammeln - und wird ganz nebenbei mit den Steuerungsmechaniken, dem neuen Greifhaken sowie beeindruckenden Explosionen beinahe im Minutentakt verwöhnt.

Zwar wird schon früh deutlich, dass die Schussmechanik eine sehr großzügige allgemeine Trefferzone erkennt, wenn man seinen Gegner auch nur ungefähr im Visier hat und dass sich die KI eher auf Masse verlässt, denn auf filigrane Taktiken.

Aber Ricos Abenteuer war schon im ersten Aufguss weit von den hitzig-spannenden oder beengten Gefechten eines Uncharted oder Gears of War entfernt. Was Just Cause nach wie vor auszeichnet, sind nicht die kleinen Feinheiten, sondern die schiere Görße der Spielwelt sowie die vollkommen überzeichnete Action. Und die erfährt mit einigen kleinen Änderungen einen enormen Schub: Vor allem der Greifhaken lädt immer wieder zum Experimentieren ein und führt zu ebenso überraschenden wie unterhaltsamen Ergebnissen.

Imposante Explosionen, rasante Stunts: Just Cause 2 bietet ein überzogenes Actionfeuerwerk!
Hier ist eine Gasflasche, dort ein Soldat: Wenn Rico beide mit Hilfe des Greifhakens verbindet und dann die Gasflasche beschießt, kommt es schnell zu einer überbordenden Kettenreaktion, für die sich selbst Hollywood zu schade zu sein scheint, die hier aber wunderbar zur vollkommen Überzeichnung passt  - die Gasflasche hebt ab, reißt den Gegner mit sich, der nun wie ein Irrwisch an dem Metall hängend durch die Botanik rauscht, bis schließlich das Gas vollends explodiert&

Wenn man sich jetzt vorstellt, dass man statt der Gasflasche auch Fahrzeuge wie Autos, Schnellboote und vielleicht sogar Flugzeuge (hier hat bei mir in den Vorschau-Sessions das Timing noch nicht hinreichend funktioniert) als unfreiwilliges Transportmittel verwendet, ahnt man, wohin sich die Action entwickelt.

Die Mischung stimmt

Mit dem Greifhaken kann sich Rico beinahe wie in Bionic Commando von Haus zu zu Haus  ziehen  - der einfache Magnethaken des Vorgängers wurde in Rente geschickt.

Mit entsprechender Fantasie und etwas Koordinationsgefühl ergeben sich vollkommen neue Transportmöglichkeiten. So etwa, wenn man z.B. an seinem Fallschirm hängend den Haken gen Boden schmettert und kurz Schwung holt, um weitergetrieben zu werden.

   

Selbstverständlich sind auch kurzfristige Wechsel möglich, wenn man etwa aus einem Flugzeug springt, den Fallschirm öffnet, dann den Haken verwendet, um einen Hubschrauber "einzusammeln", über dem Zielgebiet erneut abspringt und schließlich mit dem Haken ein Auto anvisiert, dessen Fahrer man in voller Fahrt zum Aussteigen überredet und schließlich aus dem Fahrzeug heraus ein Motorrad kapert - uff!

Im umfangreichen Fuhrpark finden sich nicht nur Motorroller oder Schnellboote, sondern auch Helikopter und Kampfjets!
Allerdings verlässt sich Avalanche nach dem Tutorial zu sehr auf die Freiheit sowie die Experimentierfreude der Spieler. Die Story wird erst einmal zurückgestuft und auf das nötigste (und damit zu stark) reduziert. Man weiß nur, dass man in Panau einen Amerikaner finden und töten muss. Wieso? Weshalb? Warum? Keine Fragen stellen, die werden anfangs ohnehin nicht beantwortet. Also konzentriert man sich auf die ersten Fraktions-Missionen, die allerdings inhaltlich für alle drei Parteien identisch sind. Aber keine Angst. Mit den weiteren Aufträgen, die die Rebellen oder die ortsansässige Mafia vergeben, kommt mehr Abwechslung in die Aufgaben, so dass die Zeit bis zur Freischaltung der nächsten Hauptmission angenehm überbrückt werden kann. Allerdings muss JC2 im Testbetrieb beweisen, dass man in diesem Bereich auf Dauer ausreichend Variation bietet.

Chaos regiert

Fortschritt erzielt man nur dann, wenn man Chaos in Panau anrichtet. Das passiert auf vielerlei Art und Weise. Auf der einen Seite natürlich durch die Fraktions-Missionen, die allerdings auch teils von "erwirtschaftetem" Chaos abhängig sind.

Auch das Zerstören von Staatseigentum ist ein probates Mittel, am besten in Tateinheit mit dem Auffinden aller in den jeweiligen Dörfern/Städten/Gebieten auffindbaren Gegenstände. Diese haben im Gegensatz zum Vorgänger nicht mehr nur ideellen Wert, sondern haben Auswirkungen auf das Spiel. Findet man z.B. fünf "Rüstungskoffer", wird die Gesundheitsanzeige aufgewertet. Und die Waffen- und Fahrzeug-Upgrades kann man beim Schwarzhändler eintauschen, der nicht nur eine kostengünstige Transportmöglichkeit in bereits entdeckte Gebiete anbietet, sondern je nach angerichtetem Chaos auch zusätzliche Waffen oder Fahrzeuge an Ricos Position liefert.

Aber man muss aufpassen, denn je mehr Chaos man an einem Fleck anrichtet, desto aggressiver geht das Militär zu Werke, bis es schließlich mit bis an die Zähne bewaffneten Helikoptern und Jets auf Rico Jagd macht. Da es in der bisherigen Version dank des übermächtig scheinenden Greifhakens auch hier vergleichsweise unkompliziert war, der Gefahr zu

Um im Inselstaat Panau Chaos anzurichten ist jedes Mittel erlaubt!
entkommen, muss Avalanche hinsichtlich des Balancings aufpassen.

Denn auch wenn die Kämpfe gegen die panauischen Truppen eindrucksvoll inszeniert werden, darf der Anspruch in den "alltäglichen" Auseinandersetzungen nicht verloren gehen.

Doch das sind Fragen, die die finale Fassung beantworten muss. Wie auch nach dem Spannungsbogen oder der Abwechslung der Haupt- und Nebenmissionen, die die große Freiheit mit Leben füllen müssen. Nach etwa vier bis fünf Stunden zieht das Tempo zwar merklich an, doch bleibt abzuwarten, ob dies nicht nur ein Strohfeuer ist.

Hinsichtlich der Kulisse gibt es kaum etwas zu beklagen: Die 1000 Quadratkilometer Panau bieten ähnlich wie Neuseeland mehrere Kilmazonen mit schneebedeckten Bergen, Waldlandschaften, Wüstengebieten und Atollen, die mit kristallklarem Wasser zu Tauchausflügen locken. Und das alles mit einem überzeugendem dynamischen Wetter und Tag-/Nachtwechsel und ohne nennenswerte Geschwindigkeitsverluste. Kurzum: Panau sieht einfach klasse aus. Ebenso die Fahrzeuge, die ohne jegliche Lizenz auskommen müssen, die sich aber an echten Vehikeln orientieren.

Leider bleiben die meisten NPCs eher enttäuschend. Dabei ist es nicht einmal die im Vergleich zu den Protagonisten eher schwache Texturierung, sondern das Verhalten, das bei weitem nicht so lebendig wie die Landschaft wirkt und damit deutlich hinter den Vorzeigetiteln wie inFamous oder GTA IV zurück bleibt. Ein weiteres Indiz dafür, dass alles der Action und der Freiheit untergeordnet wird.   

Ausblick

Die ersten Stunden in Panau haben mich durch ein Wechselbad der Gefühle gejagt. Nach einem enorm unterhaltsamen Einstieg legen sowohl Story als auch Missionsdesign eine kreative Pause ein und nehmen erst nach gut drei bis vier Stunden wieder Fahrt auf. Doch letztlich werden es diese Punkte sein, die über das finale Schicksal Ricos entscheiden. Sicher: Die Kulisse ist sehenswert, die Stunts teilweise ebenso atemberaubend wie einfach zu initiieren und die Action wird wuchtig inszeniert. Aber auch wenn die ganz große Just Cause-Prämisse mit dem Begriff "Freiheit" zusammengefasst werden kann, muss Avalanche aufpassen, dass man trotz aller zur Verfügung stehenden Möglichkeiten einen roten Faden hat, zu dem man immer wieder gerne zurück kehrt. Denn so sehr es anfänglich Spaß macht, mit der überarbeiteten Physik, dem Greifhaken sowie dem deutlich verbesserten Fahrverhalten zu experimentieren, so wichtig ist es auch, dass diese Elemente nicht nur zum Selbstzweck genutzt werden, sondern um den Storyverlauf spektakulärer zu gestalten. Dennoch: Mit Just Cause 2 scheint Avalanche einen Abenteuerspielplatz in der Pipeline zu haben, der es weitgehend problemlos schaffen sollte, aus dem Schatten des mittlerweile auch visuell in die Jahre gekommenen Vorläufers zu treten. Ob es letztlich vielleicht sogar für einen Award reicht, muss sich zeigen. Das Potenzial ist vorhanden.

Ersteindruck:  gut!

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