Kane & Lynch 2: Dog Days27.07.2010, Mathias Oertel
Kane & Lynch 2: Dog Days

Vorschau:

Kane und Lynch sind wieder da. Beinahe drei Jahre nach dem ersten Abenteuer des ungleichen Duos rufen die beiden wieder zu den Waffen.  Und sie haben sich als Schauplatz für ihren Rachefeldzug die Stadt ausgesucht, die bereits von Salem und Rios in ihrem zweiten Auftritt heimgesucht wurde: Shanghai. Können die beiden Kämpfer der Hitman-Macher der dualen Action neue Impulse einhauchen? Wir haben die ersten Abschnitte angespielt.

Schatten der Vergangenheit

Lasst uns einen kurzen Blick zurückwerfen. Auf den Vorgänger von Kane & Lynch 2 - Dog Days (KL2), der Ende 2007 veröffentlicht wurde. Unter dem Strich hatte das Team von IO Interactive einen respektablen und ambitionierten Versuch unternommen, um sich auch abseits der Hitman-Serie als kompetente Action-Entwickler zu präsentieren. Das Erzähltempo war rasant, die Hauptcharaktere waren hochinteressant, es gab teilweise zerstörbare Umgebungen und mit der "Zerbrechlichen Allianz" bekam man einen sehr interessanten Mehrspieler-Modus.

Kane & Lynch sind zurück - und stecken auch in Shanghai schon wieder Hals über Kopf in Schwierigkeiten.
Dem gegenüber standen jedoch eine eher biedere Technik mit vielen Clipping-Fehlern sowie häufig schwacher Kollisionsabfrage und vor allem eine stark verbesserungsfähige KI, die letztlich den eigentlich verdienten Aufstieg in höhere Wertungsregionen verhinderten.

Wie es hinsichtlich kooperativer Action besser gemacht werden konnte, hat kurz darauf eine Zweierarmee aus dem EA Studio Montreal gezeigt, die Anfang dieses Jahres zu einem zweiten Abstecher nach Fernost aufbrach, genauer: Shanghai.

Und ob Zufall oder nicht, Shanghai ist auch der neue Tatort für Kane & Lynch, wobei wir uns die Story sowie alles, was damit zusammenhängt, für den finalen Test aufbewahren. Nur so viel sei gesagt: Über Umwege entwickelt sich die Geschichte wieder zu einem Rachefeldzug, in deren Verlauf scheinbar kein Stein auf dem anderen bleibt.

Wer abrutscht, darf nochmal...

Dementsprechend war ich gespannt, ob IO die Mankos des Vorgängers behoben und ob man im Rahmen der Entwicklung auch über den Tellerrand geschaut hat - immerhin hat sich der Koop-Shooter im Laufe der letzten drei Jahre weiterentwickelt.

Nach vier gespielten Missionen bleibt jedoch ein gespaltener Eindruck zurück. Nicht, was die Action betrifft - die ist ähnlich intensiv wie in Teil 1. Man gerät in harte Feuergefechte, bei denen man (wieder einmal) die Umgebung häufig zerlegen kann, was natürlich für eine schnelle Reduzierung der zur Verfügung stehenden Deckungspunkte sorgt - wobei allerdings schon das ein paar Jahre alte Stranglehold in dieser Hinsicht insgesamt weiter war.

Wie viele andere Ballerereien verlässt sich KL2 mechanisch auf ein Zwei-Waffen-System, wobei man alle von den Gegnern fallen gelassenen Schießprügel aufsammeln kann, um damit sein Arsenal dynamisch zu verändern.

Abstand genommen hat man übrigens von den Befehlen, die man seinem Partner bzw. Team geben kann. Sowohl Kane als auch die ggf. mit einem laufenden anderen Kameraden gehen ihre eigenen Wege und warten nur gelegentlich auf einen, wenn es darum geht, den nächsten Checkpunkt zu erreichen oder die nächste Tür zu öffnen. Der Vorteil liegt darin, dass man sich nicht mehr um die Kompagnons kümmern muss, da sie offensichtlich gegen einen Großteil der Angriffe gefeit zu

Einige Probleme des Vorgängers wie z.B. KI-Schwächen haben nach wie vor Bestand. Trotzdem weiß die Action zu gefallen.
sein scheinen. Zumindest in den vier spielbaren Abschnitten gab es nur immer wieder Lynchs Ableben zu beklagen. Und auch das ist nicht etwa dem überaus intelligenten Agieren der gegnerischen Klonarmeen zuzuschreiben, sondern eher der Masse an bewaffneten Kräften, die auf einen zustürmt sowie der analog zum gewählten Schwierigkeitsgrad höheren Trefferquote.

Alte Probleme

Oder mit anderen Worten: Die KI ist immer noch nicht das Gelbe vom Ei. Mal laufen die Feinde wie an der Schnur gezogen auf ihrem vorgesehenen Laufweg in mein Gewehrfeuer, ein anderes Mal gehen sie in Deckung und vergessen dabei, dass ich diese Flanke bereits seit einigen Minuten erfolgreich beharke und einige ihrer Kollegen auf dem Gehweg liegen.

Immerhin laufen sie trotz gewisser Tendenzen nicht immer die gleichen Wege ab, so dass sie in den zwar linearen, aber mitunter großräumig gestalteten Abschnitten immer andere Ausweichpositionen suchen und es sogar gelegentlich schaffen, einen zu flankieren.

Dennoch: Unter dem Strich spielt sich KL2 nicht großartig anders als der Vorgänger. Etwas eingängiger vielleicht, etwas schneller und sogar etwas intensiver. Doch da die KI-Probleme nach wie vor Bestand haben und auch die immer wieder zweifelhafte Kollisionsabfrage nach wie vor durchscheint (wenngleich nicht mehr ganz so dominant), dürfte das Duo auf seinem Asientrip Schwierigkeiten bekommen, im Konzert der ganz großen Action-Highlights eine wichtige Rolle zu spielen - zumindest für Solisten. Denn letztlich bietet man hier nichts, was man in einem anderen Titel nicht auch erleben kann. Daran kann auch der Arcade-Modus nichts ändern, der im Prinzip die wahlweise mit Bot gefüllte Variante der "Zerbrechlichen Allianz" des Vorgängers darstellt.    

Potenzial

Interessanter sieht es da schon mit den puren Onlinemodi aus: So wird der bekannte Modus um "Räuber und Gendarm" sowie "Undercover Cop" ergänzt, wobei vor allem Letztgenanntes interessant klingt: Einer der Akteure (wahllos zu Beginn einer Runde ausgewählt) ist ein Polizist und muss dafür sorgen, dass die anderen nicht mit der Beute entkommen - Reservoir Dogs lässt grüßen.

Wer keine Mitspieler zur Verfügung hat, kann im Arcade-Modus auch von Bots unterstützt auf Beutejagd gehen.
Ebenfalls interessant ist die Möglichkeit, die Kampagne kooperativ zu erleben, wobei sowohl lokales Spiel am Splitscreen als auch per Xbox Live bzw. PSN unterstützt wird. Auf das Mehrspieler-Erlebnis werden wir allerdings auch erst im Test eingehen, unter anderem weil hier viel von der Anzahl und Gestaltung der Karten abhängen wird, von denen in der vorliegenden Fassung nur eine integriert war. Die hinterließ allerdings einen interessanten Eindruck.

Interessantes Look & Feel

Nachdem sich die Änderungen und Fortschritte in KL2 im Vergleich zum Vorläufer in überschaubaren Grenzen aufhalten, fragt man sich natürlich, woran IO die letzten Wochen und Monate gearbeitet hat. Die Antwort findet sich definitiv in der Visualisierung. Stilistisch betreten Kane & Lynch Neuland. Sicher: Wackelkamera gibt es immer wieder in Spielen, man erinnere sich nur an die Laufsequenzen der Gears of War-Serie.

Doch in keinem Titel wurde dieses Stilmittel so konsequent und überzeugend eingesetzt wie hier. Wer also etwas mit Filmen mit verwackelter Handkamera wie Cloverfield anfangen kann, wird sich sofort mit der Kulisse anfreunden können. Nur, dass sich hier zusätzlich noch Bildstörungen, Artefakte Blendenfehler, unglückliche Lensflares und andere Merkmale sehen lassen, bei denen ein Hollywood-Kameramann im Normalfall einen vierfachen Herzinfarkt bekäme.

Dadurch wirken die Hundetage, die die beiden erleben, eher wie eine Schmalspur-Dokumentation als wie ein Hochglanz-Hollywood-Action-Blockbuster - im positiven Sinn. Allerdings wirkt dieses Stilmittel in einem Punkt aufgesetzt: Wo Titel wie Cloverfield eine legitime Erklärung für die Schüttelkamera anbieten, bleibt KL2 bislang schuldig, wer hinter der Kamera steckt - im schlimmsten Fall niemand, wodurch diese Form der Visualisierung zwar nicht wirklich an Wucht verliert, aber erzählerisch eine weitere Schwachstelle offenbaren würde. Und wem das alles zu unruhig ist, kann in den Optionen sogar die "Steadycam" aktivieren, die das Bild ungleich sanfter auf den Bildschirm bringt.

Das Deckungssystem funktioniert gut und sorgt mit der Wackelkamera für intensive Gefechte.
Aber auch wenn man durch die hektische Kameraführung mitunter den Eindruck bekommt, dass das Shanghai-Abenteuer des ungleichen Duos beinahe fotorealistisch ist, bleibt man letztlich doch weit entfernt davon. Zu unsauber wirken manche Texturen im Detail, wer genau hinsieht, wird immer wieder Tearing-Probleme entdecken, die Mimik ist bei Weitem nicht so ausgereift wie z.B. in Uncharted 2 und auch die Interaktion mit der Umgebung ist abseits der an vorgesehenen Punkten zerstörbaren Kulisse nur eingeschränkt möglich. Man kann teilweise nicht einmal bei den in die Szenerie eingelassenen Polizeiwagen die Reifen zerschießen.

Und als Stilmittel vollkommen verfehlt sehe ich die Verpixelung bestimmter Szenen oder Ereignisse, die nach Publisher-Angaben nicht nur in der deutschen USK-Version auftreten werden. Dies geht gegen den direkten authentischen Charakter der Verfolgerkamera, da es nachbearbeitet wirkt und das Erlebte vollkommen unnötig abschwächt.  Und es widerspricht auch dem kompromisslosen Intro, in dem Kane & Lynch gefoltert werden, wobei beide allerdings sehr plastikhaft glänzen.   

Ausblick

Stellt man die Schwachpunkte und Stärken von Kane & Lynch 2 denen des Vorgängers gegenüber, könnte man den Eindruck bekommen, dass sich IO Interactive einen feuchten Kehricht um Kritik kümmert. Gute bis sehr gute Action, gepaart mit teils auffällig schwacher KI, eingebettet in ansehnliche, aber durchschnittliche Technik: Das gab es alles auch schon in Teil 1. Und dennoch habe ich nach den vier Abschnitten der Vorschau-Version nur schweren Herzens vorläufigen Abschied vom  Shanghai-Abenteuers des Action-Duos genommen. Sicher: Die Ballereien samt Deckungssystem hat man in der einen oder anderen Form schon zigmal irgendwo anders gesehen. Dass ich trotz der Austauschbarkeit der Gefechte dennoch neugierig geworden bin, ist zum einen den erweiterten Mehrspielermodi sowie der kooperativ erlebbaren Kampagne, zum anderen aber vor allem der Visualisierung zuzuschreiben. Die dokumentarische Wackelkamera wurde noch nie in einem Spiel derart überzeugend eingesetzt und vermittelt die Hektik sowie Kompromisslosigkeit des Rachefeldzugs in Shanghai sehr schonungslos. Leider sorgen mitunter unerklärliche und unschöne Verpixelungen für einen temporären Verlust der Authentizität. Doch auch abgesehen davon bleiben einige Fragen offen, auf die wir erst in der finalen Version eingehen können, darunter z.B. die nach der Story-Entwicklung und ausreichend spielerischer Abwechslung innerhalb der Abschnitte.

Ersteindruck:  gut

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