Splinter Cell: Blacklist12.07.2013, Benjamin Schmädig
Splinter Cell: Blacklist

Vorschau:

Ich wollte nie ein Panther sein! Aber das letzte Splinter Cell zwang mich dazu, in dem Geheimagent Sam Fisher ebenso behände wie automatisch um seine Feinde schlich. Statt abwechslungsreicher Stealth-Action stand Splinter Cell plötzlich für unausgegorene Taktik-Action – höchste Zeit, dass die Serie im Nachfolger wieder zu ihren Wurzeln findet!

Gute Stealth-Action, was ist das?

Was ist eigentlich gute Stealth-Action? Immerhin stecken in dem Begriff gleich zwei große Bausteine: Kampf und Verstecken, zwei Gegensätze also – wie passen die zusammen? Der Schlüssel ist die Wahl des Spielers. "Soll ich einen Feind ausschalten oder die Gefahr umgehen?" ist immer die zentrale Frage.

Richtig gute Stealth-Action zeichnet sich dabei nicht allein durch zwei allgemeine Lösungen aus. Vielmehr bietet sie in jeder Situation zahlreiche Optionen. Dazu gehören verschiedene Möglichkeiten einen Feind zu eliminieren ebenso wie unterschiedliche Wege sich zu verstecken.

Arcade-Taktik...

Und genau das ist es, was dem vergangenen Splinter Cell fehlte: Ich konnte mich heranschleichen und Gegner mit verschiedenen Waffen ausschalten. Das wichtige Katz-und-Maus-Spiel, bei dem ich Feinde mit elektronischen Hilfsmitteln verwirre,

Moderne Stealth-Action? Leisetreter können sich längst nicht mehr nur im Schatten verstecken.
Moderne Stealth-Action? Leisetreter können sich längst nicht mehr nur im Schatten verstecken.
während ich sie durch geschickte Positionswechsel umgehe, kam allerdings viel zu kurz. Zu allem Überfluss erleichterten automatische Bewegungen das Spiel so sehr, dass selbst der höchste Schwierigkeitsgrad zur schnellen Arcade-Taktik verkam.

... adé!

Und das kann auch in Blacklist passieren – leider. Allerdings nur auf dem normalen Level. Denn als ich das neue Splinter Cell zum ersten Mal einige Stunden lang spielen durfte, habe ich irgendwann auf den höchsten Schwierigkeitsgrad geschaltet. Und auf einmal hörte ich wieder mein Herz klopfen, als ich neben dicken Backsteinmauern unter dicken Abflussrohren im Dunkeln hockte, während aufgescheuchte Wachen mit Taschenlampen nach dem Übeltäter suchten, der ihren Kumpel ausgeknockt hatte.

In diesem Moment wusste ich, dass Splinter Cell wieder zu alter Stärke findet!

Der neue Alte

Dabei ist Sam Fisher, Agent und inzwischen Leiter der geheimen Organisation Fourth Echelon, noch derselbe, der er im Vorgänger war: Auf Knopfdruck sprintet er automatisch von einer Deckung zur nächsten, auf Knopfdruck schaltet er gleich mehrere Feinde ohne mein Zutun aus. Mit dem richtigen Hilfsmittel erkennt er Personen durch Wände hindurch und an Munitionskisten füllt er seine Vorräte selbst mitten im Einsatz bequem auf.

Die schwarze Liste

Die Idee klingt friedliebend: Eine paramilitärische Organisation fordert die USA dazu auf, sämtliche Truppen außerhalb Nordamerikas abzuziehen.

Weil sie dafür allerdings eine Militärbasis attackieren und mit weiteren Angriffen drohen, soll Sam Fisher als Leiter der Fourth Echelon die Übeltäter aufspüren.

Nein, ich ich mag diesen Sam, diesen "Panther", wie ihn Creative Director Maxime Béland nennt, noch immer nicht. Seine flinken Bewegungen sind so grazil, dass der Agent beinahe wie seine eigene Karikatur wirkt und auch direkt auf die Kulisse projizierte Missionsbeschreibungen empfinde ich als übertriebenen Schnickschnack, der den Spionagethriller Glaubwürdigkeit kostet.

Agent mit Manieren

Das Wichtige ist aber: Das neue "Cool" kommt der Spannung des Augenblicks nicht mehr in die Quere. Denn zum einen schlägt sich Sam trotz der Hilfen nicht wie ein unantastbarer Superheld durch feindliche Reihen – das Betäuben dauert etwa viel länger als zuletzt, so dass ihn eine aufmerksame Wache schnell entdeckt, und falls er von vorne in den

Echte Stealth-Action statt Arcade-Taktik: Das heimliche Katz-und-Maus gewinnt wieder an Bedeutung.
Echte Stealth-Action statt Arcade-Taktik: Das heimliche Katz-und-Maus gewinnt wieder an Bedeutung.
Nahkampf geht, wird ihn ein aufmerksamer Gegner einfach zurückstoßen. Zum anderen hat Béland sein Conviction so erweitert, dass von bloßer Arcade-Action keine Rede sein kann – Sams Handlungsspielraum ist bedeutend größer als zuletzt! Neben bekannten Hilfsmitteln wie künstlichen Geräuschquellen oder einer Haftkamera, die er an entfernte Häuserwände schießt, nutzt er auch neue Werkzeuge wie eine fliegende Drohne, die mit kleinen Stromstößen unaufmerksame Wachen betäubt.

Überhaupt bin ich glücklich darüber, dass ich wieder wählen darf: Töte ich einen Gegner oder schlage ich ihn "nur" KO? Ich nutze außerdem Rauchgranaten, um ungesehen zu entfliehen, setze Wachen mit Tränengas außer Gefecht oder schicke sie mit KO-Gas ins Land der Träume. Ich muss nur auf der Hut vor ihren Kameraden sein: Die wecken Bewusstlose nämlich auf. Gut, dass Sam leblose Körper in versteckte Winkel tragen kann.

Heizgas

Nicht immer stellen sich die Gegner dabei so clever an, wie ich es mir wünsche und sie verfolgen den Eindringling auch nicht lange genug: Wenn sie nicht einmal hinter der verschlossenen Tür nachsehen, vor der sie Sam eben noch beschossen haben, wirkt das seltsam. In manche Ecken lassen sie sich außerdem zu einfach locken und erschlagen. Dass das Anlocken überhaupt funktioniert, ist allerdings ein wichtiger Schritt zurück! Schön zu sehen, dass manche Feinde bei einem Störgeräusch kurz aufhorchen, anschließend ihre Unterhaltung fortsetzen und erst nach weiteren Störungen der Ursache auf den Grund gehen.

Ihre unmittelbare Umgebung suchen sie dabei gründlich ab, sie rufen Verstärkung und obwohl sie auf vorherbestimmten Routen patrouillieren, schauen sie in vielen Abzweigungen und Winkeln nach dem Eindringling. Genaues Beobachten und schnelle Reaktionen sind deshalb lebenswichtig. Richtig gut gefällt mir, dass die Wachen ausbleibende Funksprüche bemerken und dass sie nach Kameraden suchen, die nicht auf ihrem Posten stehen. Manche rufen sie sogar beim Namen.

Tödliches Spiel

Unterschiedliche Typen stellen Sam nicht zuletzt vor unterschiedliche Herausforderungen.

An Bord des Flugzeugs Paladin plant Sam Einsätze und entwickelt seine Ausrüstung.
An Bord des Flugzeugs Paladin plant Sam Einsätze und entwickelt seine Ausrüstung.
So erschnüffeln Hunde seine Gegenwart, lassen sich nur schwer abschütteln und alarmieren ihre Führer. Andere Feinde weichen Sams Angriffen wieselflink aus oder tragen Nachtsichtgeräte, so dass er nicht im Schatten abtauchen kann. Schwer Gepanzerte kann er hingegen nur von hinten attackieren, während Wachen mit Gasmasken gegen entsprechende Granaten immun sind.

Letzteres lernte ich auf die harte Tour und im gleichen Zug erfuhr ich auch, dass die gut geschützten Kämpfer sogar Elektroschocks wegstecken. Ein Entwickler verriet mir anschließend aber, dass ich auf den Kopf zielen müsste, um das Gas mit dem Strom zu entzünden... Na, also: Das sind wichtige Spielereien guter Stealth-Action!

Laut, schnell oder unsichtbar?

Sogar zwischen den Einsätzen genießt Sam mehr Handlungsfreiheit, denn als Leiter des geheimen Kommandos rüstet er nicht nur die mobile Einsatzzentrale aus (ein mit allen technischen Finessen ausgestattetes Flugzeug, welches sogar Luftschläge koordiniert), sondern erweitert auch die Möglichkeiten seiner Ausrüstung. So stärkt er die

Doppelagenten

Ähnlich wie im Vorgänger dürfen zwei Spieler auch gemeinsam Einsätze erledigen. Die Missionen fügen sich in die Handlung um die Blacklist ein, gehören aber nicht zum zentralen Plot.

Solisten dürfen manche der kooperativen Aufträge auch alleine angehen - nur über Räuberleiter und andere Aktionen erreichen Teamspieler allerdings entlegene Areale.

Eine Rückkehr erlebt der Mehrspielerkampf "Spione gegen Söldner", in dem schwer Bewaffnete aus der Ego-Perspektive die agilen Spione daran hindern müssen, Terminals zu hacken. Mit unterschiedlichen Gegenständen rüsten die Mitglieder beider Teams dabei bis zu sechs Ausrüstungssets aus: Spione können sich z.B. unsichtbar machen, während Söldner eine mit Sprengstoff beladene Drohne steuern können. Durchschlagskraft seiner Waffen, nutzt geräuschlose Leisetreter als Schuhwerk, erhält Zugang zu Umgebungsscannern, die durch Wände blicken und, und, und.

Der Umfang ist bemerkenswert, so dass ich tatsächlich einen Agenten entwickle, der meiner Spielweise entspricht. Als martialischer Soldat könnte ich mit durchschlagkräftigen Geschützen und starker Rüstung den direkten Schusswechsel suchen, als „Panther“ meine Gegner mit rasanten Attacken außer Gefecht setzen und als Schleicher mit Erfahrungspunkten belohnt werden, wenn ich unentdeckt bleibe.

Ausgang oder USB?

Die Action ist dabei näher am modernen Deckungsshooter als im vergangenen Splinter Cell – ich habe mich aber fast vollständig auf das Leisetreten konzentriert. Das ist in meinen Augen immerhin der Kern des Spionagethrillers. Und es ist spätestens auf der höchsten Schwierigkeitsstufe ein Genuss! Denn diesmal denkt Ubisoft an die Heimlichtuer: Auf "Perfektionist" kann Sam nicht durch Wände sehen, das automatische "Markieren und Ausschalten" steht nicht zur Verfügung und er darf mitten im Einsatz keine Munitionskisten nutzen. Radar und Bildschirmanzeigen könnte ich außerdem fast komplett ausblenden.

So habe ich im Hin und Her mit aufmerksamen Feinden spannende Katz-und-Maus-Spiele erlebt, als ich mich im Rauch einer Granate aus einer Einkesselung befreit habe oder durch geschicktes Ablenken mehrere Gegner so von ihrem Posten ziehen konnte, dass für wenige Sekunden der Weg hinter ihnen frei wurde. Die Umgebung bietet zahlreiche Wege, oft auf mehreren Stockwerken. Bleibt die Frage, ob ich an den verwinkelten Schauplätzen jetzt noch das Risiko eingehen sollte, wertvolle Bonusziele auszuschalten, USB-Sticks zu sammeln oder Computer für zusätzliche Informationen zu hacken...

Ausblick

Als mir Regisseur Maxime Béland bei der ersten Vorstellung des neuen Splinter Cell sagte: "Ich wünschte, in Conviction hätte es mehr Möglichkeiten beim Schleichen gegeben" wusste ich, dass es einen Schritt in die richtige Richtung machen könnte – und als ich Blacklist zum ersten Mal ausführlich spielen konnte, wusste ich, dass es diesen Schritt tatsächlich geht! Meine Gegner reagieren schnell und schlagen mächtig zu, während mir für jede Situation viele Lösungen zur Verfügung stehen, die weit über "Töten oder davonlaufen?" hinausgehen. Ja, die Wachen reagieren nicht immer nachvollziehbar und auch die mächtigen Automatismen, mit denen Sam die Deckung wechselt oder mehrere Gegner ausschaltet, gefallen mir nicht. Ich vermisse zudem das aktive Knacken von Computern oder das Knacken verschlossener Türen. Wenn Blacklist vollständig überzeugen will, muss es sich hier und da noch beweisen. Doch mit seiner großen Handlungsfreiheit, den umfangreichen Entwicklungsmöglichkeiten sowie der gelungenen Herausforderung durch neue Gegnertypen und schwierige Bonusziele wird dieses Splinter Cell auf jeden Fall wieder richtig gute Stealth-Action inszenieren!

Einschätzung: gut

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