The Division22.01.2016, Benjamin Schmädig

Vorschau: Auf Wiedersehen, Freizeit?

The Division (ab 4,25€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) ist nicht Destiny: Es ist kein Ego-, sondern ein Deckungsshooter und es spielt nicht in einer fernen Zukunft des Sonnensystems, sondern in einem New York nahe unserer Zeit. Es enthält zudem Elemente eines Online-Rollenspiels, nutzt diese aber auf ganz andere Weise. Und trotzdem ist The Division dem Spiel von Bungie näher als jedes andere.

Ein finsterer Winter

Hätte ein Aggressor im Jahr 2001 das Pockenvirus auf die USA losgelassen, wäre das Land ins Chaos gefallen. Das jedenfalls geht aus einer groß angelegten Simulation des Szenarios unter dem Namen Dark Winter hervor. Und genau auf diesem Szenario basiert The Division: Binnen weniger Tage nach Ausbruch einer Pocken-Epidemie sterben nicht nur Millionen von Menschen, auch die Infrastruktur bricht zusammen. Das Besorgen von Nahrungsmitteln wird so zur Herausforderung, Autos bleiben ohne Treibstoff liegen.

Es ist Winter in New York, genauer gesagt in Manhattan, dem Schauplatz des Spiels. Mal schneit es leise, mal verdeckt Nebel die Wolken, mal spiegeln sich Wolkenkratzer in eiskalten Pfützen: Das schwedische Studio Massive Entertainment (World in Conflict) hat den mittleren Streifen der New Yorker Insel über weite Strecken akribisch nachgebaut und in die kalte Jahreszeit versetzt. Andere Umgebungen gibt es zunächst nicht – diese eine ist dem ersten Eindruck nach aber eine weitläufige, umfangreiche Kulisse, in der Shooter-Spezialisten viel Zeit verbringen können.

Immer online...

"Viel Zeit", weil The Division ähnlich wie Far Cry oder Grand Theft Auto 5 eine offene Welt mit vielen großen und kleinen Missionen ist. Alleine oder bis zu viert kann man sich ohne eine einzige Ladeunterbrechung frei bewegen. Man begegnet Mitgliedern meist feindlich gesonnener Fraktionen, nimmt an Außenposten Aufträge an und kommt den vom

Ob alleine oder im Team: Im Wesentlichen bleibt man in The Division trotz der ständigen Onlinenanbindung unter sich.

Hauptquartier zugewiesenen Aufgaben nach. Die namensgebende Division wurde immerhin ins Leben gerufen, um Ordnung wiederherzustellen und ein Mittel gegen die Epidemie zu finden.

Im Großteil der Spielwelt sind dabei nur die Mitglieder eines Trupps unterwegs; Einzelgänger erleben The Division also als Einzelspiel. Ubisoft will durch die ständige Onlineanbindung lediglich das Gefühl einer belebten Welt erzeugen und nur ein Sammelplatz am Hafen dient als Lobby, also zum Finden von Mitspielern. In der so genannten Dark Zone, einem vom Rest Manhattans abgegrenzten Gebiet nahe des Times Square, herrschen zudem Zustände wie in DayZ. Dort gilt: Jeder darf gegen jeden kämpfen, auch gegen Mitglieder des eigenen Trupps. Dazu später mehr.

… stets alleine

Stets alleine ist man im Hauptquartier, denn selbst ein Team von vier Spielern darf die Basis zwar betreten und dort weiterhin miteinander kommunizieren, doch jedes Mitglied läuft stets durch seine eigene Version des Stützpunkts, weil die Gestaltung der Basis den eigenen Fortschritt widerspiegelt. Wer etwa viele Zivilisten gerettet oder andere Aufträge erledigt hat, sieht vielleicht ein Haus, in dem viele Menschen Unterschlupf finden, in dem musiziert wird oder das im Detail anders dekoriert ist. Neuankömmlinge finden eine sporadisch ausgestattete Basis vor.

In der Zentrale befinden sich außerdem Händler sowie drei wichtige Einrichtungen: die medizinische, die technologische und die einfach nur "Sicherheit" genannte und je weiter der Ausbau einer Abteilung fortschreitet, desto mehr aktive und passive Fähigkeiten stellt sie zur Verfügung. Jede Mission dient dabei der Entwicklung einer der drei Säulen. Die Wahl des Auftrags ist also der erste Schritt der Charakterentwicklung.

Von Heilern und Panzern

Bis zu drei Fähigkeiten können die Division-Agenten aktiv nutzen: Sie heilen sich und ihre Kameraden, markieren Gegner, stellen einen automatischen Geschützturm ab, rücken mit einem Schild in Richtung Feind vor, erhöhen Geschwindigkeit, Rüstung oder den ausgeteilten Schaden aller Mitstreiter und mehr. Mit passiven Fähigkeiten nehmen sie beim Wechseln der Stellung hingegen weniger Schaden, sie bewegen sich schneller, nachdem sie einen Gegner mit Sperrfeuer am Platz festgehalten haben oder richten mit einem Kopfschuss mehr Schaden an, als er es ohnehin tun würde. Bis zu vier solcher Fähigkeiten aktiviert man, während man dem Alter Ego durch Perks weitere Besonderheiten hinzufügt. In dieser Hinsicht ist der Shooter also tatsächlich ein Rollenspiel.

Und das hat sich in Sachen Fähigkeiten ja längst nicht erschöpft; schließlich passt man auch Ausrüstung und Waffen an taktische Notwendigkeiten sowie das bevorzugte Vorgehen an. So lassen sich manche Waffenteile modifizieren, um ihre Eigenschaften zu ändern. Wer etwa gerne aus der Distanz und in Ruhe mit einem Scharfschützengewehr

Dauerbrenner?

Massive Entertainment will The Division lange unterstützen: Die Entwickler erwähnen in diesem Zusammenhang Updates und Downloadinhalte, wollen auf Mikrotransaktionen aber verzichten. Kosmetische Inhalte sollen für Echtgeld erhältlich sein - auf Einzelheiten gingen aber weder Massive noch Publisher Ubisoft bisher ein.

zielt, könnte eine Modifikation zu schätzen wissen, die eine Idee weniger Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ein Großteil der Gefechte dreht sich immerhin um geschicktes Flankieren und das Vermeiden desselben.

Wenn Waffen Namen tragen

Besonders starke Waffen verfügen nicht zuletzt über weitere Besonderheiten – etwa höheren Schaden, wenn man sich weit vom Ziel entfernt befindet –, die allerdings nur dann aktiviert sind, wenn der Besitzer auch Ausrüstung mit ganz bestimmten Eigenschaften trägt. Besitzt man alle Teile eines besonderen Typs Ausrüstung verleihen diesen zudem weitere Eigenschaften. Online- und Action-Rollenspieler kennen das: Für die perfekte Ausstattung muss man viele Einzelteile zusammentragen, sprich etliche Stunden lang Missionen erledigen und nach Verstecken suchen. Denn nach jedem Kampf lassen besiegte Gegner Munition und Gegenstände fallen – oft unnützer Krempel, der nur als Einnahmequelle dient, mitunter aber auch nützliche Ausrüstung. Und immerhin: Geld könnte in The Division verdammt wichtig sein, weil Händler nicht nur als Resterampen dienen, sondern stets mächtige Ausrüstung anbieten sollen. Hoffentlich halten die Entwickler dieses lobenswerte Versprechen!

Besondere Waffen, die sogar einen Namen tragen, erhält man übrigens nicht nach Abschluss von Missionen; sie liegen an ganz bestimmten Orten außerhalb der Dark Zone. Im PvP-Areal wird es zwar einzigartige Gegenstände geben, aber keine, die Vorteile gegenüber anderer Ausrüstung verleihen. Und während man jeden Auftrag in einem

Bevor man das Hauptquartier nutzen kann, muss man sich erst einmal dahin durchschlagen.

von drei Schwierigkeitsgraden angeht (der "normale" Teil Manhattans wird von unterschiedliche starken Fraktionen bevölkert), erhalten fortgeschrittene Spieler eine weitere Möglichkeit ihr Können unter Beweis zu stellen. Einzelheiten dazu hielt Ubisoft auf der Vorschau-Veranstaltung aber selbst auf Nachfrage unter Verschluss.

Nicht der Cleverste

Ein Shooter also, eingebettet in das erhofft langlebige Konzept des ewigen Suchens und Sammelns und Kämpfens um bessere Ausrüstung und Fähigkeiten – Destiny diente Entwickler Massive Entertainment nicht als Vorlage, dennoch sind sich die beiden Spiele in ihrer Ausrichtung sehr ähnlich. Abgesehen von vielleicht einem Punkt: Der Shooter in The Division fühlt sich längst nicht so gut an, nicht so auf den Punkt fesselnd wie sein Gegenstück in Destiny. Dazu ist das Zielen eine Idee zu ungenau, dazu passt das Schießen aus der Deckung etwas zu schlecht zum ausufernden Dauerfeuer, das man oft auf die Gegner richten muss. Dazu beschränkt sich das Verhalten der Gegner außerdem zu sehr auf ein profanes "Deckung, Vorrücken, Schießen" und dazu fehlt auch eine zerstörbare Umgebung. Beides trifft auch auf Destiny zu – in einer stärker von Taktik geprägten Action wie sie The Division anstrebt wäre es aber wünschenswert.

The Division ist kein schlechter Shooter! Es ist allerdings nicht der clevere Shooter, nach dem es zunächst aussah. Der Grund ist vermutlich das Rollenspiel, das hinter den Kulissen der Schusswechsel rechnet. Denn aufgrund dieser Zahlenspiele kann ein Kopfschuss eben nicht per se tödlich sein – er richtet nur prozentuell größeren Schaden an. Es fällt hier einfach unangenehm auf, dass jeder Gegner wenig mehr als eine bewegliche Zahlenmaschine ist: X Punkte steckt er ein, Y Punkte teilt jeder Schuss aus und auf den höheren Schwierigkeitsgraden ist das Verhältnis so ulkig, dass man selbst in einfachsten Handlangern ganze Kopfschuss-Salven versenkt, bevor sie zu Boden gehen.

Und noch eine weitere Eigenheit teilt sich das Spiel mit dem Bungie-Shooter: Missionen führen meist von einer "Arena" in die nächste, wo Gegner in mitunter zahlreichen Wellen aus ihren Verstecken gekrochen kommen. So anspruchsvoll und spannend die Gefechte bereits auf der mittleren Schwierigkeitseinstellung sind, so banal ist die Missionsgestaltung der ersten Stunden. Selbst bisher gezeigte Bosse waren kaum mehr als stark gepanzerte "Upgrades" ihrer Gefolgschaft.

Es steckt ja trotzdem Taktik drin und deshalb sind zumindest die ersten Stunden richtig spannend. Das Flankieren ist etwa enorm wichtig, mitunter gibt es erhöhte Positionen und sowohl Rauch- als auch Splittergranaten können auf

Der Eindruck täuscht: Die Action ist weniger taktisch geprägt als es den Anschein hat.

beiden Seiten für große Unruhe sorgen. Sperrfeuer nagelt Gegner zudem an ihrer aktuellen Position fest, während die Fähigkeiten der Division-Agenten die Zusammenarbeit der Spieler fördern. Vor allem das Umlaufen von Positionen verstehen die Gegner – ein gutes Auge für die Entwicklung eines Feuergefechts ist daher von Vorteil.

"Friendly!"

In der Dark Zone spielt Taktik natürlich eine viel größere Rolle, denn obwohl auch dort vom Spiel gesteuerte Figuren unterwegs sind, dreht sich in dem PvP-Gebiet alles um das Aufeinandertreffen von Spielern. „Aufeinandertreffen“, wohl gemerkt, denn eine Konfrontation muss nicht in einem Schusswechsel enden. Vielleicht haben zwei Teams ja kein Interesse daran, sich gegenseitig das Leben schwer zu machen, und suchen stattdessen lieber friedlich nach Ausrüstung – das ruhige Sammeln soll auch in der Dark Zone einen hohen Stellenwert einnehmen. Vielleicht wollen zwei Teams auch gemeinsam einen wertvollen Gegenstand bergen. Immerhin dauert es seine Zeit, bevor ein Hubschrauber ankommt, um das markierte Objekte herauszuholen. In der Zwischenzeit können gierige Gegner beliebig attackieren – die Leuchtfeuer-Markierungen sind ja auch außerhalb der Dark Zone sichtbar – und das Objekt im schlimmsten Fall gar kapern.

Und vielleicht war man mal wieder nicht vorsichtig genug und hat sich einen Kameraden ins Team geholt, der kurz vor Ablauf der Extraktion einfach sein gesamtes Team meuchelt, um die Beute einzuheimsen! Je häufiger man auf menschliche Charaktere schießt, desto länger wird man zwar für jeden Spieler innerhalb der Dark Zone als Angreifer gekennzeichnet. Aber mit dem richtigen Timing...

Ausblick

Ganz ähnlich wie Destiny hat The Division das Zeug zu einem mächtig fiesen Zeitfresser! Denn die Macher von Ground Control und World in Conflict haben sich ganz genau angeschaut, wie man moderne Spieler lange bindet: Man füttert sie mit unzähligen Ausrüstungsgegenständen, die in mehrschichtiger Abhängigkeit voneinander das Vorhandensein weiterer Gegenstände erfordern, während der rollenspielartige Ausbau vieler aktiver und passiver Fähigkeiten das Erledigen zahlreicher Missionen fordert. Bringt man Solisten, Teamplayer und den Rest der Welt zudem in einer Onlinewelt zusammen, ist da immer jemand, mit dem man spielen kann – das ist das Rezept, mit dem Massive Entertainment reizvolle Schubser ans Gamepad oder Maus und Tastatur auslösen will. Und tatsächlich macht das Zusammenspiel in einem Trupp zumindest in den ersten drei Stunden viel Spaß, wenn durch taktische Stellungswechsel, Sperrfeuer und den geschickten Einsatz verschiedener Fähigkeiten aufregende Gefechte entstehen. Schade nur, dass ausgerechnet die Action selbst mit ihrem seelenlosen Abschießen ständig nachrückender Kugelschlucker in hintereinander gesteckten Arenen ein großer Schwachpunkt zu sein scheint. Ob das kooperative Zusammenspiel und das motivierende Rollenspiel diese Schwäche auch auf Dauer ausgleichen, müssen die langen Abende des Tests zeigen.

Einschätzung: gut

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