Red Faction: Guerrilla09.04.2008, Benjamin Schmädig
Red Faction: Guerrilla

Vorschau:

Lange bevor Half-Life 2 physikalische Vorgänge glaubhaft in Szene setzte, waren es Volition, die mit einer nahezu frei zerstörbaren Umgebung protzten: Red Faction führte vor, wie eine technische Spielerei die spielerische Freiheit fördert. Inzwischen sind frei begehbare Welten allerdings gang und gäbe - korrekte Physik hin oder her. Und so muss Red Faction: Guerrilla (ab 9,75€ bei kaufen) vor allem eines beweisen: Dass die glaubhaft inszenierte Zerstörungswut noch immer ein Mehrwert sein kann...

Mars Attacks!

50 Jahre nach den Ereignissen des ersten Red Faction: Ein steter Wind schiebt feinen Staub durch die rotbraunen Täler der trostlosen Marsoberfläche. Konvois aus drei, manchmal fünf Trucks rumpeln durch die natürlichen Schneisen, Hügel und Berge beschränken ihre Sicht auf wenige Meter. Nur gelegentlich fließen die Täler in großen Ebenen zusammen - groß genug, dass kleine Siedlungen Platz darin finden. Zwischen

Krawumm! "Red Faction" heißt vor allem eins: "Hier bin ich Granate, hier reiß' ich ein!"
den ein- bis zweistöckigen Baracken liegt das Ziel der Lastwagen, und in einer der Siedlungen beginnt euer Kampf um die Freiheit des Mars.

Schließlich ist es höchste Zeit, dass sich der Widerstand gegen die Obrigkeit zur Wehr setzt! Denn die Earth Defense Force (EDF) regiert den roten Planeten  mit eiserner Hand. Deshalb haben sich die Freiheitskämpfer in Erinnerung an ihre geistigen Vorväter unter dem Namen "Red Faction" gruppiert und setzen der EDF mit Guerrilla-Angriffen zu. Ausgebildete Soldaten stehen der Roten Fraktion dabei nicht zur Verfügung; die Rebellen sind einfache Bergarbeiter, die ihre Werkzeuge zu Waffen umfunktioniert haben. Als ehemaliger Arbeitssklave bewegt ihr euch so auf dem frei zugänglichen Mars, greift nach Lust und Laune feindliche Stützpunkte an und betretet nach und nach weitere Einsatzgebiete. Klingt nach "Crackdown im All?" Nicht ganz, denn selbst wenn ihr mehrere Basen erobert, hat das nur vorübergehende Auswirkungen auf die Kräfteverteilung...

Offene Linearität

Tatsächlich baut die EDF viele gefallene Stützpunkte wieder auf. Ihr behindert zwar mit der Vernichtung eines Radarpostens z.B. die Kommunikation des Gegners oder sorgt dafür, dass zerstörte Einrichtungen gegen zukünftige Attacken verstärkt werden, doch echte Fortschritte erzielt ihr nur durch das Erledigen vorgeschriebener Missionen. Diese gezielten Angriffe eines Sturmtrupps der Freiheitskämpfer sahen wir in der kurzen spielbaren Version allerdings ebenso wenig wie für die Geschichte wichtige Charaktere. Dafür konnten wir auf ständig eintreffende Funksprüche reagieren, in denen unsere rebellischen Mitstreiter Lageberichte über die ständig stattfindenden Kämpfe sowie die Position feindlicher Stützpunkte durchgeben. So erscheinen plötzlich zwei Markierungen auf der Karte: Nummer eins weist den Weg zu einem Angriff auf eine gegnerische Basis, Nummer zwei zeigt auf zwei von der EDF festgehaltene Geiseln. Warum ihr euren Verbündeten helfen solltet, anstatt

Glaubwürdig ausgehöhltes Mauerwerk: für Volition eine Selbstverständlichkeit.
nach eigenem Gutdünken feindliche Siedlungen zu attackieren? Weil ihr damit die Moral eurer Truppe stärkt, und je besser es um die bestellt ist, desto eher erhaltet ihr tatkräftige Unterstützung. Sinkt die Moral hingegen auf ein Minimum - weil ihr den Kameraden nie zu Hilfe eilt oder sie gar unter Beschuss nehmt - verweigert euch der Fahrer eines Trucks womöglich die sonst selbstverständliche Übernahme seines Vehikels.

Aber lineare Handlung hin, Bewegungsfreiheit her: Für Red Faction-Veteranen steht die pure Zerstörung im Vordergrund, denn die war das herausragende Merkmal der beiden Vorgänger. Und um diesem Aspekt eine neue Dimension zu verleihen, hat Volition in den vergangenen vier Jahren eine Technik entwickelt, die jedes Bauteil eines Gebäudes in jeder Sekunde separat berechnet. Wisst ihr noch, wie Bridge Builder die Belastung jedes Segments farblich hervorhob? Volition verwendet ein ähnliches Prinzip, nur dass die Gebäude aus bedeutend mehr Segmenten bestehen. Der Vorteil: Explodiert ein Sprengkörper nahe einer Mauer, reißt er genau dort ein Loch in die Wand. Der Nachteil: Die Berechnungen sind so aufwändig, dass ihr diesmal nur Gebäude einreißen dürft - die Marsoberfläche könnt ihr nicht deformieren und Schäden an Fahrzeugen wirken bestenfalls kosmetisch. Kooperative Mehrspieler-Gefechte sind wegen der anderweitig gebrauchten Prozessorstärke übrigens ebenso wenig möglich.

Spielerisch offen, taktisch beengt?

Sind die Einschränkungen ein fairer Preis für den imposanten Destruktionswahn? Immerhin sieht es beeindruckend aus, wenn eine Rakete genau dort das Material einreißt, wo sie einschlägt. Noch eindrucksvoller: Schnappt euch einen vier Mann hohen, zum Heben schwerer Lasten gedachten Roboter und zertrümmert Stück für Stück eine feindliche Baracke.

Mit solch mächt'gem Ungetüm macht das Zerlegen besonders viel Laune!
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich damit mehr Zeit als mit den zu rettenden Geiseln verbracht habe. Ich weiß nicht einmal, ob sie irgendwann in Sicherheit gelangten oder meinem Treiben zum Opfer fielen - das Kaputtmachen stahl der Rebellion locker die Show!

Genau daran scheint das dritte Red Faction aber zu kranken. Denn anarchisches Toben hin oder her: Der Kampf gegen die EDF-Soldaten besteht aus einfachem Herumlaufen und Schießen. Überlegtes Vorgehen wird kaum verlangt, selbst wenn zumindest einige Gegner geschickt in Deckung gehen. Aber bringt die planbare Zerstörung einzelner Gebäudesegmente auch taktische Vorteile? Die Antwort eines Entwicklers: "Natürlich! Wenn man weiß, in welchem Raum sich ein Feind aufhält, kann man sich darauf vorbereiten und den Angriff entsprechend planen." Gibt es also z.B. Wärmesichtgeräte, mit denen ich die Baracken vorher ausspionieren kann? "Nein, über solche Ausrüstung verfügen die Bergarbeiter schließlich nicht. Weil es eine offene Welt ist, kann man aber das Einsatzgebiet erkunden." Im Klartext: Hinfahren, gucken, ballern. Was sich in den Gebäuden abspielt, sieht man hingegen erst, wenn man sie stürmt. Ich fürchte, auf Dauer ist das zu wenig, denn Charakterentwicklung, Spielereien wie Autorennen oder einen auch im unversehrten Zustand beeindruckenden Schauplatz scheint Red Faction nicht zu bieten. Am einzigen Hingucker - dem glaubwürdigen Zertrümmern von Gebäuden - hat man sich hingegen irgendwann satt gesehen...     

Ausblick

Realistische Zerstörung: Diesen Begriff könnte Guerrilla mit der eindrucksvollen Inszenierung des explosiven Zerfalls neu definieren. Aber bringt die destruktive Augenweide echte Vorteile? Schließlich müssen frei begehbare Welten längst mehr bieten als visuelle Brillanz. Fesselt die lineare Rebellion also auch erzählerisch? Was verbirgt sich hinter der bislang nur angekündigten "starken Mehrspieler-Komponente"? Wird Red Faction-Kennern die nicht zerstörbare Oberfläche ein Dorn im Auge sein? Volition lässt noch viele Fragen offen. Denn auch wenn die Briten bereits in den Vorgängern bewiesen haben, dass sie ihre beeindruckende Technik sinnvoll einzusetzen wissen: Sie müssen erst zeigen, wie viel Spiel sie um die fortschrittliche Physik stricken. Bislang ist Teil drei eine imposante Physik-Demo einschließlich banalem Bleigewitter. Falls die Handlungs-Missionen, wie angekündigt, tatsächlich nur auf "Suchen und Zerstören" hinauslaufen, könnte der Guerillakrieg nach dem ersten "Wow"-Effekt sogar auf der staubigen Marsoberfläche stecken bleiben.

Ersteindruck: befriedigend

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