Doch die ersten Stunden versprechen sehr viel Spaß: Das beginnt bei der grenzgenialen Idee, ein Live-Rollenspiel zum Thema eines Action-Rollenspiels zu machen. Das setzt sich fort bei den Optionen der Charakter-Generierung des leider stummen Protagonisten, die sich in den entsprechenden Zwischensequenzen auch auf z.B. das Aussehen der Eltern auswirkt.
Bis auf den Juden sind die Charakter-Klassen typischer Fantasy-Standard
Und natürlich kann man sich nie sicher sein, was einem in der nächsten Sequenz an verqueren, obszönen oder fluchenden, jedoch größtenteils typisch witzigen Dialogen zu Gehör kommt. Wobei Der Stab der Wahrheit sich und den Hauptdarsteller auch nicht ernst nimmt - im besten Sinne. Rollenspieltypisch wird man irgendwann zur Eingabe seines Namens aufgefordert. Man überlegt (vielleicht) sorgsam und nachdem man sich Cartman vorgestellt hat, kriegt man zu hören, dass das alles zu kompliziert für ihn sei und wird von nun an als "Saftsack" oder "Sir Saftsack" (im englischen Original: Sir Douchebag) bezeichnet - viel typischer geht es kaum. Dabei ist aufgefallen, dass in der zur Verfügung stehenden Version nur deutsche Untertitel zur Verfügung standen. Auf Nachfrage bestätigte Ubisoft, dass Der Stab der Wahrheit tatsächlich nur in dieser Form (englische Sprachausgabe mit Untertiteln) erscheinen wird. Wer des Englischen nicht mächtig ist, wird dabei zwar vielleicht den einen oder anderen Wortwitz nicht umgehend erfassen, aber die lokalisierten Texte machten einen sehr guten Eindruck und nahmen auch kein Blatt vor den Mund.
Rollenspiel-Vergnügen
Was gehört zu einem guten Rollenspiel? Charakter-Entwicklung? Kämpfe? Eine große Spielwelt? Viel zu entdecken? Beute? Entscheidungen? Mit Obsidian sitzt ein Team an South Park, das viel Erfahrung in all diesen Bereichen sammeln konnte - immerhin stammen von den Mannen um Feargus Urquhart Titel wie
Star Wars: Knights of the Old Republic 2,
Fallout: New Vegas,
Neverwinter Nights 2 oder
Alpha Protocol. Und diese Expertise macht sich in vielen kleinen Bereichen immer wieder bemerkbar. Auch wenn das Mission-Design eher selten vom standardisierten "Gehe hierhin und hol dieses", "Laufe dorthin und kämpfe gegen jenes" oder einem Mix dieser Varianten abweicht, wobei der erzählerische Kontext stets southparkisch bleibt wie z.B. beim "Finde so viele Chinpokomon" wie möglich. Auch wenn das Stadtgebiet als Schauplatz insgesamt überschaubar ist und nicht so viel "Gegend" bietet wie z.B. New Vegas, ist es vollgestopft mit Geheimnissen und Easter Eggs, die natürlich vor allem Fans der Serie ansprechen. Hinter einem Baum lauert z.B. Al Gore, der einen auffordert, den Schweinebärmann zu finden. Im Pub befinden sich Bilder an der Wand, die auch auf Ereignisse aktueller Episoden Bezug nehmen. Man kann stets irgendwo irgendwelche Kisten erahnen oder Aufgaben vermuten, doch wie man dort hin kommt, um die darin befindliche Beute und Kohle einzusacken, bleibt mitunter ein Rätsel - zumal man mit seiner anfänglich nur aus zwei Personen bestehenden Kampfgruppe nur mit bestimmten Figuren Zugang zu bestimmten Orten erlangt.
Natürlich gibt es in South Park auch soziale Netzwerke, die ebenso sinnvoll (?) sind wie in der Realität.
Unabhängig davon, dass man erst Freunde finden und um sich scharen muss, die auf den sozialen Netzwerken (im Spiel) auch stets Kommentare zum Geschehen abgibt, ist die Auswahl der mit einen umher ziehenden Kinder taktischer geprägt, als es anfänglich den Anschein hat.
Denn auch im rundenbasierten Kampf ist es entscheidend, wen man dabei hat, damit die eigenen Fähigkeiten oder Schwächen ergänzt bzw. ausgeglichen werden können. Da die Charakterklassen Kämpfer, Magier und Dieb auf mich beim ersten Anspielen keinen Reiz ausüben konnten (um sie werde ich mich im Test kümmern), habe ich mich auf den Juden gestürzt. Von Cartman für das Live-Rollenspiel entworfen, ist die u.a. mit Jew-Jitsu kämpfende Figur insofern ungewöhnlich, da sie in dieser Form zum einen herrlich politisch inkorrekt ist, zum anderen mit der Prämisse "er wird stärker, je näher er dem Tode ist" seine Fähigkeiten vor allem in späteren Abschnitten zu ungewöhnlichen Ergebnissen führen könnten.