Prince of Persia07.10.2008, Jörg Luibl
Prince of Persia

Vorschau:

Weniger nobles Gehabe, dafür mehr freche Sprüche; weniger Massenkämpfe, dafür mehr Akrobatik. Dazu ein neuer Comiclook sowie eine mysteriöse Frau als starke Partnerin. Was ist das für ein Prince of Persia (ab 1,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen)? Schon die ersten Bilder haben mit ihrem ungewöhnlichen Grafikstil für Neugier gesorgt. Ubisoft wagt hier nicht weniger als den größten Eingriff in die orientalische Action-Adventure-Reihe seit der erfolgreichen Premiere von The Sands of Time anno 2003. Bisher beruhten unsere Eindrücke nur auf Präsentationen. Jetzt konnten wir zum ersten Mal die 360-Fassung spielen.

Zarathustra lässt grüßen

Woher kommt eigentlich der religiöse Gegensatz von Gut und Böse? 

Exklusiv: Der Trailer zur Tokyo Game Show.Wer hat den Teufel erfunden? In der Haut des Persischen Prinzen seid ihr ab November der Wurzel allen Übels auf der Spur. Ubisoft entführt euch in die halb historischen, halb mythologischen Gefilde iranischer Herkunft. Und dort wurden schon lange vor dem Christentum die Vorstellungen geboren, welche die Bibel später übernahm: Licht gegen Finsternis, Seelenheil, Erlösung, Hölle, Engel, Dämonen und natürlich das Bossmonster der Religionsgeschichte - der  Teufel. Wenn eine Religion das Urheberrecht auf diese Gestalt hat, dann ist es der Zarathustrismus. Nur hieß er bei den alten Persern Ahriman, der böse und dunkle Gott. Und wer ist sein Gegenspieler? Orimazd, der gute und helle Gott.

Was hat der Prinz damit zu tun? Er muss als Held des Lichts keinen Geringeren als diesen Ahriman aufhalten, denn der wurde versehentlich aus dem Baum des Lebens befreit und verseucht seitdem alles mit seiner Finsternis, die sich wie in Okami auf das fruchtbare Land legt und alles in Ödnis verwandelt.  Ähnlich wie in Ico gibt es wabernde schwarze Flecken mit dämonischen Kreaturen, die über Wände kriechen und denen ihr ausweichen müsst, wenn sie euch nicht packen sollen. Die neue Mischung aus realistischen Hintergründen und gezeichneten Charakteren sorgt für angenehme Reize sowie eine künstlerisch markante Präsentation, die gerade aufgrund ihrer Kontraste ein frisches, wenn auch nicht unbedingt neues Spielgefühl aufkeimen lässt: Wie in den Vorgängern geht es in einer Mischung aus Akrobatik und Kampf zur Sache.

Akrobatisch wie eh und je: Der persische Prinz klettert, hangelt, springt und schwingt vor zauberhafter Kulisse. Weitere Bilder gibt es hier!
Auch erzählerisch schwebt dieses Abenteuer in einer neuen Welt, wobei ihr den Weg der Story beeinflussen könnt - inwiefern das möglich sein wird, kann man nach den ersten drei Spielstunden allerdings noch nicht abschätzen; und Ubisoft hielt sich hinsichtlich der versprochenen Nicht-Linearität noch mit Antworten zurück. Falls sich die Offenheit auf das Leveldesign beziehen soll, dann können wir bereits nicken: Ja, es gibt ab und zu mehrere Wege zum Ziel. Mit den Vorgängern hat das Abenteuer trotz desselben Titels lediglich den Helden gemein. Der wirkt übrigens mit seinen großen Augen und dem lässigen, gar nicht aristokratischen Auftreten deutlich jugendlicher, flippiger und naiver als in den ernster anmutenden Vorgängern - ansonsten gibt es keine Verknüpfungen, keine Anspielungen auf vorherige Ereignisse. Man merkt dem Spiel an, dass die Entwickler alte Zöpfe abschneiden wollten.

Licht gegen Finsternis

Eine Frau mit göttlicher Macht: Die barfüßige Elika begleitet den Prinzen nicht nur, sie rettet ihn auch vor Abstürzen und hilft ihm im Kampf.
Stattdessen taucht gleich zu Beginn eine neue Gestalt auf: Elika. Als sich der Prinz auf der Suche nach seinem Esel durch einen Sandsturm kämpft, begegnet er der ebenso gut aussehenden wie mysteriösen Frau, die nicht nur von bewaffneten Schergen gejagt wird, sondern auch übernatürliche Kräfte zu haben scheint. Im Laufe des Abenteuers weicht die KI-gesteuerte Begleiterin, die euch ab und zu bei Kampfkombos unter die Arme greift oder nützliche Hinweise in Rätselsituationen gibt, nicht mehr von eurer Seite. Und das bringt einige Vorteile mit sich.

Stellt euch vor, ihr stürzt nach einem mutigen, aber schlecht getimten Sprung in einen Abgrund und plötzlich zieht euch eine blau schimmernde Hand nach oben, um dem virtuellen Tod ein Schnippchen zu schlagen - voilà, c'est Elika. Das ist zunächst ein glücklicher Eingriff in das Prinzenleben, denn es wäre ja sonst vorbei. Man müsste den letzten Spielstand laden oder sein Glück erneut von einem Speicherpunkt aus versuchen. Und genau diese lästige Prozedur wollten die Entwickler bewusst

Gleiten im Duett: Die mysteriöse Elika weicht dem Prinzen nicht von der Seite, gibt ab und zu Ratschläge und weist ihm den richtigen Weg.
vermeiden, da sie aus der "Steinzeit der Arcade-Automaten" stamme, in der man den Spielern mit der ewigen Wiederkehr des Neustarts noch das Geld aus der Tasche zog.

Dass man unnötigen Frust vermeiden sollte, ist ein Grundgesetz guten Spieldesigns. Die Frage ist jedoch, ob es Ubisoft in diesem Fall etwas zu gut mit dem Komfort meint, denn wenn man als Spieler gar keine Angst vor dem nächsten Abgrund verspürt, da man sowieso gerettet wird, wo bleibt dann die Spannung? Wie will man Nervenkitzel erzeugen, wenn man immer in der Hand einer Göttin landet? Immerhin darf man die selbst gesteckten Ziele Ubisofts nicht vergessen: Die Entwickler wollen nicht weniger als "die Rolle der Nebenfigur in Action-Adventures revolutionieren". Und davon ist man nach dem bisher Gespielten weit entfernt.                       

Göttin ex machina

Denn noch wirkte die Beziehung zwischen den beiden Protagonisten nicht interessant genug - die flapsigen Kommentare des Prinzen und das allmächtige Auftreten der Lady wollen nicht so ganz zusammen passen. Außerdem vermisst man die Möglichkeit, auf Wunsch mit der rätselhaften Frau zu kommunizieren oder gar ein Dialogsystem mit mehreren Antworten, die vielleicht Konsequenzen auf die Beziehung hätten. Vielleicht würde das Duo interessanter wirken, wenn 

Obwohl Elika dem Prinzen ständig zur Seite steht, blieb das Fräulein bislang zu farblos.Elika auch mal eine Schwäche zeigen würde, so dass man nicht immer von ihrer helfenden Hand profitieren könnte.

Gleich zu Beginn wirkt es auch noch so, als wolle Ubisoft das gottgleiche Eingreifen Elikas eingrenzen, da sie dort einmal vor Erschöpfung zusammen bricht und eine kurze Strecke vom Prinzen getragen werden muss. Aber das scheint nur eine kleine Episode zu sein, denn danach kommt es nicht mehr zu diesen Situationen, in denen die Rollen getauscht werden: Egal, wie oft der Prinz in Abgründe fällt - sie hilft ihm immer und immer wieder, ohne dass es Konsequenzen für ihre Energie oder gar die Beziehung hätte.

Ich denke, dass das ein dramaturgisches Problem werden könnte, wenn da nicht noch mehr passiert. Denn das sorgte bisher eher für ein steriles Verhältnis zwischen Held und Heldin, in dem die einseitige Abhängigkeit auf Dauer nervt. In Ico gab

Die Sprungpassagen haben es in sich: Manchmal kommt der Prinz nur mit Elikas magischer Hilfe an weit entfernte Simse und Pfähle.
es ja auch ein schicksalhaft zusammen geschweißtes Paar, aber hier wurde die emotionale Bindung zur Spielfigur gerade dadurch aufgebaut, dass ich mich um sie kümmern und sie beschützen musste. Noch bin ich skeptisch, ob mich Elika nach ein paar Stunden als Charakter überhaupt noch interessiert. Aber wer weiß: Vielleicht ist das auch nur meine einseitige männliche Perspektive, vielleicht hat Ubisoft ja noch ein paar Trümpfe in der Hand. Und vielleicht kann der Prinz ja den Lehren Zarathustras alle Ehre machen: Dann würde er in die Rolle des Erlösers Mithra schlüpfen und das böse Spieldesign mit guter Dramaturgie vernichten.

Weltenretter mit Handschuh

Immerhin kann sich der Prinz ganz sorgenfrei auf seine mythologisch wertvolle Aufgabe konzentrieren: Er muss die durch Ahriman verseuchten Böden heilen, indem er auf gewohnt akrobatische Art und Weise in das Herzstück eines Levels vordringt und dort ein Bossmonster besiegt - erst danach kann Elika das Gebiet mit ihrer Magie heilen. Egal ob elegante Wandläufe, waghalsige Sprünge, Rutschpartien, Gehangel an Weinranken oder Geschwinge an Seilen - alles ist dabei, was das Jump'n Run-Herz an Plattformherausforderungen braucht. Der Prinz hat deutlich mehr Bewegungen auf dem Kasten als in den letzten Abenteuern. Und wenn es mal steil bergab geht, könnt ihr die Krallen eures neuen Handschuhs nutzen, um euch bei spektakulärem Funkenschlag etwas langsamer nach unten zu kratzen. Es gibt hier einige angenehm anspruchsvolle

Keine Kämpfe gegen zig Feinde, sondern vereinzelte Duelle bestimmen das Spieldesign: Dank eines taktischen Kampfsystem mit Block und Konter kommt schnell Spannung auf.
Passagen, die richtig Lust auf die Levelerkundung wecken.

Ein Druck auf den A-Knopf genügt und der Prinz setzt zum Sprung an. Reicht die Kraft nicht aus, um einen Abgrund zu überwinden, kann man in der Luft noch mal die Y-Taste drücken, damit Elikas helfende Hand aus dem einfachen einen Doppelsprung macht - ein ähnliches System wie in Teenage Mutant Ninja Turtles .

Vor allem in späteren Gebieten kann es zu ausufernden Kombinationen aus Wand-, Rutsch- und Weitsprungeinlagen kommen. Aufgelockert wird die Akrobatik von Rätseleinlagen, die den richtigen Dreh von euch verlangen: Ab und zu gelangt man in große Räume, in denen man ein oder zwei Hebel in der passenden Reihenfolge benutzen muss, um z.B. dieselben Symbole auf großen Tafeln erscheinen zu lassen. Das Knifflige daran ist, dass sie jeweils in anderen Winkelabständen um ihre Achse rotieren.            

Taktisches Kampfsystem

Ubisoft opfert Masse für mehr Klasse - so schlägt sich der neue Prinz im Kampf.Dass Ubisoft den auf Dauer belanglosen Massengefechten den Rücken kehrt und lieber auf weniger Duelle setzt, ist eine gute Entscheidung. Auch wenn es deutlicher weniger Kämpfe gibt, muss der Prinz zwischendurch immer wieder zum Krummsäbel greifen - und dabei kommt das gewohnt gute Kampfsystem zum Einsatz: Mit der rechten Schultertaste wird passiv geblockt; drückt man sie zur rechten Zeit, also wenn der Feind gerade zuschlägt, wird aus dem Block eine Parade und ihr könnt zum durchschlagenden Konter ansetzen; wenn ihr wiederum schnell genug die X-Taste aktiviert - all das erinnert nicht nur an das gelungene Remake Prince of Persia Classic , sondern auch an Assassin's Creed .

Es gibt zig Kombinationsmöglichkeiten in den drei von Beginn an zur Verfügung stehenden Angriffstypen Akrobatik, Schwert und Handschuh, die jeweils auf einem Knopf liegen und sich intuitiv auslösen lassen. Letzterer sorgt übrigens für mächtige Griff- und Hebemanöver, die vor allem Bossmonster in Verlegenheit bringen. Und wer hier Reihenfolgen à la XXXB oder XXXA durchbringt, kann ebenfalls auf zusätzlichen Schaden hoffen. Das Kampfsystem ist rasant und angenehm fordernd, die Choreografie kann sich mit ihren spektakulären Hieben, Sprüngen und Salti sehen lassen, zumal auch Elika nach gelungenen Kombos akrobatisch mitmischt, so dass fast ein wenig Tag Team-Wind weht.

Shadow of the Prinz?

Wer auf Kombos setzt, verursacht wesentlich mehr Schaden: Der Prinz hat nicht nur seinen Säbel, sondern auch seinen krallenbewehrten Handschuh sowie akrobatische Manöver zur Verfügung.
Sobald ihr ein Bossmonster besiegt, beginnt die Welt wieder zu grünen und idyllische Blumenwiesen breiten sich aus - Okami lässt grüßen. Das, was wir bisher besiegen konnten, erinnerte allerdings trotz seiner spektakulären Inszenierung nicht an die Monumentalität eines Shadow of the Colossus , wo es zu gigantischen Duellen mit Herzklopfgarantie kam. Bisher wirken diese Kämpfe nur wie größere Varianten normaler Auseinandersetzungen; hoffentlich hat Ubisoft in den weit verzweigten Arealen noch pompösere Überraschungen und vor allem abwechslungsreichere Feinde parat.

Elikas Komfortfunktionen gegen übrigens über lebensrettende Maßnahmen hinaus: In den ausufernden Gebieten mit all den Gängen, Schluchten und Routen kann man sich schon mal verirren. Wer nicht mehr weiß, wo man den nächsten Auftrag erfüllen muss, drückt kurz Y und bekommt von Elika per Sternenstaub den Weg zum Ziel angezeigt. Bis ihr dort angekommen seid, könnt ihr fleißig Lichtkugeln einsammeln, die wie in einem Jump'n Run überall versteckt und teilweise schwer zugänglich auf euch warten. Hat man die ersten 60 Lichtkugeln beisammen, kann man auch die erste Macht freischalten: Den Schritt von Ormazd. Wer ist Ormazd? Das zarathustrische Gegenstück zu Ahriman: Der "Gott des Guten".

Und erst mit dieser Spezialakrobatik des Lichtgottes könnt ihr selbst weit entfernte Wände à la Devil May Cry erreichen, indem ihr euch von einem magischen Punkt zum anderen schießt. Immer, wenn ihr eine dieser mythologischen Spezialkräfte erlangt, sind irgendwo neue Punkte auf der Karte zugänglich. Die von uns gespielte Fassung hatte noch mit Kanten, Schatten und Texturen zu kämpfen - aber hier wissen die Entwickler Bescheid. Zum Release soll alles wie aus einem Guss wirken; wir drücken die Daumen.           

Ausblick

Kein Fotorealismus, sondern Comiclook - was auf den ersten Blick wie ein Stilbruch wirkte, sorgte beim Spielen sehr schnell für künstlerische Frische: Der Fernseher wird zur animierten Leinwand - herrlich! Was die Präsentation betrifft, mache ich mir gar keine Sorgen. Ubisoft Montreal beweist mal wieder ein Händchen für extravagantes Artdesign; außerdem sorgt die erweiterte Assassin's Creed-Engine für monumentale Hintergründe. Aber was ist mit der Dramaturgie dieses Abenteuers? Ubisoft präsentiert eine auf den ersten Blick sehr durchschaubare Gut-Böse-Story innerhalb einer altpersischen Welt, die aufgrund der klar definierten Verhältnisse von Licht und Finsternis, von Kampf und Akrobatik, von Prinz und Lady, kaum Überraschungen zuzulassen scheint. Dass man die Massengefechte am Fließband durch taktische Duelle in Schlüsselsituationen ersetzt, ist eine überaus lobenswerte Entscheidung. Auch der Handschuh zum Klettern und Kämpfen sowie die halsbrecherischen Jump'n Run-Passagen mit Wandläufen und Doppelsprüngen haben mir sehr gut gefallen. Dieser Prinz sieht aber nicht nur jugendlicher aus als seine ernsten Vorgänger, er muss die Welt auch erstmals in weiblicher Begleitung retten. Und hier beginnt meine Skepsis, denn Elika wirkte für mich wie ein sterile Lady mit übernatürlichen Kräften, die mir dutzendfach einfach so das Leben rettet und als Charakter in den ersten Stunden noch zu blass blieb. Wie soll Spannung vor Sprüngen aufkommen, wenn ich weiß, dass mich ihre Hand zum achtzigsten Mal vor dem Abgrund bewahrt? Wie soll eine Beziehung entstehen, wenn es bis auf einen Spruch hier und einen Flirt da, keine vom Spieler gestaltbare Kommunikation, keine erfahrbaren Konsequenzen gibt? Trotz anfänglicher Euphorie angesichts der stilvollen Oberfläche und der fordernden Akrobatik stellte sich irgendwann eine gewisse Ernüchterung ein. Ubisoft Montreal hat nicht weniger als ein nicht-lineares Abenteuer mit der "Revolution der Rolle der Nebenfigur" versprochen. Davon ist Elika bisher noch weit entfernt. Vielleicht kann der Prinz ja doch noch in die Haut des Erlösers Mithra schlüpfen und all diese bösen Omen mit ausgezeichneter Dramaturgie im weiteren Spielverlauf vernichten - dann hätte Ubisoft die Lehren des Zarathustra wirklich konsequent als Vorlage genutzt.

Ersteindruck: gut

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