Total War Saga: Fall of the Samurai02.02.2012, Jörg Luibl
Total War Saga: Fall of the Samurai

Vorschau:

Im März geht der Kampf um Japan weiter: Sega und Creative Assembly spulen die Zeit allerdings um satte 300 Jahre bis in die Zeit von Bismarck und Tolstoi vor – so nah war die Serie der Moderne noch nie. Das sorgt nicht nur für wesentliche militärische Veränderungen auf dem Schlachtfeld, sondern auch für Neuerungen im politischen und geostrategischen Umfeld. Was hat die eigenständig lauffähige Erweiterung für 30 Euro zu bieten?

Krieg im Jahr des Drachen

Japan stand gegen Ende des 19. Jahrhunderts vor einem Wendepunkt: Wird sich das asiatische Reich mit seinen Kriegsfürsten abschotten oder dem Westen öffnen? Werden die konservativen Samurai das Schicksal bestimmen oder wird es einen politischen Umbruch mit neuer Staatsform geben? In dieser spannenden historischen Phase übernimmt man die Führung eines von zehn Clans: Man kann das seit 300 Jahren etablierte, aber aktuell in der Kritik stehende Tokugawa-Shogunat unterstützen oder für die Rückkehr des Kaisers kämpfen. Wer keine Lust auf Politik hat, kann sich auch direkt in zwei Schlachten stürzen: Eine zu Land bei Toba Fushimi (1868) und eine zur See in der Miyako Bucht (1869).

In der Kampagne der Vorschau übernehme ich die Führung des kaiserfreundlichen Shimazu-Clans, der zum Start im Jahr 1864 gerade mal zwei Gebiete am Südzipfel des Inselreichs beherrscht. Je nachdem welchen Umfang ich wähle, muss ich bis 1870 oder 1876 eine bestimmte Zahl an Provinzen erobern (zwölf bis 36) sowie weitere für den Tenno sichern (35 bis 65), indem ich sie als ideologische Verbündete gewinne. Dafür habe ich mehr Zeit für Aktionen als im Hauptsp

Die Zeiten ändern sich: Kanonenboote in japanischen Häfen des 19. Jahrhunderts.
Die Zeiten ändern sich: Kanonenboote in japanischen Häfen des 19. Jahrhunderts.
iel, in dem jede Runde noch einer Jahreszeit entsprach: Hier steht sie für zwei Wochen. Es gibt also sechs Runden pro Jahreszeit – das sorgt u.a. dafür, dass ich die Nachteile des Winters länger bemerkbar machen.

Zwischen Stahl und Dampf

Das Spielprinzip bleibt im Kern dasselbe wie in Shogun, nur dass sich die Zeiten militärisch und wirtschaftlich geändert haben. Zum einen entdecke ich japanische Milizschützen mit Feuerwaffen in meiner winzigen Armee – allerdings mit einer erbärmlichen Genauigkeit von 10; da sind die Luntenschloss-Krieger mit 25 schon präzisier. Später kann man auch bessere einheimische oder gar britische Royal Marines rekrutieren, die mit einer Genauigkeit von 70 wesentlich effizienter sind. Auch amerikanische und französische Regimenter  stehen unter den insg. 40 Truppentypen zur Verfügung, wenn man Handelsbezirke dieser Nationen in seinen Städten aufbaut. Aber Vorsicht: Damit macht man sich Feinde!

Denn je mehr man sich dem Westen über Handel, Gebäude und Truppen angleicht, desto

Die Ausgangslage zu Beginn der Kampagne: Gerade mal zwei Provinzen von 73 befinden sich unter Kontrolle.
Die Ausgangslage zu Beginn der Kampagne: Gerade mal zwei Provinzen von 73 befinden sich unter Kontrolle.
unzufriedener wird die Bevölkerung und desto ineffizienter kämpfen die traditionellen Samurai. Man bemerkt schnell, dass eine Kavallerie wie die Yari Ki oder Speerinfanterie wie die Yari Kachi auch gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit ihrem tödlichen Stahl wichtig sind. Trotzdem muss man umdenken, denn auf der Karte tauchen neue Rohstoffe wie Kohle, Kupfer oder Maschinen auf und man soll seine Entwicklungsstufe erhöhen – sprich: seinen Clan schrittweise industrialisieren.

Wie gehabt gibt es einen zweigeteilten Technologiebaum, der entweder zivile oder militärische Errungenschaften freischaltet. Sehr schön ist, dass beide Zweige ähnlich wie das Hauptspiel an die zwanzig Stationen anbieten. Sega verspricht immerhin dessen Umfang und an die 100 Stunden Unterhaltung.

Agenten aus dem Ausland

Es geht blutiger und verheerender zur Sache: Die neuen Schusswaffen sorgen für fatale Verluste.
Es geht blutiger und verheerender zur Sache: Die neuen Schusswaffen sorgen für fatale Verluste.
Abgesehen davon, dass die ansehnliche Karte mehr Partikeleffekte von Nebel bis Rauch sowie markantere Gebirgszüge zeigt und es anstatt 65 jetzt 73 Provinzen gibt, fallen weitere inhaltliche Zusätze auf. Was macht das Rundauge in roter Uniform in meinem Land? Das ist ein britischer Agent, der mir mit seinem Wissen helfen kann – auch Franzosen und Amerikaner streifen umher, sobald man einen Militärhafen besitzt. Ob man für oder gegen den Kaiser ist, ist diesen Söldnern egal: Ihre Stationierung in einer Stadt senkt z.B. die Rekrutierungskosten der Truppen, sie können selbige ausbilden, Sabotage verüben, feindliche Armeen schikanieren oder andere Agenten töten. Hinzu kommen auch weitere japanische Agenten, darunter bekannte wie die Geisha, der Ninja (Shinobi) oder neue wie der Shinsengumi, den man gegen die Korruption einsetzen kann, sowie der Ishin Shishi, der für den Kaiser propagiert.

Auf dem Schlachtfeld erinnert dieses Shogun natürlich sofort an Empire: Total War: Sobald es knallt und der Pulverdampf in die Luft steigt, regiert der ballistische Tod. In den ersten Gefechten hatte ich das Gefühl, dass er hier noch fataler wütet. Zwar kann man mit Speerkämpfern und Samurai immer noch effizient kämpfen, aber die neuen Projektile bringen eine ganz andere Dynamik ins Spiel. Vor allem auf mittlere und kurze Distanz sorgen sie für verheerenden Schaden: Wer mit der Kamera näher ranzoomt, wird vom

Der Technologiebaum ist erfreulich umfangreich - man kann sich zivil oder militärisch entwickeln.
Der Technologiebaum ist erfreulich umfangreich - man kann sich zivil oder militärisch entwickeln.
zusammen geschossenen Pferd bis zum animierten Kopfschuss brachial ins Gemetzel gezogen – hier hat Creative Assembly gegenüber Empire nochmal zugelegt.

Die Macht der Marine

Während in Europa gezogene Geschütze an der Tagesordnung sind, gibt es in Japan zunächst noch wenig Artillerie. Doch mit dem westlichen Handel kommen auch Kanonen, vor allem aus Amerika und Großbritannien. Es gibt vier Belagerungseinheiten: Die Armstrong- oder die Parrott-Kanone haben z.B. eine Reichweite von 550 und feuern wahlweise mit Schrapnell – der Feind wird wie bei Splittergranaten von zig Metallkugeln getroffen. Wer noch verheerender auf mittlerer Distanz feuern will, kann ein Gatling-Maschinengewehr auffahren. Wer gegen Festungen feuert, setzt eher auf die hölzernen (!) Kanonen – hört sich fragil an, feuert auch nur ein paarmal, aber verursacht großen Schaden an Gebäuden. Neu ist übrigens, dass man sich in die Schulterperspektive der Artillerie zoomen kann, um Ziele direkt anzuvisieren.

Die Küsten haben an geostrategischer Relevanz gewonnen, denn die Marine kann aus der Distanz an Land feuern.
Die Küsten haben an geostrategischer Relevanz gewonnen, denn die Marine kann aus der Distanz an Land feuern.
Schon in der ersten Mission kann man die neue Macht der Marine spüren: Wer mit seiner Flotte auf die Küste zusteuert, kann nicht nur einen Hafen mit seinen Bombenbooten unter Beschuss nehmen oder belagern. Auch feindliche Armeen an Land oder gar in einem Gefecht, lassen sich aus der Distanz ins Visier nehmen. Damit gewinnen Flotten als Unterstützung natürlich an Gewicht, zumal sie in dieser Zeit auch auf See an Feuerkraft gewonnen haben. Es gibt kleine Torpedo- und Kanonen-Boote, dazu mittlere Fregatten mit relativ wenig Artillerie sowie das schwere, von Eisenplatten geschützte Kriegsschiff in vier Klassen – die amerikanische „Ironclad“ erinnert mit ihren Geschütztürmen bereits an die Stahlkolosse des Ersten Weltkriegs. Auch die Häfen und Festungen der Samurai haben zugelegt: Man kann regelrechte Forts mit sternförmiger Architektur errichten, die von starken Mauern und schweren Kanonen bewacht werden. Auch klassische Burgen lassen sich mit feuernden Türmen aufrüsten.

Ausblick

Pulverdampf und Schrapnell, Blutspritzer überall und reihenweise Gefallene: Schon in den ersten Schlachten zeigt dieses Shogun eine andere Fratze des Krieges. Mit der Moderne erreichen nicht nur westliche Ideen, sondern auch westliche Waffen das konservative Inselreich. Die Gefechte spielen sich brachialer, gnadenloser und riechen nach dem, was schon Empire präsentierte. Es bleibt abzuwarten, ob sich Schusswaffen und Seeschlachten militärhistorisch moderner anfühlen als zu Zeiten Napoleons. Auf jeden Fall muss man auf der Karte umdenken, denn der Konflikt zwischen Kaiser und Shogunen zwingt in der Kampagne zur parteiischen Spezialisierung - allerdings soll es auch möglich sein, einen Mittelweg zu einer Republik einzuschlagen. Auch wenn jede strategische Faser meines Körpers nach Total War: Rome 2 schreit: Dieses Szenario gefällt mir bisher sehr gut. Wenn Creative Assembly mit dieser eigenständig laufenden Erweiterung tatsächlich den Umfang des Hauptspiels erreicht und die KI-Tücken beseitigt, hat man das japanische Kapitel optimal abgeschlossen.

Ersteindruck: sehr gut

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