The Witcher 3: Wild Hunt28.06.2013, Michael Krosta
The Witcher 3: Wild Hunt

Vorschau:

Eine offene und lebendige Fantasywelt, schwierige Entscheidungen mit unvorhersehbaren Folgen, ein überarbeitetes Kampfsystem sowie ein gigantischer Umfang: CD Project hat sich für The Witcher 3: Wild Hunt (ab 21,19€ bei kaufen) viel vorgenommen, um in Eigenregie das Rollenspiel der nächsten Generation zu erschaffen. Was erwartet den Hexer im letzten Teil der Saga?

Moralisches Dilemma

Es sind Momente, die hängen bleiben: Auf seiner Odyssee landet der altbekannte Protagonist Geralt in einem kleinen Dorf, in dem eine Gruppe junger Leute den Witcher um Hilfe bittet, einen Waldgeist aufzuspüren und zu töten, da ihm immer wieder Einwohner zu Opfer fallen. Die Ältesten stellen sich dagegen quer, sehen sie in dem Wesen doch einen Schutzpatron, der zwar manchmal einen tödlichen Tribut fordert, dafür aber die örtlichen Jäger mit einer üppigen Jagdbeute segnet und den Dorfbewohnern eigentlich ein angenehmes Leben ermöglicht.

Die erste schwierige Entscheidung, der noch weitere folgen sollen. Geralt beschließt, den Waldgeist aufzuspüren und nutzt dafür seine neuen Witcher-Sinne, die neben einem extrem guten Gehör auch seine Beobachtungsgabe schärfen. In der neuen Ansicht wird die fantastische Kulisse in einen Grauschleier gehüllt, während wichtige Hinweise wie Kratz- oder Fußspuren farbig hervorgehoben werden und den Hexer auf die richtige Fährte führen. Nach der Analyse der Hinweise und einen Blick ins Geralts Monsterlexikon wird schnell klar: Bei dem Waldgeist handelt es sich um einen so genannten Leshen – ein halbwegs gefährliches Wesen, das über eine große magische Macht verfügt. Um das Biest zu erledigen, müssen daher erst drei Totems im Wald gefunden und zerstört werden. Erst danach kann sich Geralt auf die Suche nach dem Leshen begeben und versuchen, ihn zu vernichten.       

Kampfsystem mit mehr Möglichkeiten

Der Einsatz von Magie gehört zum Hexer einfach dazu.
Der Einsatz von Magie gehört zum Hexer einfach dazu.
Das Kampfsystem wurde überarbeitet, um vor allem die Duelle mit Waffen wie Schwertern, Dolchen oder Äxten authentischer einzufangen. Das ständige Rollen, mit dem man im Vorgänger noch ausgewichen ist, soll z.B. der Vergangenheit angehören. Hier werden Attacken ordentlich pariert und gekontert, auch wenn die vorgeführten Szenen noch etwas Dynamik vermissen lassen. Mit der Zeit lassen sich neue Blocks, Angriffe und Ausweichmanöver freischalten. Zudem wird man Gegner mit Magie-Einsatz betäuben, entflammen oder ihre Gedanken kontrollieren können. Geralt verfügt von Anfang an über die fünf Zauberzeichen, die sich hier in zwei Richtungen weiterentwickeln lassen. Neben dem Magie-Talentbaum kann man sich auch auf Alchemie oder den Schwertkampf spezialisieren. Selbst gebaute Bomben, Fallen und in Gift getauchte Klingen runden das Repertoire ab. Selbst die Umgebung lässt sich in die Kampfhandlungen einbinden. Man sollte also immer die Augen offen halten, ob man nicht z.B. irgendwo Hornissen aufschrecken oder aufgebahrte Holzfässer für seine Zwecke missbrauchen kann. War das Kampfsystem im Witcher 2 auf 20 Aktionen beschränkt, soll sich die Anzahl hier auf 96 erhöhen, wobei jeder der insgesamt 80 Feindtypen eine bestimmte Taktik erfordern soll. Auf Reaktionstests (Quick Time Events) oder geskriptete Angriffe will CD Project verzichten.

Das Verhalten der Widersacher soll von einem Moralsystem getragen werden: Erkennen sie, dass ihre Lage aussichtslos ist, rennen sie z.B. einfach weg, betteln um Gnade oder agieren panisch, indem sie nur noch wild um sich schlagen. Allerdings wollen die Entwickler die KI deutlich aufbohren, so dass sich Kampfverbände untereinander absprechen und Geralt gezielt in die Enge treiben. Im Gegensatz zur RPG-Konkurrenz wie Skyrim oder Metzeleien wie Dead Island werden die Gegner hier übrigens nicht mitleveln.

Handlungen und ihre Konsequenzen

Die offene Spielwelt bietet eine enorme Sichtweite und lädt mit ihrer liebevollen Gestaltung zum Erkunden ein.
Die offene Spielwelt bietet eine enorme Sichtweite und lädt mit ihrer liebevollen Gestaltung zum Erkunden ein.
Aber zurück zu unserem kleinen Dorf, das beim Thema Waldgeist in zwei Lager gespalten bleibt. Obwohl sich Geralt dazu entschlossen hat, das Biest zu jagen, wartet schon bald die nächste große Entscheidung: Um den Leshen endgültig zu erledigen, muss zuvor noch einer der Dorfbewohner getötet werden, da er unwissentlich von ihm mit einem magischen Zeichen markiert wurde, das wie eine Sicherheitsgarantie funktioniert. Wird der Träger des Zeichens nicht geopfert, wird der Waldgeist niemals sterben. Und schon wartet das nächste moralische Dilemma: Will man eine(n) Unschuldige(n), der oder die nicht einmal etwas von diesem unheilvollen Bund weiß, einfach so abschlachten? Egal wie man sich entscheidet: Die Konsequenzen der getroffenen Entscheidungen werden beim Abschluss der Nebenquest umgehend in einem kleinen Filmchen präsentiert, in dem das Schicksal des Dorfes verraten wird. Und es wird einem nicht immer gefallen, was man dort zu sehen bekommt...

Es sind gerade diese Entscheidungen, bei denen es oft kein Richtig oder Falsch gibt, mit denen CD Project die Spieler packen will – ähnlich wie es z.B. Yager bei Spec Ops: The Line getan hat. Nicht immer sind die Auswirkungen der Taten sofort ersichtlich: So kann es passieren, dass einem erst später in einem völlig anderen Zusammenhang und Schauplatz die Konsequenzen bewusst werden, wenn man in das Leben der NPCs eingreift, die alle ihrem Alltag nachgehen.

Lebendige Welt

In den Städten und Dörfern herrscht Leben.
In den Städten und Dörfern herrscht Leben.
Jäger marschieren zur Jagd, Kinder spielen auf den Straßen, Fischer wandern mit ihren Angeln in Richtung Fluss und der Schmied schlägt auf den den warmen Stahl ein – die Kulisse wirkt unglaublich lebendig! Nach dem vergleichsweise linearen Vorgänger wagen sich die Entwickler hier an eine offene Spielwelt, die Witcher 2 um das 35-fache (!) übertreffen soll und damit noch gigantischer als Skyrim ausfallen würde. 40 Minuten würde es dauern, auf dem Rücken eines Pferdes von einem zum anderen Ende zu reiten! Auch das Segeln gehört zu den neuen Aktivitäten, mit denen Geralt das Königreich erkundet, das in drei große Territorien aufgeteilt ist: Das kaum bevölkerte Niemandsland basiert auf slawischer Mythologie und besteht überwiegend aus schummrigen Sümpfen, dunklen Wäldern und weiten Feldern, die von der Anarchie gekennzeichnet sind, die in diesem Teil der Welt vorherrscht. Ganz anders Skellige, das von nordischen und keltischen Legenden inspirierte Areal, das vor allem von noblen Leuten, Barden und Druiden bevölkert wird. Klar, in bester Wikinger-Tradition dürfen auch die Langschiffe nicht fehlen, mit denen die Krieger über die Meere schippern. Da passt es gut, dass der Witcher mittlerweile das Schwimmen gelernt hat. Und dann gibt es noch Novigrad – eine Hafenstadt, die an das mittelalterliche Amsterdam angelehnt ist und von einem mächtigen Kult regiert wird, während im Untergrund der Schwarzmarkt floriert. Gerade dort wird auch das neue Wirtschaftssystem zum Tragen kommen, bei dem die Preise für Waren je nach Gebiet variieren. So steigt z.B. der Preis für Fisch konstant an, je weiter man sich vom Wasser wegbewegt. In anderen Bereichen sind dagegen bestimmte Ressourcen extrem gefragt. Wer clever handelt, wird also gute Geschäfte machen und das Geld u.a. ins Crafting investieren können, bei dem man seine Ausrüstung aufpoliert. Eine optionale Schnellreise-Funktion soll übrigens das Erkunden der Welt erleichtern und dem Spieler keine ewig langen Wege aufzwingen, wenn er es nicht möchte.

Die tolle Beleuchtung trägt zur Atmosphäre bei.
Die tolle Beleuchtung trägt im Zusammenspiel mit dem imposanten Wettersystem zur Atmosphäre bei.
Damit keine Langeweile aufkommt, soll der Spieler immer wieder auf interessante Schauplätze aufmerksam gemacht werden, wo potenzielle Nebenmissionen warten könnten. Eine Gruppe von fiesen Kerlen, die eine Frau bedrohen? Eine abgelegene Höhle, aus der seltsame Geräusche kommen? Das schreit doch geradezu danach, untersucht zu werden – wenn man es denn will. Eine offene Welt bedeutet immer Freiheit und so wird es dem Spieler auch hier überlassen, auf welche Situationen er sich einlässt und was er ignoriert. Doch auch hier gilt: Jede Handlung oder Nicht-Handlung zieht mögliche Konsequenzen nach sich. CD Project peilt eine Spielzeit von etwa 100 Stunden an, wobei sich Haupt- und Nebenquests etwa die Waage halten sollen. Mit drei spielbaren Epilogen und zwölf möglichen Zuständen der Spielwelt sollen sich insgesamt 36 mögliche Endsequenzen ergeben.

Überragende Technik

Ein Dorf in Flammen - und das ist nur der Anfang des Unheils, das die Wild Hunt über das Königreich bringen werden.
Ein Dorf in Flammen - und das ist nur der Anfang des Unheils, das die Wild Hunt über das Königreich bringen werden.
Technisch zählt das Rollenspiel mit zu den eindrucksvollsten Titeln, die man in diesem Jahr auf der E3 zu Gesicht bekam. Die Weitsicht ist schlichtweg phänomenal, auch wenn die Details in der Ferne nicht mehr so knackig scharf wirken wie im Vordergrund. Dort erfreut sich das Auge an an fantastischen Licht- und Partikeleffekten, einem großartigen Landschaftsdesign sowie einer üppigen Vegetation, bei der sich Bäume und Pflanzen im Wind wiegen. Besonders das dynamische Wettersystem hat mich in seinen Bann gezogen: Man erkennt schon in der Ferne, wie die Wolken aufziehen und sich der Himmel immer mehr verdunkelt. Peitscht dann irgendwann der Regen auf den nassen Waldboden, während bedrohliche Blitze den Himmel erleuchten und der Sturm die Äste durchwirbelt, kann man das Unwetter fast selbst spüren. Bleibt zu hoffen, dass nicht nur absolute High-End-PCs, sondern auch die neuen Konsolen diese visuelle Pracht der REDengine 3 stemmen können.

PC-Hexer werden vermutlich sogar Spielstände des Vorgängers importieren können, während die Funktion bei Xbox One und PS4 eher fraglich ist. Außerdem macht man sich bei den Entwicklern derzeit Gedanken über eine Companion-App, mit der man auch unterwegs Tränke brauen oder an der Ausrüstung feilen könnte.

Ausblick

Obwohl ich nicht unbedingt der größte Fan von Rollenspielen in Kombination mit offenen Welten bin, hat mich The Witcher 3: Wild Hunt extrem beeindruckt. Tatsächlich war es für mich einer der imposantesten Titel, die auf der diesjährigen E3 gezeigt wurden. Diese famosen Details von Kulisse und Figuren, diese grenzenlose Freiheit und vor allem die Hingabe, mit der CD Project dem Königreich Leben einhaucht – bei der Technik ziehen die Polen scheinbar alle Register! Doch auch inhaltlich finde ich vor allem den Fokus auf moralische Entscheidungen sehr interessant. Allerdings müssen die Entwickler noch beweisen, ob die Haupt- und Nebenquests tatsächlich 100 Stunden unterhalten können und die Aufgaben nicht nach kurzer Zeit zu eintönig werden. Sollten sie aber all ihre ambitionierten Pläne realisieren können, dürfte der Abschluss der Saga um den Hexer gleichzeitig ihr Höhepunkt werden. Mich hat Witcher 3 nach der umfangreichen E3-Präsentation jedenfalls verzaubert und in seinen Bann gezogen, so dass ich gar nicht anders kann, als meinem ersten persönlichen Besuch in der von Nilfgaard besetzten Welt entgegen zu fiebern, um herauszufinden, was es mit der Invasion der geisterhaften Reiter der Wilden Jagd auf sich hat und welche schweren Entscheidungen mir CD Project noch abverlangen wird. Die Vergabe unseres Fit4Hit-Stempels gehört da definitiv zu den einfachen...

Eindruck: sehr gut / Fit4Hit

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