Assassin's Creed 221.10.2009, Benjamin Schmädig
Assassin's Creed 2

Vorschau:

Bin ich wach oder träume ich? Plötzlich stürmt Lucy in mein Zimmer, drängt mich ihr zu folgen. Bevor ich weiß, was geschieht, liege ich auf dem Animus - eine Art Krankenliege, mit deren Hilfe mein Geist in die Körper meiner Vorfahren reisen kann. Doch schon nach wenigen Sekunden bin ich wieder auf den Beinen. Wir fliehen vor einem Gegner, den ich nicht kenne in ein anderes, viel kleineres Labor. Der rote Animus-Sitz, den Lucy und zwei Unbekannte hier gerade in Gang setzen, wirkt bequemer, der Raum wie ein gemütliches Büro. Ich nehme Platz - und erwache inmitten einer handfesten Schlägerei...

500 Jahre durch die Zeit

Auch wenn sich in Assassin's Creed alles um die Morde des Attentäters Altaïr drehte: Die Hintergrundgeschichte um den Cyberspace-Reisenden Desmond spielte eine zentrale Rolle. Denn während er die mörderischen Erinnerungen von Altaïr durchlebte, zogen moderne Templer ihre verschwörerischen Fäden, um durch die gedankliche Zeitreise an wichtige Informationen zu gelangen.

VIDEO: So kraxelte und meuchelte Altaïr auf der Tokyo Game Show durch das Mittelalter.Viel mehr weiß ich noch immer nicht, als Lucy und ihre Freunde den roten Animus einschalten - um mich aus dem Jahr 2012 erneut in die Vergangenheit zu "schießen".

Florenz im Jahre 1476. Ich schaue an mir herab und erkenne nicht den  Attentäter, in dessen Erinnerungen ich zuletzt unterwegs war. Ich erkenne einen leger, aber vornehm gekleideten jungen Mann, der von einem überheblichen Schnösel mit Ezio angesprochen wird. Ezio Auditore da Firenze - so mein voller Name, wie ich später erfahre. Im Moment habe ich allerdings dringendere Sorgen, denn mein Gegenüber fordert mich zum Kampf heraus. Gutes Timing, Lucy! Doch wie zu Beginn eines neuen Abenteuers üblich: Eine echte Herausforderung stellen die Handlanger dieses Wichtigtuers kaum dar. Per Tastendruck schlage ich zu, gebe ihnen durch einen gut getimten Konter den Rest, weiche aus oder greife mir einen Typen und werfe ihn auf die gepflasterte Straße - all dies beherrscht Ezio ähnlich gut wie Altaïr. Diesmal kann ich den Gesundheitszustand meiner Gegner allerdings über ihren Köpfen ablesen; überhaupt ist der neue Animus dank häufiger kleiner Zeitsprünge sowie den oft aufblinkenden, futuristisch anmutenden Leuchtrastern über der Stadt und ihren Bewohnern deutlich präsenter als das Vorgängermodell. Vielleicht fühlte ich mich deshalb beim Spielen nie so richtig wohl in Desmonds italienischer Persona.

Blutiger Einstieg

Immerhin bin ich aber tief genug in der Rolle drin, um mich mit der forschen Unschuld des verschmitzten Draufgängers zu identifizieren. Auf jeden Fall brauche ich Geld, damit sich ein Heiler um meine Wunden kümmern kann. Ist es dabei eigentlich der Animus oder fehlende Entwickler-Liebe zum Detail, dass auf Ezio Gesicht kein einziger Kratzer, geschweige denn eine blutende Wunde zu sehen ist? Wie dem auch sei: Ich krame einfach in den Taschen der Besiegten nach ein paar Münzen, was ein paar Passanten zwar abwürdigend kommentieren, aber auch nicht unterbinden. Seltsam nur, dass ich "Tote in Ruhe lassen" soll,

Selbst wenn die Wachen vom Dach fallen, regt sich kaum ein Passant darüber auf.
die sie sich deutlich sichtbar vor Schmerzen krümmen. Vielleicht handelt es sich ja um eine frühe Version, die... nein: Lead Level Designer Philippe Bergeron, der unser vierstündiges Spielen begleitet, versichert, dass die gezeigte Fassung nur "zwei Fixes" von der der fertigen Fassung entfernt ist.

Auch dass Fußgänger lediglich einen schnippischen Kommentar abgeben, wenn ich zwei Wachen vom Dach eines Hauses werfe, aber nicht einmal stehenbleiben, wirkt unerwartet leblos. Später wird Ezio gezielt gesucht - doch wenn eine Wache ihn entdeckt, sagt sie nur: "Er ist mir bekannt, aber woher?" Read the fucking Steckbrief, Kumpel! Es ist vielleicht nicht das Anliegen von Assassin's Creed II, einen realistischen Alltag im Italien des Leonardo da Vinci zu simulieren. Wer nach GTA 4 eine offene Stadt baut, sollte ihr allerdings zumindest mehr Leben einhauchen als dem ersten Assassin's Creed. Immerhin darf ich meinen Status als gesuchte Person herabsetzen, indem ich in der Stadt verteilte Steckbriefe einfach abreiße.

Wer bin ich?

Doch trotz der Enttäuschung über die Stagnation einer interaktiven Welt, die nicht so interaktiv ist wie sie heute sein könnte: Die Einführung gelingt Ubisoft wesentlich besser als im Vorgänger! Der Animus, die Verschwörung - jetzt arbeiten die Autoren mit dem, was sie zuvor erst erklären mussten. Die anfängliche Flucht mit Lucy ist jedenfalls ein gelungener, sehr kurzweiliger Einstieg. Er macht Appetit auf die Geschichte; man ist gespannter auf den roten Faden des Jahres 2012.                

Man will auch wissen, wer dieser Ezio ist. Ein wohlhabender Italiener - so viel ist klar. Aber wie wird der nassforsche Held zum kaltblütigen Mörder? Und auch hier machen die Autoren viel richtig: Anstatt die Ausbildung irgendeines gesichtslosen Verhüllten abzuschließen, erlebt man diesmal nämlich, wie Ezio durch sein heimatliches Florenz turnt und sprintet. Wie er das Netzwerk von Ärzten kennenlernt, die gegen eine kleine Gebühr seine Wunden versorgen. Wie er an Läden vorbei kommt, in denen er später Waffen kaufen und Kleider färben kann. Und natürlich, wie er verschiedenste Rollen übernimmt - vom Briefzusteller bis hin zum Bruder, der seine betrogene Schwester rächt. Während die ersten Botengänge noch dem Kennenlernen der heimatlichen Gassen dienen, muss der Jungspund später unter Zeitdruck zum Ziel sprinten. So konnte ich mir z.B. ein Grinsen nicht verkneifen, als mich ein gewisser Casanova bat, zwei gut bewachten jungen Damen heimlich Briefe zuzustecken. Und wo er dem schmierigen Herzensbrecher noch mit Links eine Lehre erteilt, bekommt er es irgendwann mit handfesten Schlägern zu tun. Nicht zuletzt stehen natürlich irgendwann Attentate auf dem Plan.

Laut Bergeron soll Desmond dabei deutlich abwechslungsreichere Erinnerungen als im Körper von Altaïr durchleben, doch ob Ubisoft dieser wichtige Schritt gelingen kann, ließ

Wer ist eigentlich der kaltblütige Mörder, der an der verruchten Obrigkeit Rache nimmt? Ubisoft führt einen glaubwürdigen Protagonisten ein.
sich an dem gezeigten Material noch nicht ablesen. Die Zeit des Tutorials ist bekanntlich eine geradlinige, und wir durften lediglich zwei kurze Abstecher in spätere Kapitel machen. Ich weiß nur: Man lernt zunächst einen Menschen und seine Familie kennen, deren grausamen Tod man bald rächen muss. Schon nach wenigen Missionen, die immer wieder von kurzen Filmszenen unterbrochen werden, war ich jedenfalls besser in Italien angekommen als in Jerusalem. Doch noch ist Ezio kein Attentäter, noch springt er als ganz normaler, wenn auch akrobatisch überdurchschnittlich begabter Bürger über die Dächer seiner Stadt...

Schreib' mal wieder!

Und Florenz ist traumhaft schön! Besonders eindrucksvoll ragen Palast und Kathedrale von einem der zahlreichen Aussichtspunkte aus den Wohnhäusern hervor. Verblüffend, wie sehr Ubisofts spätes Mittelalter an das heute zum großen Teil unveränderte Florenz erinnert. In Venedig funkeln außerdem zahlreiche Flüsse leise unter Ezios Blick. Der Protagonist selbst sowie die anderen Figuren wollen im Gegensatz dazu gar nicht so recht in die verklärte Romantik passen; sie wirken altmodisch, starr, buchstäblich kantig. Man sollte nicht Nathan Drake zusehen, bevor man Ezio unter die Lupe nimmt... Assassin's Creed zieht seine größten Reize damit nach wie vor aus einer idyllischen Fernsehturm-Ästhetik, die sich eher durch farbenfrohere Nuancen als pompöse Details vom Vorgänger unterscheidet.

Zurück zu Ezios Geschichte, die eine tragische Wendung nimmt als sein Vater nicht nur verhaftet, sondern nach dem Verrat eines vermeintlichen Freundes auch gehängt wird. Er wollte sich wohl mehr Zeit lassen, sein Handwerk an seinen Sohn weiterzugeben - jetzt tut er es durch die eisernen Stäbe seines Kerkers. In einem versteckten Raum seines Hauses befänden sich Gegenstände, die Ezio wohl seltsam vorkommen werden, deren Nutzen er aber bald verstehen würde. In besagter Truhe findet er einen weißen Umhang sowie zwei an einem Mechanismus befestigte Klingen.

Traumhaft! Auch das zweite Assassin's Creed protzt mit wunderschönen Aussichten.
Es ist das letzte Mal, dass Ezio mit seinem Vater spricht.

Rache!

Jetzt geht alles sehr schnell: Schon mit Überstreifen des Umhangs hat der junge Mann nicht mehr viel mit dem lebensfreudigen Ezio gemein. Seine Bewegungen glichen ohnehin denen von Altaïr - jetzt ähnelt auch das sein mörderisches Motiv dem des Attentäters: Rache! Aus Ezio wird ein Assassine. Um ehrlich zu sein, konnte ich mich nie mit dem plötzlichen Sinneswandel identifizieren. Erzählerisch ist die Wandlung natürlich plausibel und spielerisch beherrscht der Italiener ohnehin dieselben Tricks wie sein Ahne. Die Verwandlung vom lebensfreudigen Tunichtgut zum finsteren Rächer kommt mir allerdings zu plötzlich. Es mag daran liegen, dass das gemeinschaftliche Spielen eines zeitlich begrenzten Abschnitts, noch dazu unter "Aufsicht" eine emotionale Annäherung an den Charakter verhindert - für mein Empfinden passt Ezio aber nicht in das Kostüm des Attentäters.

Und obwohl er die Grundlagen kennt, beherrscht er natürlich längst nicht alle Kniffe, die den Akrobaten zum Assassinen machen. Die zwei Klingen muss er z.B. reparieren, bevor er sie als Waffen einsetzen kann. Auch das Untertauchen im Getümmel bringt ihm erst eine Freundin des Hauses bei. Zunächst weiß Ezio nicht einmal, was der Mantel über seinen Schultern überhaupt bedeutet. Gut, dass ihn die Flucht aus Florenz in einen kleinen befestigten Ort führt, wo sein Onkel in einem wohlhabenden Anwesen residiert. Hier bringt Ezio seine Mutter und seine Schwester in Sicherheit, von hier aus führen ihn die weiteren Wege durch die Toskana nach Florenz, Venedig und ins prachtvolle Rom. Hier wird er nicht nur Portraits seiner Opfer aufhängen, hier stehen auch Kunststücke, die er im Laufe seiner "Karriere" aufspürt. Das Entdecken völlig zusammenhangsloser Flaggen ist zum Glück Geschichte; der neue Assassine findet versteckte Schatztruhen - immerhin.       

Steinerne Schienen

Neu ist auch die Art und Weise, wie ich mir eine Menschenmenge zunutze machen und weite Distanzen überwinden kann. Für Letzteres muss ich mich bei Leonardo da Vinci bedanken, der nicht nur ein technisch begabter Zeitgenosse, sondern auch ein Freund der Familie Auditore da Firenze ist. So repariert der künstlerisch begabte Querdenker nicht nur die Mechanik der zwei vom Vater geerbten Klingen, sondern stellt mir auch Prototypen seines Drachengleiters zur Verfügung. Mit diesem stürze ich mich von hohen Dächern, um sanft in Richtung Erde zu schweben. Ausprobieren konnte ich die künstlichen Flügel leider noch nicht. Sie dürften das Vorankommen in den italienischen Metropolen allerdings stark erleichtern.

Nicht, dass das Vorankommen schwer wäre: Noch immer reichen mir zwei Knöpfe, um den Attentäter wie einen Zug über Schienen zu lenken. Und weil die Schienen hier aus Gebälk, Erkern, Kisten sowie aus dem Mauerwerk ragenden Ziegelsteinen bestehen, sieht das Hangeln und Klettern nach wie vor unheimlich gut aus - äußerlich dürfte Ezio der agilste aller Spielehelden sein! Mir fehlt allerdings weiterhin die Notwendigkeit, selbst eingreifen zu müssen. Auch das zweite Assassin's Creed  verdammt mich zum unbeteiligten, irgendwann gelangweilten Zuschauer. Das automatische Getriebe sorgt außerdem für kleine Fehlinterpretationen, dank denen Ezio schon mal in einen Heuballen hechtet, anstatt auf das anvisierte Dach zu springen.

Zum Ausgleich darf ich am Boden wenigstens aktiver sein, denn anders als sein Vorgänger muss der neue Protagonist auch schwimmen. Auf Knopfdruck taucht er sogar unter, um sich vor alarmierten Wachen zu verstecken. Nicht zuletzt könnte der Weg durchs Wasser sogar die schnellste Route zum Ziel sein, und ich habe noch keinen Gegner gesehen, der sich ebenfalls ins Wasser trauen würde& Dafür sind die Wachen im trockenen Zustand schlauer und pieksen schon mal ganz unverblümt in die zuletzt fast idiotensicheren Heuballen - autsch! Gut, dass sich Ezio ebenfalls aus seinem Versteck heraus wehren kann - ätsch!

Die Überklinge

Überhaupt hat der junge Rächer mehr drauf als sein arabischer Kollege mit abgeschlossener Berufsausbildung. So schwingt er nicht nur Schwert, Fäuste oder die versteckte Klinge, sondern wählt per Schultertaste aus einem ganzen Kreismenü verschiedener Waffen. Unterschiedliche Stecheisen, unterschiedliche Eigenschaften: Einen vollständigen Eindruck von den Eigenheiten aller Waffen konnte ich mir in der kurzen Zeit zwar noch nicht verschaffen, aber je nach Angreifer zeigen die Klingen eine andere Wirkung. Weil mir die zwei versteckten Klingen (eine unter jeder Hand) als ungewöhnliche

Die versteckten Klingen sind viel zu mächtig: Selbst mehrere Gegner erledigt Ezio damit im Handumdrehen.
Instrumente am interessantesten schienen, war ich zudem vorrangig mit den heimlichen Waffen des Attentäters unterwegs - und wurde bitter enttäuscht. Bis auf wenige Gegner, denen es tatsächlich gelingt, die Klingen abzuwehren, erledigt Ezio nämlich sämtliche Feinde mit einem einzigen Hieb!

Für nur eine spezielle Mission führte uns Lead Level Designer Bergeron nach Venedig, wo Ezio im Schutze der Nacht zuerst Bogenschützen auf den Dächern beseitigen muss, damit er anschließend ungehindert in den palastartigen Bau seines Opfers eindringen kann. Und als ich mich über die gut bewachten Mauern herangetastet hatte, wurde ich plötzlich entdeckt. Verdammt, so kurz vorm Ziel! Was blieb mir denn anderes übrig, als den Showdown im lauten Gefecht auszutragen. Doch es wird spannungsärmer als erwartet. Ein Tastendruck und die erste Leibwache geht nach einem Stoß in die Kehle zu Boden. Noch ein Tastendruck und die beiden übrigen Leibwächter stehen links und rechts neben mir: Die Klinge im Hals steht ihnen nicht gut - der Erfüllung meiner Mission dafür umso besser! Endlich der abschließende Tastendruck und das Opfer haucht seine letzten Worte, während im das Leben in meinem Armen entweicht. War's das? Muss man dafür Attentäter sein? Reicht nicht der Kauf solcher Überklingen, um dem schmutzigen Handwerk nachzugehen? Der Kommentar von Bergeron: "Wir sind uns darüber im Klaren, dass dies viele Spieler zu einfach finden. Es war allerdings eine bewusste Entscheidung, wir wollten es genau so." Mein Kommentar: Das ist unterste Casual-Schublade! Natürlich ist es gut, dass Ubisoft möglichst viele Spieler ansprechen will. Doch wieso baut man keinen optionalen Schwierigkeitsgrad ein, mit dem sich auch Vielspieler wohlfühlen?       

Versteckspiele

Zum Glück sind die die restlichen Waffen wenigstens nur so wirkungsvoll, wie man es erwartet - lediglich ein im richtigen Augenblick gesetzter Konter richtet mächtig Schaden an. Zum Glück hat der neue Attentäter mehr Handlungsfreiheit, wenn er z.B. Klingen vergiften kann, um sein Ziel auf Umwegen auszuschalten. Und zum Glück geht er diesmal besser in der Menge unter, bevor er beim langweiligen Tötungsakt sein Antlitz zeigt. Der Assassine der mittelalterlichen Moderne wartet nämlich nicht mehr, bis eine Gruppe Mönche vorbei kommt. Vielmehr taucht Ezio automatisch unter, sobald er sich unter ausreichend viele Menschen mischt. Ich war jedenfalls erleichtert, als die ungemütliche Tastendruck-Mechanik hier wenigstens wegfiel! Es fühlt sich richtig gut an, mit dem italienischen Akrobaten Menschen beiseite zu schieben, um den Anschluss an die große Traube nicht zu verlieren. Auch hier stört mich zwar die ständig präsente "Unsichtbarkeits"-Markierung des Animus, aber insgesamt macht das Eintauchen in die Masse einen spürbaren Schritt nach vorn. Nur der automatische Taschendiebstahl durch das Gedrückthalten einer Taste wirkt unangenehm plump.

Unter diesen Zeitgenossen kann Ezio kaum verschwinden... In einer neutralen Menschenmenge geht er aber wie von selbst unter.
Zumindest beschweren sich die Bestohlen aber und rufen irgendwann gar Soldaten herbei - in der Nähe hält sollte sich Ezio dann nicht mehr aufhalten.

Nicht zuletzt kann der Rächer eine Gruppe von Konkubinen, Dieben oder Söldnern anheuern, und stehen diese erst "unter Vertrag", lenken sie auf Geheiß Wachen ab. Ist keine Menschentraube in der Nähe, kann Ezio außerdem in ihrer Mitte untertauchen, da sie sich um ihn herum postieren, so lange er nicht schnel voraus eilt. Seltsam schien mir nur der Blick von den Dächern Venedigs: Von oben offenbarte sich nämlich, wie bemüht Ubisofts offene Welt trotz dieser wichtigen Verbesserungen noch immer wirkt. Da steht ein Bündel Kurtisanen neben dem anderen, während auf etlichen Dächern ein Trupp Diebe lungert. Müssen Casual-Spieler wirklich so offensichtlich auf Offensichtliches hingewiesen werden?

Unter Tage

Doch der Abstecher nach Venedig war nur von kurzer Dauer; eine weitere Mission stand an, für die uns Bergeron in die Unterwelt Italiens teleportierte. Heruntergekommenes Mauerwerk statt prunkvoller Aussichten, finstere Gewölbe statt gleißendem Sonnenlicht: Die Abschnitte unter Tage sollen Desmonds Erinnerungsausflug abwechslungsreicher machen. Hier steht geradlinige Action im Vordergrund, langsames Erkunden spielt eine untergeordnete Rolle. Doch wo ich zunächst vermute, dass ich dem Assassinen mit geschicktem Klettern einen Weg durch eine verwinkelte Untergrundwelt bahnen muss, werde ich viel zu schnell auf den richtigen Pfad gelenkt, erledige eine Hand voll Soldaten und marschiere schließlich auf mein Ziel zu. An Prince of Persia sollen diese Missionen erinnern. Und das tun sie auch - wenn man an die sich fast von selbst spielende letzte Episode der Serie denkt.

Spannende Momente gab es dennoch: Als eine Wache nämlich vor Ezio flüchtet, ihm mehrere Türen vor der Nase zuschlägt oder gar Mauern einbrechen, muss ich schnell einen neuen Weg finden, um den Anschluss nicht zu verlieren. Fast fühlt es sich so an wie der Beginn eines packenden Showdowns - um letztendlich dann aber doch nur in einem gewöhnlichen Kampf zu enden. Trotz der guten Ideen und vieler erhebender Momente: Assassin's Creed II fühlt sich in fast jedem Augenblick nur wie die sinnvolle Erweiterung eines Konzepts an, das schon vor zwei Jahren eher durch seine grafische Wucht und spannende Geschichte als aufgrund seiner Spielmechanik begeistern konnte...       

Ausblick

Erzählerisch gelingt Ubisoft ein spannender Einstieg: Ezio ist sympathischer und als jugendlicher Draufgänger vor allem glaubhafter als der fast gesichtslose Altaïr - sein Alter Ego Desmond scheint hingegen in eine packende Verschwörung verwickelt. Und auch spielerisch legt der junge Attentäter einen besseren Start hin, weil man seine Welt zunächst in Ruhe kennenlernt: Die Welt eines bildschönen Italiens, wohl gemerkt, denn auch der Nachfolger protzt mit Postkarten-Motiven, die den Blick auf überwältigende Panoramen freigeben. Dass sich Ubisoft sowohl technisch als auch inhaltlich zu wenig Neues zutraut, fängt allerdings bei Figuren an, die heutzutage wie grob geschnitzt wirken. Spielerisch bedient man mit einer übermächtigen Superwaffe hingegen die niedrigsten Casual-Bedürfnisse und tritt dabei die Logik hinter einem heimlichen Attentat mit den Füßen. Auch das beinahe komplett automatisierte Klettern und Springen nutzt sich als spielerisches Element ähnlich schnell ab wie im Vorgänger. Gut, dass Ezio unterschiedliche Waffen auflesen oder kaufen darf. Gut, dass sein Tagesablauf abwechslungsreicher sein soll - ein Versprechen, das Ubisoft allerdings erst einlösen muss. Gut auch, dass ihn zahlreiche Aufträge durch marode Kellergewölbe führen. Als wichtigste Neuerung empfinde ich jedoch den nahtlosen Übergang, wenn der Assassine wie selbstverständlich in einer beliebigen Ansammlung von Menschen untergeht. Auch dort, wo er sich gegen Bezahlung die aktive Unterstützung von Prostituierten oder Dieben sichert: Hier geht man den richtigen Weg zur Erschaffung einer lebendigen Welt. Ob man weit genug geht, muss allerdings erst der Test zeigen.

Ersteindruck: gut

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