Resident Evil 610.04.2012, Jörg Luibl
Resident Evil 6

Vorschau:

Man musste Angst um Capcom haben: Immerhin demonstrierten die Japaner mit Raccoon City (Wertung: 49%), wie wenig sie von Shooter-Action verstehen. Und gleichzeitig betonten sie, wie wichtig es wäre, dass sich Resident Evil zukünftig an Call of Duty & Co orientiert. Aber hatte man nicht angekündigt, mit dem sechsten Teil zu den Horrorwurzeln zurückkehren zu wollen? Was wird denn aus Resident Evil 6 (ab 4,79€ bei GP_logo_black_rgb kaufen)? Call of Evil? Bisher konnte man nur spekulieren, jetzt gab es aussagekräftige Spielszenen.

Herrenhausflair wie in alten Zeiten

Der Boden knarzt, eine Wanduhr tickt, Schatten huschen über die Wand. Leon S. Kennedy bewegt sich seit einer Viertelstunde langsam mit vorgehaltener Pistole durch die Dunkelheit - gerade tigert er durch einen riesigen Speisesaal. Ich habe mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass die ersten Spielszenen von Resident Evil 6 so etwas wie Herrenhausflair verströmen. Leon ist zwar in einer amerikanischen Universität unterwegs, aber nicht nur die Holzvertäfelungen, Teppiche und Kronleuchter erinnern an die mondäne Villa von Umbrella.

Es ist neben dem altmodischen Interieur vor allem das ruhige Erkunden, das Erahnen des kommenden Schreckens, während ein kleiner Lichtkegel jeder Bewegung folgt. Hier baut sich schon beim Zuschauen eine angenehme Spannung auf, weil lange Zeit kein Schuss fällt und niemand zu sehen ist. Irgendwann kippt eine Leiche aus einer Nische, dann passiert wieder lange nichts,  bis plötzlich eine Gestalt in einen Gang hetzt. War das ein Zombie? Oder ein Mädchen? Die Regie des Einstiegs ist vielversprechend, denn man fühlt sich angenehm an alte Zeiten erinnert.

Déjà-vu im dunklen Flur

Leon S. Kennedy ist zusammen mit Hanna Harper unterwegs in einer amerikanischen Universität.
Leon S. Kennedy ist zusammen mit Hanna Harper unterwegs in einer amerikanischen Universität. Hier entsteht ein Herrenhausflair wie im ersten Teil der Serie.
Als Leon über einen düsteren Flur pirscht, dessen rechte Seite von hohen Fenstern gesäumt wird, während draußen ein Gewitter wütet, konnte ich fast das Glas splittern und einen mutierten Hund herein springen sehen – das passierte zwar nicht, aber die Situation war wie ein Déjà-vu des Klassikers von Shinji Mikami aus dem Jahr 1996. Und an dieses schaurige Gefühl von Resident Evil, an diese Was-geschieht-hinter-der-nächsten-Ecke-Ungewissheit will man anknüpfen, betonen Hiroyuki Kobayashi (Executive Producer) und sein Team. Sie wollen zurück zu dem lauernden Schrecken und den Schockmomenten, die viele Fans mit den Anfängen der Serie verbinden. Und sie demonstrieren live, dass sie es ernst meinen.

Kein Wort fällt in Rom vor den Kulissen über Call of Duty (hinter den Kulissen knirschen die Zähne einiger Verantwortlicher dafür umso lauter), dafür beschreibt ein Superlativ nach dem anderen die hehren Ziele der Entwickler, die „etwas bisher nie Erlebtes“ inszenieren und den "Survival-Horror auf eine neue Ebene" bringen wollen. Alles nur das übliche Säbelrasseln? Beschwichtigende PR-Deeskalation? Das sind jedenfalls starke Worte, an denen sich das Abenteuer am 2. Oktober messen lassen muss. Natürlich sieht das Vorgespielte tatsächlich richtig klasse aus. Und das bisher Gesehene deutet darauf hin, dass Capcom nicht mit rauchenden Sturmgewehren den Hamburger Hill erklimmen, sondern an seine Tradition anknüpfen will.

Altes Zombies mit neuen Möglichkeiten

Capcom kehrt zurück zu den klassischen Zombies - allerdings hat der C-Virus sie etwas gefährlicher gemacht.
Capcom kehrt zurück zu den klassischen Zombies - allerdings hat der C-Virus sie etwas gefährlicher gemacht.
Noch etwas dürfte für Heimatgefühle sorgen: Die Zombies kehren zurück. Denn so knarzend schaurig bleibt es natürlich nicht - Resident Evil erzählt keine subtile Spukgeschichte, sondern inzseniert brachialen Terror. Schon bald begegnen Leon und seine Begleiterin Helena Harper den monströsen Auswirkungen des C-Virus. Und in diesem Resident Evil wird man den geifernden Fratzen verdammt nah kommen. Obwohl sie zunächst so harmlos wie gehabt schlurfen, sind sie wesentlich gefährlicher, denn sie benutzen Waffen, beginnen auf einmal zu rennen und neigen zu sprunghaften Attacken. Dann fokussiert die Kamera ihre Bissversuche und um sie abzuschütteln, muss man einen Reaktionstest meistern – kein einfacher Knopfdruck, sondern einer bei hin und her wackelndem Fadenkreuz, den man mit richtigem Timing meistern muss, damit Leon sein Messer auch zwischen die Augen des Untoten rammen kann.

Bisher wirkte das Auftreten in der Meute wesentlich trügerischer als etwa in Left4Dead, denn die Untoten zeigen ganz unterschiedliche Verhaltensweisen - von totaler Apathie bis hin zu einem ersten Interesse und der gierigen Raserei im Pulk. Mit den J'avo und den Chrysaliden wird es zwei spezielle Varianten geben, wobei Erstere sehr schnell heilen und jeweils das Körperteil mutieren lassen, dass man gerade beschießt. Letztere werden in Kokons wiedergeboren und sollen ebenfalls für Terror der alptraumhaften Sorte sorgen. Aber in den gespielten Kämpfen ging es zunächst den klassischen Zombies an den Kragen - und schon diese Action hatte es in sich. Action? Ja, aber eine die in den bisherigen Szenen weit entfernt ist von dem, was man in einem schnöden Shooter erlebt.

Freies Bewegen und Schießen

Das langsame Erkunden in der Dunkelheit kennzeichnet die erste Spielstunde.
Das langsame Erkunden in der Dunkelheit kennzeichnet die erste Spielstunde - es gibt übrigens eine neue Ausdaueranzeige.
Capcom hat die Steuerung komplett umgekrempelt und erlaubt zum ersten Mal das gleichzeitige Bewegen und Schießen. Ich war immer ein Anhänger des alten Systems, denn es hatte dafür gesorgt, dass man nicht frei um sich ballern konnte - das wirkte zwar steif und wenig realistisch, aber diese Trennung sorgte letztlich auch in Resident Evil 5 für mehr Spannung im Kampf. Die neue Gleichzeitigkeit scheint aus Leon allerdings nicht die befürchtete Killermaschine zu machen, die à la Call of Duty mal schnell den Zombiecount mit ratternden Salven nach oben treibt: Trotz des Feuers in Bewegung und seiner automatisch kämpfenden Begleitung muss er höllisch aufpassen, nicht überwältigt zu werden.

Die Zombies stecken viel ein und zwingen Leon mit Wurfgeschossen dazu, die Position zu wechseln. Zwar kann er in heiklen Situationen immer noch die seit Resident Evil 4 bekannten Rundumtritte oder fatale Hiebe und Stiche auf Knopfdruck ausführen, die ihm etwas Luft verschaffen, aber diesmal kosten sie ihn Ausdauer. Und selbst auf Kopfschüsse ist kein sofortiger Verlass - manchmal schlurfen die Untoten einfach mit Kugel im Schädel weiter und überwältigen ihn. Dann kommt es zum neuen Kampf am Boden: Leon kann auf dem Rücken liegend weiter kriechen, zielen und feuern. Aber aus dieser Perspektive wirkt die Situation nicht leichter, sondern noch gefährlicher. Noch kann man allerdings nichts zum kooperativen Verhalten der KI sagen: Welchen Einfluss hat man auf seinen Begleiter? Wie hilfreich ist er?

Viele Fragezeichen bis China

Viel Atmosphäre, wenig Action: Das bisher Gespielte lässt auf eine gute Regie schließen.
Viel Atmosphäre, wenig Action: Das bisher Gespielte lässt auf eine gute Regie schließen.
Festzuhalten bleibt: Capcom gelingt im Einstieg mit Leon S. Kennedy die Rückkehr zu alten Tugenden. Ob das in China und später mit den anderen Charakteren auch noch so sein wird? Schließlich spielt man das Abenteuer aus drei Perspektiven: Neben Leon und Helene ist man auch noch mit Chris Redfield und Piers Nievans sowie Jake Muller und Sherry Birkin unterwegs. Was weiß man bisher über die Story?

Das Spiel mit Leon beginnt am 28. Juni 2013 an der fiktiven Ivy-Universität von Tall Oakes. Der US-Präsident hält eine Rede gegen Bioterrismus, als er kurze Zeit später selbst zum Zombie mutiert. Leon rettet seine Sicherheitsbeamtin Helena Harper, indem er den Präsidenten in letzter Sekunde erschießt - das alles passiert im Intro. Daraufhin werden beide des Mordes beschuldigt, fliehen durch die urige Universität und wollen die Sache aufklären; immerhin gibt sich Helena die Schuld am Ausbruch des C-Virus. Warum?

Parallel zu den Ereignissen in Tall Oakes kommt es auch in China zu Anschlägen. Dort kümmert sich Chris Redfield zusammen mit dem Scharfschützen Piers Nievans im Auftrag der BSAA um die Abwehr und Aufklärung des Bioterrors. Chris soll sich allerdings gegenüber früheren Spielen charakterlich stark verändert haben - es gab anscheinend ein einschneidendes Ereignis sechs Monate vor den Anschlägen.

Zu den Höhepunkten gehören die Momente, in denen einem die Zombies fast ins Gesicht kriechen.
Zu den Höhepunkten gehören die Momente, in denen einem die Zombies fast ins Gesicht kriechen.
Vor der Ereignissen in Tall Oakes kämpft sich die aus Resident Evil 2 bekannte Sherry Birkin durch die Wirren des Bürgerkriegs in einem fiktiven osteuropäischen Land. Sie heuert den skrupellosen Söldner Jake Muller an, der genauso wie sie eine Immunität gegen das grassierende Virus aufweist - er ist der Sohn von Wesker, was dem Ganzen eine besonders brisante Note geben dürfte.

Drei Perspektiven, nahtlose Kooperation

Man erlebt also drei Geschichten, die sich irgendwann in China verbinden – und man hat scheinbar die Wahl, mit welchem Storystrang man beginnen möchte. Wenn man sich die ersten Charakterinfos anschaut, dann deuten sie natürlich auf unterschiedliche Spielweisen hin. Immerhin ist Piers ein Scharfschütze und Jake ein Söldner. Deutet das auch auf mehr Geballer hin? War der atmosphärisch dichte Einstieg quasi exklusiv für Leon und Helena arrangiert? Abwarten.

Rätsel waren bisher nicht zu sehen und die Route schien immer recht klar zu sein - ein

Capcom wird drei Storystränge von drei spielbaren Paaren verbinden.
Capcom wird drei Storystränge von drei spielbaren Paaren verbinden - darunter auch Weskers Sohn.
weißes Icon zeigte die Distanz und Richtung zum nächsten Ausgang. Es war lediglich mal ein Weg versperrt und beide Helden mussten dann ähnlich wie in Resident Evil 5 zusammen das Hindernis beseitigen. Ob da noch mehr kommt? Schließlich gehörten kleinere Aufgaben auch zum Klassiker. Die Entwickler haben lediglich darauf hingewiesen, dass sich beim erneuten Betreten der Gebiete immer etwas verändern wird. Auch der kooperative Online-Modus wurde kurz vorgespielt: Diesmal kann man nahtlos in die laufende Kampagne eines anderen Spielers einsteigen - kein lästiges Warten auf Checkpoints. Außerdem wird von Anfang an der aus Resident Evil 5 bekannte Extramodus "The Mercenaries" zugänglich sein.

Ausblick

Dass dieses Abenteuer technisch beeindruckt, war zu erwarten. Aber dass es atmosphärisch so dicht inszeniert wird, dass man tatsächlich an das Herrenhausflair des ersten Teils erinnert wird, hat mich überrascht. Ich dachte, Survival-Horror lohnt sich nicht mehr, Capcom? Dabei gelingt den Japanern im Einstieg mit Leon S. Kennedy die Rückkehr zur knarzenden Bedrohlichkeit auf düsteren Fluren. Da lässt man sich viel Zeit für den subtilen Spannungsaufbau. Ob das in China und mit den anderen Charakteren auch noch so sein wird? Schließlich spielt man das Abenteuer aus drei Perspektiven mit drei Teams. Das neue Kampfsystem ist nach den ersten Gefechten zu urteilen jedenfalls kein Kniefall vor Call of Duty, denn trotz der Gleichzeitigkeit des Laufens und Schießens wird man von den unberechenbaren Zombies enorm unter Druck gesetzt und brutal überwältigt. Dann ist die Kamera so nah an den geifernden Fratzen, dass man selbst als Zuschauer zurückschreckt. Wenn die bisher gezeigte Regie konsequent fortgeführt wird, könnte diesem Resident Evil 6 eine packende Symbiose aus schauriger Tradition und moderner Action, aus schleichender Ungewissheit und brachialem Terror gelingen. Ich freu mich drauf!

Ersteindruck: sehr gut

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