UFC Undisputed 330.09.2011, Mathias Oertel
UFC Undisputed 3

Vorschau:

Erfolgreiche Sportspiele erscheinen normalerweise in einem jährlichen Turnus. Doch ab und zu gibt es Ausreißer, die sich keinem Druck aussetzen und viel Zeit nehmen, um ein verbessertes Spielerlebnis abzuliefern. Das neueste UFC-Spiel gehört in diese Kategorie. Wir sind vorab ins Octagon gestiegen und schauen, ob sich das verlängerte Warten loht.

Geduld ist eine Tugend

Ich gebe offen zu: Als ich erfahren hatte, dass THQ dieses Jahr definitiv keine Ausflüge ins UFC-Octagon machen wird, war ich enttäuscht. Andererseits begrüße ich die Entscheidung, dem neuesten Ableger der erfolgreichen MMA-Spiele zusätzliche Entwicklungszeit einzuräumen. Fernab des Drucks, innerhalb nur weniger Monate einem bereits sehr guten Titel (4P-Wertung: 89%) neue Facetten hinzufügen zu müssen, nur damit man einen saisonalen Veröffentlichungstermin einhalten kann, hat man die Möglichkeit, das Spiel sinnvoll weiterzuentwickeln und die Qualität zu steigern.

Ob die Entwickler bei Yukes unter Leitung von Nevin Dravinsky diese Möglichkeit beim Schopfe packen und tatsächlich eine Weiterentwicklung zu spüren ist, steht freilich auf einem anderen Blatt. Wir hatten die Gelegenheit, gut vier Monate vor Veröffentlichung einen Blick auf die Mechanik zu werfen. Von den sieben Gewichtsklassen waren mit dem Leichtgewicht sowie dem Halbschwergewicht allerdings nur zwei spielbar, so dass nur ein vergleichsweiser kleiner Teil der über 150 voll lizenzierten Athleten zur Verfügung stand. Besonders auf die neuen UFC-Klassen Bantam- und Federgewicht bin ich jedoch sehr gespannt. Immerhin versprechen diese Gewichtsklassen mit ihren maximal zulässigen 61,2 KG (Bantam) und 65,8 KG (Federgewicht) eine andere Dynamik als z.B. die Kraftprotze des Schwergewichts. Da sowohl in der Ausgabe 2010 als auch in der vorliegenden Version die Unterschiede der Gewichtsklassen gut zu spüren sind, habe ich berechtigte Hoffnung, dass hier ähnlich interessante Kämpfe wie in der mittlerweile komplett in der UFC aufgegangenen WEC zu erwarten sind.

Verbessertes Umfeld

Ich finde es immer erfreulich, wenn sich Entwickler konstruktiv des Feedbacks annehmen, das sie sowohl von der Presse als auch von den Fans (die im Idealfall eine Schnittmenge bilden) bekommen. Denn auch wenn das verbesserte Präsentationsumfeld keine direkten Auswirkungen auf das Spielgefühl hat, genieße ich die endlich integrierten (und zeitlich gut gestrafften) Einmärsche samt Cutman- und Ringrichter-Behandlung am so genannten "Prep Point". Denn zum einen bekommt man vom Kommentatoren-Team Mike Goldberg/Joe Rogan weitere Informationen zum jeweils durch die Arena laufenden Athleten, zum anderen wirkt die Darstellung einfach authentischer. Kleines Gimmick am Rande: Sucht man sich als Veranstaltungsort eine kleine Halle, wird automatisch auf die "UFC Fight Night"-Präsentation geschaltet. Dementsprechend werden die Einmärsche, die bei diesen Veranstaltungen im amerikanischen "Free TV" für Werbepausen genutzt werden, nicht gezeigt - ein nettes Detail!

Natürlich muss sich zeigen, ob man die Einmärsche auf lange Sicht nicht wegklickt - was auch von der Qualität sowie dem Variantenreichtum der Kommentare abhängen dürfte. Auch die Frage, wie es sich in der Karriere mit Einmärschen etc. verhält, ob man eigene Musiken einbinden und sich so das absolute UFC-Erlebnis erstellen kann, muss vorerst offen bleiben. Denn wir konnten weder Karriere noch Pride-Modus oder den Editor in Augenschein nehmen.

Neues Spielgefühl?

Der alte und neue Halbschwergewichts-Champion Jon Jones gehört zu den Athleten, die das Cover zieren sollen.
Der alte und neue Halbschwergewichts-Champion Jon Jones gehört zu den Athleten, die das Cover zieren könnten.
Stattdessen haben wir uns vorrangig mit den neuen Funktionen im Octagon beschäftigt. Und auch davon gibt es reichlich. So konnte ich mir ein freudiges "Yeah! Es geht!" nicht verkneifen, als mein mit dem Rücken am Käfig sitzender Kämpfer die Octagon-Begrenzung nutzte, um sich wieder nach oben zu kämpfen (Stichwort: "Wallwalk"). Oder als ein Kick auf das Standbein meines Kontrahenten dazu führte, dass er kurz zusammensackte, so dass ich mich auf ihn werfen und eine weitere der neuen Mechaniken einsetzen konnte: Den überarbeiteten Finisher z.B., bei dem man seinen Gegner mit Hammerfists etc. so lange traktiert, bis der Ringrichter eingreift, während der verteidigende Kämpfer versucht, die Schläge so lange zu blocken oder ihnen durch das neue "Ausweichen am Boden" auszuweichen, bis er wieder klar im Kopf ist.

Allerdings ist das "Finishen" hinsichtlich der Matchlogik sowie Methodik noch nicht ganz überzeugend: Bei einigen unserer Duelle war zu beobachten, dass die Grenze vom sinnvollen Verteidigen zum Kampfabbruch bzw. dem Spielanalogon "Groggy" hin zu "Mach was du willst, du hast ohnehin keine Chance" nicht klar umrissen war. Sprich: Es kann vorkommen, dass man kurz vor dem KO steht und sich durch Aktionen retten kann, ein anderes Mal gefühlt noch mehr Ausdauer zur Verfügung hat, aber verzweifelt und hilflos zusehen muss, wie man nicht mehr auf die Beine kommt.

Sicherlich spielen in dieser Beziehung auch die Eigenschaftswerte der Fighter eine Rolle, so dass ein Chris Leben sicherlich mehr einstecken kann als Michael Bisping. Doch der Spannung im Ring sowie der Authentizät kann es nur zuträglich sein, wenn man einen visuellen Anhaltspunkt hat oder ein Gefühl dafür entwickeln kann, wie schlecht oder gut es um den eigenen Fighter steht. Momentan steht man allerdings zu sehr im Dunkeln - es wirkt noch etwas willkürlich.

Die neuen "Finisher" sind klasse in Szene gesetzt, wirken aber hinsichtlich der Mechanik noch etwas willkürlich.
Die neuen "Finisher" sind klasse in Szene gesetzt, wirken aber hinsichtlich der Mechanik noch etwas willkürlich.
Wobei dessen ungeachtet das so genannte "Stand-Up Game", also der klassische Kampf mit Schlägen und Tritten, den sehr guten Eindruck des Vorgängers bestätigt: Angriffe, Clinches, Blocks und Konter lassen sich einfach abrufen, benötigen aber Timing. Und der nach wie vor taktische Schlagabtausch, der reinen Buttonmashern irgendwann die Grenzen aufzeigt, spiegelt die Facetten des modernen Mixed Martial Arts adäquat wider.

Bodenkampf zu dynamisch?

Am Boden zeigt sich ein ähnliches Bild: Ergänzt durch eine optional vereinfachte Transition-Steuerung, bei der eine Bewegung nach oben oder unten auf dem rechten Stick, die Halb- und Viertelkreise des Vorgängers ersetzt, kommt es auch bei Wrestling- oder Brazilian Jiu Jitsu-Duellen zu einem dynamischen Hin und Her.

Allerdings zeigt vor allem der Bodenkampf Spielraum, wenn es um Verbesserungen hinsichtlich der Authentizität geht. Für das Spielgefühl und die Spannung ist es zwar zuträglich, dass es im Vergleich zum Vorgänger deutlich schwieriger ist, den Gegner am Boden zu halten und sich (zu) schnelle Positionswechsel die Klinke in die Hand geben. Doch wenn ein Gray Maynard oder ein BJ Penn erst einmal in einer dominanten Position sind, geben sie diese so schnell nicht wieder her, wie es das System derzeit möglich macht.

Da es jedoch noch einige Monate bis zu geplanten Veröffentlichung Anfang 2012 sind, gehe ich davon aus, dass man sich dieses Problems bewusst ist und Athleten in einer dominanten Position in Einklang mit den Fähigkeitswerten einen gewissen Bonus einräumt, wenn es um Verteidigung dieser Dominanz oder den Transition-Fortschritt geht. Bei Duellen sowohl gegen die KI als auch gegen menschliche Gegner ist es derzeit noch zu einfach, sich aus einer Bodenposition zu befreien und wieder auf die Beine zu kommen.

Neues Aufgabesystem

Die größte mechnanische Änderung ist das neue Aufgabesystem, das viel transparenter ist als im Vorgänger.
Eine große mechanische Änderung ist das neue Aufgabe-System, das transparenter ist als im Vorgänger.
Das komplett erneuerte Aufgabesystem, das sich leicht an dem orientiert, das EA mit seinem Abstecher in die MMA-Welt eingeführt hat, ist ein klarer Fortschritt: Musste man bislang bei einem Aufgabeversuch (oder der Verteidigung desselben) wie wild den rechten Stick in einer Kreisbewegung rühren, sind jetzt Timing und Taktik gefragt. Für den Angreifer geht es darum, seine Markierung in einem Minispiel über der des Gegners zu platzieren, damit dessen "Submission"-Energie abnimmt und man ihn im Bestfall zur Aufgabe zwingen kann. Der verteidigende Athlet versucht im Gegenzug, der Deckungsgleichheit zu entgehen und sich so zu befreien, wobei im Idealfall sogar ein Positionskonter dabei herausspringt. Da der Verteidiger (abhängig von Ausdauer und Fähigkeitsstand) einen gewissen Vorteil genießt, da dem Angreifer nur ein gewisses Zeitfenster zur Verfügung steht, wird die Willkürlichkeit eliminiert, die der letzten Version innewohnte. Dafür ist es derzeit selbst mit Aufgabe-Spezialisten noch viel zu schwer, einen Gegner zum Tapout zu bringen - selbst, wenn dieser z.B. durch gezielt gesetzte Tritte schon "müde Beine" hat und man nun einen "Leglock" oder ein "Kneebar" ansetzt. Auch hier ist noch Raum für Verbesserungen im Detail.

Ausblick

Der Nachfolger zum Ausnahme-Sportspiel rund um die Octagon-Athleten der UFC ist auf dem richtigen Weg und scheint die Abweichung vom üblichen Jahresturnus in spielerischen Fortschritt umwandeln zu können. Dabei geht es nicht einmal um die inhaltlichen Ergänzungen wie neue Gewichtsklassen oder das Pride-Regelwerk. Denn beide Features waren in der vorliegenden Version noch nicht enthalten. Auch die Karriere bleibt weiterhin ein großes Fragezeichen. Doch was sich hinsichtlich der mechanischen Änderungen abzeichnet, macht bereits Lust auf mehr. Während das gelungene "Stand Up"-Game nur behutsame, aber sinnvolle Verbesserungen erfährt, wird vor allem der Bodenkampf von einigen Neuerungen profitieren: Neue Transitions sowie vor allem das transparente Aufgabesystem sorgen dafür, dass die Gefechte am Boden denen im Stand in Nichts nachstehen, wenn es um Dynamik und Intensität geht. Derzeit ist es zwar noch möglich, einer dominanten Position des Gegners ohne große Anstrengung  zu entkommen, doch es bleibt noch genug Zeit, um an diesem Hebel anzusetzen. Auch die Kommentare, die in Wiederholungen derzeit noch zu sehr auf Konterschläge fixiert sind, könnten mehr Bandbreite vertragen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass mit UFC Undisputed 3 ein würdiger Nachfolger naht, der mit einer überarbeiten sowie u.a. mit Einmärschen ergänzten Präsentation punktet und die Kämpfe im Octagon mit einem frischen Spielgefühl aufwertet.

Eindruck: sehr gut

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