Von der eigenen Kugel getötet
Man hat immer die Wahl, ob man die Aufträge blutig oder clever löst. Ob der Mann auch schon ein Opfer der Seuche ist? Die "Weiner" bluten jedenfalls aus den Augen...
Es geht aber noch spektakulärer. In der Haut eines Fisches oder einer Ratte kann man ideal durch Wasserleitungen oder Rohre schlüpfen, um ungesehen in abgeriegelte Bereiche zu gelangen. Wie oft wird man das für kleine Rätsel oder mechanische Spielereien einsetzen können? Fest steht, dass man die Kräfte clever kombinieren kann: Über den Windstoß lassen sich Projektile der Feinde zurückwerfen. Und wenn eine Wache schießt, hält man die Zeit an, so dass die Kugel schon in der Luft schwebt. Dann übernimmt man den Körper der Wache und läuft mit ihr zurück an den Ort, auf den sie selbst gezielt hat. Wenn man sie jetzt verlässt, wird sie von ihrer eigenen Kugel erledigt…
Aber die magischen Superkräfte fordern ihren Preis: Sie kosten Energie. Trotzdem scheinen die Möglichkeiten des Helden in den vorgespielten Szenen nahezu unerschöpflich und im Vergleich zu den begrenzten Reaktionen der Wachen etwas übermächtig. In den Kämpfen versuchten sie sich zwar mit ihren Säbeln zu verteidigen oder zurück zu schießen, aber das sah alles recht unbeholfen aus. Die spannende Frage ist, ob Corvus auch mal von einem mächtigeren Gegenspieler gekontert wird, ob abseits des Lordregenten interessante Antagonisten aufgebaut werden. Oder ob er auf seinen Teleports durch die hübschen Gemäuer wenigstens einer fähigen KI begegnet, die ihn mit ihren Routen, Alarmstufen und Verfolgungen unter Druck setzt oder in Überzahl auch kämpferisch besiegt. Viel vom Reiz dieses Abenteuers wird von diesem Figurenverhalten abhängen, das evtl. auch über die vier Schwierigkeitsgrade beeinflusst werden kann..
Viktorianische Parallelwelt
Corvo kann Granaten & Co, aber auch viele übersinnliche Fähigkeiten einsetzen, darunter eine Sicht durch Wände, Windstöße oder die Beschwörung von Ratten.
Was jetzt schon überaus reizvoll ist, ist das Artdesign, das sich in den begrenzten Arealen auf architektonische Kleinigkeiten und prächtiges Interieur konzentrieren kann: Schon an den wenigen vorgespielten Schauplätzen wie dem Badehaus „Golden Cat“ sorgt die Kulisse mit ihrem edlen Gemäldestil für eine Stimmung, die zum näheren Hinsehen und Erkunden einlädt. Egal ob verzierte Tapeten oder prunkvolle Teppiche, kristallene Lampen oder schnieke Uniformen, egal ob strenge Pickelhaube, edle Manschetten oder verzierte Säbel: Die historischen Vorbilder des viktorianischen Zeitalters sind unverkennbar. Allerdings gleicht Dunwall auch einem Überwachungsstaat à la Half-Life, denn überall gibt es Lautsprecher und patrouillierende Truppen.
Und die ebenso aristokratisch wie industriell anmutenden Kulisse wird angenehm überzeichnet, so dass trotz der vertrauten Motive etwas Fremdartiges über der Stadt liegt: Da sind die übergroßen Hunde mit ihren langen Echsenzungen, die mechanischen Kutschen ohne Pferde oder die zweibeinigen Wächter, die wie Riesen durch die Stadt stolzieren und mit stählernen Bögen bewaffnet sind. In einer Situation muss Corvus ein Gebiet durchqueren, dass von mehreren dieser Aufpasser bewacht wird – dabei muss er ihren Pfeilen ausweichen oder diese kontern und ihre Schutzschilde einreißen, bevor er sogar selbst auf einem Zweibeiner herum stolzieren kann. Sehr gespannt bin ich bereits auf den Maskenball, der als eine Mission lediglich beschrieben wurde: Dort kann man sich beim Adel einschmeicheln und delikate Situationen einleiten.