Virtua Tennis 408.04.2011, Benjamin Schmädig
Virtua Tennis 4

Vorschau:

Die Tenniswelt ist gespalten: Seit Top Spin antrat, um dem Primus Virtua Tennis die Stirn zu bieten, läuft das Duell "Simulation vs. Arcade". Vor einigen Jahren konnte Sega den Zweikampf für sich entscheiden - mit kurzweiligen Ballwechseln, die vor allem online zu packenden Matches führten. Vor kurzem legte Top Spin aber mächtig nach und führte das virtuelle Tennis in eine neue Ära. Der Primus steht unter Zugzwang...

Segas guter Ton

Man kann gar nicht anders, als die beiden Platzhirsche gegeneinander aufzustellen. Denn ähnlich wie Nadal und Federer jahrelang die Tenniswelt dominierten, geben die zwei Serien seit fast zehn Jahren die Marschrichtung vor. Während Top Spin dem realen Erlebnis dabei so nah wie möglich kommen will, setzt Virtua Tennis auf den schnellen Schlagabtausch - überzogene Schmetterbälle und Hechtrollen gehören traditionell zum guten Ton.

Der vierte Teil macht da keine Ausnahme: Die Matches sind durch schnelle Ballwechsel geprägt. Wie Wiesel sprinten die Spieler über den Platz, ihre Ausdauer spielt im Gegensatz zu Top Spin keine Rolle und die Kamera fängt besonders harte Schläge mit speziellen Einstellungen ein. Letzteres darf man abschalten - Laufgeräusche, die an das billige Trippeln früher PlayStation-Rollenspiele erinnern, leider nicht.

Allerdings verschreibt sich Sega diesmal nicht vollständig dem Arcade-Tennis. Denn die Profis erwischen zwar viele, aber längst nicht alle Bälle und obwohl es ausgesprochen viele Schmetterschläge gibt, krachen die nicht wie Raketen übers Netz. Normale Schläge, Slice und Top Spin gleichen sich bis auf glaubwürdige Unterschiede mehr als im Vorgänger. Überzogene hollywoodreife Szenen erlebt man kaum. Schon der Virtua Tennis 3-Ableger 2009 verzichtete auf viele "typisch Virtua Tennis!"- Momente - Teil vier legt noch mehr Wert auf einen nachvollziehbaren Spielfluss und das manchmal unscheinbar Herausspielen kleiner Chancen.

Alte Asse

Von einer Simulation ist man trotzdem weit entfernt. Immerhin reicht das serientreue Gedrückthalten der Schusstaste - knautscht man sie lange genug und stimmt die Position zum Ball, brettert der Filz schnell übers Netz. Geschicktes Timing oder sinnvolles Taktieren mit starken und schwachen Schüssen spielen praktisch keine Rolle. Nicht zuletzt gibt es einen zufälligen Superschuss, den der eigene Profi abzieht, während seine Leiste gefüllt ist. Man füllt sie, indem man einen Grundlinienspieler an der Grundlinie schlagen, einen Konterspieler gelungene Konterbälle und einen Aufschläger starke Aufschläge spielen lässt. 20 Typen gibt es und je besser man den Stil des gewälten Profis nachahmt, desto schneller füllt sich die Anzeige. Es könnte ein cleveres taktisches System sein - wenn man den besonders starken Schlag selbst auslösen könnte. Weil er jedoch irgendwann einfach automatisch vom Schläger zieht, hält sich sein Nutzen in Grenzen.

Der seltsame Superschuss scheint symptomatisch für dieses Virtua Tennis, denn bei uns wollte sich partout keine Tennislaune einstellen: Nachdem wir uns mit dem Vorgänger monatelang die Bälle um die Ohren geschlagen haben und während wir seit Wochen begeistert Top Spin 4 spielen, ist hier nur der Kopf dabei.

Auf den ersten Blick sieht Virtua Tennis 4 (ab 14,50€ bei kaufen) richtig gut aus. Im Detail wirkt es knorrig und starr.
Der Bauch vermisst den knackigen Reaktions- und Geschicklichkeitstest überzogener Arcade-Action, dem Herzen fehlt das spannungsgeladene Hin und her einer packenden Simulation. Zwischen den Ballwechseln sieht man den Spielern zudem bei wenigen, immer gleichen und mit Blick auf die Konkurrenz recht altbackenen Animationen zu, die weder das Dabeisein noch das Gefühl einer TV-Übertragung vermitteln.

Echtes Tennis?

Haben wir etwas übersehen? Sollten wir vielleicht den Move-Controller in die Hand nehmen, um wie echte Spieler auf dem Platz zu stehen? Schließlich ahmt man so die echten Bewegungen nach, um den virtuellen Ball zu schlagen. Zieht man Move beim Schlag nach unten, spielt man einen Slice. Zieht man Move nach oben, schlägt man einen Top Spin. Die Richtung gibt die Richtung des Schlags vor. Klingt einleuchtend - brachte Top Spin allerdings nicht fertig! Und tatsächlich: Nach wenigen Minuten keimt plötzlich die Faszination des realen Erlebens auf - es fühlt sich unglaublich gut an, einen Ball so anzuschneiden, wie man es mit dem leuchtenden Controller vormacht! Für den Test werden wir uns deshalb auch die Varianten für Kinect und MotionPlus genau anschauen.

Doch dann kommt die Ernüchterung: Denn zum einen darf man sich mit der bewegungssensitiven Steuerung nicht frei auf dem Platz bewegen. Man sprintet lediglich ans Netz, indem man einen Schritt nach vorne macht - zur Seite laufen die Asse ganz von alleine. Und zum anderen darf man die Bewegungssteuerung nur in einzelnen Partien und den Minispielen nutzen; in der Karriere spielt der angestrebte Realismus keine Rolle. Dieser Verzicht scheint ohnehin ein Leitsatz zu sein, denn Puristen werden nicht zufrieden sein, wenn Matches schon nach zwei Spielen ohne Tie-Break zu Ende gehen Die in Minispielen vorangetriebene Charakterentwicklung dürfte ihnen ebenso aufstoßen. Man hat nur eingeschränkt die Wahl, an einem Spiel teilzunehmen oder zu trainieren - es gibt eine Abfolge von Trainings, Ruhetagen und Turnieren, die man im Wesentlichen kaum beeinflussen kann. Nur die Frage, zu welchem der 20 Spielertypen man seinen Nachwuchsprofi entwickeln möchte, die darf jeder selbst entscheiden. __NEWCOL__

Ausblick

Virtua Tennis 4 fühlt sich in den ersten Stunden und nach dem hervorragenden Top Spin 4 richtig knöchern, sperrig und veraltet an. Das soll nicht heißen, dass die flotten Duelle keinen Spaß mehr machen. Im Gegenteil: Man kommt schnell ins Spiel, muss sich aufgrund unterschiedlicher Spielernaturen taktisch immer neu einstellen und so unglaubwürdig die Anzahl der Schmetterbälle auch sein mag - man freut sich über jeden erzwungenen Punkt. Es tut dem Spiel aber einfach nicht gut, dass es so unentschlossen zwischen Anspruch und Arcade klemmt. Vielleicht entfaltet sich dieses Virtua Tennis ja noch. Vielleicht gibt es taktische Finessen, die man erst ergründen muss. Zu Beginn fangen die einfache Physik und die überschaubare Steuerung den Nervenkitzel des echten Tennis'" allerdings nicht ein, während das stark gedämpfte Überzeichnen der Ballwechsel den Adrenalinkick krachender Punktgewinne verhindert. Immerhin: So könnte die halbherzige Einbindung der Bewegungssteuerung wenigstens perfekt ins Bild eines gut gedachten, aber nicht gut gemachten Tennisspiels passen.

Ersteindruck: befriedigend

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