Vorschau:
Ohrenbetäubend
Das war nicht mein erster Besuch am Nürburgring - vor allem die DTM und ihre Rahmenrennen zogen mich in den letzten Jahren immer wieder zu der beliebten Strecke in die Eifel. Dabei folgte ich immer einem Grundsatz: Keine Ohrenstöpsel! Zwar sind die Tourenwagen schon verdammt laut, doch gehörten die ungefilterten Motorenklänge für mich einfach zum Erlebnis dazu. Und auch bei meinem ersten Formel 1-Besuch war ich fest dazu entschlossen, diese Tradition aufrechtzuerhalten...bis zu dem Moment, als der erste Bolide mit einem lauten Kreischen über die Zielgerade an mir vorbei schoss und dabei gefühlt mein Trommelfell zerfetzte. Unglaublich, was die V8-Motoren mit Drehzahlen jenseits der 15.000 für einen Krach veranstalten! Wenn schon einer der Boliden die Lautstärke eines Rock Konzerts auffährt, kann man sich vielleicht vorstellen, was Sonntags in der Startaufstellung geboten wurde: Im Kollektiv bohrten sich die Klänge nicht nur in den Gehörgang, sondern manifestierten sich auch mit einem leichten Beben in der Magengegend - was für ein Erlebnis! Ich kann jedem Motorsport-Fan nur empfehlen, sich selbst einen Live-Eindruck vom Formel 1-Zirkus zu verschaffen - auch wenn der private Kartenverkauf gerade in der Königsklasse unverschämt teuer ausfällt, wenn man einen halbwegs guten Platz ergattern will.
Die neue Saison
Aber zurück von der realen Welt ins virtuelle Cockpit: Mit welchen Verbesserungen und Veränderungen will Codemasters bei F1 2011 (ab 2,73€ bei kaufen) überzeugen? Inhaltlich wird sich selbstverständlich dem aktuellen Regelwerk angepasst, so dass das Energierückgewinnungssystem KERS sowie der verstellbare Heckflügel (DRS = Drag Reduction System) auch im Spiel umgesetzt und eine entscheidende Rolle bei den Positionskämpfen spielen werden. Beide Systeme werden manuell per Knopfdruck aktiviert, wobei DRS im Gegensatz zum freien Training und dem Qualifying beim Rennen nur in bestimmten Zonen angewendet werden kann - und das nur, wenn der Abstand zum Vordermann eine Sekunde oder weniger beträgt. Ich hatte anfänglich ein paar Probleme, mich an den Einsatz von DRS und vor allem KERS zu gewöhnen, weil es auch für F1-Spiele ein Novum darstellt und man beide Systeme im mittleren Schwierigkeitsgrad nicht zwingend benötigt, um ganz vorne mitzufahren. Erst wenn man die KI-Stufe hoch schraubt und dabei auch auf die üblichen Fahrhilfen wie Traktionskontrolle und ABS verzichtet, wird jede Pferdestärke und jeder zusätzliche Stundenkilometer bei der Endgeschwindigkeit immer wertvoller.
Aggro-KI mit Aussetzern
Apropos KI: Die anderen Fahrer - insgesamt befinden sich zusammen mit dem Spieler 24 Piloten auf den Strecken - geben zum jetzigen Zeitpunkt noch Anlass zur Kritik, denn wie Codemasters selbst einräumt, verhalten sie sich noch zu aggressiv, was unweigerlich zu Kollisionen führt, für die leider meist der
Wird Red Bull seine Dominanz in der Formel 1 ausbauen? |
Auf Sparflamme
Im Vorgänger fiel es oft schwer, sich einen Eindruck von seiner aktuellen Position im Rennverlauf zu verschaffen. Aus diesem Grund führt Codemasters in dieser Saison den so genannten Renndirektor (Racing Director) ein, den man über das Pausenmenü
Bei Regenwetter muss man gegen eingeschränkte Sichtverhältnisse sowie wenig Bodenhaftung kämpfen. |
Der Pirelli-Faktor
Das dynamische Wettersystem überzeugt erneut mit wechselnden oder voreingestellten Streckenbedingungen. Vor allem die regennassen Pisten vermitteln den gewohnt intensiven Eindruck, wenn man in der Cockpitansicht (dieses Mal auch mit originalgetreuen Lenkrädern) nahezu blind durch die aufgewirbelte Gischt des Vordermannes jagt und dabei alle Hände voll zu tun hat, den Wagen auf dem rutschigen Asphalt zu halten.
Wie in der echten Formel 1 wird auch im Spiel die Reifenwahl neben dem fehlerfreien Fahren maßgeblich zum Erfolg oder Misserfolg beitragen. Nur wer sich an die verschiedenen Mischungen der Pirelli-Pneus gewöhnt, zum richtigen Zeitpunkt wechselt und gegebenenfalls den Verfall durch eine sanfte Fahrweise verlangsamt, kann das Maximum an Performance herausholen. Selbstverständlich spielen auch Faktoren wie die Aerodynamik,
Die Leistung der Boliden wird den realen Vorbildern angepasst: In einem schwachen Auto wird man sich im Kampf mit den Top-Teams schwer tun. |
Besser im Griff
Die Fahrphysik wurde leicht verbessert: Die Entwickler legen nach eigenen Worten einen größeren Wert auf die akkurate Nachbildung des Fahrwerks, was man vor allem beim Überfahren der Randsteine spürt. Zudem ist es jetzt einfacher, bei einem Ausbrechen des Hecks gegenzusteuern und das Fahrzeug noch abzufangen anstatt gleich völlig die Kontrolle zu verlieren. So fühlt sich das Rasen in den F1-Boliden insgesamt noch etwas runder an als im letzten Jahr. Die z.T. gewaltigen Leistungsunterschiede zwischen den Rennställen werden auch im Spiel abgebildet. Damit ist eine Endplatzierung mit einem Virgin im Mittelfeld tendenziell als höhere Leistung zu bewerten als mit einem Red Bull oder McLaren auf dem Treppchen zu landen.
Mehrspieler im Mittelpunkt
Konzentrierte man sich bei Codemasters im letzten Jahr vor allem auf die Solo-Karriere, steht bei F1 2011 vor allem der Mehrspielermodus und der damit verbundene Konkurrenzkampf unter den beiden Piloten der jeweiligen Teams im Mittelpunkt. Neben den neuen
Das derzeit größte Problem von F1 2011 ist noch die KI. |
Mehr Wert auf Präsentation
Bei der Präsentation legt man ebenfalls zu: Fahrerlager und Box wirken dank dem Zuwachs an animierten Objekten sowie Personen viel lebendiger und auch die diversen Jubel-Szenen im Parc Fermé im TV-Stil sorgen für ein Plus an F1-Atmosphäre. Warum man im Anschluss auf die Inszenierung der Siegerehrung verzichtet, ist mir allerdings ein Rätsel. Die Interviews mit der Presse sollen ebenfalls überarbeitet werden - leider war der Zugang zur Karriere bis auf das anfängliche Frage-/Antwortspielchen nach Name und Saisonzielen noch gesperrt.
Doch nicht nur das Drumherum, sondern auch der Rennbetrieb wurde mit den satten Motorenklängen nicht nur akustisch, sondern auch visuell aufgewertet. Dank eines neuen Beleuchtungssystems zaubert die Ego-Engine die 19 lizenzierten Pisten etwas imposanter auf den Bildschirm, auch wenn die Kulisse trotz des einen oder anderen Vogelschwarms am Himmel relativ steril wirkt. Doch gerade wenn man F1 2011 direkt mit dem Vorgänger vergleicht, wird der grafische Fortschritt deutlich.
Ausblick
F1 2011 scheint auf den Qualitäten des Vorgängers aufzubauen und überzeugt mich vor allem hinsichtlich des Fahrgefühls. Zwar werden sich Hardcore-Spieler erneut an dem Kompromiss aus Simulation und Spielbarkeit stören, doch ich fühlte mich bereits beim Anspielen sehr wohl hinter dem Steuer, da die Physik ohne zugeschaltete Fahrhilfen vor allem auf nassen Pisten genügend Anspruch bietet, um auch den Sim-Freund in mir anzusprechen. Die verbesserte Präsentation, genaueres Feedback aus der Box und das Herumspielen mit KERS sowie DRS sind neben Splitscreen-Duellen und dem Ausbau der Online-Komponente ebenfalls große Fortschritte gegenüber der Saison 2010. Sorge bereitet mir aber noch die KI: Ich habe kein allzu großes Problem damit, wenn die Zeiten im Qualifying simuliert werden, sofern es halbwegs nachvollziehbar bleibt. Aber wenn Piloten auf der Piste in nerviger Regelmäßigkeit in Monaco die Kurve nicht kriegen, sich an Schikanen knubbeln, bis das ganze Feld fast zum Stillstand kommt und als Krönung auch noch die Pistensau rauslassen, ist das atmosphärische Drumherum plötzlich nicht mehr so viel wert. Wenn es aber mal läuft, dann läuft es gut: Vor allem in höheren Schwierigkeitsgraden sorgen KERS und DRS für spannende Zweikämpfe und viele Überholmanöver - in diesen Momenten blitzt dann wieder die Faszination auf, die auch F1 2011 zu bieten hat und auszeichnet… Ich drücke die Daumen, dass Codemasters die KI-Schwächen noch in den Griff bekommt und auch Solo-Rasern eine motivierende Karriere serviert, denn nur so wird man an den Erfolg des Vorjahres anknüpfen können.
Ersteindruck: gut
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