Driver: San Francisco15.06.2010, Paul Kautz
Driver: San Francisco

Vorschau:

Vor elf Jahren wurde Spielgeschichte geschrieben: Erstmals gab es eine gigantische offene 3D-Welt, durch die man lässig mit seiner coolen Karre cruisen, powerdriften und sliden konnte. Und das in bekannten Städte wie San Francisco oder New York, deren fahrerisch interessante Stellen glaubwürdig umgesetzt wurden - Driver war etwas ganz Besonderes. Nachdem die Serie im Laufe der Jahre zu sehr in Richtung GTA tendierte, kehrt sie jetzt mit Driver: San Francisco (ab 3,61€ bei kaufen) in die heimatliche Garage zurück. Wir haben Ubisofts neuen Racer beim Entwickler Reflections im englischen Newcastle ausführlich gespielt.

Tanner ist zurück

Der Name, um den bis heute morgen ein großes Geheimnis gemacht wurde, lässt wohl kaum viele Fragezeichen zurück: Es ist ein neues Driver, es spielt in San Francisco - und zwar nur in San Francisco. Die Stadt wurde nicht nur wegen ihrer Berühmtheit in Actionfilmen der 70er Jahre, sondern auch wegen ihrer weltweit

Mächtig blubbernde Karren, ein lässiges Fahrmodell und die Konzentration auf eine abwechslungsreiche Stadt - Driver: San Francisco kehrt zu den Wurzeln der Serie zurück.
einzigartigen und abwechslungsreichen Straßenarchitektur gewählt. Wobei sie keineswegs komplett nachgebaut wurde, es sind »lediglich« 208 Straßenmeilen (entspricht etwa 335 km) zu befahren. Stattdessen haben sich die Entwickler die interessantesten Straßen und fahrerisch anspruchsvollen Stellen der Stadt ausgesucht und diese zu einem einigermaßen glaubwürdigen Driver-Spielplatz zusammengestellt - »inspired by San Francisco« dürfte es wohl am ehesten treffen, auch wenn Kenner der Stadt viele bekannte Ecken, Straßen und Sehenswürdigkeiten wiederfinden dürften.

Die Fahrt zurück zu den Wurzeln der Serie bedeutet eine starke Betonung der Verfolgungsjagden - die Entwickler wollen laut eigener Aussage »die realistischen Autoverfolgungen im Hollywood-Stil in einem Videospiel« bieten. Dafür hat man sich natürlich stark von eben solchen Filmen inspirieren lassen, von den 70ern bis heute: Von Bullit bis Bourne, von French Connection bis The Italian Job, von den Blues Brothers bis zu den Dukes of Hazzard. Das Ganze spielt zwar in der Gegenwart, orientiert sich aber stilistisch an den Siebzigern, was man nicht zuletzt am Soundtrack hören soll: Die Entwickler versprechen 60 lizenzierte Songs, viel von damals, viel von heute, keinerlei Mainstream - dafür aber lässig pumpende Tracks, die in Richtung eines Pulp Fiction gehen sollen.

Da blubbert der Motor!

Wenn man an erwähnte Filme denkt, dann denkt man nicht an Ford Fiesta und Smart - man denkt an den Mustang, den Dodge Challenger oder den Shelby GT 500. Laut Game Director Martin Edmondon sind diese Gedanken genau die richtigen: »Denk einfach an einen beliebigen Verfolgungsfilm - es ist ziemlich wahrscheinlich, dass wir dieses Auto im Spiel haben«. 120 lizenzierte

Dank des Shift-Features kann man jeden einzelnen Wagen auf der Straße übernehmen - was interessante Auswirkungen auf das Missionsdesign haben dürfte.
Fahrzeuge, alte und neue, tummeln sich in Driver: San Francisco (DSF), und ein Großteil davon fährt sich eben so, wie man es aus dem ersten Teil kennt: Mächtig quietschen die Reifen beim Rutschen in die Kurve, klappernd verabschiedet sich eine Radkappe, die weichen Stoßdämpfer ächzen auf, der V8-Motor brüllt wie ein wilder Stier - Steve McQueen, »The King of Cool«, würde breit grinsen. Alle Wagen verfügen über ein detailliertes Schadensmodell und lassen sich durch rüpelhafte Fahrweise Stück für Stück zerlegen: Erst verziert ein knackender Riss die Scheibe, dann verabschieden sich Kotflügel und Co., am Ende sollte man sich schleunigst aus dem qualmenden Metallhaufen verziehen.

Das geht am einfachsten, indem man auf die X-Taste (Xbox 360: A) drückt - und man sich auf einmal einige Meter über der Straße befindet. Unten hat die KI das Fahren übernommen, das Spiel läuft in Zeitlupe weiter, alles ist in schummrigen Blautönen gehalten. Man kann nun frei über die Straßen schweben, bei jedem Auto, das man mit dem Cursor erwischt, werden ein paar Modell-Informationen eingeblendet. Wenn man möchte, kann man sogar noch weiter rauszoomen, bis man San Francisco in seiner Gesamtheit überblicken und zu jeder beliebigen Stelle der Stadt springen kann. Die Aussicht ist schön, aber nicht der Inhalt des Spiels, also geht's zurück auf Straßenniveau und von dort aus zu einem beliebigen Auto: Oha, ein rotes Cabrio - nehme ich! Ein erneuter Druck auf X, und schon gehört die Karre mir - ich habe gerade »geshiftet«       

Need for Shift

Das »Shift«-System basiert darauf, dass sich das ganze Spiel (oder zumindest der Teil davon, den ich spielen konnte und von dem mir erzählt wurde) im Kopf des Helden Tanner abspielt. Der wurde am Ende von Teil 3

Technisch kann DSF bislang nicht aus den Socken hauen, liefert aber solide Bilder, coole Wagen und eine glaubwürdig aufgebaute Stadt.
von seinem Erzfeind Jericho niedergeschossen, woraufhin der im Knast und Tanner im Koma landete. DSF ist quasi das Koma-Erlebnis von Tanner, was erklärt, wieso er wie ein Geist herumschwirren und jeden Fahrer übernehmen kann. Oder es könnte es erklären, wenn man auf so etwas Wert legt.

Das Shiften ist nicht nur Spielerei, sondern hat zwei handfeste Schwerpunkte: Zum einen ist es Teil der Story und eine Art, wie man Missionen erhält. Denn wenn man ein Auto übernimmt, übernimmt man auch die Persönlichkeit des Fahrers - und damit eine Mission. Das kann etwas Harmloses sein (wie eine Frau, die ihren Freund vom Flughafen abholen will) oder etwas richtig Actionreiches wie eine Verfolgungsjagd mit mehreren Polizeiwagen. Und an dieser Stelle kommt der zweite Schwerpunkt ins Spiel: Denn das Shiften ermöglicht es, eine Mission auf unterschiedliche Art und Weise zu lösen. Bleiben wir mal bei dem Verfolgungs-Beispiel: Man kann den Verbrecher von der Straße drängen, ausbremsen oder mit mehreren Wagen in die Zange nehmen (zwischen »befreundeten« Fahrzeugen, die aktiv an einer Mission arbeiten, darf man direkt shiften, ohne den Umweg übers Rauszoomen nehmen zu müssen). Man kann aber auch rausshiften, die Straße ein paar hundert Meter nach vorne zischen und dort einen auf der Gegenspur fahrenden Truck übernehmen - mit dem dann der nichts ahnende Gangster einfach von vorne gerammt wird. Es stellt sich natürlich die Frage nach der tatsächlichen Pratikabilität dieses Features (auch TimeShift klang anfangs cool, und doch waren die Zeitmanipulations-Möglichkeiten stark begrenzt), auch denke ich mir, dass das Shiften in Sonntagsfahrerautos nicht irre spannend ist. Aber zum Aufbau der Missionsstruktur und des Story-Modus' wurde noch nichts verraten. Klar ist jedoch, dass die Shift-Funktion nicht beliebig oft einsetzbar ist: Sie basiert auf einem Balken, der außerhalb des Tutorials durch coole Fahrmanöver aufgefüllt werden muss und sich bei Anwendung schnell entlädt.

Die gelbe Gefahr

Die Driver-Spiele waren (mit der Ausnahme des zweiten Teils) nur für einen Spieler gedacht - das ändert sich mit dem seit vier Jahren in Entwicklung befindlichen DSF grundsätzlich. Es wird insgesamt neun Mehrspielermodis für zwei bis sechs Spieler geben (sowohl online als auch lokal und via Splitscreen), von denen wir einen namens »Trailblazer« ausprobieren konnten.  Das Ziel ist es hier, im Windschatten eines kontinuierlich im Kreis um einen großen Häuserblock fahrenden

Im Mehrspielermodus »Trailblazer« gilt es, möglichst lange im Windschatten des Punkteautos zu bleiben - heiße Positionskämpfe sind garantiert.
gelben Wagens zu bleiben - visualisiert durch zwei gelbe Kondensstreifen. Bleibt man in den Streifen, gibt es Punkte; normal viele, wenn man einen Streifen erwischt, doppelt so viele, wenn man beide »aufsaugt«. Wer als erster 100 Punkte hat, hat gewonnen - so einfach ist das. Oder auch nicht, denn es entbrennt kurz nach dem Start natürlich ein eisenharter Positionskampf um das Heck des gelben Fahrzeugs, der dadurch noch heißer wird, dass man die eigene Karre jederzeit per Shift gegen eine andere tauschen kann (sofern sie nicht von einem Konkurrenten besetzt ist). Das Resultat ist ein ständiges Herumgeshifte, Herumgeschubse und Herumgedrängle, das schnell für lautes Kreischen, Johlen und Fluchen im Vorführraum sorgte - sehr rasant, sehr aufregend und sehr gefährlich, wenn man in der Nähe des Ellbogens sitzt, dessen Besitzer man gerade in eine Litfaßsäule geschubst hat.

Die Technik von DSF ist solide und durchaus ansprechend - aber hübsch kann man Reflections' Straßen von San Francisco wirklich nicht nennen: Die Karren sehen cool aus, es gibt jede Menge Verkehr auf den abwechslungsreichen Straßen, die Entwickler peilen eine konstante Framerate von 60 fps an (gegenwärtig gibts noch Ruckler und Pop-Ups) - aber im Vergleich zu Open World-Schönheiten wie Burnout Paradise ist DSF tatsächlich eine alte Karre. Aber wie jeder Autoliebhaber bestätigen wird, können die weitaus mehr Charme haben als alles, was auf dem Papier viel besser und toller klingt.   

Ausblick

Das erste Driver ging völlig zurecht in die Spielgeschichte ein; die Raserei durch San Francisco, Miami, Los Angeles und New York ist auch heute noch ein wunderbar spielbares, lässiges Renn-Erlebnis - wenn man mal von der verhunzten Tutorial-Mission absieht. Danach ging es mit dem Spielspaß bergab, denn das Aussteigen und Ballern war nie Reflections‘ Stärke - die lag und liegt beim Cruisen mit schweren Maschinen durch hügelige Städte. Daher bin ich sehr glücklich darüber, dass sich die Entwickler um Martin Edmondson auf ihre Wurzeln besinnen und Tanner dem Namen entsprechend wieder zum Fahrer machen. Und zum Geist, denn das »Shift«-Feature hat was von Akte X: Cop im Koma, immer möglicher Wechsel zwischen allen Fahrern auf der Straße - mysteriös, Scully. Diese Funktion hat Potenzial, gerade im Mehrspielermodus sorgte sie für wunderbare Positionskämpfe. Aber es wird sich erst nach etwas mehr mit dem Spiel verbrachter Zeit zeigen, ob sie dem Spielfluss dient oder ihn hemmt - und ob sie so gut in die Story eingebunden ist wie die Entwickler behaupten. Was bislang von Driver: San Francisco spielbar war, macht in jedem Fall Lust auf mehr, auch wenn das Spiel technisch keine Chance gegen Burnout: Paradise und Co. hat.

Ersteindruck: gut

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