The Evil Within06.06.2014, Michael Krosta

Vorschau: Der Survival-Horror-Remix

Mit The Evil Within (ab 4,79€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) kehrt Shinji Mikami zu seinen Wurzeln zurück: Der Vater von Resident Evil und einer der Mitbegründer des Survival-Horrors will nach seinen letzten Ausflügen in Action-Gefilde (Vanquish, Shadows of the Damned) die Spieler endlich wieder das Fürchten lehren. Wir  wollten herausfinden, ob die Ermittlungen von Detective Sebastian Castellanos für eine Gänsehaut sorgen können...

Zurück in die Vergangenheit

„Das kommt mir bekannt vor“, murmelt der Protagonist am Anfang des zweiten Abschnitts, den ich in einem abgedunkelten Büroraum am PC anspielen durfte. Und er spricht mir aus der Seele: Das alte Herrenhaus, das nach einem kurzen nächtlichen Spaziergang durch den Wald vor mir auftaucht, könnte genauso gut in den Arklay Mountains in der Nähe von Raccoon City stehen. Und im Inneren werden die Parallelen noch deutlicher – angefangen bei der typischen Vorhalle mit ihren geschwungenen Holztreppen über den ausgestopften Hirschkopf an der Wand und das Speisezimmer mit Kamin bis hin zum edlen Klavierflügel, bei dem man sich trotz der Stille unweigerlich die Klänge der Mondschein-Sonate vorstellt. Hier schreit tatsächlich alles nach Capcoms Klassiker und Mikami scheint es sichtlich zu genießen, sich selbst zu rezitieren.

Best of Horror

Die Standard-Gegner erinnern an eine Mischung aus Zombie und Las-Plagas-Infizierten.
Doch damit nicht genug, denn auch von anderen Horror-Spielen hat man sich offensichtlich inspirieren lassen:  Wenn man mit der Öllampe durch die dunklen Gänge schleicht, werden  Erinnerungen an Alan Wake oder Alone in the Dark als Vorreiter des Survival-Horrors wach. Verkriecht man sich unter dem Bett oder versteckt sich im Schrank und blinzelt vorsichtig durch den kleinen Spalt, kommen Outlast oder Silent Hill: Shattered Memories in den Sinn. Ein riesiger Typ mit Ledermaske? Texas Chainsaw Massacre lässt grüßen! Fiese Fallen wie Sprengsätze oder  tödliche Bedrohungen wie ein riesiger Fleischwolf, denen man nur mit schnellen Reaktionen und / oder einer ruhigen Hand entgehen kann, stehen dagegen ganz in der Tradition der Saw-Reihe. Gleiches gilt für den Ekel-Faktor, wenn man langsam einen Torso mit dem Jagdmesser öffnet oder sich in einem hüfthohen Blutbad wiederfindet, in dem zusätzlich noch abgetrennte Gliedmaßen umher schwimmen.

Auch beim Gegner-Design orientiert man sich vornehmlich an bekannten Mustern: Der Standardtyp präsentiert sich als eine Mischung aus Zombie und den Las-Plagas-Infizierten aus Resident Evil 4, wenn die Kerle mit ihren Pflöcken im

Statt Schlüssel ins Schlöss werden hier Nadeln in Gehirne gesteckt, um Türen zu öffnen.
Schädel auf mich zuwanken oder sich ihr Gesicht bei Beiß-Attacken zu einer hässlichen Fratze mit ausgerenktem Kiefer verwandelt. Und dann gibt es noch bizarre Kreaturen, die direkt einem japanischen Horrorfilm wie „The Grudge“ entsprungen sein könnten, darunter eine Kombination aus Spinne und Frauenkörper oder ein unbesiegbares Spektralwesen, das als älterer Bruder von Alma durchgehen und jederzeit auftauchen kann. Es scheint fast so, als wolle man hier alle erdenklichen sowie etablierte Horror-Elemente aufgreifen und sie zu einem „Best of“ verarbeiten.

Wo ist die Bedrohung?

Leider geht der Plan bisher nur im Ansatz auf – zumindest, soweit ich es nach den zwei Kapiteln beurteilen kann. Denn obwohl man versucht, alles aufzufahren, um Angst, Schrecken, Ekel und Panik zu verbreiten, will sich das Gefühl der Bedrohung noch nicht so richtig einstellen. Okay: Obwohl Bethesda mit einem spärlich beleuchteten Raum alles versucht hat, eine optimale Atmosphäre für das Anspielen zu schaffen, ist es trotzdem etwas anderes, wenn ich alleine im Dunkeln auf dem heimischen Sofa ums Überleben kämpfe. Zudem fehlten mir die inhaltlichen Zusammenhänge, da ich mit Ausschnitten aus Kapitel vier und acht quasi mitten in die Geschichte geworfen wurde.

Warum verstecken, wenn man Waffen hat?

Doch unabhängig davon kann sich der Horror für mich vor allem aus einem Grund noch nicht so recht entfalten: Selbst auf dem normalen Schwierigkeitsgrad hatte ich meist so viele Patronen und Waffen im Gepäck, dass ich mir keine großen Sorgen um meine Verteidigung machen musste, zumal ich im Gegensatz zu den alten Resi-Teilen auch gleichzeitig schießen und mich bewegen darf. Und selbst wenn der Vorrat knapp wurde, blieben oft noch die Fallen, in die ich meine Verfolger locken konnte. Nicht zu vergessen Nahkampf-Werkzeuge wie Äxte, die der Protagonist aber viel zu oft automatisch fallen lässt, wenn er mit beiden Händen hantieren muss. Zwar gibt es ein paar packende Fluchtsequenzen, die aber zu oft mit einem frustrierenden Trial & Error beginnen. Und auch kleine Psychospielchen, bei denen sich z.B. die Umgebung verändert und ich statt dem eben noch vorhandenen Ausgang plötzlich eine harte Betonwand vorfinde. Aber insgesamt ist mir der reine Action-Anteil hier eine Spur zu hoch. Das Arsenal ist aber auch zu verführerisch: Neben Klassikern wie Pistole, Shotgun und Granaten ist vor allem die Hightech-Armbrust interessant, die mit verschiedenen Munitionstypen bestückt werden kann. Mit einem Shock-Bolt versetzt man die Widersacher z.B. in eine Schockstarre – besonders effektiv im Wasser. Oder man greift zum Freeze-Bolt und verwandelt sie in einen Eiswürfel. Der Flash-Bolt blendet dagegen die Feinde, sodass sie sich anschließend einfach per Stealth-Kill ausschalten lassen. Letzteres hat bei mir unter normalen Umständen übrigens nie funktioniert, weil die Typen trotz meines Heranschleichens immer schon vorher auf mich aufmerksam wurden. Enttäuschend: Obwohl man penetrant mit Icons darauf hingewiesen wird, wo man sich

Autsch, das hat gesessen!
überall verstecken kann, habe ich die Möglichkeit nie gebraucht und folglich nur zum Spaß genutzt – kein Vergleich zu Outlast oder Shattered Memories, wo ich oft minutenlang unter Betten oder in Schränken gekauert habe. Evil Within erzeugt zwar durch das Zusammenspiel aus düsteren Schauplätzen und dem großartigen Sounddesign zunächst eine großartige Atmosphäre, schafft es aber (noch) nicht, ein echtes Gefühl der Bedrohung auszustrahlen.

Hirn-Piekser

Gut gefallen hat mir ein Rätsel: Das eigentliche Design ist zwar nicht unbedingt innovativ, die Umsetzung dagegen halbwegs kreativ. Statt nur drei Schlüssel zum Öffnen einer Tür zu finden, müssen hier drei Blut-Ampullen aktiviert werden, für die man zuvor jeweils eine Nadel an offen liegenden Gehirnen an den richtigen Stellen platzieren muss. Schade nur, dass einem die Lösung direkt auf dem Silbertablett serviert wird, denn schaut man sich an den Vorrichtungen um, findet man schnell eine Zeichnung, nach deren Betrachtung mit etwas Kombinationsgabe schnell klar wird, welche Region gepiekst werden muss. Trotzdem habe ich die Hoffnung, dass das fertige Spiel noch mehr in dieser Richtung anbieten und die grauen Zellen auch stärker fordern wird.  

Dicke Balken

Der cineastischen Aufmachung stehe ich noch zwiespältig gegenüber, obwohl ich eine filmreife Inszenierung in Spielen zu schätzen weiß. Warum nicht hier? Zum einen übertreibt man es in meinen Augen mit dem Griesel-Filter, sodass die Kulisse zu sehr auf den VHS-Look getrimmt wird. Zum anderen stört mich der relativ kleine Bildausschnitt, denn genau wie Quantic Dreams bei Beyond: Two Souls setzt auch Mikami auf Kinoformat 21:9 statt 16:9. Die Folge: Dicke schwarze Balken, mit denen die Entwickler zwar einige Ressourcen für die id-Tech-Engine sparen dürften, aber mir eine Nummer zu groß ausfallen.

Diesen Typen möchte man nicht zu nahe kommen!
Davon abgesehen leidet das technische Gerüst an den bekannten Problemen: Auf den ersten Blick sehen die Schauplätze klasse aus – vor allem hinsichtlich Beleuchtung und Effekten wie Staub und Nebel entsteht ein eindrucksvolles Gesamtbild. Doch im Detail zeigen sich wie z.B. bei Wolfenstein: The New Order die altbekannten Schwächen, wenn man sich Texturen oder manche Animationen genauer anschaut. Im Gegensatz zum „Regime-Shooter“ oder Rage peilt man hier außerdem auch auf den neuen Konsolen lediglich eine Bildrate von konstanten 30 FPS an – eine kleine Enttäuschung. Und auch wenn die Funktion in den Demo-Abschnitten noch nicht integriert war, empfinde ich das Aufsammeln von Schleimbehältern zum Aufrüsten von Waffen und Fähigkeiten schon jetzt als unglückliche Design-Entscheidung. Interessant wird auch die Umstellung des Checkpoint-Systems der Demo auf Speicherräume im Stil der alten Resi-Teile werden. Gerade angesichts mancher Trial&Error-Abschnitte könnte es extrem frustrierend werden, wenn man statt zum letzten Checkpunkt zum letzten Speicherraum zurückgesetzt wird, den man vor einer Stunde oder längerer Zeit besucht hat.

Ausblick

Vieles fühlt sich vertraut an, wenn ich mit Sebastian Castellanos durch alte Herrenhäuser, Irrenanstalten und Wälder streife, mich mit Verrückten sowie abartigen Kreaturen anlege und ums Überleben kämpfe. Vielleicht sogar etwas zu vertraut: Shinji Mikami greift zwar zahlreiche Elemente aus seiner eigenen Horror-Historie, von Mitbewerbern und Filmen auf, scheint mit dieser Mischung aus altbekannten Zutaten trotz interessanter Ansätze beim Rätseldesign aber keine frischen Impulse geben zu können. Das muss er auch nicht. Aber bisher liegt mir der Fokus zu sehr auf der Action und ich habe trotz der atmosphärischen Kulisse noch zu selten das Gefühl einer echten Bedrohung. Trotzdem kann sich der Horror in Ansätzen entfalten – sei es in Ekel-Szenen, kleinen Psychospielchen oder den grotesken Figuren. Deshalb reicht meine Einschätzung auch noch zu einem knappen „gut“, doch müssen die Entwickler von Tango Gameworks noch ordentlich zulegen, um abseits der Action für panischen Angstschweiß und Schnappatmung zu sorgen.

Einschätzung: gut

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.