Vorschau:
Der Malocher und sein Mech
Da sitzt er im Cockpit seines Haus hohen Mechs, bewegt das stählerne Ungetüm an klaffenden Abgründen vorbei und beruhigt im Videochat seine Frau, während ein Schneesturm die Scheibe beschlägt. Dieser bärtige Mann hat weder Ähnlichkeit mit den überzeichneten Helden des ersten noch mit den austauschbaren Söldnern des zweiten Lost Planet. Capcom schickt nicht nur einen neuen Protagonisten ins Eis, sondern hat Regie und Story dieses dritten Teils komplett umgekrempelt – und das ist gut so.
Worum geht es? Eigentlich will Jim nur für seine Familie auf der alten Erde ranklotzen, wo der Rohstoffmangel mittlerweile für eine ernste Krise sorgt. Die Lösung scheint in der Thermalenergie auf dem Planeten E.D.N. III zu liegen. Und das in scheinbar unerschöpflicher Menge. In dieser Goldgräberstimmung sorgt die Firma NEVEC für außerirdische Pionierarbeit und frische Arbeitsplätze. Allerdings muss man auch in der Zukunft mobil sein, nur dass man nicht mit dem Wohnwagen, sondern mit seinem Roboter anreist.
Ein Stahlkoloss von zehn Metern
Und die Arbeit hat es in sich: Man stapft durch riesige Eishöhlen, deren Kälte man angesichts der sehr guten Rauch- und Partikeleffekte fast spüren kann. Obwohl Jim in einem zehn Meter großen Mech unterwegs ist, aus dessen Perspektive alle Menschen und Fahrzeuge wie Ameisen wirken, können plötzliche Stürme dafür sorgen, dass alles um einen herum vereist – dann sieht man keinen Meter weit, muss tatsächlich aussteigen und den Stahlkoloss enteisen. Sehr stimmungsvoll sind die Übergänge: Nicht nur jene von Höhlen in Außenareale, sondern auch der Umstieg vom riesigen Mech auf den Weg zu Fuß; man fühlt sich da unten wie ein Zwerg.
Im Angesicht der Akriden
Was kann man im Mech machen? Vor allem aus der Egosicht die beiden Arme steuern, um damit zu greifen, zu schlagen, zu bohren oder zu blocken. Es gibt übergroße Kreaturen, deren Gliedmaßen man z.B. mit dem Greifer halten kann, um dann schmerzhaft in verwundbare Stellen zu bohren - autsch! Ab einem bestimmten Moment kann man dann aussteigen und zur Waffe greifen.
Der Mech besitzt zudem einen Greifhaken, mit dem man z.B. Stahlseile installieren kann, die man wiederum nach dem Ausstieg benutzen kann, um entfernte Gebiete zu erreichen - innerhalb des Roboters ist das nicht möglich. Die Aufträge von NEVEC sind klar: Jim soll an bestimmten Orten zunächst Bohrplattformen installieren oder auch mal Reparaturen von Hand durchführen. Dabei kommt ein Minispiel zum Einsatz, wenn man mit beiden Analogsticks die richtige Stellung für zwei Schrauben finden muss – eigentlich ganz leicht, aber wenn dabei die Uhr tickt und die Kollegen per Funk einen Sturm ansagen, wird es kniffliger. Richtig lebensgefährlich wird es, wenn man dann noch angegriffen wird. Und hier bleibt sich Capcom treu: Die Action per pedes hat es in sich, ist aber nichts Besonderes.
Das Problem der Bohrungen ist, dass jede Erschütterung auch die einheimischen Wesen namens Akriden anlockt. Für Spannung sorgt dabei ein Ping-Geräusch, das im steigenden Takt von ihrer Ankunft kündet. Irgendwann attackieren sie kreischend die fremde Plattform – manchmal wie Insekten in der Masse, als regelrechte Stampede in einer Herde
Ein Hauch von Alien
Für all die Energie, die man während der Streifzüge aufsammelt, kann man in der mehrstöckigen Basis bessere Ausrüstung oder Aufwertungen einkaufen - da bleibt noch offen, was auf Jim zukommt und ob das später taktische Wirkung zeigt. Obwohl Waffenschmied „Crazy Neil“ einiges Explosives auf Lager hat, ist es zu Beginn nur ein Jagdmesser oder eine Kalibervergrößerung, die man sich leisten kann. Hat man das Messer dabei, bekommt man nach einer Überwältigung durch Akriden noch einen Reaktionstest im Nahkampf. Zwar entstand während der Erkundung der ersten recht linearen Areale keine klassische Horroratmosphäre, zumal man mit der Pistole unendlich Munition verschießen kann, aber mitunter erinnert die Stimmung an Alien, weil immer
Wichtig wird sein, dass sich die Wege später für Erkundungen öffnen und dass man auch tatsächlich von Kleinigkeiten überrascht und gefordert wird. Producer Andrew Szymanski verspricht im Interview, dass sich die Spielwelt im weiteren Verlauf verzweigen wird, was Routen und Orte angeht – es soll nicht nur geradeaus gehen. Optimistisch stimmt jetzt schon, dass der Einstieg erzählerisch neugierig macht und eine ganz andere Art der Regie zeigt als der enttäuschende zweite Teil, der wie ein steriler Multiplayershooter anmutete. Hier entsteht ein Abenteuergefühl mit unangenehmen Ahnungen, weil auch die Story geschickt ihre Köder auslegt.
Die große Unbekannte
Die zentrale Frage ist zu Beginn: Was ist eigentlich mit Diaz passiert? Das ist die als vermisst geltende Vorgängerin, die Jim jetzt ersetzt. Es geht zwar nur darum, ihren Transponder zu finden, aber schon bald werden die ersten Zweifel an der Firma eingestreut sowie erzählerische Fäden gesponnen, die die Neugier wecken. Als man eine Notiz von Diaz findet, in der es heißt „Wir sind hier nicht alleine!“, fragt man sich natürlich, was sie abseits der Akriden meint? Eine andere intelligente Spezies, eine andere außerirdische Lebensform?
Auch die eigene Firma wirkt nicht ganz koscher. Sucht NEVEC wirklich nur nach Energievorkommen oder geht es um mehr? In den sehr guten, weil angenehm natürlich gesprochenen Dialogen werden Spannungen zwischen Wissenschaftlern und Geldgebern deutlich. Hintergrundwelt und Story werden abseits der Gespräche über Text- und Audio-Notizen gefüllt. Außerdem kann man dem Smalltalk der Arbeiter lauschen. Es geht auch philosophisch zu, wenn die Thermalenergie mit Akridenblut gleichgesetzt wird. Beutet man da „nur“ einen Planeten oder gar eine Spezies aus? Inwieweit die Story hier nur
Multiplayer für Teamkämpfe
Zwar konnten wir auch die Multiplayer-Modi spielen, aber da wird es keine großen Überraschungen geben: Solide Action für fünf gegen fünf oder drei gegen drei auf sechs Karten, wobei die Höhe eine akrobatische Rolle spielt, denn auf den verwinkelten Karten ging es teilweise über mehrere Etagen zur Sache. Mit dabei ist das übliche Sammelsurium aus Mach-alles-platt, Überlebe-zig-Wellen oder auch mal Katz- und Maus mit Sportcharakter, wenn man einen Akriden-Rugbyball im Team in seine Hälfte retten muss. Unterm Strich ganz nett, aber nichts Besonderes. Ich hätte viel lieber viel mehr von der stimmungsvollen Kampagne gespielt.
Ausblick
Ich freue mich auf dieses Lost Planet 3, weil das Spieldesign die richtige Richtung einschlägt! Das ist Action mit einem interessanten erzählerischem Rahmen, die Erkundungsreize und Spannungsmomente inszeniert. Im Gegensatz zum enttäuschenden zweiten Teil stellt Capcom nicht beliebige Multiplayerballerei, sondern die Kampagne mit ihrem Abenteuerflair in den Vordergrund. Zwar wird mitunter auch ganz gewöhnlich in Schulterperspektive gekämpft, aber gerade die Passagen aus Egosicht im zehn Meter hohen Stahlkoloss sorgen für Abwechsung. Aufgrund der filmischen Regie, der natürlich wirkenden Dialoge und der sympathischen Hauptfigur hatte ich stets Lust auf mehr. Außerdem geht es klimatisch richtig zur Sache - bedrohlich frostig, inklusive verheerender Schneestürme in riesigen Höhlensystemen. Falls sich die Spielwelt wie versprochen weiter öffnet und die Dramaturgie die Qualität des Einstiegs halten kann, könnte Lost Planet endlich wieder eiskalt überzeugen.
Einschätzung: sehr gut
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