Dragon's Dogma19.04.2012, Jörg Luibl
Dragon's Dogma

Vorschau:

Mittelalterliche Fantasy mit Burgen, Drachen und Dungeons in einer offenen Welt! Man kann auf riesige mythische Kreaturen klettern, Quests meistern und moralische Entscheidungen treffen! Neben dem Rollenspiel gibt es kooperative Kämpfe mit bis zu vier Gefährten in der Gruppe! Klingt das alles zu schön, um wahr zu sein?

Herz gestohlen, Held geboren

Die mächtigen Mauern von Gran Soren erinnern aus der Ferne an Crac de Chevalier, die berühmte Burg der Kreuzritter, die im heutigen Syrien noch als Ruine beeindruckt. In Dragon’s Dogma verbirgt sich dahinter eine von vier größeren Städten, die mit ihren Wachen, Händlern und Passanten auf den ersten Blick recht lebendig wirken. Dort bekommt man Aufgaben und Ausrüstung oder streift mit seiner maximal vierköpfigen Gruppe durch eine offene Landschaft, in der man zehn Dungeons erkunden und vom Goblin über die Chimäre bis hin zur Hydra vielen mythischen Kreaturen begegnen kann.

Theoretisch könnte man auch alleine losziehen, aber als „Erweckter“ kann man bis zu drei Vasallen anheuern. Diese Bezeichnung verdient sich der Held im Einstieg, der die plötzliche Rückkehr der Drachen thematisiert: Ein rotes Ungeheuer reißt dem Mann das Herz heraus, verspeist es, verschwindet und der Mensch lebt mit glühendem Loch in der Brust weiter  - danach besteht eine Art telepathische Verbindung zwischen ihnen. Und der Held

Wenn man auf größere Kreaturen trifft, kann man sie greifen und erklettern, um Schwachpunkte zu finden.
Wenn man auf größere Kreaturen trifft, kann man sie greifen und erklettern, um Schwachpunkte zu finden.
kann an blauen Steinen Gefährten rekrutieren.

Auch wenn die Rückkehr der Riesenechsen und die Geburt eines Superhelden die Story nicht gerade dramatisch in Fahrt bringen: Dragon’s Dogma macht durchaus neugierig. Ist man als Erweckter einzigartig? Welche Fähigkeiten bekommt man noch? Was will der Drache eigentlich? Wie bekommt man sein Herz zurück? Und wer regiert in diesem Reich überhaupt? Aber je näher man diesem Abenteuer kommt, desto spröder wirkt es auf den zweiten Blick – nicht in allen, aber in wichtigen Bereichen wie Kulisse, Steuerung, Figurenverhalten, Questqualität sowie Fähigkeitensystem.

Schwache Kulisse

Licht im Dunkeln kann wichtig sein - vor allem in den vier Dungeons.
Licht im Dunkeln kann wichtig sein - vor allem in den vier Dungeons.
Das Rollenspiel kann im Einstieg noch keine epische Sogkraft entfalten, weil die Welt immer wieder Brüche zeigt und weil das Artdesign zu wenig markant wirkt. Technisch und stilistisch liegt eine Welt zwischen den Landschaften in Dragon’s Dogma und The Elder Scrolls V: Skyrim, zwischen den schwammigen Wappen, Rüstungen und Figuren hier und der gestochen scharfen Requisite in The Witcher 2 oder auch in Dark Souls - ganz zu schweigen von der steifen Mimik und Gestik. Der Ausdruck „billig“ wäre zu hart, aber „veraltet“ müsste es treffen.

Obwohl man eine weite Sicht genießt, offenbaren sich zu oft grafische Schwächen aus nächster Nähe sowie verschwommene Aussichten in der Distanz. Zwar nutzt das Spiel die hauseigene Engine „MT Framework“, aber die enttäuscht in diesem Abenteuer angesichts der vielen Pop-ups, der bösen Clippingfehler und vor allem niedrig aufgelöster Texturen. Aber all das wäre auf lange Sicht kein Problem, wenn die inneren Werte dagegen halten – schließlich ist das ein Rollenspiel, das dutzende Stunden unterhalten soll.

Hektische Steuerung

Sieht auf den Screenshots pompös aus, aber die Technik ist alles andere als zeitgemäß - Clippings, Pop-ups und schwache Texturen trüben das Bild.
Sieht auf den Screenshots pompös aus, aber die Technik ist alles andere als zeitgemäß - Clippings, Pop-ups und schwache Texturen trüben das Bild.
Können sie dagegen halten? Das kann erst der Test zeigen, denn viele wichtige Fragen wie die Auswirkung moralischer Entscheidungen, die Qualität der Dungeons und Quests sowie die Entwicklung der Story lassen sich noch nicht final beantworten. Es gibt einige interessante Ansätze, aber auch einige ernüchternde Indizien, wie z.B. den hektischen Kampf. Obwohl man seinen Schild zum Blocken einsetzen und auf diverse Arten zuschlagen kann, obwohl die Ausdauer begrenzt ist und den Helden zum Verschnaufen zwingt und die Gefährten sogar Monster festhalten, damit man den finalen Stoß anbringen kann, entsteht in der Vierergruppe zu schnell Chaos.

Zum einen hat man im Kampfgetümmel nicht die Möglichkeit, einen Feind fest zu fixieren, um sich in einem taktischen Tanz aus Block und Schlag auf ihn zu konzentrieren – gegenüber der situativen Spannung in Dark Souls wirkt das zu oft wie hektisches Gekloppe. Zum anderen kann man einzelnen Gefährten keine direkten Anweisungen im Kampf geben, wie z.B. dort hinten die Stellung zu halten oder den Feind zu umrunden oder eher Distanz zu wahren – lediglich seinem Hauptgefährten darf man allgemeine Verhaltensweisen wie eher unterstützende oder aggressive Aktionen vorschreiben. Es gibt aber abgesehen von „Hier her!“oder „Hilfe!“ nur einen direkten kriegerischen Befehl für die Gruppe im Gefecht: Vorwärts, Angriff!

Automatischer Gefechtsablauf

Welche Rolle spielen die Drachen in der Story?
Welche Rolle spielen die Drachen in der Story? Der Held besitzt seine Fähigkeiten als "Erweckter" nur, weil sie ihm das Herz rausreißen...
Das wäre zu verschmerzen, wenn sie clever agieren würden, aber da werden Feuerstürme ausgelöst, obwohl die meisten Feinde schon tot sind oder jene Monster attackiert, die am ungefährlichsten sind. Und in so manchem Dungeon stürzen sie einfach mal zwei Etagen tiefer und kommen nicht zurück, weil sie gegen eine Säule laufen. Trotzdem sind sie im Trio unheimlich schlagfertig: Es ist möglich, dass man sich als Held komplett zurückzieht und das Gefecht in Seelenruhe beobachtet, während selbst mittlere Bosse quasi von alleine erledigt werden. Es ist unheimlich schade, dass der Held nicht mehr taktischen Einfluss ausüben kann und muss. Ob sein Einsatz später entscheidender ist? Ob die aktuell zu leicht, zu automatisiert ablaufenden anmutenden Gefechte ihn noch als Einzelkämpfer fordern werden? Abwarten.

Das Interessanteste am Kampf ist jedenfalls das Erklettern größerer Kreaturen: Egal ob Zyklop oder Riese – man kann nah ran, um nach ihnen zu greifen und an die Stellen kraxeln, die vielleicht besonders verwundbar sind. Und genau wie in Shadow of the Colossus kann man während dessen mit der Klinge zuschlagen. Hört sich gut an, ist aber alles andere als faszinierend und sieht nur dann ansehnlich aus, wenn man gerade nicht halb im Körper der Kreatur verschwindet oder die Kamera nicht wie wild rotiert. Immerhin ist das eine effektive Methode, um auch einzelne Gliedmaßen abzutrennen – und wenn man mit dem Kopf einer Hydra auf dem Wagen durch das Land zieht, hat das einen gewissen Reiz.

Kämpfe hier, kämpfe da

Vorsicht, der Riese naht: Sowohl über als auch unter Tage gibt es mächtige Kreaturen.
Vorsicht, der Riese naht: Sowohl über als auch unter Tage gibt es mächtige Kreaturen.
Es gehört zu einer der frühen Missionen, diese Ladung mit der mythischen Beute zu eskortieren. Dabei wird man immer wieder von Goblins und Harpyien angegriffen und kann die Ochsen über einen Schlag zu mehr Tempo animieren. Optimistisch stimmt eine der späteren Missionen, in der man das Dungeon Everfall unter der Stadt erkunden und mehr über das dortige Monster erfahren soll, denn man muss sich um Licht für seine Lampen kümmern, es gibt kleine Schalterrätsel und am Ende wird man auch mal zu einer Flucht gezwungen. Ansonsten beschränken sich viele Aufgaben auf hier kämpfen, da kämpfen und dort kämpfen. An einem Aushang in Gran Soren steht Folgendes zur Wahl: Töte 36 Skelette, töte zwei Oger, töte 45 Hasen – interessant ist anders.

Schön ist, dass die Gefährten ab und zu ihre Kommentare zur aktuellen Quest oder dem Land als solchem abgeben. Nervig ist, dass manchmal alle drei gleichzeitig Unsinn plappern, nicht selten mitten im Kampf, und bisher eher wie Bots als Charaktere mit Emotionen wirken – wenn sie sterben, kehren sie einfach zurück in ihre Welt und können später wieder angeheuert werden. Warum lehnen sie da nicht mal ab, wenn man sie zu oft verheizt?

Capcom verspricht, dass man das Verhältnis zu ihnen über seine moralischen Taten, spezielle Quests und individuelle Geschenke ausbauen kann. Manchmal würde man sich allerdings schon freuen, wenn man ihnen das automatische Öffnen von Kisten verbieten könnte, denn danach muss man umständlich in ihren Rucksäcken wühlen, falls etwas Relevantes dabei war. Immerhin findet man zig Items, die sich wie Gift und Pfeile kombinieren lassen. Bisher lässt sich noch nicht abschätzen, wie relevant diese Interaktion zwischen Gefährten und mit Gegenständen letztlich ist. Aber das künstliche Figurenverhalten erinnert bisher eher an die Steinzeit des Genres.

Schlagfertige Vasallen im Team

An den bleuen Steinen kann man Vasallen rufen - die Gruppe darf aus maximal vier Leuten bestehen.
An den bleuen Steinen kann man Vasallen rufen - die Gruppe darf aus maximal vier Leuten bestehen.
Wie kommt man überhaupt an die Gefährten? Von den drei Abenteurern, die den eigenen Helden begleiten können, darf man einen selbst erstellen. Dieser Hauptgefährte ist quasi immer dabei und steigt auch auf. Und er kann online entliehen werden: Ist diese Option aktiviert, dürfen andere Spieler diesen Charakter in ihrer Gruppe als Vasallen einsetzen. Der Vorteil soll darin liegen, dass er erfahrener und schlagfertiger zurück kehrt. Ob er dann auch neue Gegenstände behält? Darauf werden wir im Test näher eingehen. Man kann das Abenteuer allerdings auch komplett offline spielen.

Die beiden anderen Vasallen kann man entweder direkt in der Spielwelt rekrutieren oder über blaue Steine beschwören, die wie ein Portal in eine Vasallen-Kaserne fungieren. Bevor man jemanden anheuert, kann man sich z.B. über seine Klasse und seine Stufe informieren, denn diese Nichtspielercharaktere steigen nicht auf – man wird also gezwungen zu wechseln, wenn man höher stufigen Feinden erfolgreich trotzen will.

Magere Charaktererstellung

Bei der eigenen Charaktererstellung muss man Menschen wählen und hat lediglich die Wahl zwischen den drei Grundklassen Kämpfer, Ranger und Zauberer, die sich später in je drei Unterklassen aufspalten, so dass es letztlich neun Professionen gibt – vom Mystic Knight über den Assassin bis zum Magic Archer. Allerdings kann man deren Werte bei einem Aufstieg nicht individuell anpassen, denn Lebenspunkte, Stärke, Magie und Verteidigung steigen zum einen automatisch an. Und ob jemand zusätzlich Stärke oder

Es gibt einen Tag- & Nachtwechsel; die Bewohner gehen ihren Geschäften nach.
Es gibt einen Tag- & Nachtwechsel; die Bewohner gehen ihren Geschäften nach.
etwas Anderes gewinnt, hängt zum anderen von der Ausrüstung ab: Ein Schild gibt z.B. plus 26 Stärke, ein Breitschwert plus 121 Stärke. Leider ist das Ausrüsten und Vergleichen innerhalb des umständlich aufgebauten Inventars alles andere als komfortabel.

Und dieses System ist natürlich eher etwas für Sammler à la Monster Hunter als für Rollenspieler, die ihren Charakter en detail formen wollen. Aber diese werden sich darüber freuen, dass sich Statur und Geschlecht auf das Spielerlebnis auswirken sollen: Ein Hüne kann mehr tragen und kommt aber mit seiner Masse nicht überall hindurch – ob die Spielwelt dafür genug Situationen anbietet? Und als Frau sorgt man für aggressivere bzw. freundlichere Reaktionen bei Monstern bzw. Bewohnern. Hinzu kommen zig primäre und sekundäre Fähigkeiten sowie  Kombinationsmöglichkeiten zwischen Ausrüstung und Waffen. Ob man aus dieser Fülle die nötige Personalisierung schaffen kann? Immerhin kann man nicht einfach alles mitschleppen, denn auch die Traglast hat negative Auswirkungen – schon nach wenigen Stunden ist man damit beschäftigt, das Unnötige auszumisten.

Ausblick

Im Gefecht mit der Gruppe zu hektisch, in der Kulisse teilweise schrecklich schwach, im Figurenverhalten steril bis nervig und hinsichtlich der inneren Rollenspielwerte zu oberflächlich – das sind meine Eindrücke nach den ersten Stunden mit Dragon’s Dogma. Ich mag Fantasy in offener Welt und ich spiele gerne kampflastige Abenteuer, aber hier zeigen sich recht früh klare Schwächen, zudem geht es mir zu sehr um das Sammeln und Ausrüsten à la Monster Hunter. Ob das Abenteuer seine Reize entfaltet, wenn man es länger spielt? Was bringen Crafting, Geschenke sowie die Online-Komponente? Es gibt ja interessante Ansätze wie das Erklettern riesiger Kreaturen, die moralischen Entscheidungen und natürlich all die Fragen, die die Story noch aufwirft. Außerdem habe ich erst eine Stadt und einen Dungeon gesehen. Aber bisher war von epischer Anziehungskraft keine Spur.

Ersteindruck: befriedigend

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