Vanquish15.09.2010, Paul Kautz
Vanquish

Vorschau:

Es ist gerade mal gut ein halbes Jahr her, dass wir uns in Japan von Shinji Mikami eine frühe Fassung von Vanquish (ab 11,30€ bei kaufen) haben vorführen lassen - und jetzt ist das Spiel schon fast fertig! Wir konnten im Rahmen der Tokyo Game Show nun auch selbst Hand an den scheinbar so ungewöhnlichen Shooter legen.

Cool McCool im Robo-Anzug

Video: Zur Abwechslung werden mal nicht New York oder Tokio verwüstet - das Stadtopfer in Vanquish ist San Francisco!»Scheinbar so ungewöhnlich«? Mag mysteriös klingen, ist es aber nicht. Denn in seinem Kern ist Vanquish ein wie viele andere - Gears of War und Lost Planet standen in mancherlei Hinsicht ziemlich offensichtlich Pate. Aber Vanquish tarnt diese dezente Ideenlosigkeit sehr effektiv: Mit wahnwitzigem Tempo, einem Effekte-Overkill sondergleichen sowie verdammt viel Lässigkeit.

Schon im Hauptmenü driften entspannte Beats durch langsam rotierende Raumstation und stimmen optimal auf das nachfolgende Tutorial ein. Actionmeister können es sich im Grunde sparen, aber dennoch kann es nicht schaden, die zehn benötigten Minuten zu opfern - nicht nur aufgrund der fröhlich mauligen Dialoge. Sondern vor allem, weil der schnittige weiße Anzug von Held Sam Gideon einige Besonderheiten hat, die man zu lenken lernen sollte.

Ich booste, also bin ich

Laufen, springen, ballern, in Deckung hechten - damit lockt man heute keinen Fenix mehr hinter einer Kettensäge hervor. Das war wohl einer der Gründe dafür, dass Designer Shinji Mikami einfach mal einen sechsten Gang eingebaut hat - Vanquish ist schnell, verteufelt schnell! Schon im »normalen« Modus spielt es sich wie Gears of Speed, wenn noch der Boost ins Spiel kommt, dann wird aus dem weißen Anzug ein roter Ferrari: Sam gleitet von einem glühenden Antrieb befeuert auf Knien durch die Landschaft, was zwar albern aussehen mag, aber sich toll steuert. Damit kann er nicht nur rasant von Deckung zu Deckung zischen, sondern erreicht auch ratzfatz jeden Gegner, der direkt im Anschluss aus einer eleganten Drehung heraus die Angriffskraft des Anzuges zu spüren bekommt: Die Nahkampfattacke haut wahnwitzig rein und ist je nach gewählter Waffe eine andere. Startet man den Angriff direkt aus dem Boost heraus, wird daraus sogar ein extra-mächtiger Sprungkick, der nicht nur verheerende Wirkung zeigt, sondern vor allem saucool aussieht!

Sehr nützlich ist auch das AR-System, das sich der Einfachheit halber als »Notfall-Zeitlupe« zusammenfassen lässt: Steht Sam kurz vor dem Exitus, aktiviert sich das System automatisch und verschafft ihm eine willkommene Atempause in Form von stark verlangsamter Zeit, in der er besonders hartnäckige Feinde zielsicher ausschalten kann. Man ist allerdings nicht auf die Automatik angewiesen, das AR-System lässt sich auch 

Die Gegner mögen ziemlich doof sein, sie liefern aber doch eine gute Herausforderung - und die Gefechte laufen herrlich schnell und actionreich ab!
manuell aktivieren. Allerdings kann man damit und mit dem Boost nicht allzu verschwenderisch umgehen, denn beides kostet sehr viel Energie. Ist diese verbraucht und der Anzug damit überhitzt, muss er kurz abkühlen - mitten im Bossfight ist das eine sehr, sehr schlechte Idee.

Die Russen mal wieder

Zur Story von Vanquish war bislang kaum etwas bekannt - davon abgesehen, dass die USA mal wieder mit Russland zusammenstoßen. Mittlerweile sind die Fragezeichen im Großen und Ganzen verschwunden, denn ein langes Intro leitete das spielbare erste Kapitel ein: Alles ist gut in San Francisco, die Leute sind glücklich, die Jogger joggen, die Hot Dog-Verkäufer preisen ihre Waren an, ein fröhliches Kind hopst mit einem Ballon durch die Stadt. Doch etliche Kilometer über den Wolkenkratzern braut sich Unheil zusammen: Eine Raumstation macht ähnlich einem Transformer Klackklack, ein riesiges Kanonenrohr setzt sich zusammen, es brummt bedrohlich - und dann wird ein mächtiger roter Strahl auf die Stadt abfeuert. Mikrowellen! Wer schon einmal ein Ei dieser Strahlung ausgesetzt hat, der weiß, was mit den Bewohnern der Westküstenstadt passiert - sie werden gebrutzelt, bei lebendigem Leibe gekocht, die ganze Metropole nebst all ihrer Einwohner wird komplett vernichtet! Eine Putschergruppe namens »Orden des russischen Sterns« übernimmt die Verantwortung für den Anschlag und bedroht die USA: Wird nicht innerhalb eines Tages bedingungslos kapituliert, fallen immer mehr Städte der verheerenden Waffe zum Opfer. Klar, dass die größte Streitmacht auch der zukünftigen Welt nicht mit sich verhandeln lässt: Es wird verbittert zurückgeschlagen, und an vorderster Front steht Sam Gideon.       

Praktisch alles, was in der Umgebung herumstaht, kann zur Deckung genutzt werden. Aber Achtung, fast alles lässt sich mit entsprechender Firepower auch zerbröseln!
Neben seinem Standard-MG sowie ein paar Granaten kann der kettenrauchende Sam noch zwei weitere Waffen mit sich tragen - Scharfschützengewehr, Elektro-Shotgun, Raketenwerfer, Predator-kompatible Schnetzeldisk oder ein Laser, der mehrere Feinde gleichzeitig anvisiert. Genau genommen ist es aber immer doch nur eine Knarre, denn wenn man eine andere anwählt, verwandelt sich die Transformers-Kanone mit einem coolen Zusammenklapp-/Auseinanderklapp-Effekt von der alten in die neue. Um neue Waffen zu erhalten, muss man sie von gefallenen Feinden oder aus speziellen Behältern auflesen. Außerdem lässt sich jede einzelne davon verbessern: Gelegentlich liegen grün leuchtende Upgrade-Symbole auf dem Schlachtfeld. Sammelt man diese ein, wird die aktuelle Knarre in der einen oder anderen Weise verbessert - mal gibt es höhere Durchschlagskraft, mal ein dauerhaft größeres Magazin. Geht einem die Munition aus, hat man mehrere Möglichkeiten: 1.) den Nahkampf - gegen Otto-Normalrussenrobo eine prima Sache, gegen einen schreienden Riesen, der eine gigantische Elektrokeule mit eingelassenen Kreissägen schwingt, eine nicht ganz so brillante Idee. 2.) Stationäre Geschütze und kleinere Mechs, die man allerdings zuvor von ihren ursprünglichen Lenkern befreien muss. 3.) Die Suche nach einem Kameraden, der gerade Hilfe braucht. Man ist meist in einer großen Gruppe unterwegs, die komplett autonom kämpft - und das nicht besonders gut. Wird also ein Schlachtbruder verletzt, kann man hin flitzen und ihm aufhelfen, was normalerweise mit etwas Munition belohnt wird.

Das kenne ich doch...

Ein Spiel, das derart hektisch ist wie Vanquish, benötigt auch eine entsprechend rasante Kulisse - und Mikami enttäuscht nicht. Vanquish ist das Red Bull unter den 3rd-Person-Shootern, die Gefechte sind wahnsinnig schnell (was auch daran liegt, dass die Gegner-KI

Mit dem Boost kommt man ratzfatz von einem Punkte zum nächsten - aber genau wie der Zeitlupen-Einsatz verbraucht er ziemlich schnell die Anzugenergie...
etwa auf dem Niveau von Holz liegt) und actionreich; überall kracht und scheppert und schwirrt und wummst es, mächtige Explosionen mit fettem Trümmerfeld bersten an allen Ecken und Enden der Raumstation - und zerlegt man einen Bossgegner nach aufreibendem Kampf endlich, vergeht er in einem Partikel-Overkill, den es noch nie zu sehen gab! Dazu wummert ein in Videospielen recht ungewöhnlicher Soundtrack aus den Boxen: Eine Art Speed-Trance verpasst der chaotischen Action eine zusätzliche Reizstufe. Keine Frage: Audiovisuell zählt Vanquish zu den interessantesten Titeln dieses Jahres!

Spielerisch hingegen wird auch nur mit Wasser gekocht: Das Missionsdesign des ersten Kapitels ist generisch, bietet gewohnten Genrestandard und wenig Überraschungen - Feinde zurückdrängen, gefangene Kameraden befreien, Geleitschutz für ein gepanzertes Fahrzeug geben. Okay, letztere Mission ist dadurch interessant, dass man durch einen zappendusteren Tunnel stapft, der von etwa kaltem Licht erhellt wird - und riesige Quallen-artige Gegner aus dem fiesen Schwarz auftauchen. Ist allerdings auch nicht neu, einen vergleichbaren Level gab es bereits in Gears of War 2.    

Ausblick

Nein, Innovationspreise wird Shinji Mikami für Vanquish nicht ernsten - dafür aber mit Sicherheit jede Menge Stilpunkte: Vanquish ist schnell, bombastisch, lässig; eine Mischung aus Anime und Michael Bay-Film. Okay, die Story ist Trash, aber dafür fabelhaft inszeniert, das Spieldesign über weite Teile eher konservativ, aber cool, unterhaltsam und einfach zu steuern - außerdem ist Sam Gideon ein angenehm ungebügelter Held. Vanquish wird die Videospielewelt mit Sicherheit nicht aus den Fugen hauen, dafür verlassen sich die Entwickler zu sehr auf bewährte Zutaten. Aber es wird mit Sicherheit für einige Stunden fetziger Action sorgen, die man so schnell nicht vergisst.

Ersteindruck: gut

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