Binary Domain03.02.2012, Benjamin Schmädig
Binary Domain

Vorschau:

„Binary Domain (ab 12,99€ bei kaufen)“... der Name klingt so nichtssagend, man hätte das Spiel glatt „Roboteraction“ taufen können. Andererseits: Schon die Serie, die das Team zuvor entwickelt hatte, hieß einfach nur „Yakuza“ - und die hatte es spielerisch faustdick hinter den Ohren. Was will Binary Domain also sein? Ist es einfach nur ein Shooter, mit dem Sega die Europa- und Amerikatauglichkeit seiner Entwickler ausloten will?

Ost trifft West

Der spielerische Leiter und Produzent Toshihiro Nagoshi  spricht ganz offen von der Annäherung an Gears of War, will aber gleichzeitig Westliches mit Östlichem verbinden. Und genau wie in seinem Yakuza will er viele Elemente miteinander verbinden. Und so gibt es Bosskämpfe gegen gigantische Riesenroboter. Es gibt eine Rutschpartie entlang einer Dutzende Stockwerke tiefen Mauer. Es gibt eine Speedbootfahrt, wechselnde Teammitglieder und Geld für Abschüsse, von dem bessere Waffen und Ausrüstung bezahlt werden. Das alles nur in den ersten paar Stunden - auf lange Sicht soll es eine Achterbahnfahrt durch die Welt der Actionspiele werden.

Ganz wichtig ist Nagoshi aber auch die Gruppendynamik: Teammitglieder sollen nicht nur auf Sprachbefehle reagieren, sie sollen sich mit ihren Aussagen und ihrem Verhalten auch dem Verhalten und den Äußerungen des Spielers anpassen. Sie reagieren etwa zerknirscht, wenn man ihnen nicht zu Hilfe kommt oder wenn man auf sie schießt. Und sie stellen Fragen, deren Antwort die Sympathiewerte steigen oder fallen lassen.

Die Armee der Zukunft

Aber von welchem Team ist überhaupt die Rede? Was ist das für eine Truppe, die im Tokio des Jahres 2080 gefährliche Androiden ausschalten soll? Es ist ein bunter Haufen, der sich hier zusammenrauft: Dan Marshall und Kumpel Big Bo werden in ein Tokio geschickt, das zum großen Teil vom Meer überschwemmt wurde. Klassisch: Während einfache Menschen in den Ruinen des heutigen Tokio wie in Slums leben, hat es sich die Mehrheit in neu erschaffenen Hochebenen bequem gemacht. Unten ist es grau, kalt und dreckig. Oben beherrscht weißer Hochglanz das Bild. Doch die gesellschaftlichen Probleme stehen scheinbar nicht im Vordergrund. Im Zentrum steht die Frage, wie menschlich künstlich

Mensch oder Maschine? Genau wie Blade Runner oder Ghost in the Shell geht Binary Domain der bekannten Frage nach.
Mensch oder Maschine? Genau wie Blade Runner oder Ghost in the Shell geht Binary Domain der bekannten Frage nach.
erschaffene Lebewesen sein dürfen. Androiden, die wie Menschen aussehen, die sich sogar selbst für Menschen halten, dürfen etwa nicht hergestellt werden. Es gibt sie aber und so erhält Dan den Auftrag, das Problem zu lösen.

Rick Deckard, Data, Motoko Kusanagi und wie sie alle heißen... wovon Binary Domain erzählt, hat man längst tausendmal gehört, gelesen oder gesehen: Alles dreht sich um die menschelnden Androiden. Es würde mich nicht wundern, wenn Dan selbst aus Metall und Draht bestünde. Mindestens einen Cyborg dürfte es in seinem Team mit Sicherheit geben. Ich mag das Szenario - mitgerissen hat mich seine tausendste Auflage in den ersten Stunden allerdings nicht. Kann Nagoshi dem vertrauten Fundament vielleicht später noch ungewöhnliche Facetten entlocken? Immerhin hat er bis zum Ende der Vorschau-Version bereits zwei Momente inszeniert, die auf drastische Art und Weise das Schicksal der künstlichen Menschen verdeutlichen. Androiden werden offenbar so geächtet, dass sie schonungslos hingerichtet werden. Ist die harte Inszenierung Selbstzweck oder baut Nagoshi auf diesem Weg ein cleveres Drama auf? Das Vorschau-Spiel endet leider, als der Trupp gerade in den heilen oberen Ebenen ankommt und die eigentliche Geschichte zünden könnte.

„Geh, komm, schieß, hilf!“

Als Spieler übernehme ich Dans Rolle, Bo begleitet mich auf Schritt und Tritt. Später stoßen mit Faye, Charles und Rachael zusätzliche Kameraden hinzu – für weitere ist bereits Platz im Menü. Vor jedem Abschnitt kann ich wählen, welche zwei mich begleiten sollen. Die schlagen sich im Kampf zwar alle ähnlich gut, mit ihrem Scharfschützengewehr ist Faye in weitläufigen Arealen aber eine bessere Hilfe als Rachael, die mit ihrer Schrotflinte vor allem auf schmalen Pfaden auftrumpft. Schade, dass ich dabei scheinbar raten muss, wie genau das folgende Territorium aufgebaut ist. Meist hat deshalb die Experimentierfreude, nicht meine taktische Überlegung entschieden. Überhaupt kommt mir die Taktik bislang zu kurz. Denn es macht in diesen ersten Stunden kaum einen Unterschied, ob ich meine zwei Begleiter zum

Die Technik

Grafik und Sound reißen keine Bäume aus: Eine überzeugende Weitsicht, der clevere Einsatz von Lichteffekten und das schicke Artdesign machen häufig Schwächen wie starre Bewegungen oder fehlende Polygone wett. Besonders den Figuren sieht man an, das sie Nachfolger der Yakuza-"Wachsfiguren" sind. Vorstürmen, Halten der Position oder um Hilfe anhalte. Zum einen ist das Abknallen der vielen gleich aussehenden Robotergegner ein reines Überzahl-Kürzen gegen leidlich clevere Feinde. Zum anderen agieren meine Mitstreiter so oder so recht eigenständig. Meist schlagen sie sich deshalb auch ohne Anweisung gut genug, gelegentlich stehen sie mir deshalb aber auch im Weg, anstatt tatsächlich ihre Position zu halten.

Hilfreich ist ihre Nachfrage, ob sie mir ihren Erste Hilfe-Kasten spenden sollen, wenn ich zu Boden gehe. Entweder helfe ich mir also selbst auf die Beine oder ich nehme den Vorschlag an. Interessant sind auch kurze Dialoge zwischen den Gefechten, wenn ich eine Frage beantworten soll. Blöd nur, dass sich die Beziehungsdynamik bislang auf diese überschaubaren Momente beschränkt und Antworten umgehend mit einem blauen  („Ich mag dich jetzt ein Stückchen mehr“) oder einem roten Pfeil („Jetzt mag ich dich weniger“) honoriert werden. Das wirkt aufgesetzt; es raubt der scheinbar realen Unterhaltung die Illusion.

„Bo? Vorrücken!“

Und dann ist da die Sache mit der Spracherkennung. Immerhin darf ich jeden Befehl und jede Antwort ins Mikrofon sprechen. Natürlich beschränken sich die Redemöglichkeiten

Seite an Seite: Bis zu zwei Kameraden begleiten Dan Marshall - und hören mal mehr, mal weniger gut auf seine Befehle.
Seite an Seite: Bis zu zwei Kameraden begleiten Dan Marshall - und hören mal mehr, mal weniger gut auf seine Befehle.
dabei auf eine große, aber dennoch überschaubare Anzahl an Kommentaren. Eigentlich wirkt es sogar albern, die möglichen Antworten über denselben Knopf einzusehen, über den ich sie auch ohne Mikrofon geben könnte, um dann erst etwas zu erwidern. Wirklich ausgereift ist diese Art der Unterhaltung noch nicht.

In diesem Zustand ist das System einfach zu starr: Dass ich auf eine Ja/Nein-Frage etwa mit „Ja“ antworten darf, nicht aber mit „Sicher doch“ oder „Na, klar“ - obwohl das an anderer Stelle möglich ist, ärgert mich. Auch reagieren die angesprochenen Kämpfer nur träge auf Befehle. Ich weiß gar nicht, wie oft ich mich an „Bo, vorrücken!“ versucht habe. Dabei hatte die Spracherkennung im Menü doch nahezu fehlerfrei funktioniert! Doch es geht eben nur so: Man muss die gewünschte Person ansprechen und auf Rückmeldung warten – erst dann darf man befehligen. Mit einem natürlichen Gesprächsverlauf mitten im Kugelhagel hat das leider nichts zu tun.

Gang raus

Man nimmt den Gang raus, man lässt sich durch die geradlinigen Schießbuden treiben, man holt Luft, schaltet runter... nach zwei Stunden wusste ich, wie der Hase läuft. Binary Domain ist kein Gears of War, seine Spracherkennung kein technisches Wunder, Beziehungen entwickeln sich aus einfachen Ja/Nein-Abfragen heraus. Und immerhin: Manchmal kommentieren meine Kameraden meine Leistung im Kampf. Sie antworten, wenn ich „Gut gemacht!“ sage. Und gegen Ende des Vorschauspiels ließ Rachael kurz durchblitzen, dass sie ganz gerne mit mir unterwegs ist. Ich bin durchaus gespannt, was sich daraus  entwickelt.

Es sind Höhepunkte wie der Kampf gegen diesen Roboter, der die spielerische Spannung aufrecht hält.
Es sind Höhepunkte wie der Kampf gegen diesen Roboter, die die spielerische Spannung aufrecht halten.

Und ich bin auch auf die Action gespannt. Nicht auf die herkömmlichen Bleiwechsel mit den Robotern - auch wenn die Blechbüchsen mitunter wie Glasmännchen effektvoll auseinander bröseln. Verlieren sie ihre Beine, kriechen sie wie die Monster eines Gruselfilms auf mich zu. Wenn ich ihren Kopf treffe, gehen sie auf ihre eigenen Mitstreiter los. Und manche Angreifer stürmen gar mit Gewalt auf mein Team zu. Was die Yakuza-Macher auf die Beine stellen, ist ebenso belanglos wie unterhaltsam.

Doch wenn Japaner etwas von Action verstehen, dann ist es in der Inszenierung großer Bosskämpfe. Und hier schöpft das Team um Nagoshi aus dem Vollen! Schon in den ersten Stunden habe ich mit meinem Team einen haushohen Stampfer niedergerungen, den Kampf gegen eine biestige Flugmaschine gewonnen und eine gigantische mechanische Spinne bezwungen. Gerade Letztere war mit ihren vielen Beinen, die wir Stück für Stück auseinander nehmen mussten, ein echter Brocken – als der mechanische Leichnam zu Boden glitt, hüllte er das gesamte Areal in eine riesige Staubwolke. In solchen Momenten macht es Spaß, das Team zu leiten, obwohl die Kameraden meinen Befehlen nicht immer genau folgen. Als ich die Flugmaschine z.B. schon eine Weile nicht mehr getroffen hatte, fragt Rachael, ob sie den Raketenwerfer selbst in die Hand nehmen soll. Hoffentlich bauen die weiteren Kapitel diese Stärken aus!

Ausblick

Binary Domain... ist das nicht diese Billig-Science-Fiction aus den Fünfzigern? Nein, nein. Der Name passt allerdings hervorragend. Denn auf den ersten Blick entpuppt sich die Zukunftsvision als mittelprächtige Gears of War-Schießbude um die ausgelutschte Mär vom menschelnden Androiden. Mechanische Körperteile platzen im Zeitraffer, doch taktische Finessen sind rar und statt dynamischer Gespräche gab es bislang nur Dialogfetzen. Bislang! Denn die Vorschau endet genau dort, wo die Geschichte Fahrt aufnehmen, wo sich das Beziehungsgeflecht verdichten könnte. Und immerhin gehören die Yakuza-Macher zu den wenigen Entwicklern, die einen cleveren roten Faden auslegen können. Sie dürften auch wissen, dass es mit knappen Frage-Antwort-Spielchen auf Dauer nicht getan ist. Doch was ist mit der Action? Legen die Gefechte gegen die Cyborgs noch zu? Ich kann es mir ehrlich gesagt kaum vorstellen. Was ich in den ersten Stunden erlebt habe, war oft nur befriedigend. Ich habe in dieser kurzen Zeit allerdings schon auf einem Speedboot gesessen, bin an Kameras vorbei zu einem Tanker geschwommen, konnte mich in einem kleinen Abschnitt frei mit Zivilisten unterhalten und habe drei dicke Bosskämpfe bestanden. Und dank solcher Höhepunkte und der erzählerischen Andeutungen hinterlässt Binary Domain insgesamt einen guten Eindruck.

Ersteindruck: gut

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