Sleeping Dogs04.06.2012, Benjamin Schmädig
Sleeping Dogs

Vorschau:

Schlafende Hunde soll man nicht wecken - sagt man. United Front Games (ModNation Racers) macht es trotzdem. Nachdem aus True Crime: Hong Kong Sleeping Dogs (ab 14,90€ bei kaufen) wurde, haben sie einfach weiter an ihrem Spiel gearbeitet. Was hat sich seitdem geändert geändert? "Gar nichts!", sagt Produzent Dan Sochan. Und was steckt drin? Nur ein "Asiatisches GTA"?

Zuhause unter Fremden

Die Geschichte vom verdeckten Ermittler, der Hong Kongs Triaden unterwandern soll, war von Anfang an drin. Es gab sie, bevor das Spiel von Activision zu einem True Crime wurde und es gibt sie, nachdem Activison diesem True Crime den Rücken kehrte. Wei Shun  wurde in Hong Kong geboren, lebte den Großteil seines Lebens aber in Nordamerika. Seine alten Kontakte zur Unterwelt des exotischen Großstadt-Molochs sollen ihm Zugang zur Sun On Yee-Triade verschaffen - mit Einzelheiten zum Plot halten sich die Entwickler noch zurück.

Produzent Sochan betont allerdings, dass sie eine emotionale Geschichte erzählen wollen. Der Zwiespalt, sich zwischen seiner Überzeugung und seinen alten Freunden zu entscheiden, soll eine wichtige Rolle spielen. Es gibt nur einen Handlungsfaden, keine unterschiedlichen Enden, die Erzählung soll dafür umso stärker sein. Schade, dass das bis jetzt nur ein Versprechen ist, denn gezeigt haben United Front und Square Enix erst wenige Szenen. In einer davon muss Wei brutale Folter über sich ergehen lassen, emotionale Höhepunkte erlebte er aber noch nicht.

Geld, Frauen und... Kampfbroiler!

Bislang waren vor allem kleine Ausschnitte der offenen Welt spielbar - ich konnte einen Stadtteil, aber noch nicht das frei begehbare Hong Kong erforschen. In diesem Stadtteil fehlten zudem noch viele Inhalte, auf die ich besonders gespannt bin: Glücksspiel, Hahnenkampf, Karaoke, das Ausführen von Frauen. Auch mit dem

Wei Shuns Odyssee durch Hong Kong soll eine ebenso gnadenlose wie emotionale Achterbahnfahrt werden.
Wei Shuns Odyssee durch Hong Kongs Unterwelt soll eine ebenso gnadenlose wie emotionale Achterbahnfahrt werden.
Boot durfte ich noch nicht fahren. Dabei soll es später Rennen und Verfolgungsjagden auf dem Wasser geben. Ich liebe es, in einer vielseitigen, in sich glaubhaften Welt zu versinken: Yakuza sei genannt, Red Dead Redemption schaffte ähnliches und den Fakten nach könnte Sleeping Dogs das Beste der westlichen und asiatischen Welten verbinden.

Auch von mehr als 150 Nebenmissionen habe ich nur einen winzigen Ausschnitt erlebt. Dabei kann ich nicht nur Wettrennen fahren oder feindliche Triaden verprügeln. Er darf auch Fahrzeuge verfolgen, Tatorte fotografieren, Computer oder Safes knacken, Wanzen anbringen, Drogenhändler mit dem Fotoapparat auf frischer Tat ertappen - polizeiliche Spurensuche eben. Nicht zuletzt kleidet sich der Undercover-Mann in Boutiquen neu ein, richtet mehrere Appartements ein und stockt seinen Fuhrpark mit zahlreichen Autos und Motorrädern aus. Selbst auf eine Vespa hatte ich ihn schon gesetzt - drolllig. Und: In Hong Kong fährt man selbstverständlich links.

Aufputschmittel "Hausgemachte Suppe"

Überhaupt will United Front die Metropole so lebensecht wie möglich einfangen: von der trostlosen Betonwüste hier bis zum nächtlichen Neontreiben im nächtlichen Vergnügungsviertel. Und das gelingt ihnen auch. Ich vermisse bislang

Prägnante Straßenzüge wie in Liberty City (GTA IV) fehlten bisher, dafür fasziniert Hong Kong mit seiner exotischen Kulisse.
Prägnante Straßenzüge wie in Liberty City (GTA IV) fehlten bisher, dafür fasziniert Hong Kong mit seiner exotischen Kulisse.
allerdings ein paar enge Gassen und die eine oder andere Sehenswürdigkeit. Prägnante Straßenzüge, wie sie ein Liberty City darstellt, scheint man hier nicht einzufangen.

Eine ganz andere Eigenheit stellen sie aber dar: Suppenhändler und Massagestudios. In diesen erhält Wei eine Stärkung, mit der er z.B. weniger Schaden einsteckt. Zum Glück halten diese Leistungssteigerungen eine Weile, so dass ich nicht alle paar Minuten nachbessern musste. Und selbst wenn die Stärkung mitten im Kampf oder während einer Verfolgung nachlassen sollte: Die Entwickler wollen jede Mission so gestalten, dass sie ohne "Aufputschmittel" machbar ist.

Der Teufel liegt im Detail

Und sie versprechen noch etwas anderes: Mit Sleeping Dogs wollen sie jedes Element so ausarbeiten, dass es ein eigenständiges Spiel tragen könnte. Verfolgungsjagden sollen sich wie in einem guten Rennspiel anfühlen, das Schießen wie in einem guten Shooter, das Rennen und Klettern wie in einem Action-

Harte Schlägereien stehen ähnlich wie in Batman: Arkham City auf der Tagesordnung.
Harte Schlägereien stehen ähnlich wie in Batman: Arkham City auf der Tagesordnung.
Rollenspiel und die Kämpfe wie Handgemenge eines guten Kombo-Prüglers.

Tatsächlich erinnern die Schlägereien an Batmans Ausflüge nach Arkham Asylum und Arkham City, denn mit einem Konter kann Wei jederzeit eine Attacke abwehren. Hält er einen Gegner fest, kann er ihm besonders großen Schaden zufügen, wenn er ihn über Geländer schmeißt, in einen Lüftungsschaft knallt oder die Umgebung anderweitig nutzt. Die Möglichkeiten sind vielfältig - hier fängt United Front das brutale Hong Kong-Kino ein. Die Bewegungen alle Kämpfer gehen zwar noch nicht so glaubhaft ineinander über wie es Batman schaffte und die Darstellung des gnadenlosen Prügelns wirkt in Yakuza intensiver. Fordernd und variantenreich sind die Handgemenge aber allemal. Neue Angriffsketten lernt Wei übrigens bei Lehrmeistern der Kampfkunst.

Rutsch rüber!

Auch die motorisierte Action macht Spaß, hat mich aber noch nicht ganz überzeugt. Es liegt daran, dass die Wagen wie Bretter auf der Straße liegen, in engen Kurven plötzlich hart ausbrechen und sich dann ebenso schnell wieder fangen. Mir fehlt die nachvollziehbare Dynamik eines im Ansatz glaubwürdigen Fahrmodells.

Die Fahrphysik erinnert leider an die Need for Speed-Titel von Black Bo - das Umsteigen in ein anderes Auto ist allerdings klasse.
Die Fahrphysik erinnert leider an die Need for Speed-Titel von Black Box - das Umsteigen in ein anderes Auto ist dafür klasse.
Kein Wunder: Ehemalige Black Box-Mitarbeiter kümmern sich bei United Front um das Verhalten der Vehikel, mit dem sie schon in vergangenen Need for Speed-Ausflügen nicht brillieren konnten.

Per Knopfdruck ramme ich zudem andere Fahrzeuge - etwa um Polizisten abzuschütteln oder mir eine bessere Position im Rennen zu verschaffen. Die Idee ist gut. Lieber wäre mir allerdings, wenn ich ohne Knopfdruck-Automatik schnell zur Seite ziehen müsste. Eine andere gefällt mir auch in ihrer Umsetzung bedeutend besser: Fährt Wei nah genug an ein Fahrzeug heran, kann er sein eigenes noch während der Fahrt verlassen und nach vorne überspringen. Den Fahrer tritt er kurzerhand zur Tür hinaus und schon hat er vier neue Räder. Na, also: Das ist cool!

Altbekanntes

Von den Bleiwechseln konnte ich mir in der aktuellen Demo übrigens kein richtiges Bild verschaffen - die habe ich in einer früheren Fassung erlebt. Deckungssystem und Zeitlupen sorgten dort für eine angenehme John Woo-Ästhetik, ohne allerdings in Präzision und Durchschlagskraft einem Max Payne gleichzukommen.

Eine coole neue offene Welt oder nur ein "Asiatisches GTA"?
Eine coole neue offene Welt oder nur ein "Asiatisches GTA"?
Und auch das Rennen durch Hong Kongs Straßen hatte ich damals schon erlebt: Wei sprintet bei gehaltener Taste über den Asphalt, springt automatisch über Tische oder Zäune und zieht sich an Vorsprüngen rauf. Der Kniff ist: Drücke ich die Sprinttaste im richtigen Moment ein zweites Mal, überwindet er die Hindernisse schneller und eleganter.

Inhaltlich war das, was ich damals wie heute erlebt habe, sehr bodenständig: Wei fährt durch die Stadt, muss sich prügeln und greift zur Waffe, falls er eine findet. Die Polizei reagierte dabei angenehm nachvollziehbar, sobald sie Zeuge eines Kampfes wurde und schlägt sofort Alarm. Wie in anderen offenen Welten muss Wei seine Verfolger anschließend abschütteln, bevor die ihren Alarm aufheben. Wird er hingegen verhaftet , startet er von der Wache aus neu. Er kann einer Verhaftung allerdings entgehen, denn falls ich im richtigen Moment eine Taste drücke, dreht er den Spieß einfach um und dem Polizisten die eigenen Handschellen an. Witzig!

Ausblick

Vielleicht überzeugen die einzelnen Elemente nicht ganz so wie United Front es vorhatte - dennoch merkt man der Action auf Rädern, am Abzug und im Nahkampf den Feinschliff an, den sie in anderen offenen Welten nicht bekommt. Kugelhagel in Zeitlupe, der Wagenwechsel bei voller Fahrt, brutales Komboprügeln Mann gegen Männer: Ich habe in Hong Kong meinen Spaß! Allerdings fehlte den exotischen Kulissen bislang viele Bausteine, so dass sich das eigentliche Spiel noch immer hinter gut klingenden Versprechen versteckt. Dazu zählt Zeitvertreib wie Glücksspiel, Bootsrennen, Hahnenkampf und natürlich das Ausführen zahlreicher Damen. Gerade die herrlich sinnfreien Elemente sind es, mit denen eine solche Kulisse als Spielwelt greifbar wird. Vor allem aber fehlte bisher die emotionale Geschichte, die der Produzent verspricht. Denn so gut Rockstar einzigartige Charaktere erschaffen kann: Mit einem fesselnden Drana könnte Sleeping Dogs tatsächlich "Mehr als ein asiatisches GTA" werden!

Ersteindruck: gut

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