Need for Speed: Most Wanted15.10.2012, Benjamin Schmädig
Need for Speed: Most Wanted

Vorschau:

Most Wanted? Schon wieder? Ich war ja skeptisch. Das gleichnamige Original ist gerade mal sieben Jahre alt und zählt nicht gerade zu meinen Favoriten. Auf der E3 werfe ich trotzdem einen Blick darauf – und bin wie weggeblasen: 'Das ist kein Need for Speed; das ist ein neues Burnout Paradise!', erkannte ich euphorisch. Denn das gehörte sehr wohl zu meinen Favoriten!

Containerparken

Was mich schon auf der großen Spielemesse beeindruckt hat: die Adrenalineinspritzung der Mehrspieler-Rennen. Da rollt man nicht ziellos in einer offenen Stadt umher und wartet, bis der Kollege mal einen Wettlauf startet. Da geht es Schlag auf Schlag: Die Karte zeigt den Startpunkt eines Rennens, acht Raser donnern dorthin und schon geht es los. Ist der Lauf vorbei, wird umgehend das nächste X markiert – so sieht rasante Onlineunterhaltung aus!

Mal brettert die Truppe dabei als chaotischer "Jeder ist sich selbst der nächste"-Haufen gen Zielstrich, mal wird sie in zwei Teams geteilt, was vor allem im hinteren Feld zu brutalen Behinderungen führen kann. Außerdem gibt es Wettbewerbe um den weitesten Sprung, um die höchste Geschwindigkeit an einem Blitzer oder das schnellste Durchfahren eines bestimmten Abschnitts. Witzig auch das Dauerparken an einer schwer zugänglichen Stelle: Dafür muss man z.B. das Dach des gewünschten Containers erst mal finden – um als Erster ein paar Minuten lang dort in Ruhe stehen zu bleiben. Und nein, die anderen stellen sich nicht einfach daneben und warten, bis der mit dem größten Punktekonto seinen Parkplatz von alleine räumt...

Berührungsängste

Vielfalt und ein schneller Zugang, das sind die Eckpfeiler dieses Need for Speed, auch in der Einzelfahrt. Denn im Gegensatz zu anderen Bleifüßlern schaltet der Most Wanted-Fahrer seine Boliden nicht einen nach dem anderen frei, sondern nimmt sofort in den Autos Platz, die überall in der Stadt verteilt sind. Er fährt einmal am Parkplatz vorbei, schon darf er

"Auto, wechsle dich!"

Kinectspieler, die zur Auswahl eines Rennens oder für den Wagenwechsel die Hände nicht vom Analogstick nehmen möchten, können die englischen Anweisungen auch per Sprachbefehl erteilen.

Tatsächlich funktionierte die Erkennung aller Befehle während einer kurzen Präsentation hervorragend: Ich konnte mitten im Vollgasdrift Reifen, Chassis oder Antrieb wechseln - selbst als notorischer Spielesprechmuffel empfinde ich diese Freiheit als angenehm.

Das fertige Spiel versteht natürlich auch deutsche Anweisungen. Bleibt die Frage, warum EA auf die exklusive Spaßbremse drückt und sowohl PC- als auch PS3-Raser mit Headset von diesem Komfort ausschließt... sich jederzeit hinters Lenkrad klemmen. Nur eine Gruppe ganz besonderer Reifenkönner, eben die "Most Wanted", fahren in Traumuntersätzen, die man erst dann einsacken darf, wenn man die Champions im Wettlauf bezwungen hat. Mit ausreichend Erfahrungspunkten werden diese Rennen eins nach dem anderen zugänglich. Und Erfahrung gibt es für alles, was in diesem Need for Speed möglich ist: Sprünge, Schlittern, Rennerfolge, erstmals entdeckte Abkürzungen und mehr.

Verfügbare Herausforderungen erreicht man wie in Paradise an den Kreuzungen, an denen sie starten oder jederzeit über einen Menüsprung. Im Menü baut man außerdem das aktuelle Gefährt in Sachen Motorleistung, Boost, Chassis oder Reifen aus. Was hätten's denn gern: pfeilschnelle Rakete mit katastrophaler Kurvenlage oder trägen Transporter mit bombensicherer Panzerung? Letztere ist wichtig, weil sich die meisten Wagen im Urzustand schon bei sachter Berührung zu Altmetall auflösen. Hier wird’s zum ersten Mal ärgerlich, denn für meinen Geschmack zerplatzen flotte Vehikel übertrieben schnell. Tatsächlich war ich kaum amüsiert, als ich am Treffpunkt eines Mehrspieler-Laufs mehrmals von anderen Teilnehmern gestreift wurde und nach der umgehenden Verwrackung wieder ein paar Meter zum Ziel fahren musste. Echte Türkratz-Duelle entstehen auf der Strecke ebenso wenig; mindestens ein Wagen ist nach dem ersten Kontakt ja schon unbrauchbar.

Dabei ist der Need for Speed-Crash bedeutend weniger unterhaltsam als die Burnout Paradise-Schrottung. Die Autos überstehen nämlich selbst harte Unfälle ohne Kratzer, erst einen Takedown quittieren sie mit etwas Blech- und Lackschaden. Zeitlupenstudien wie aus dem Dummy-Testlabor sucht man leider vergebens. So richtig Spaß hat mir das fast fertige Spiel in Sachen Crash nicht gemacht.

Auch auf Vita stark?

Most Wanted erscheint nicht nur auf Konsolen und PC - Vita-Raser gaben auch unterwegs Gas. Das Spiel gleicht den großen Versionen, enthält sogar ein paar exklusive Herausforderungen und muss dabei nur kleine Abstriche in Kauf nehmen. So fehlt u.a. eine mitunter regennasse Straße.

Leider konnte ich die Steuerung nicht anpassen und war deshalb gezwungen, mit den Schultertasten zu bremsen und zu beschleunigen - auf dem Handheld eine für mich unbequeme Lösung. Im Gegenzug haben Sony-Bleifüße einen kleinen Vorteil, denn sie sammeln auf Vita und auf PS3 Erfahrungspunkte für dasselbe Profil, falls sie beide Versionen besitzen.

Schneller, höher, weiter?

Und so richtig läuft es auch technisch nicht rund. 30 Bilder pro Sekunde schafft das Spiel zwar in den meisten Fällen, in schnellen Kurven leidet die Darstellung aber schon mal unter Schluckauf – sowohl am PC als auch auf Konsole. Auch das Fahrgefühl entspricht nicht dem, was ich von den Burnout-Machern erwarte: Die Boliden lassen sich nur mit Mühe in eine enge Kurve zwingen, brechen dann aber ungemütlich schnell aus. So wird etwa das Fahren im Gegenverkehr zwar zur Herausforderung, was ich für einen gelungenen Kniff halte. Eine eingängige Steuerung wäre mir allerdings lieber als ein unglaubwürdiger Kompromiss zwischen Arcade und Anspruch.

Ein ganz anderes Ärgernis ist die Polizei. Klar, die gehörte im ersten Most Wanted schon dazu. Trotzdem wirkt sie diesmal fehlplatziert. Bis auf den Namen hat das neue Most Wanted mit dem alten ja nicht viel zu tun. So ist manche Verfolgungsjagd gegen die Staatsmacht zwar ein witziger Modus. In einem Spiel dieser Art empfinde ich aber als störend, wenn mir beim Vollgasfahren plötzlich eine halbe Dutzendschaft im Nacken hängt. Bis ich die los bin, darf ich dann nämlich kein Rennen starten. Vielleicht wollte ich aber gerade an diesem Blitzer einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufstellen, an jener Rampe eine neue Bestweite erspringen oder ein paar bisher unentdeckte Zäune einfahren – da ist Most Wanted nämlich ganz Burnout und ich ärgere mich, wenn ich mir ständig ein paar Pillepalle-Cops von der Pelle halten muss. Witzig: Von den Werbetafeln glotzen die Bilder meiner Freunde, die von der dahinter liegenden Rampe am weitesten abgesprungen sind.

Kann doch nicht sein! Da komm ich drüber...

Ausblick

Das ständige "Schau an, da steht ein neuer Wagen." und "An diesem Blitzer knack' ich die Bestzeit!" ist die große Stärke dieses Burnout Paradise, Verzeihung: Need for Speed. Hinter jeder Ecke lauert irgendein Rennen, irgendeine Bestzeit für die Online-Rangliste, irgendein neues Auto. Die Neuauflage von Most Wanted dürfte den Begriff Kurzweil im Bereich der Rennspiele neu definieren – sowohl offline als auch in der atemlosen Aneinanderreihung unterschiedlichster Onlinerennen. Geschenkt, dass die offene Stadt teilweise frappierend an Paradise City erinnert. In dem Wiedererkennungswert steckt allerdings eine Crux: So richtig entwickelt sich das Prinzip "Offene Straßenwelt" nämlich nicht weiter. Entwickler Criterion erweitert die frei befahrbare Stadt um neue Herausforderungen, erklärt weltweite Ranglisten und Onlinespiel zur Priorität – im Kern ist das alles aber nicht neu. Nicht zuletzt empfand ich die freie Zugänglichkeit fast aller Inhalte schon nach etwa zwei Stunden als übertrieben beliebig. Ich will für eine Herausforderung mit mehr als einem Ranglistenplatz belohnt werden. Dennoch: Auch wenn Criterion keinen Meilenstein setzen wird, freue ich mich auf diesen kurzweiligen Adrenalinkick!

Ersteindruck: gut

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