Vorschau:
Der Einfluss des Todes
Man hätte nicht nur diese Situation eleganter lösen können, indem man die Wache z.B. ignoriert und einen anderen der acht Eingänge zum Gebäude sucht oder indem man sie lediglich bewusstlos schlägt. Man kann das komplette Abenteuer ohne einen einzigen Mord meistern. Jede Mission bietet mehrere Wege, um zum Ziel zu gelangen. Die Zahl der begangenen Morde soll Auswirkungen auf so manche Begegnungen mit Passanten (ein skrupelloser Killer wird selten gegrüßt) und letztlich sogar auf die politische Stabilität in der Stadt haben, in der zwei Parteien im Angesicht einer Seuche um die Macht kämpfen. Jeder Tote wird gezählt und ihre Summe beeinflusst schließlich die drei möglichen Enden.
Das hört sich gut an, aber noch bleibt unklar, inwiefern man auch erzählerisch dazu motiviert wird, möglichst wenig Blut zu vergießen. Ob man irgendwann mit einer Partei sympathisiert? Denn eigentlich müsste der Zorn des Helden auf das politische Establishment wie eine Flamme brennen: Er heißt Corvo Attano, hat früher als Wache die Kaiserin beschützt und soll sie umgebracht haben. Der tyrannische Lordregent, der entfernt an Max Schreck in Nosferatu (1922) erinnert, hat ihm den Mord in die Schuhe geschoben. Als Corvo schon zum Tode verurteilt dahin schmachtet, rettet ihn allerdings ein Fremder und verleiht ihm magische Kräfte. Wer ist dieser Mann, der "Outsider" genannt
Die Magie in der Hand
Corvo versteckt sich in diesem Pub und nimmt Aufträge des mysteriösen Fremden an. Dank ihm wurde er über Nacht zum wütenden Jäger mit Maske und magischer Begabung, der auf Knopfdruck ein Kreismenü öffnet und dort zig übernatürliche Kräfte sowie gefährliche Waffen parat hat. Im Laufe des Abenteuers kann er seine martialischen und arkanen Möglichkeiten erweitern, indem er bei Händlern einkauft, Runen oder Knochen findet, von denen vor jedem Spiel zufällig 20 von 50 ausgestreut werden - diese können z.B. dafür sorgen, dass Ratten länger beschworen werden, dass auch Wasser die magische Energie auffrischt oder dass Leichen zu Asche werden. Dann muss man sie nicht mehr umständlich vor den Augen der Wachen verstecken.
Ansonsten kann Corvo in Egosicht nicht nur mit Messer, Säbel und Pistole angreifen, sondern auch Granaten oder eine Armbrust mit diverser Munition einsetzen, die lediglich betäubt oder direkt tötet. Er kann plump Türen sprengen, durch Schlüssellöcher lugen oder eine Sicht durch Wände aktivieren, um die Situation abzuschätzen. Sehr cool: Er darf dank der Maske auch akustisch heran zoomen und entfernte Gesprächen belauschen, um so vielleicht einen Hinweis zu erhaschen. Außerdem muss er nicht unbedingt langsam und geduckt schleichen, sondern kann sich kurz teleportieren, indem er ein Ziel wie etwa einen
Damit nicht genug, kann er Ratten zur Verwirrung beschwören, kurze Windstöße abgeben, die Zeit anhalten, um Kugeln auszuweichen oder um selbst länger zu zielen – z.B. auf drei Feinde gleichzeitig. Aber die spektakulärste Fähigkeit ist eine andere: Corvo kann in andere Körper fahren, egal ob Mensch oder Tier. In der Haut eines Wächters kann er zwar nicht kämpfen, aber er kann kurzfristig mit ihm an seinen Kollegen vorbei schlendern und vielleicht eine Tür zu öffnen, dahinter einen Schalter zu bedienen oder eine zu Leitung sabotieren, so dass einem Politiker in der Sauna etwas zu heiß wird – ein böser, geschickt eingefädelter Unfall. Sehr schön: Sobald er den Fremdkörper verlässt, ist der Eigentümer für ein paar Sekunden verwirrt.
Von der eigenen Kugel getötet
Aber die magischen Superkräfte fordern ihren Preis: Sie kosten Energie. Trotzdem scheinen die Möglichkeiten des Helden in den vorgespielten Szenen nahezu unerschöpflich und im Vergleich zu den begrenzten Reaktionen der Wachen etwas übermächtig. In den Kämpfen versuchten sie sich zwar mit ihren Säbeln zu verteidigen oder zurück zu schießen, aber das sah alles recht unbeholfen aus. Die spannende Frage ist, ob Corvus auch mal von einem mächtigeren Gegenspieler gekontert wird, ob abseits des Lordregenten interessante Antagonisten aufgebaut werden. Oder ob er auf seinen Teleports durch die hübschen Gemäuer wenigstens einer fähigen KI begegnet, die ihn mit ihren Routen, Alarmstufen und Verfolgungen unter Druck setzt oder in Überzahl auch kämpferisch besiegt. Viel vom Reiz dieses Abenteuers wird von diesem Figurenverhalten abhängen, das evtl. auch über die vier Schwierigkeitsgrade beeinflusst werden kann..
Viktorianische Parallelwelt
Und die ebenso aristokratisch wie industriell anmutenden Kulisse wird angenehm überzeichnet, so dass trotz der vertrauten Motive etwas Fremdartiges über der Stadt liegt: Da sind die übergroßen Hunde mit ihren langen Echsenzungen, die mechanischen Kutschen ohne Pferde oder die zweibeinigen Wächter, die wie Riesen durch die Stadt stolzieren und mit stählernen Bögen bewaffnet sind. In einer Situation muss Corvus ein Gebiet durchqueren, dass von mehreren dieser Aufpasser bewacht wird – dabei muss er ihren Pfeilen ausweichen oder diese kontern und ihre Schutzschilde einreißen, bevor er sogar selbst auf einem Zweibeiner herum stolzieren kann. Sehr gespannt bin ich bereits auf den Maskenball, der als eine Mission lediglich beschrieben wurde: Dort kann man sich beim Adel einschmeicheln und delikate Situationen einleiten.
Ausblick
Ansehnlich, stimmungsvoll und freies Spiel - Dishonored macht mich neugierig. Nicht nur aufgrund seiner gemäldeartigen Kulisse, die eine dystopische Parallelwelt des 19. Jahrhunderts inszeniert, in der sich Aristokratie, Industrialisierung und Magie treffen. Vor allem interessiert mich die Stealth-Action, die clevere Lösungswege innerhalb der Aufträge anbieten soll – und je nachdem, ob und wie viele Feinde man tötet, gibt es drei Enden. Aber wie wirkt sich das Teleport-Tempo auf das Schleicherlebnis aus? Und kann man den zig übernatürlichen Fähigkeiten des Helden mit einer aufmerksamen KI und konternden Antagonisten etwas entgegen setzen? Der plumpe Ballerweg erschien bisher wie eine fade, weil viel zu leichte Alternative. Aber noch wurden lediglich komprimiert Möglichkeiten präsentiert und was die Entwickler über ihr offenes Design erzählten, hörte sich richtig gut an. Man soll z.B. Bücher finden, die nicht nur mehr über die Hintergründe verraten, sondern Aufgaben erst nach der Lektüre auf bestimmte Art lösbar machen: Nur wer etwas über Häresie liest, soll jemanden in der Folterkammer als Ketzer brandmarken können. Ich bin gespannt, wie sich dieses Abenteuer entwickelt - es soll noch dieses Jahr erscheinen.
Ersteindruck: gut
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