R.U.S.E. - Don't believe what you see07.08.2009, Benjamin Schmädig
R.U.S.E. - Don't believe what you see

Vorschau:

Ruse, das bedeutet so viel wie List oder Trick - im militärischen Zusammenhang versteht man darunter deshalb die Kriegslist. Doch effektive Täuschungsmanöver sind in der virtuellen Echtzeitstrategie kaum möglich - im Kampf gegen Künstliche Intelligenzen sogar ausgeschlossen. Denn ein Computer beherrscht nicht die intuitive Psychologie, um an dem vielschichtigen Pokerspiel teilzunehmen, das sich um das Erkennen oder gar Auslösen einer Finte dreht. Und genau daran will R.U.S.E. etwas ändern…

Teure Spielzeuge

Mein Augenmerk gilt einem etwa hüfthohen Tisch, in den statt einer Tischplatte ein ungefähr ein Meter breiter Bildschirm eingelassen wurde. Eine Landkarte samt taktischen Symbolen bewegt sich auf diesem hin und her. Mal fährt die Kamera ganz nah ans Geschehen heran, mal zoomt sie in Schwindel erregende Höhen. Und immer sind es die Bewegungen von zwei bis drei Fingern direkt auf dem Bildschirm, welche die Befehle erteilen. Aus reinem Spaß am Fragen: Was kostet denn diese Multitouch-Technik? "10.000 Euro der Bildschirm, 15.000 für den gesamten Tisch", weiß der Vertreter des Herstellers IntuiLab .

"Glück" im Unglück: Auch bei der fortschrittlichen Technologie

Video: Zwei Trailer dokumentieren die ersten Schritte in dem vorgestellten Tutorial.besteht noch eine kurze aber deutliche Verzögerung zwischen dem "Zeichnen" eines Befehls und dem Ausführen dieser Anweisung. Immerhin durften wir während der Präsentation des Spiels nicht nur dem Senior Producer Mathieu Girard auf die Hände schauen, sondern auch selbst taktieren. Zuvor weist mich Girard aber noch darauf hin, dass Entwickler Eugen Systems schon zur Weihnachtszeit auch erschwingliche, u.a. Windows 7-kompatible, Touchscreen-Geräte unterstützen wird.

Tiefe und Täuschung

Doch wie fühlt sich das Spiel an? Wie funktioniert die Steuerung mit Gamepad, Maus und Tastatur? Kann Eugen Systems das Versprechen einer neuen taktischen Dimension einlösen? Drei Stichworte schreibt der Senior Producer auf eine Tafel: Dimension, Deception und Depth, also Dimension, Täuschung und Tiefe. Wichtiger scheint Girard aber das Pokern zu sein, denn immer wieder verweist der Senior Producer darauf, wie wichtig es ist, die richtigen Informationen aus dem scheinbar leicht Erkennbaren zu ziehen. Auf den ersten Blick ist R.U.S.E. aber ein gewöhnliches Echtzeitstrategiespiel, dessen Perspektive am ehesten an Ubisofts eigenes EndWar erinnert.

Die Sprachkommandos eines EndWar beherrscht R.U.S.E. natürlich nicht - die sehr klassische Befehlsvergabe per Maus und Tastatur hat man dafür schon nach den ersten Klicks intus. Wichtiger war mir: Wie gut geht die Steuerung mit dem Gamepad von der Hand? Und nach den inzwischen vorbildlichen Command & Conquer-Umsetzungen sowie dem ausgereiften Halo Wars ist es zwar keine Überraschung mehr, aber auch mit dem Xbox 360-Controller lassen sich sämtliche Eingaben im Handumdrehen vornehmen. Dennoch lief die Präsentation übrigens ausschließlich am PC. Ein Knopfdruck wählt sämtliche nebeneinander stehenden Truppen desselben Typs aus, ein anderer selektiert einzelne Einheiten und wer sich in Halo Wars daran gewöhnt hat, mehrere Ziele mit einem kreisrunden Pinsel zu einem großen Verband zusammenzufügen, muss darauf ebenfalls nicht verzichten. Praktisch übrigens: Ein Hinweis über dem Ziel zeigt an, ob die aktuell markierten Truppen leichtes oder schweres Spiel damit haben werden.       

Der pokernde Stratege

Nach wenigen Sekunden war ich also mit den Grundlagen per Du und schickte eine Hand voll US-Panzer in Richtung eines vom deutschen Feind besetzten Dorfes. Schauplatz des Geschehens war Tunesien, wo mir außerdem britische Verbündete als Unterstützung beistanden. Das Geschehen findet immerhin zur Zeit des Zweiten Weltkriegs statt. Zwischen sechs Nationen wird man in der fertigen Version wählen dürfen, während online bis zu acht Gleichgesinnte gegen- oder miteinander antreten. Doch wo sich die Echtzeitstrategie sonst weitestgehend an die Geschichtsbücher hält oder ein brandneues Science Fiction-Universum aufbaut, erzählt R.U.S.E. eine untypische Handlung. Denn auch beim Plot steht das Pokern im Mittelpunkt.

So dreht sich zwar alles um den gewaltigen Konflikt, im Mittelpunkt stehen allerdings seine Generäle. Und das ist wörtlich zu verstehen. Wo der Zoom in die Vogelperspektive nämlich noch an Supreme Commander erinnert, vermittelt das, was das Spielfeld umgibt, einen ganz anderen Eindruck: Anstatt eines schwarzen Rahmens erspäht man im Hintergrund die Kommandozentrale eines militärischen Stützpunktes Hintergrund. Das Geschehen spielt sich hingegen auf einem taktischen Tisch ab - ich musste unweigerlich daran denken, wie ich vor wenigen Minuten noch vor der 15.000 Euro teuren Präsentation gestanden habe. Tatsächlich soll das Spiel den Eindruck vermitteln, als würde man als hochrangiger Stratege Spielfiguren verschieben, wobei Letztere die Repräsentanten der auf dem Schlachtfeld operierenden Einheiten darstellen. Und so wird sich auch die Geschichte um jene Strategen drehen. Für das Finale will sich Eugen Systems allerdings erzählerische Freiheiten erlauben...

Chips & Tanks

Die Spielfiguren - im Spiel sind das Chips-ähnliche Symbole wie man sie vom Poker- oder Roulette-Tisch kennt. An ihrem Umfang kann ich ablesen, ob es sich um eine starke oder eine weniger mächtige Einheit handelt, während die Menge der übereinander gestapelten Chips die Anzahl kennzeichnet. Nur wenn die Kamera nah genug an die Truppen heranfährt, werden aus den Symbolen detaillierte Panzer, Flugzeuge, Artilleriegeschosse oder Infanteristen. Grundsätzlich hinterlässt die schlichte Darstellung von weit oben einen ungewöhnlich erhabenen Eindruck; ich habe mich in der Tat wie ein Befehlshaber gefühlt, der mit einer Billard-ähnlichen Brücke Spielfiguren verschiebt. Unglücklich wirkte allerdings der Übergang vom Chip zum Panzer,

Der ständige Wechsel von symbolischer zu realistischer Darstellung tut der Übersicht nicht gut.
denn nicht alle Chips einer Gruppe wechseln gleichzeitig ihr Aussehen. Stattdessen werden aus einem großen Haufen Chips schnell mal zwei kleine, kurz darauf wechselt die Darstellung zu einer Mischung aus Panzer und Chips, einige Sekunden später sind es plötzlich wieder nur noch Chips oder ausschließlich Panzer. Es braucht nicht einmal den Wechsel der Zoomstufe - das Bild ist auch so ständig in Bewegung, was der Übersicht wenig Gutes tut.

Vom klassischen Hausbau

Zurück zu konventionellen Aktionen wie der Attacke auf das erwähnte feindliche Dorf. Es ist nämlich bemerkenswert, wie stark die Entwickler auf das berüchtigte Trio "Schere, Stein, Papier" setzen. Selbst starke Panzer haben in Ortschaften oder Wäldern kaum eine Chance gegen dort versteckte Infanteristen: Zum einen sind die Fußtruppen gar nicht zu erkennen und zum anderen erledigen sie auch motorisierte Einheiten im Handumdrehen. Zwei, drei Flammenwerfer machen mit den Versteckten dafür kurzen Prozess. An anderer Stelle werden auch mächtige Panzer buchstäblich zu Kanonenfutter, wenn sie nicht von einem Aufklärer begleitet werden, der ihre Sichtweite auf eine brauchbare Entfernung erhöht. Flak-Geschütze können hingegen nur dorthin feuern, wo z.B. ein Flugzeug vorher die genaue Position eines Feindes markiert hat.

Ähnlich vertraut ist der Aufbau einer Basis, denn an jeder Straße, die zum Hauptquartier führt, kann ich Fabriken errichten, in denen ich wiederum Nachschub ordern darf. Das kostet mich selbstverständlich bare Münze und so sollte ich auch ein Auge auf meine Versorgungsdepots haben. Letztere sind im Einsatzgebiet platzierte Gebäude, die ich zunächst einnehmen muss - anschließend liefern mir von dort kommende Trucks Währung. Äußerlich ist das Prinzip simpel, ich muss jedoch darauf achten, dass der Feind nicht die verwundbaren Trucks zerstört; eine einzige auf dem Versorgungsweg platzierte Einheit würde schon reichen, um meinen Nachschub zu unterbinden. Und selbstverständlich könnte sich ein Gegner auch einfach das Depot schnappen. Ich sollte also schnell sein und ihm mit dem Blockieren seiner Versorgungswege zuvor kommen...          

Wie gut bist du wirklich?

Leider lassen sich aus dem bisher spielbaren Material noch keinerlei Schlüsse zur Cleverness der vom Spiel gesteuerten Kontrahenten ziehen. Schließlich war das präsentierte Tunesien nur ein Tutorial, sämtliche Aktionen von Freund und Feind waren deshalb vorprogrammiert. Was mir bisher aber gefällt ist die Tatsache, dass ich in R.U.S.E. keine in ICE-Geschwindigkeit übers Schlachtfeld rasenden Truppen unter Kontrolle bringen muss. Stattdessen konnte ich stets die Übersicht wahren - vom erwähnten Symbol-Wirrwarr mal abgesehen. Im Zusammenspiel mit der übersichtlichen Steuerung und den sehr unterschiedlichen Einheiten könnten die Entwickler ihren Schwerpunkt deshalb tatsächlich aufs Taktieren legen, anstatt die schnelle Action zu forcieren. Ob ihnen das gelingt, muss aber erst eine weiter zugängliche Version beweisen.

Immerhin bietet R.U.S.E. noch ein weiteres Element, nämlich das der Ruses, also der List. Etwa zehn davon soll es geben - noch sind sich die Mannen um Girard nicht sicher, welche und wie viele dieser Aktionen sie anbieten wollen und wie genau sie funktionieren. Der Grundsatz wird aber der gleiche sein: Der taktische Tisch, Verzeihung, das Schlachtfeld ist in verschieden große Felder aufgeteilt und in jedem Feld kann man eine Art Spezialfähigkeit auslösen. Solche Spezialfähigkeiten sind stets auf das entsprechende Feld begrenzt und beinhalten z.B. das Aufdecken sämtlicher vom Nebel des Krieges versteckter Einheiten, das Unsichtbar-Machen

Wer die entsprechende Fähigkeit einsetzt, bekommt die geplanten feindlichen Truppenbewegungen zu Gesicht.
eigener Gebäude oder das Anzeigen aller feindlichen Befehle. Besonders wichtig kann auch das Vortäuschen eines Angriffs sein. Der Gegner würde dann sehen, wie ein starker Verband auf ihn zukommt, könnte die Finte aber erst entlarven, wenn seine Truppen die Holzaufsteller vernichtet haben. In diesem Moment könnte der eigentliche Angriff längst an einer anderen Front stattgefunden haben...

Fünfmal täuschen

Und so schmeißt man also mit Täuschungsmanövern um sich, entlarvt mit einem Knopfdruck gegnerische Finten und spioniert jenes Feld aus, auf dem der Gegner sein Hauptquartier platziert hat? Mitnichten! Denn nur fünfmal durfte ich im Tutorial eine List auslösen. In der kurzen Demo war das mehr als genug - in späteren Scharmützeln dürfte das knappe halbe Dutzend allerdings im Handumdrehen voll sein. Clever, Eugen: Mit dem System dieser Spezialfähigkeiten müsst ihr nicht die Leistungsfähigkeit der Künstlichen Intelligenz steigern und könnt trotzdem das Pokerspiel um taktischen Finessen simulieren. Doch auch hier gilt zunächst: Wie geschickt die Gegner mit den Listen umgehen, müssen erst Schlachten zeigen, die wir ohne helfende Hand und vorprogrammierte Feindbewegungen schlagen dürfen.

Aber wie sieht eine solche Mission eigentlich aus? Bestehen auch die späteren Aufträge aus dem geradlinigen Vorrücken oder darf ich auch Zwei-Fronten-Kriege austragen, vielleicht sogar mithilfe zusätzlicher Verbündeter auf beiden Seiten? Als Antwort holt Girard zunächst weiter aus; immerhin werden mich viele Einsätze vor stetig neu hinzukommende Herausforderungen stellen. Oft sieht der Ablauf deshalb so aus, dass ich z.B. eine neue List kennenlerne, meist indem sie der Gegner zuerst ausführt. Später wird sich das Einsatzgebiet dann öffnen und mir freie Hand geben. Und auch mehrere Fronten sollen in R.U.S.E. zum Alltag gehören. "Das Spiel ist sehr offen", verspricht Eugen Systems - und dem Anschein nach haben sie tatsächlich eine gute Grundlage, um dieses Versprechen auch einzulösen!       

Ausblick

Ein zweites EndWar wird R.U.S.E. wohl nicht werden: Selbst die frühe Version des Tutorials offenbarte schon zu viele taktische Finessen, als dass das fertige Spiel der Echtzeitstrategie nur eine oberflächliche neue Dimension verleihen dürfte. Stattdessen besteht die Kriegsführung hier aus dem klugen Einsatz von Spezialfähigkeiten, denn nur wer im richtigen Moment auf dem richtigen Feld die richtige List einsetzt, kann sich einen Vorteil erspielen. Vor allem im Kampf Mensch gegen Mensch könnte das Spiel um Finten, den Diebstahl von Informationen und das Verbergen der eigenen Stärke tatsächlich zu einem spannenden Poker werden. Nicht zuletzt spielt wohl auch der clevere Einsatz der Einheiten eine zentrale Rolle - in der Theorie sollte die graue Schaltzentrale leidenschaftlicher Taktiker jedenfalls zur Hochform auflaufen. Doch all das ist bisher nur im Ansatz zu erkennen. Deshalb hoffe ich, dass wir uns in Kürze mit einer ausführlichen Version in diesen Zweiten Weltkrieg stürzen dürfen. Bis dahin haben die Entwickler hoffentlich an der Darstellung der Truppenstärke gefeilt, so dass schneller ersichtlich wird, welche Truppen wo in Aufstellung gehen. Für den Moment ist R.U.S.E. eine beeindruckende Tech-Demo mit einem viel versprechenden Regelwerk - hoffentlich entpuppt sich diese Larve tatsächlich zu dem Schmetterling, der sie sein möchte.

Ersteindruck: gut

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