Asura's Wrath27.01.2012, Michael Krosta
Asura's Wrath

Vorschau:

So flink und stylisch wie Bayonetta? Nein. So episch wie die God of War-Serie? Auch nicht. Aber was will Asura’s Wrath eigentlich sein? Wir haben die Entwickler von CyberConnect 2 im japanischen Fukuoka besucht und dem Team nicht nur bei ihrer Arbeit über die Schulter geschaut, sondern die eigenwillige Action ausgiebig gespielt.

Krieg der Götter

„Ich bin ein großer Star Wars-Fan“, gesteht Director Seiji Shimoda im Rahmen einer Präsentation von Asura’s Wrath im Hauptquartier des Entwicklers, in dem derzeit über 170 Angestellte zusätzlich an Naruto-Titeln und einem bisher noch nicht angekündigten Spiel arbeiten. Angesichts dieser Aussage wundert es kaum, dass der Einstieg gewisse Parallelen zu den großen Raumschlachten des Lucas‘schen Universums aufweist, wenn Asura mit sieben weiteren Wächtergenerälen zwischen Erde und Mond den unreinen Ghoma-Wesen entgegen tritt. In bester Child of Eden-Manier rast der wütende Beschützer begleitet von japanischem Gesang und Orchesterklängen dem blauen Planeten entgegen, visiert dabei zahlreiche Ziele an und nimmt sie anschließend unter Beschuss. Grelle Blitze und Explosionen verwandeln das dunkle Weltall in eine psychedelische Lichtershow - man hat umgehend das Gefühl, Teil einer großen Schlacht zu sein!

Und dann geschieht das Unfassbare: Gewaltige Risse durchziehen die Erde, gefolgt von einem Aufbrechen der Kruste, aus der sich so etwas wie eine gigantische Zunge ihren Weg bahnt. Klingt abgedreht? Auf jeden Fall! Aber es ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was den Spieler während Asuras Rachefeldzug erwartet - der Begriff „Over the Top“ wirkt angesichts mancher XXL-Gegner und wahnwitzigen Aktionen untertrieben!

Mehr Erlebnis als Spiel?

Auch ohne Arme ist Asura noch gefährlich - vor allem, wenn er richtig wütend wird.
Auch ohne Arme ist Asura noch gefährlich - vor allem, wenn er richtig wütend wird.
CyberConnect2 will nach eigenen Angaben ein eigenes Ding machen und sich von Konventionen im Action-Genre lösen. Asura’s Wrath soll nicht als ein einfaches Videospiel, sondern als Erlebnis angesehen werden. Tatsächlich hat der Spielablauf mehr Gemeinsamkeiten mit Titeln wie Fahrenheit als man im ersten Moment glaubt. Daran trägt zum einen der Fokus auf die Geschichte bei: Zwar ist die Handlung rund um Rache, Wut und Liebe nichts Besonderes, aber es ist dennoch bemerkenswert, dass die Erzählung - sei es durch Zwischensequenzen oder kunstvolle Illustrationen - hier einen so hohen Stellenwert einnimmt und gut unterhält. Eine weitere Gemeinsamkeit mit dem Klassiker von Quantic Dream betrifft das exzessive Einbinden von Reaktionstests und Knopfgehämmer, durch die der Spielablauf mehr den Charakter eines interaktiven Films annimmt. Es wird klar, warum die Entwickler so gerne das Erlebnis anpreisen, denn das eigentliche Spiel rückt in diesen Momenten für mich zu stark und in diesem Fall auch etwas zu oft in den Hintergrund.

Oberflächliches Kampfsystem

Abseits von Reaktionstests und Ballerabschnitten auf Schienen geht Asura zwischendurch auch in den Nahkampf - vornehmlich gegen Ghoma-Mutationen, die an entstellte Exemplare aus der Tierwelt wie z.B. Gorillas, Elefanten oder Nashörner erinnern. Doch auch die verbliebenen Wächtergenerale, die sich im Laufe der mehrere tausend Jahre umfassenden Geschichte mittlerweile zu Göttern ernannt haben, werden neben ihren Handlangern nach Strich und Faden verprügelt - selbst dann, wenn Asura durch unglückliche Umstände auch schon mal seine beiden Arme einbüßen muss.

Auch der Mentor muss sich der Wut seines ehemaligen Schülers stellen.
Auch der Mentor muss sich der Wut seines ehemaligen Schülers stellen... und geschlagen geben.
Allerdings bietet das Kampfsystem weder die Eleganz und Komplexität eines Bayonetta noch die Entwicklung eines God of War. Stattdessen werden die Faustkämpfe mit einem schnellen und einem starken Angriff sehr simpel gehalten, wobei sich Letzterer nach der Anwendung erst regenerieren muss. So hämmert man meist auf einen Knopf ein - Kombos braucht man hier abseits eines Sturzangriffs aus der Luft nicht zu lernen. Allerdings kann man alternativ zu einer Schusswaffe mit unbegrenzter Munition greifen, mit deren Hilfe neben der Abwechslung auch eine schöne Balance aus Nah- und Fernkampf erreicht wird. Vor allem hier leistet die Zielerfassung gute Dienste, so dass man die Gegner durch das Halten der linken Schultertaste fest anvisieren kann. Chaotisch wird es allerdings, wenn man von mehreren Feinden umzingelt ist, denn obwohl man sie mit der Zielerfassung durchschalten kann, verliert man schnell die Übersicht. Eine Blockfunktion gibt es nicht, doch kann man mit dem richtigen Timing die Angriffe umgehend kontern oder sich nach schweren Treffern auf den Beinen halten. Und zur Not weicht man den Attacken einfach mit einer Seitwärtsrolle aus.

„Jetzt werd ich aber richtig sauer“

Ist er richtig wütend, wachsen Azura weitere Arme, mit denen er noch kräftiger austeilen kann.
Ist er richtig wütend, wachsen Azura weitere Arme, mit denen er noch kräftiger austeilen kann.
Das Ziel jedes Abschnitts ist mit wenigen Ausnahmen immer gleich: Mit erfolgreichen Angriffen und sogar Gegentreffern gilt es, eine Anzeigenleiste zu füllen. Hat man genug Energie angesammelt, kann man seine ganze Wut mit einem Druck auf die rechte Schultertaste rauslassen - und zwar richtig! CyberConnect2 versteht es hervorragend, die gewaltige Kraft hinter dieser mächtigen Emotion visuell einzufangen. Einmal entfesselt, gibt es für den Mantra-Krieger kein Halten mehr! Auch als Spieler ist es jedes Mal enorm befreiend, wenn man endlich den Wut-Trigger drücken und damit einen Abschnitt abschließen kann, auch wenn das Prinzip mit der Zeit etwas an Faszination und Wirkung verliert. Sehr stimmungsvoll wirken Momente wie der Zweikampf gegen Asuras Widersacher Yasha, den man in einigen Abschnitten der zweiten Hälfte ebenfalls spielen darf: Begleitet von atmosphärischer Westernmusik mit Gitarrenklängen und melodischem Pfeifen stehen sich die beiden Kontrahenten in einem Duell auf Leben und Tod gegenüber. Allerdings muss sich Asura seinem Gegner ohne Arme stellen, weshalb sich das Auffüllen der Wut-Anzeige hier deutlich schwieriger gestaltet. Liegt der Fokus bis zu diesem Abschnitt vornehmlich darin, mit wilden Angriffen und direkter Konfrontation die Wut aufzubauen, ist hier vor allem Ausweichen und gutes Timing bei den Angriffen gefragt, wenn man die Anzeige füllen will, bevor die Lebensenergie aufgebraucht ist.

Action ohne Anspruch?

In der zweiten Hälfte schlüpft man auch in die Rolle von Yasha, Asuras Schwager und Rivale.
In der zweiten Hälfte schlüpft man auch in die Rolle von Yasha, Asuras Schwager und Rivale.
Das war dann auch der erste Moment, in dem ich das Gefühl hatte, gefordert zu werden - und das, obwohl ich mich auf dem mittleren der drei Schwierigkeitsgrade in den Rachefeldzug gestürzt habe. „Heute werden Spiele oft nicht mehr durchgespielt, weil man an Stellen festhängt, frustriert wird und dadurch die Lust verliert“, meint Hiroshi Matsuyama, Präsident und CEO von CyberConnect2. „Und wir wollen, dass jeder Spieler bis zum Ende kommt“, pflichtet ihm Capcom-Produzent Kazuhiro Tsuchiya bei. Ein Kniefall vor dem Gelegenheitsspieler? „Nein“, versichert Matsuyama, dem Social Games zuwider sind. „Wer die Herausforderung sucht, der findet sie im höheren Schwierigkeitsgrad“. Es wirkt trotzdem etwas befremdlich, auf der normalen Stufe die meisten Kämpfe selbst gegen fette Bossgegner im ersten Anlauf zu meistern. Hier scheint wieder der Gedanke zu greifen, dass vor allem das Erlebnis im Mittelpunkt stehen soll. Bleibt zu hoffen, dass der höhere Schwierigkeitsgrad auch den Wunsch nach einer anspruchsvolleren Herausforderungen befriedigt und sich dabei nicht nur auf kürzere Reaktionszeiten beschränkt...

Episodenformat

Genau wie Alan Wake, Driver: San Francisco oder auch Resident Evil: Revelations setzt Capcom bei Asura’s Wrath auf ein Episodenformat, das bei einem neuen Abschnitt nicht nur die bisherigen Geschehnisse zusammenfasst, sondern sogar schon einen kurzen Ausblick darauf gibt, was ich in den nächsten zehn bis 15 Minuten erleben werde. Zwar nimmt man dadurch den einen oder anderen Überraschungsmoment vorweg und die

Die verbliebenen Wächter haben die Kontrolle über eine mächtige Raumflotte.
Die verbliebenen Wächter haben die Kontrolle über eine mächtige Raumflotte.
Häppchen fallen teilweise etwas zu klein aus, doch finde ich das Format durchaus gelungen, zumal Cliffhanger und Zeitsprünge für Spannung sorgen und die Geschichte wie ein Puzzle Stück für Stück zusammensetzen.

Wie bei Capcom-Spielen mittlerweile üblich, folgt nach jeder Episode eine Bewertung, wie gut (oder schlecht) man sich geschlagen hat. Berücksichtigt wird dabei die Spielzeit, die Synchronrate (das Timing bei Reaktionstests) sowie die Kampfpunkte, die auf Wunsch sogar genau aufgeschlüsselt werden. Als Belohnungen winken u.a. Illustrationen, Artworks und Charakterprofile, aber auch anpassbare HUDs, die sogar spielerische Auswirkungen haben. So kann man mit der Wahl eines bestimmten Layouts z.B. den erlittenen Schaden verringern oder dafür sorgen, dass sich die Zügellos-Anzeige schneller füllt. Diese funktioniert unabhängig von der Wut-Leiste und erlaubt bei Aktivierung stärkere Angriffe, bei denen auch die Regeneration für eine kurze Zeit unnötig ist.  

Eine Frage des Stils

Die Wut steht dem Helden ins Gesicht geschrieben.
Die Wut steht dem Helden ins Gesicht geschrieben.
Mit seinem außergewöhnlichen Stil und den geschmeidigen, von Hand gezeichneten Animationen wirkt Asura’s Wrath wie ein spielbarer Manga-Comic. Dass diese Form der japanischen Literatur im Unternehmen einen hohen Stellenwert besitzt und vor allem den Künstlern im Team als Inspiration dienen soll, wird schon beim Betreten der Kantine deutlich: Dicht aneinander gereiht findet sich hier eine gigantische Auswahl an Comics, Büchern, DVDs und Blu-rays, die jeden Sammler vor Neid erblassen lassen würde. Jeder Mitarbeiter hat Zugriff auf dieses beeindruckende Archiv. Das Ausleihen ist nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht.

Ungewöhnlich ist, dass man Epics Unreal Engine den Vorzug gegenüber Capcoms leistungsstarker MT Framework-Technologie gibt: „Wir haben uns mehrere Engines angesehen und Unreal hat für uns am besten gepasst“, sagt Matsuyama. „Aber wirklich einfach hatten es wir damit auch nicht.“ Mittlerweile, da Epic auch in Japan eine Zweigstelle eröffnet hat, verstehen die Entwickler auch dank der Unterstützung die Tricks und Kniffe von Unreal besser. Die üblichen Schwächen wie das Nachladen von Texturschichten findet man aber auch hier. Zudem ist die Kamera nicht immer optimal und gestaltet die Kämpfe dadurch teilweise unübersichtlich. Auch Tsuchiya erinnert sich daran, dass es gerade in der Anfangszeit, in der Asura übrigens noch als deutlich älterer Krieger konzipiert wurde,  sehr schwer war, sich in die Technik einzuarbeiten. Bereits vor

Angst? Ein Fremdwort für Asura. Er stellt sich jedem Gegner.
Angst? Ein Fremdwort für Asura. Er stellt sich jedem Gegner.
vier Jahren hat man bei CyberConnect2 und Capcom damit begonnen, über eine Zusammenarbeit zu sprechen, deren erstes Ergebnis Asura’s Wrath sein wird.

Fortsetzung unerwünscht?

Und für die Zukunft? Beide Unternehmen können sich eine Fortsetzung der Partnerschaft vorstellen. Ob Asura dabei ein weiteres Mal antreten wird, darf allerdings bezweifelt werden. „Wir haben alle unsere ursprünglichen Ideen in dieses Spiel gepackt und verwirklicht“, so Matsuyama, der lieber an etwas Neuem mit Capcom arbeiten würde anstatt sich eine Fortsetzung zu einer Geschichte aus den Fingern zu saugen, die er mit diesem Spiel als abgeschlossen betrachtet.

Ausblick

Asura’s Wrath wird keinen leichten Stand haben, wenn es Ende Februar bei uns erscheint: Spieler, die sich eine Alternative zu Bayonetta erhoffen, dürften genauso enttäuscht werden wie die God of War- oder Devil May Cry-Fraktion. Zwar erinnert die völlig übertriebene Inszenierung an die Hexe aus dem Hause Platinum, doch legt CyberConnect2 den Fokus bewusst auf das Erlebnis und stellt dafür den spielerischen Anspruch sowie ein komplexes Kampfsystem zurück. Stattdessen erzählen die Japaner ihre mitreißende Geschichte von überheblichen Göttern, Wut und Verrat lieber in bildgewaltigen Szenen anstatt mit Taten. Spielerisch bietet der Rachefeldzug mit der simplen Mischung aus Prügel- und Balleraction nur Durchschnitt, während die zahlreichen Reaktionstests zu viel des Guten sind. Und trotzdem möchte ich diese stilistisch und inhaltlich ungewöhnliche Mischung weiterspielen. Warum? Weil die Entwickler auch abseits der Geschichte und trotz zahlreicher Klon-Gegner immer wieder für Überraschungen sorgen - etwa mit bizarren Wendungen, bei denen man sich plötzlich beim Baden mit leicht bekleideten Damen zusammen mit dem nächsten Erzfeind in einem Pool wiederfindet oder dem unerwarteten Wechsel der Spielfigur. Zudem tragen die cleveren Cliffhanger ihren Teil dazu bei, dass man diesem vermutlich größten Wüterich der Videospielgeschichte bis zum Ende beistehen will.

Eindruck: gut

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