The Witcher 3: Wild Hunt27.01.2015, Benjamin Schmädig

Vorschau: Die Jagd beginnt

2015 wird das Jahr des Witchers: Im Juni erscheint nicht nur der aktuelle Hexer-Roman in deutscher Sprache, CD Projekt veröffentlicht auch den letzten Teil der Videospiel-Trilogie. Während der polnische Autor Andrzej Sapkowskis dabei zu den Wurzeln seiner Geralt-Erzählungen zurückkehrt, zieht CD Projekt den Schlussstrich unter seine eigene Hexer-Saga. Doch auch dieses Abenteuer beginnt ganz am Anfang...

Etwas Unerwartetes

Es war ein rührender Moment, als ich sie zum ersten Mal mit eigenen Augen sah: Ciri trainierte im Hof der Burg, die den Hexern als Zuhause diente. Sie war ihrem Lehrer Vesemir glatt davon gelaufen, als der im Unterricht ein Nickerchen hielt. Das Trainingsduell mit Schwert und Holzdummy lag dem jungen Energiebündel wohl mehr als die trockene Theorie.

Es ist ein Rückblick, der mir als Einführung dient, als ich die ersten Stunden aus The Witcher 3 spiele. Geralt erinnert sich an Ciri, die in den Romanen eine so große Rolle spielt. Sie war wie eine Tochter zu ihm und kehrt jetzt, endlich, zurück. Einmal mehr soll sie der Schlüssel zur Geschichte sein. Das verrät mir der führende Autor des Rollenspiels, Jakub Szamalek, und behält die Einzelheiten für sich.

Yennefer

Der weite Blick über die Wälder um Kaer Morhen, das schöne Gesicht der Zauberin, hinter dem sie ihr wirkliches Alter magisch verbirgt, die zwanglose Ruhe des Augenblicks: Viel Zeit bleibt dem Hexer nicht, seinen Traum zu genießen. Bald erscheint wie aus dem Nichts der furchteinflößende König der titelgebenden Wilden Jagd über den Mauern der Burg – dann erwacht Geralt viele Jahre später.

Seine Wirklichkeit hat wenig mit der unbeschwerten Erinnerung zu tun. Nilfgaard hat sich die Reiche des Nordens Untertan gemacht und Geralt ist auf der Suche nach der Zauberin mit dem schönen Gesicht. Yennefer

Geralt und Vesemir trainieren mit der jungen Cirilla im Hof von Kaer Morhen.
hat um ein Treffen gebeten. Warum weiß er nicht. Also beginnt das dritte Spiel, als Geralt in einem kleinen Dorf Halt macht, um nach seiner großen Liebe zu fragen.

Bethesda hat den Weg gewiesen

The Witcher 3: Wild Hunt (ab 21,19€ bei kaufen) spielt in einer offenen Welt. Von Beginn an kann Geralt in jede Richtung reiten, um dem roten Faden zu folgen, Geschichten abseits davon zu erleben oder sich mit der Jagd auf Monster einen Lebensunterhalt zu verdienen. Denn genau wie BioWare mit Dragon Age: Inquisition orientiert sich auch CD Projekt an The Elder Scrolls 5: Skyrim. "Am meisten mochten wir das Entdecken", beschreibt Szamalek die Faszination. "Egal, wohin man kam, überall gab es etwas Interessantes zu sehen. Davon ließen wir uns inspirieren."

Große Höhlen wird es jedoch nicht geben – das passe nicht zur bodenständigen Fantasy des Witchers. Stattdessen soll der Kontinent aus kleinen Schauplätzen bestehen, die alle eine Geschichte haben. Manche erzählen die Bewohner selbst, manche erfährt Geralt aus Dokumenten. An der Anschlagtafel des ersten Orts hängen z.B. nicht nur Hilfegesuche, sondern auch Mitteilungen der neuen Regierung Nilfgaard an die Bevölkerung.

Immer plötzlich diese Plötzen

Famos, wie CD Projekt erneut eine lebendige Welt erschafft: Grüne Wälder erstrecken sich bis an die Füße schneebedeckter Berge, Bauern bewirtschaften ihre Felder und so lange er will, vertreibt sich der Hexer die Zeit mit einem edlen Sammelkartenspiel.

Menschen erzählen nicht wie Lexika von der Geschichte ihrer Welt, sondern berichten von Alltäglichem. Manches Leid kommentiert Geralt so ehrlich und trocken, dass es zynisch klingt. Andere Momente leben von einer naiven Leichtigkeit, wenn der Hexer etwa jedes seiner Pferde auf den Namen "Plötze" tauft. Jederzeit kann er sein Reittier rufen, um schneller ans Ziel zu gelangen.

Ist weniger genug?

Nicht, dass er es eilig hätte; das Abenteuer lässt sich Zeit. Obwohl die Geschichte den Kontinent verändern wird, hetzt sie mich nicht zu Aufgaben, deren einziger Sinn das Abarbeiten ist. Sobald Geralt einen neuen Ort erreicht, sehe ich auf einer Karte zwar wichtige Auftraggeber, werde allerdings nicht von Symbolen erschlagen. Ich bin noch nicht weit herumgekommen, doch in den ersten Stunden empfand ich die Weltkarte als gesunden Kompromiss zwischen Übersicht und Zurückhaltung.

Aufträge der Marke Hinlaufen-und-Aufheben gibt es ohnehin nicht und von manchen Quests erfährt der Hexer erst durch das Belauschen eines Gesprächs. Falls sich hinter einem Objekt ein Geheimnis verbirgt, muss er es vielleicht kaufen, bevor er ihm auf den Grund gehen kann. So beschreibt es Szamalek jedenfalls. Jeder Auftrag soll etwas Besonderes sein. Geralt soll nicht stets dasselbe machen, sondern überall etwas Neues erleben.

Hoch zu Ross reist der Hexer über den prachtvollen namenlosen Kontinent.

Tränke statt Listen

Und tatsächlich werden die Entwickler diesem Anspruch in den ersten Stunden mehr als gerecht. Ob Geralt Spuren verfolgt und Fallen baut, um ein Monster zu erlegen oder die Puzzlestücke eines Verbrechens zusammenfügt: Keine Quest ist das sich selbst erledigende Abhaken einer Liste.

Auf manche Herausforderungen sollte sich der Monsterjäger zudem gut vorbereiten, denn einige Gegner sind harte Brocken. In diesem Sinne passt es hervorragend in das moderne Rollenspielkonzept, dass Geralt schon in Sapkowskis Büchern u.a. Tränke braut, um seine Sinne zu schärfen. Die benötigten Kräuter findet er in der weitläufigen Welt. Das Horten von z.B. Kräutern gibt es also auch in hier – es hat allerdings einen unmittelbaren Nutzen.

Weshalb sie nicht loslässt

Solche Tränke können wichtig sein, denn so lange die Fähigkeiten des Hexers kaum entwickelt sind, stellen schon die ersten Aufträge ernstzunehmende Herausforderungen dar. Ich wollte etwa einem armen Schlucker helfen, der für sein krankes Kind dringend das Wasser aus einem dem von einem Geist bewachten Brunnen benötigte. Also ritt ich zum Brunnen und wurde von einer Erscheinung angegriffen, die Geralt als Mittagsbraut identifizierte.

Um eine solche Erscheinung endgültig loszuwerden, muss man sie nicht nur bekämpfen (tot ist sie schon), man muss auch einen Gegenstand verbrennen, der sie im Reich der Lebenden hält. Geralt untersuchte also die Umgebung, um zu verstehen, was dem Gespenst widerfahren ist und fand schließlich das zurückgebliebene Objekt.

Zeitspiele

Als er es verbrennt, beginnt mein erster großer Kampf; ein spannendes Duell wie ein kleiner Bosskampf – als Höhepunkt einer kleinen Nebenaufgabe! Die Mittagsbraut greift ja nicht nur schnell an, sie weicht auch geschickt aus und ist nahezu unverwundbar. Geralt muss deshalb einen Zauber nutzen, der den Geist innerhalb eines kleinen Areals materialisiert – nur dort ist seine Gegnerin verwundbar, kurzfristig. Durch cleveres Stellungsspiel muss er anschließend Wirkungstreffer landen, obwohl die Braut schweren Schlägen ausweicht und kleine Hiebe einfach wegsteckt. Zu allem Überfluss heilt sie sich im Handumdrehen, falls der Hexer nicht schnell genug ihre Trugbilder zerstört.

Schneller Streich, schwerer Hieb, Schritt zur Seite: Die Grundlagen scheinen oberflächlich. Der Monsterjäger schlägt zudem vom Pferd aus zu und schießt mit einer Armbrust. Feuer- und andere Zauber ergänzen sein Repertoire. Ein interessantes taktisches Element ist das Ausweichen, denn je länger ich die Taste drücke, desto weiter rückt Geralt zurück. Desto länger bleibt er vorher allerdings stehen.

Die Moral und der hungernde Geldbeutel

Warum er die Jagd auf gefährliche Monster überhaupt auf sich nimmt? Geralt ist ein Hexer. Als solcher wird er vielerorts zwar geschmäht, weil er durch Mutationen stärker und aufmerksamer als gewöhnliche Menschen ist.

Volksmusik und Orchester

Die Musik stammt diesmal nicht von Adam Skorupa, sondern aus der Feder von Marcin Przybylowicz sowie von der Gruppe Percival .

Letztere spielen u.a. Folk Metal, arranieren aber auch slawische Volksmusik - mit klassischen Instrumenten und auf teilweise moderne Art.

Ihre Musik verortet das dritte Witcher-Spiel auf einzigartige Weise in der mittelalterlichen Fantasy. Ausführliche Hörproben stellt Przybylwicz selbst zur Verfügung.

Als Namensgeber der Band diente übrigens eine Figur in Sapkowskis Hexer-Romanen. Es sind allerdings die, die den Menschen im Kampf gegen Monster helfen – gegen bare Münze.

Als gelungen empfinde ich deshalb das Feilschen um eine angemessene Belohnung. Nach unverschämten Forderungen lehnt ein Auftraggeber zwar schon mal dankend ab, ich konnte selbst einem armen Schlucker aber ein paar Münzen mehr entlocken als er ursprünglich zahlen wollte. Fieser noch: Nachdem Geralt die Mittagsbraut besiegt hatte, hätte er auf die Bezahlung verzichten können. Er war allerdings gerade knapp bei Kasse...

Was ist ein Rollenspiel?

Nach den Eckpfeilern eines guten Rollenspiels frage ich Szamalek, nachdem ich mehr als drei Stunden lang in der Welt des Hexers unterwegs war. "Glaubwürdige Charaktere, gut geschriebene Dialoge und interessante Entscheidungen" zählt er auf und ergänzt, dass CD Projekt an Entscheidungen "Schwarz oder Weiß", "Gut oder Böse" wenig Interesse hat.

Im Vergleich mit The Witcher 2 soll es zudem weniger Aufträge geben, die sich gegenseitig ausschließen. Vielmehr soll es in vielen Quests verschiedene Vorgehensweisen geben und viele Ergebnisse würden die Geschichte in markanter Weise beeinflussen.

Ich sehe was, was du nicht siehst!

Ein Beispiel dafür habe ich auf den Skellige-Inseln erlebt, auf die mich die Entwickler mit einem fortgeschrittenen Spielstand versetzten. Dort treffen sich Adlige zu einem Festgelage, als riesige Bären mitten in der Festhalle mehrere Besucher töten. Wie kamen die Tiere dorthin und wer ist dafür verantwortlich? Geralt nimmt die Suche nach Hinweisen und Tätern auf.

Dafür nutzt er wie in vielen anderen Situationen seinen Hexersinn: Aktiviere ich ihn, werden interaktive Gegenstände und Spuren markiert oder überhaupt erst angezeigt. Das unterstreicht Geralts besondere Fähigkeiten und verleiht seinem Handeln eine Ebene, die anderen Helden fehlt.

Trotzdem habe ich mich über den Hexersinn geärgert. Weil er sich aufdrängt. Ähnlich wie Garretts Fokusblick sowie das Hervorheben interaktiver Objekte in anderen Spielen zerstört die Markierung die Illusion echter Detektivarbeit. Wer die Hilfe nutzen möchte, soll das gerne tun! Ich kam mir jedoch veralbert vor, als ich offene Fässer untersuchen sollte – dies aber erst tun konnte, nachdem ich sie mit dem Hexersinn angeschaut hatte,

Die Jagd auf Monster gehört für den gelernten Hexer endlich dazu.
obwohl ich längst davor stand. Das ändert CD Projekt hoffentlich noch!

"Sein oder nicht Sein?"

Der Abstecher nach Skellige zeigt aber auch die Vielfalt des Abenteuers. Immerhin führt eine Reihe freiwilliger Aufgaben überhaupt erst zu dieser Quest. Und Geralt kann sich entscheiden: Will er sie als Detektiv zum größten Teil gewaltfrei erledigen oder fordert er die vermeintlichen Täter mit gezückter Klinge heraus? Gelegentlich kann er auf Gewalt verzichten. Wenn er in einer Theaterproduktion etwa auf der Bühne steht, muss er sich nicht nur auf seine Hexerkünste verlassen, beschreibt Szamalek eine Situation.

Die offene Welt soll schließlich dabei helfen, damit auch das Finale erinnerungswürdig wird. Weil Geralt den Kontinent frei bereisen und viele Aufträge in beliebiger Reihenfolge erledigen kann, sollen sich die letzten Stunden kompletter anfühlen als in den Vorgängern.

"Wir waren uns des Problems bewusst und […] denken, dass wir es dieses Mal vermieden haben", ist der Autor von seiner Arbeit überzeugt.

Ausblick

Durch The Witcher bin ich auf Geralt aufmerksam geworden, habe in der Zwischenzeit fast alle Geschichten mit ihm gelesen – jetzt bin ich gespannt auf den chronologischen Abschluss seines Abenteuers! Nicht nur aus Prinzip, sondern weil ich mich schon in den ersten Stunden sehr wohl in dem dritten Spiel gefühlt habe. CD Projekt inszeniert angenehm bodenständige, manchmal dreckige, teils wunderschöne Fantasy und hat mir besonders mit seinen interessanten Erlebnissen abseits der großen Erzählung den Mund wässrig gemacht. Endlich lerne ich Geralt auch spielerisch als Monsterjäger kennen und freue mich auf viele interessante Kurzgeschichten während seiner Reise. Enttäuscht bin ich nur vom Hexersinn, der mich auf der Suche nach Spuren zu sehr an die Hand nimmt. Und natürlich bleiben viele Fragen offen: zur Größe des Kontinents, zur Qualität der weiteren Ereignisse und zu der Frage, ob der taktische Kampf auch dann noch interessant ist, wenn Geralt stärker wird. Den Einstieg hat CD Projekt gemeistert – die Wilde Jagd kann beginnen!

Einschätzung: gut

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