Ridge Racer: Unbounded13.03.2012, Michael Krosta
Ridge Racer: Unbounded

Vorschau:

Manchmal kann die Neuausrichtung einer Serie gut tun - gerade Ridge Racer hätte eine solche Generalüberholung eigentlich nötig, denn in den letzten Jahren setzte Namco den Rasern vornehmlich recycelte Pisten und Boliden vor die Stoßstange. Mit Unbounded soll alles anders werden - aber anders ist nicht immer besser...

Zeit des Wandels

Vorbei sind die Zeiten, in denen man einfach locker durch die Kurve gedriftet ist, dabei seine Nitrobehälter gefüllt und die Konkurrenz verblasen hat. Ah, Ridge Racer...das stand einmal für puren Arcade-Fahrspaß (siehe Oldie des Monats). Doch der hat in den letzten Jahren durch starke Mitbewerber wie Burnout oder Split Second  immer mehr PS eingebüßt - auch deshalb, weil die Japaner vermehrt auf eine Wiederverwertung gesetzt haben anstatt neue Inhalte zu erschaffen. Der Plan, wie man sich aus der Misere befreit, klingt einfach: Man orientiert sich einfach an den Stärken der Konkurrenz, greift die besten Ideen auf und wirft sie zusammen - fertig ist das neue Ridge Racer! Schwieriger sieht es bei der Umsetzung aus...

Flatout: City Edition

Rempeln und Zerstören wird in den Fokus gerückt.
Rempeln und Zerstören wird in den Fokus gerückt.
Namco hat die finnischen Entwickler von Bugbear Entertainment mit der schwierigen Aufgabe betraut, Ridge Racer von Grund auf neu zu entwickeln. Eigentlich gute Voraussetzungen, denn in den beiden gelungenen Flatout-Titeln konnte das Team bereits seine Erfahrungen mit Rennspielen unter Beweis stellen. Diese Wurzeln werden auch nach den ersten Metern in Unbounded deutlich: Es geht nicht mehr nur ums Rasen und Siegen - auch der Zerstörung kommt ähnlich wie in Flatout eine größere Rolle zu, so dass man das Gefühl hat, in einer „City-Edition“ der Serie gelandet zu sein. Brettert man durch Mauern oder fährt Laternen, Schilder, Mülltonnen und andere Objekte über den Haufen, wächst nicht nur das Punktekonto, sondern auch die Power-Anzeige wird geladen. Driften und das Ansaugen im Windschatten erweist sich ebenfalls als nützlich. Ist sie gefüllt, zündet man entweder einen Turbo oder wartet auf einen kontextsensitiven Einsatz, um z.B. auf Knopfdruck durch Häuserwände oder geparkte Tanklaster zu rasen, deren Explosion auch Verfolger ins Schwitzen bringen kann. Split Second lässt grüßen - allerdings wird das Konzept hier nur halbherzig umgesetzt und lässt Abwechslung vermissen.

Auch Burnout stand scheinbar Pate: So weckt nicht nur der die Stadt Shatter Bay mit ihren verschiedenen Bezirken Erinnerungen an Paradise City. Auch das Konzept der Takedowns wird in den Dominationsrennen aufgegriffen, denn die gewonnene Power lässt sich nicht nur in die Zerstörung von Wänden und Objekten oder den Turbo investieren, sondern auch für Angriffe auf die Konkurrenten verwenden. Jedes Fahrzeug besitzt eine Lebensanzeige über dem Dach, die den aktuellen Zustand darstellt. Wie es um das eigene Gefährt bestellt ist, erfährt man jedoch nicht. Eine große Rolle spielt es ohnehin nicht, da man sich nicht mit Defensivaktionen wie etwa einem Schild oder mit einem simplen Gegenhalten zur Wehr setzen und Angriffe blocken kann. So fühlen sich die Zweikämpfe im Vergleich zum Vorbild lahm an, obwohl eine zuschaltbare Ereigniskamera versucht, die ganze Zerstörung per Zeitlupe cool einzufangen. Doch auch hier zieht Unbounded den Kürzeren.

Auf Vernichtung programmiert    

Die Hochglanz-Boliden erinnern an NfS: Underground. Auf lizenzierte wird verzichtet.
Die Hochglanz-Boliden erinnern an NfS: Underground. Auf lizenzierte Modelle wird auch hier verzichtet.
Abgesehen von Dominationsrennen legt man sich auch in einfachen Duellen ohne Power-Zerstörung mit der nervigen Gummiband-KI an. Hier bleiben alle Autos und Gebäude unversehrt und Energie wird lediglich für einen Boost gesammelt, mit dem man keinen Schaden anrichten kann. In Zeitprüfungen geht es gegen die Uhr, wobei man den Countdown durch das Aufsammeln von Symbolen weiter strecken kann. Der tiefere Sinn hinter dem Modus Vernichtungsangriff will sich mir nicht erschließen: Hier sitze ich hinter dem Steuer eines riesigen Trucks und räume mit dem Power-Angriff Polizeiwagen aus dem Weg, deren Überschläge in Zeitlupe festgehalten und mit Punkten belohnt werden. Beim Anspielen wirkte das alles spaßfrei, da die spielerische Herausforderung gegen null tendiert - die Power-Anzeige ständig gefüllt ist und die Cops schwirren als Opfer immer um einen herum. Wenn das der Versuch sein soll, ein Gegenstück zu den Crash-Kreuzungen aus Burnout zu liefern, dann geht er daneben...

Ausgedriftet

Das Driften fühlt sich grausam an.
Das Driften fühlt sich grausam an.
Drift-Wettbewerbe sind ebenfalls Bestandteil der Karriere, in der man sich innerhalb der Unbounded-Gang nach oben arbeiten muss, um Zugang zu neuen Veranstaltungen und Bezirken zu bekommen. Das Driften war immer das A und O von Ridge Racer und vor allem in den letzten Jahren einer der Stärken der Serie. Es fühlte sich fantastisch an, wie einfach man hier quer durch die Kurven schlittern und seinen Boliden dann wieder abfangen konnte. Das Gegenteil ist hier der Fall: Die Drifts werden nicht nur per Tastendruck eingeleitet, sondern lassen sich im Anschluss nur schwer kontrollieren. Sie stehen damit im Kontrast zur restlichen Arcade-Fahrphysik, die zwar unter der schwammigen Steuerung leidet, aber noch am meisten an ein klassisches Ridge Racer erinnert. Aber was hilft es, wenn das Driften dermaßen in den Sand gesetzt wird?

Maue Technik

Es deutet derzeit alles darauf hin, dass die Finnen auch technisch keine Glanzpunkte setzen können: Die Lichteffekte wirken zwar nett, doch schnell wird klar, dass sie nur die durchschnittlichen Kulissen mit teils mauen Texturen und Tearing überblenden sollen. Die Zerstörung ist ebenfalls ein interessanter Faktor, der allerdings inkonsequent wirkt: Warum zerbröckelt die eine Mauer beim Durchfahren, während ich mir bei einer anderen einen Totalschaden am Auto einfange? Zudem sehe ich oft keinen nennenswerten Vorteil, wenn ich alternativ durch ein Gebäude brettere anstatt die Straße zu nehmen - mal abgesehen von der Wertung nach dem Rennen. Das Geschwindigkeitsgefühl will sich ebenfalls noch nicht entfalten, doch habe ich hier Hoffnung auf spätere Flitzer mit mehr

Die Einblendungen sind cool - auch während der Rennen wird man in diesem Stil über Zeitabstände informiert.
Die Einblendungen sind cool - auch während der Rennen wird man in diesem Stil über Zeitabstände informiert.
Power. Störend empfinde ich die Innenansicht, die viel zu niedrig angesetzt wird. Eigentlich ist sie in jedem Ridge Racer meine erste Wahl, doch hier greife ich zugunsten einer besseren Übersicht und Orientierung lieber auf eine der beiden Außenansichten zurück. Hinzu kommt, dass Bugbear weder einen Innenspiegel noch eine Kartenansicht spendiert - so hilft nur der Blick zurück mit Hilfe des rechten Analogsticks sowie das Einprägen der Streckenführung. Die Fantasieboliden wirken mit ihrem glänzenden Lack so, als hätten sie zuvor versucht, in der Garage eines Need for Speed: Underground Unterschlupf zu finden. Das klassische Ridge Racer hat in den letzten Jahren jedenfalls deutlich ansprechendere Modelle geliefert als das, was hier aufgefahren wird. Ähnliches gilt für den Soundtrack: Zwar hat die Serie in dieser Hinsicht in den letzten Jahren an Qualität eingebüßt, doch gingen die Beats in der jüngst veröffentlichten Vita-Edition wieder in die richtige Richtung. Was hier dagegen an Elektroklängen aus den Lautsprechern dümpelt, ist kaum der Rede wert. Jedenfalls habe ich innerhalb der Serie noch keine langweiligere Auswahl an Tracks erlebt…

Ausblick

Die erste Regel, die ich mir bei Unbounded einbläuen muss: Das ist kein Ridge Racer! Auch wenn es so heißt und es mir schwer fällt, die neue Ausrichtung in dieser Form zu akzeptieren. Denn mit der klassischen Arcade-Raserei, die ich immer mit der Serie verbunden und geliebt habe, hat dieser neue Teil nicht mehr viel gemeinsam. Statt lässigen Drifteinlagen, Geschwindigkeit und gezieltem Nitro-Einsatz stehen bei Unbounded sinnlose Zerstörung, Chaos und Takedowns im Vordergrund, so dass der Spielablauf mehr an eine Mischung aus Burnout und Split Second erinnert. Könnte Bugbear auch die Qualitäten beider Titel vereinen, wäre Unbounded zwar immer noch kein Ridge Racer, aber hätte zumindest das Potenzial zu einem guten Arcade-Renner. Doch das sehe ich nicht: Die Steuerung ist noch zu schwammig, die Drift-Mechanik eine Zumutung und technisch sowie im Audiobereich fährt man sogar den alten Teilen hinterher. Vielleicht können die Pläne für den Onlinemodus mit Streckeneditor und regelmäßigen Wettbewerben noch etwas rausreißen, aber ich bin derzeit skeptisch.


Eindruck: befriedigend  

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