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Geheimtipp oder Trash?
Seit den ersten Infos und Videos bin ich ein Fan von Lollipop Chainsaw (LC). Nicht nur, weil ich ein Faible für Zombies habe. Sondern auch, weil die mit einer Kettensäge bewaffnete High School-Cheerleaderin Juliet in mir die Hoffnung keimen ließ, dass sie vielleicht zu so etwas wie einer kleinen Bayonetta reift. Und nicht zuletzt, weil ich mittlerweile zu einem Fan von Suda 51 geworden bin - trotz No More Heroes!
Denn auch wenn seine Spiele selten zu Publikumserfolgen werden und mitunter auch mit technischen Problemen zu kämpfen haben, sind sie doch durchweg außergewöhnlich - wie auch sein bislang letzter "großer" Titel Shadows of the Damned, der gekonnt fernöstliche Bosskampf-Tugenden mit westlichen Elementen sowie dem anzüglich zweideutigen Humor vermischte.
Der japanische Peter Jackson
Spätestens hier war Suda 51 für mich so etwas wie der frühe Peter Jackson: Ein Visionär, der mit Titeln wie Bad Taste, Meet the Feebles oder Brain Dead seinen unnachahmlichen Erzählstil festlegte (und ihn bis heute beibehält), bevor schließlich Hollywood an die Tür klopfte und ihm die Möglichkeit gab, sein Talent in größeren Produktionen unter Beweis zu stellen. Wie die meisten von uns wissen, sollten The Frighteners und Heavenly Creatures nur der Anfang sein, bevor sich der geborene Neuseeländer mit der Trilogie zu Der Herr der Ringe quasi unterblich machte.
Wenn ich dieser Analogie folge, ist Shadows of the Damned quasi das Gegenstück zu Heavenly Creatures. Das Budget war größer, Story und Charaktere sind nicht ganz so sperrig wie in Killer 7 oder No More Heroes, der große Erfolg blieb aber aus. Die nächste Evolutionsstufe dürfte Lollipop Chainsaw werden: So "westlich" war bislang noch kein Titel der Grasshopper Studios. Ob dies daran liegt, dass der amerikanische Regisseur James
Ungezwungener Spaß
Eines lässt sich jedoch mit Sicherheit sagen, nachdem ich etwas mehr als zwei Stunden mit Juliet durch Zombiemassen oder deren Einzelteile gewatet bin, Teile ihrer Familie sowie ihren Freund kennengelernt und schließlich sogar einen der fiesen Bosse besiegt habe: Der Einfluss, den Gunn auf Suda und die Entwicklung hatte, ist positiv. Lollipop Chainsaw geht vor allem hinsichtlich Erzählstruktur und Charakterzeichnung unheimlich selbstironisch, gleichzeitig aber liebevoll mit seinen Figuren um. Man greift häufig tief in die Klischeekiste wie z.B. bei dem mit Elvistolle und Leopardenfelljacke ausgestatteten Vater Juliets, der mit einem tiefen Südstaatenakzent spricht. Und natürlich geht die Sexfantasien fütternde und viel zu leicht bekleidete Juliet keinem doppeldeutigen Witz aus dem Weg. Das schöne dabei: Alles wirkt innerhalb der vollkommen überkandidelten Welt sehr harmonisch und in keiner Form lächerlich. Selten habe ich bei einem Intro sowie im Spiel so häufig so herzhaft lachen müssen wie hier. Und da sind Sprüche wie "Our mother taught us (Juliet und ihre Schwestern, Anm. d. Red.) to wear our vaginas proudly!" noch die schwächeren Kaliber. Es scheint, als ob man ganz gezielt Kontrapunkte zu den sich viel zu ernst nehmenden Slasher-Filmen der letzten Jahre setzen möchte. Doch egal, was als Motivation dahinter steckt, es funktioniert. Natürlich könnte bei einer Lokalisierung derart delikater Themen schnell der Humor zur Farce werden. Daher begrüße ich es ausdrücklich, dass man bei
Äh… Wie bitte?
Ich dachte mir "Das kann doch nicht sein!", als im Februar die Pressemeldung eintrudelte und voller Stolz ankündigte, dass Lollipop Chainsaw von der USK eine Freigabe "Ab 16" bekommen habe - und das ungeschnitten!
Nachdem ich Zombies im Dutzend geköpft habe, mit ansehen musste, wie Highschool-Kids, die ich nicht retten konnte, zu fiesen Gegnern werden und Untote mit der Kettensäge in der Mitte zerteilt habe, denke ich mir immer noch "Das kann doch nicht sein!" - wenngleich nicht mit der Vehemenz der letzten Wochen und Monate. Hat vielleicht der Humor Wunder gewirkt?
Hat man den USK-Kontrolleuren eine der besonderen Special Editions versprochen? Wie dem auch sei, verwunderlich ist es schon. Allerdings muss man auch bedenken, dass die Gewalt hier stark relativiert wird und nicht so exzessiv ist, wie es klingen mag. Denn wenn
3D Final Fight mit Kettensäge
Die ursprüngliche Hoffnung meinerseits, dass sich Juliet evtl. in den Fußstapfen meiner Lieblingshexe bewegen könnte, wurde jedoch schnell zerschlagen. Denn wo sich Bayonetta an Titeln wie Devil May Cry orientiert, beschreitet die Blondine mit dem kurzen Röckchen eher den dreidimensionalen Final Fight-Weg. Die Kombos, die sie mit Pompons und Kettensäge zu leisten imstande ist, sind überschaubar - in der Anfangsphase sogar extrem, so dass sich in der ersten halben bis dreiviertel Stunde eine gewisse Monotonie breit macht. Im Laufe der Zeit kann man zwar neue Kombos und Spezialattacken erlernen, doch man wird dabei aller Voraussicht nach nicht an die Vielfalt der Hexe heran kommen.
Doch mit den ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten sorgt Juliet für eine Menge Spaß. Sie zeigt größtenteils geschmeidige Animationen, bei denen sie sogar immer wieder (ihrem Status als Puschel-Schwingkönigin folgend) Cheerleading-Bewegungen einbaut, bevor es mit dem Zombie-Zerteilen weitergeht. Und mit dem Belohnungssystem kommt sogar ansatzweise so etwas wie "Verpflichtung zu einer stilvollen B-Note" hinzu. Denn man bekommt wesentlich mehr Goldmünzen (Währung zum Freischalten von Specials und neuen Bewegungen), wenn man die Zombies erst schwächt und dann in ihrem
Dabei ist sie jedoch nicht nur auf ihre akrobatischen Fähigkeiten und die gut geölte Kettensäge angewiesen. Später kommen gelungene Ballersequenzen hinzu, Retro-Level, in denen man in Variationen von Pac-Man oder Elevator Action gegen die Untoten antritt, sorgen ebenfalls für Abwechslung und sie kann ihren Freund Nick in zahlreichen Spezialangriffen nutzen. Dass eben dieser Nick normalerweise als reanimierter und stets kommentierender Kopf an ihrer Seite hängt, nachdem er einem Zombieangriff zum Opfer gefallen ist, macht die Sache nur skurriler. Doch er ist nicht nur als Smartbomb einsetzbar. Manchmal findet man kopflose Untote, denen man Nick "aufsetzen" kann und den Juliet dann mit Cheerleading-Moves (verkleidet als simpler Reaktionstest) dazu bringt, meist explosive Gegenstände von Punkt A zu Punkt B zu bringen, um dort z.B. eine Wand zu sprengen. Ich hoffe, dass noch mehr und anspruchsvollere dieser Rätsel in den Abschnitten versteckt sind, die weitgehend linear und technisch nur selten mehr als durchschnittlich wirkten.
Ausblick
Auch wenn die ganz große Euphorie verflogen ist, die ich nach den ersten Videos und Informationen verspürte, freue ich mich riesig auf Lollipop Chainsaw. Ausgehend von den (zu) wenigen Stunden, die ich mit Juliet und ihrer Kettensäge verbringen konnte, dürfte der Zombie-Brawler eines meiner Sommerhighlights werden. Zwar hat sich meine Hoffnung zerschlagen, eine vollwertige Alternative zu Bayonetta zu erleben. Doch die Mischung aus schlüpfrigem Humor, einer ordentlichen Prise Gewalt und Blümchenfaktor, der sich unter anderem in psychedelischen Regenbögen bei besonderen Aktionen äußert, unterscheidet sich erfrischend vom üblichen Brawler-Einerlei und hat alleine deswegen meine Sympathien sicher. Dass sich hinsichtlich der eher durchschnittlichen Kulisse bis zum Release Mitte Juni nichts mehr tun wird, ist nahezu sicher. Doch ich gehe davon aus, dass Kreativkopf Suda 51 noch einige Trümpfe aus dem Ärmel zaubert, um die drohende Monotonie der Kämpfe aufzubrechen, deren überschaubare Kombos locker aus den Fingern fließen. Wie es auch ausgehen wird: Die Kettensägen schwingende Cheerleaderin hat in jedem Fall schon meine Stimme zur Wahl der Highschool-Königin sicher und ist eine der interessantesten Heldenfiguren seit Langem.
Eindruck: gut
Lollipop Chainsaw wird am 15. Juni erscheinen. Die ungeschnittene Version hat eine USK-Freigabe "Ab 16" erhalten.
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