Deponia04.01.2012, Jan Wöbbeking
Deponia

Vorschau:

Bereits fünf Monate nach Daedalics mit Platin ausgezeichneten Harveys Neue Augen kommt Adventure-Nachschub aus Hamburg. Auch Deponia (ab 8,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) wird eine spielbare Komödie – eine Verwechslungskomödie auf einem Müllplaneten, um genau zu sein. Wir haben uns bereits ein wenig durch die eigentümliche Steampunk-Welt von Jan „Poki“ Müller-Michaelis geknobelt. Ein Interview mit dem Edna-Vater findet ihr übrigens hier.

Priorität Plüschhase

Das flotte Aufeinanderfolgen der beiden Titel hat seinen Grund: Die Arbeiten an Deponia

Gestatten: Rufus, genialer Tüftler und nicht selten Opfer seiner eigenen Konstruktionen.
Gestatten: Rufus, genialer Tüftler und nicht selten Opfer seiner eigenen Konstruktionen...
begannen bereits vor knapp drei Jahren. Doch wie bei Daedalic üblich schob sich kurz vor der Fertigstellung mit Harveys Neue Augen ein anderes Spiel dazwischen. Ein Großteil des Teams kümmerte sich erst einmal um den Edna-Nachfolger, doch nun ist auch das Steampunk-Adventure auf der Zielgeraden: Ab Dienstag, 17. Januar dürfen Adventure-Freunde loslegen.

Ähnlich wie im alten Beneath A Steel Sky dreht sich die Geschichte um einen jungen Mann, welcher auf einem Müllplaneten lebt und von demselben entkommen möchte. Der selbstverliebte Protagonist Rufus ist das krasse Gegenteil der schüchternen Klosterschülerin Lilli aus Harveys Neue Augen. Seine Mitmenschen mögen sich mit dem Leben auf dem Müllplaneten arrangiert haben, doch er fühlt sich zu Höherem berufen. Er träumt von einem Leben in den „oberen Schichten“, den schwebenden Städten hoch über der Planetenoberfläche. Statt seiner Ex-Freundin Toni endlich etwas Untermiete zu

...und seine mehr oder weniger treuen Freunde Toni und Wenzel.
...und seine mehr oder weniger treuen Freunde Toni und Wenzel.
bezahlen, tüftelt er Tag und Nacht an abenteuerlichen Apparaturen herum, mit denen er der planetaren Schrotthalde entfliehen möchte. Da sein Optimismus um einiges stärker ausgeprägt ist als sein bastlerisches Talent, landet er aber ein ums andere mal wieder auf der Planetenoberfläche und macht sich unbewusst zum Gespött der Mitbewohner.

Raus aus dem Müll!

Zu Beginn des Spiels werde ich Zeuge davon, wie mein blindes Huhn endlich doch ein Korn findet. Seine abenteuerliche Shuttle-Konstruktion fällt zwar noch vor dem Start auseinander, trotzdem wird Rufus auf das Deck des angepeilten interplanetaren Raumkreuzers geschleudert. Durch sein Ungeschick entführt er aus Versehen die hübsche „Goal“, bevor er wie gehabt auf der Planetenoberfläche aufschlägt. Sie befand sich in der Gewalt der Organon: Viel ist über diese „Amtmänner“ mit mechanischen Bärten nicht bekannt, denn sie schotten die Deponier mit eiserner Hand von der der Außenwelt ab. Ihre humorlose Art erinnert ein wenig an die Vogonen aus Per Anhalter durch die Galaxis. Um das Herz der versehentlich befreiten Schönheit zu erobern, versucht Rufus, sie in ihre Heimat zurückzubringen. Da Goals Ehemann aus der Oberwelt ihm aber zum Verwechseln ähnlich sieht, fällt der Startschuss zu einer Verfolgungsjagd mit vielen Verwechslungen.

Während seine Angebetete noch im Koma liegt, erforsche ich also in der Rolle von Rufus im

Im langen ersten Kapitel erforscht man erst einmal gemütlich den  Schrottplaneten.
Im langen ersten Kapitel erforscht man erst einmal gemütlich den Schrottplaneten.
Stechschritt den Müllplaneten. In der Wohnung seiner Ex finde ich jede Menge biestige Zettel, auf denen sie ihm allerlei Dinge verbietet. Als ich ihr Zimmer durchwühlen möchte, hindert mich sogar ein in der Tür installiertes Fallbeil daran. Mein Alter Ego muss also zuvor einigen Unsinn angestellt haben. In einem Dialog mit ihr wird deutlich, wie weit Rufus‘ Eitelkeit geht: Alle sechs Dialog-Optionen drehen sich nur darum, wie sehr Toni ihn seiner Meinung nach vermissen werde, wenn er fort ist. Auch als er mit den finsteren Wachen des Organon aneinandergerät, schwadroniert er erst einmal in aller Ruhe über seine meisterhaften Fluchtfähigkeiten: „Erst bin ich hier, gleich schon weg. Wusch! Zack! Piuu!“ Dumm nur, dass die Amtmänner während seiner Selbstbeweihräucherung aufgeschlossen haben und ihn ohne Zögern auf den trostlos zugemüllten Boden der Tatsachen zurück befördern – inklusive von Matt Groening inspiriertem Sturz in unangenehm stachelige Kakteen.

Größerer Schwerpunkt aufs Visuelle

Allgemein ist der Humor diesmal mehr auf Slapstick ausgerichtet. Die Gags stammen wieder aus der Feder von Müller-Michaelis, doch diesmal haben sich auch die Zeichner mehr ins Zeug gelegt: Statt minimalistischen Bewegungen im Retro-Stil gibt es jetzt deutlich mehr Animationen zu sehen – z.B. wenn ein Briefkasten beim Abschrauben schwungvoll in der Luft rotiert. So detailreich und verschnörkelt wie in The Whispered World wird es zwar nicht, trotzdem bietet der über und über mit Schrott bedeckte Planet ein ansehnliches

Dort wimmelt es von skurrilen Charakteren wie diesem Arzt, Feuerwehrmann und Polizist in Personalunuion. Davor liegt Rufus' abgestürzte Flamme im Koma.
Dort wimmelt es von skurrilen Charakteren wie diesem Arzt, Feuerwehrmann und Polizist in Personalunuion. Davor liegt Rufus' abgestürzte Flamme im Koma.
Panorama.

Ähnlich wie in Harveys Neue Augen muss nach Rufus‘ Absturz zunächst einmal ein relativ großes Anfangs-Areal erkundet werden. Zu Beginn sind die Rätsel noch einfach und linear gehalten, was sich später aber ändern soll. Positiv fallen wieder die geschickt in Dialogen platzierten Hinweise auf. Daedalic verzichtet auf Hilfe-Funktionen, doch nach ein paar Gesprächen und Inventar-Experimenten kam ich bisher immer auf die Lösung. Nur beim Kalibrieren einer Harpune auf einem ausgelagerten Bildschirm hatte ich Probleme – diese eingestreuten Minispiele lassen sich aber wieder überspringen. Ein netter Kniff ist den Entwicklern bei der Steuerung eingefallen: Mit einem Dreh des Mausrads lässt sich das mittelgroße Inventar ruck-zuck öffnen und schließen. Wer möchte, kann komplett ohne Tastatur zocken, es funktioniert aber auch mit.

Ausblick

Eigentlich bin ich nicht gerade ein Freund des Steampunk-Themas, deswegen war ich auch bei Deponia zunächst skeptisch. Nachdem ich ein wenig über den Planeten gestapft bin, habe ich mich aber doch in die rostende statt glänzende Science Fiction-Welt verliebt. Die Geschichte von Edna-Schöpfer „Poki“ ist wieder gespickt mit jeder Menge verschrobener und liebenswerter Charaktere, welche viel Persönlichkeit ausstrahlen, statt nur Genre-Klischees abzuspulen. So irrwitzig komisch wie Harveys und Ednas Ausflüge wurde es bisher nicht, trotzdem musste ich häufig schmunzeln. Auch die Rätsel und vor allem die geschickt in die Dia- und Monologe eingebundenen Hinweise wirken wieder durchdacht. Darbende Genre-Fans können sich also auf ein unterhaltsames und knobellastiges Monatsende freuen. Wer einen kleinen Einblick in den Entwicklungsprozess gewinnen möchte, sollte auch einen Blick auf unser Interview mit Jan Müller-Michaelis werfen.

Ersteindruck: gut

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